Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

I. Sozialrechtliche Abteilung, Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten 8C.941/2015
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Bundesgericht
Tribunal fédéral
Tribunale federale
Tribunal federal

[8frIR2ALAGK1]     
{T 0/2}
                   
8C_941/2015

Urteil vom 15. Februar 2016

I. sozialrechtliche Abteilung

Besetzung
Bundesrichter Maillard, Präsident,
Bundesrichterin Heine, Bundesrichter Wirthlin,
Gerichtsschreiber Krähenbühl.

Verfahrensbeteiligte
A.________,
vertreten durch Rechtsanwalt Matthias Frey,
Beschwerdeführerin,

gegen

Verwaltungsgericht des Kantons Bern, Sozialversicherungsrechtliche Abteilung,
Speichergasse 12, 3011 Bern,
Beschwerdegegner.

Gegenstand
Invalidenversicherung (vorinstanzliches
Verfahren, unentgeltliche Rechtspflege),

Beschwerde gegen die Verfügung des Verwaltungsgerichts des Kantons Bern vom 24.
November 2015.

Sachverhalt:

A. 
Nach durchgeführtem Vorbescheidverfahren ist die IV-Stelle Bern auf das
Begehren von A.________ (Jg. 1992) um Arbeitsvermittlung mit Verfügung vom 10.
August 2015 zufolge Verletzung der Mitwirkungspflicht bei der
Anspruchsabklärung nicht eingetreten.

B. 
Beschwerdeweise liess A.________ dem Verwaltungsgericht des Kantons Bern die
Aufhebung dieser Verfügung und die Verpflichtung der IV-Stelle, weiterhin
berufliche Eingliederungsmassnahmen zu gewähren, beantragen. Zudem ersuchte sie
um Gewährung unentgeltlicher Rechtspflege für das kantonale Gerichtsverfahren.
Mit Verfügung vom 24. November 2015 wies das kantonale Gericht das Gesuch um
unentgeltliche Rechtspflege indessen wegen Aussichtslosigkeit der erhobenen
Beschwerde ab und forderte A.________ gleichzeitig auf, bis am 6. Januar 2016
einen Kostenvorschuss von Fr. 800.- zu bezahlen.

C. 
Dagegen lässt A.________ beim Bundesgericht Beschwerde führen mit dem Antrag,
die vorinstanzliche Verfügung vom 24. November 2015 sei aufzuheben und das
kantonale Gericht anzuweisen, ihr für das dortige Verfahren unentgeltliche
Rechtspflege zu gewähren; der Beschwerde ans Bundesgericht sei aufschiebende
Wirkung zu erteilen. Zudem ersucht sie auch für das Verfahren vor Bundesgericht
um unentgeltliche Rechtspflege.

Das kantonale Gericht verzichtet ausdrücklich auf die ihm vom Bundesgericht
eingeräumte Möglichkeit zu einer Stellungnahme zur Beschwerde.

Erwägungen:

1. 
Die durch Zwischenentscheid verfügte Ablehnung der unentgeltlichen Rechtspflege
ist nach der zu Art. 93 BGG ergangenen ständigen Rechtsprechung selbstständig
mit Beschwerde anfechtbar, da der Beschwerdeführerin sonst ein nicht wieder
gutzumachender Nachteil droht, dies allein schon wegen der unter Fristansetzung
erfolgten Erhebung eines Kostenvorschusses (vgl. BGE 139 V 600; SVR 2009 UV Nr.
12 S. 49 E. 2 [= Urteil 8C_530/2008]; Urteile 9C_598/2015 vom 4. November 2015
E. 2 und 8C_646/2015 vom 18. Dezember 2015 E. 1). Auf die Beschwerde ist daher
einzutreten.

2.

2.1. Nach Art. 29 Abs. 3 BV hat jede Person, die nicht über die erforderlichen
Mittel verfügt, Anspruch auf unentgeltliche Rechtspflege, wenn ihr
Rechtsbegehren nicht aussichtslos erscheint; soweit es zur Wahrung ihrer Rechte
notwendig ist, hat sie ausserdem Anspruch auf unentgeltlichen Rechtsbeistand.

2.2. Als aussichtslos sind nach der bundesgerichtlichen Praxis Prozessbegehren
anzusehen, bei denen die Gewinnaussichten beträchtlich geringer sind als die
Verlustgefahren und die deshalb kaum als ernsthaft bezeichnet werden können.
Dagegen gilt ein Begehren nicht als aussichtslos, wenn sich Gewinnaussichten
und Verlustgefahren ungefähr die Waage halten oder jene nur wenig geringer sind
als diese. Massgebend ist, ob eine Partei, die über die nötigen Mittel verfügt,
sich bei vernünftiger Überlegung zu einem Prozess entschliessen würde (BGE 139
III 396 E. 1.2 S. 397; 138 III 217 E. 2.2.4 S. 218). Wie es sich damit verhält,
prüft das Bundesgericht in tatsächlicher Hinsicht unter dem Blickwinkel der
Willkür, in rechtlicher Hinsicht grundsätzlich mit freier Kognition (BGE 129 I
129 E. 2.3.1 S. 136 mit Hinweisen; Urteil 8C_646/2015 vom 18. Dezember 2015 E.
2.2). Es ist dabei nicht Aufgabe des Bundesgerichts, dem Sachgericht
vorgreifend zu prüfen, ob das vom Beschwerdeführer im kantonalen Verfahren
gestellte Begehren zu schützen sei oder nicht, sondern lediglich, ob der von
der bedürftigen Partei verfolgte Rechtsstandpunkt im Rahmen des sachlich
Vertretbaren liegt beziehungsweise nicht von vornherein unbegründet erscheint (
BGE 119 III 113 E. 3a S. 115). Das vorinstanzliche Gericht hat sich bei der
Beurteilung der Aussichtslosigkeit der Prozessbegehren im Rahmen des Entscheids
über die unentgeltliche Rechtspflege auf eine vorläufige und summarische
Beurteilung der Prozessaussichten zu beschränken (Urteil 4A_336/2008 vom 2.
September 2008 E. 5.2).

3. 

3.1. Die Qualifizierung der ihm eingereichten Beschwerde als aussichtslos
begründete das kantonale Gericht in der angefochtenen Verfügung vom 24.
November 2015 damit, dass das Verhalten der Beschwerdeführerin klar ihr
fehlendes Interesse an der gebotenen Hilfestellung bei der Stellensuche
(Stellenvermittlung) gezeigt habe. Die gegen die Nichteintretensverfügung vom
10. August 2015 erhobene Beschwerde erscheine deshalb nach summarischem Studium
der Aktenlage als aussichtslos, sodass das Gesuch um unentgeltliche
Rechtspflege und Beiordnung ihres Vertreters als amtlicher (unentgeltlicher)
Rechtsbeistand abzuweisen sei.

3.2. In materieller Hinsicht überzeugt diese Beurteilung. Weder ist sie
rechtswidrig noch beruht sie auf unrichtigen Sachverhaltsfeststellungen, was in
der Beschwerdeschrift denn auch nicht behauptet wird. Die Beschwerdeführerin
hatte - seinerzeit mit Unterstützung der Invalidenversicherung - eine Anlehre
als Coiffeuse absolviert, in der Folge jedoch mangels eidgenössischer
Anerkennung ihres Abschlusses keine entsprechende Stelle finden können. Es
standen zuletzt die Möglichkeit einer erweiterten Ausbildung (Lehre mit Erwerb
eines Eidgenössischen Fachzeugnisses [EFZ]) und - als Alternative dazu - die
Aufnahme einer Tätigkeit als Verkäuferin im Detailhandel zur Diskussion.
Hinsichtlich des definitiv einzuschlagenden Weges blieb die Beschwerdeführerin
unschlüssig, was wohl als Hauptgrund dafür zu sehen ist, dass die Anhandnahme
der Stellenvermittlung ins Stocken geriet. Bei beiden Varianten jedoch wäre die
IV-Stelle jedenfalls jederzeit bereit gewesen, im Sinne einer
Stellenvermittlung behilflich zu sein, was sie der Versicherten mit Schreiben
vom 15. und 29. April 2015 denn auch - verbunden mit der Aufforderung zur
Mitwirkung unter Fristansetzung - ausdrücklich bekannt gegeben hat. Ihr
gegenüber kann insoweit jedenfalls keinerlei Vorwurf gemacht werden. Die
Beschwerdeführerin ihrerseits hingegen traf über Monate hinweg keine Anstalten,
um ihr berufliches Fortkommen aktiv zu fördern statt es gar selbst zu
behindern. Damit hätte sie dem - primär zwar von der Verwaltung zu beachtenden
- angesichts der im Raum stehenden zusätzlichen Ausbildung aber durchaus auch
in ihrem eigenen Interesse liegenden Beschleunigungsgebot entgegengekommen
können. Da dies über längere Zeit unterblieben ist, scheint das schliesslich -
wie zuvor angedroht - verfügte Nichteintreten auf ihr Anliegen, eine
Arbeitsvermittlung zu erhalten, zumindest bei der - im aktuellen
Verfahrensstadium korrekten (E. 2.2 hievor) - summarischen Prüfung
folgerichtig. Dass die Vorinstanz das dagegen ergriffene Rechtsmittel als
aussichtslos betrachtete und deswegen nicht bereit war, die beantragte
unentgeltliche Rechtspflege zu gewähren, ist unter diesen Umständen nicht zu
beanstanden.

3.3. Daran vermögen auch die in der Beschwerdeschrift erhobenen Einwände
formeller Art nichts zu ändern. Dass die Vorinstanz der ihr eingereichten
Beschwerde - wiederum bei bloss summarischer Prüfung (E. 2.2 hievor) - wegen
der darin in formeller Hinsicht erhobenen Kritik an der administativen
Erledigungsart mittels Nichteintreten keine nennenswerten Erfolgsaussichten
einzuräumen bereit war, ist vor dem Hintergrund der Regelung in Art. 43 ATSG
nicht zu beanstanden. Diese Bestimmung sieht in Abs. 3 Satz 1 ausdrücklich vor,
dass bei unentschuldbar ausbleibender Erfüllung der Auskunfts- und
Mitwirkungspflicht eines Leistungsansprechers aufgrund der Akten verfügt oder
die Erhebungen eingestellt und Nichteintreten beschlossen werden kann. Im
Zeitpunkt des Verfügungserlasses am 10. August 2015 ging es einzig darum, den
Anspruch auf noch zu erbringende Leistungen abzuklären. Nachdem diesbezügliche
Erkenntnisse aus allein von der Beschwerdeführerin zu vertretenden Gründen
verunmöglicht wurden, ist kaum ersichtlich, inwiefern deren
Leistungserwartungen anders als durch Nichteintreten hätte begegnet werden
können. Ebenso wenig ist aufgrund der Aktenlage auszumachen, inwiefern die
Beschwerdeführerin über die Folgen ihres Verhaltens vorgängig nicht hinreichend
informiert worden sein sollte. Auch unter diesem Aspekt erscheinen die
Erfolgsaussichten der bei der Vorinstanz anhängig gemachten Beschwerde nicht in
einem günstigeren Licht. Insbesondere die Aufforderung zur Mitwirkung vom 29.
April 2015 beliess kaum mehr Raum für irgendwelche Missverständnisse oder
Unklarheiten. Im Rahmen der Prüfung des Anspruches auf unentgeltliche
Rechtspflege konnte das kantonale Gericht nach dem Gesagten insgesamt durchaus
auf Aussichtslosigkeit der Beschwerde erkennen.

4. 

4.1. Die Ausführungen in der Beschwerdeschrift bieten dem Bundesgericht somit
keine Veranlassung, die angefochtene vorinstanzliche Verfügung vom 24. November
2015 antragsgemäss aufzuheben.

4.2. Das Gesuch um aufschiebende Beschwerdewirkung ist bereits dadurch
gegenstandslos geworden, dass das kantonale Gericht - nachdem es vom
ergriffenen Rechtsmittel ans Bundesgericht Kenntnis erhalten hatte - die zur
Bezahlung des verlangten Kostenvorschusses gesetzte Frist mit Verfügung vom 4.
Januar 2016 ausgesetzt hat. Der Beschwerdeführerin muss indessen die
Möglichkeit eingeräumt werden, den verlangten Kostenvorschuss noch zu bezahlen,
wofür ihr die Vorinstanz eine neue Frist ansetzen wird.

5. 
Das Verfahren ist kostenpflichtig (Art. 65 BGG). Die Gerichtskosten werden der
Beschwerdeführerin als unterliegender Partei auferlegt (Art. 66 Abs. 1 BGG).
Ihrem Gesuch um unentgeltliche Rechtspflege für das bundesgerichtliche
Verfahren (im Sinne der vorläufigen Befreiung von den Gerichtskosten und der
Gewährung der unentgeltlichen Verbeiständung) kann indessen entsprochen werden,
da die Bedürftigkeit ausgewiesen ist, die Beschwerde nicht als aussichtslos zu
bezeichnen und die Vertretung durch eine Rechtsanwältin oder einen Rechtsanwalt
geboten war (Art. 64 Abs. 1 und 2 BGG). Ausdrücklich wird auf Art. 64 Abs. 4
BGG aufmerksam gemacht, wonach die begünstigte Partei der Gerichtskasse Ersatz
zu leisten haben wird, wenn sie später dazu im Stande ist.

Demnach erkennt das Bundesgericht:

1. 
Die Beschwerde wird abgewiesen.

2. 
Der Beschwerdeführerin wird die unentgeltliche Rechtspflege gewährt und
Rechtsanwalt Matthias Frey wird als unentgeltlicher Anwalt bestellt.

3. 
Die Gerichtskosten von Fr. 800.- werden der Beschwerdeführerin auferlegt, indes
vorläufig auf die Bundesgerichtskasse genommen.

4. 
Dem Rechtsvertreter der Beschwerdeführerin wird aus der Bundesgerichtskasse
eine Entschädigung von Fr. 2'800.- ausgerichtet.

5. 
Dieses Urteil wird den Parteien, der IV-Stelle Bern und dem Bundesamt für
Sozialversicherungen schriftlich mitgeteilt.

Luzern, 15. Februar 2016

Im Namen der I. sozialrechtlichen Abteilung
des Schweizerischen Bundesgerichts

Der Präsident: Maillard

Der Gerichtsschreiber: Krähenbühl

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