Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

I. Sozialrechtliche Abteilung, Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten 8C.926/2015
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Bundesgericht
Tribunal fédéral
Tribunale federale
Tribunal federal

[8frIR2ALAGK1]     
{T 0/2}
                   
8C_926/2015

Urteil vom 11. April 2016

I. sozialrechtliche Abteilung

Besetzung
Bundesrichter Maillard, Präsident,
Bundesrichter Ursprung, Frésard,
Gerichtsschreiber Lanz.

Verfahrensbeteiligte
A.________,
vertreten durch Rechtsanwalt Beat Luginbühl,
Beschwerdeführerin,

gegen

IV-Stelle Bern,
Scheibenstrasse 70, 3014 Bern,
Beschwerdegegnerin.

Gegenstand
Invalidenversicherung (Invalidenrente),

Beschwerde gegen den Entscheid des Verwaltungsgerichts des Kantons Bern
vom 6. November 2015.

Sachverhalt:

A. 
Die 1967 geborene, zuletzt als Marketing-Assistentin tätig gewesene A.________
meldete sich im August 2012 unter Hinweis auf eine Narkolepsie bei der
Invalidenversicherung zum Leistungsbezug an. Die IV-Stelle Bern unterstützte
die Versicherte bei der Stellensuche und sprach ihr Arbeitsversuche in den
Bereichen Sekretariat und Administration zu. Eine Anstellung kam nicht
zustande. Am 16. Februar 2015 verfügte die IV-Stelle den Abschluss der
Arbeitsvermittlung. Mit Verfügungen vom 18. Juni und 20. Juli 2015 sprach sie
der Versicherten gestützt auf erwerbliche und medizinische Abklärungen ab 1.
Juni 2013 bei einem Invaliditätsgrad von 64 % eine Dreiviertelsrente zu.

B. 
A.________ erhob Beschwerde mit dem Rechtsbegehren, die Verfügungen vom 18.
Juni und 20. Juli 2015 seien aufzuheben und es sei ihr ab 1. Juni 2013 eine
ganze Invalidenrente zuzusprechen. Das Verwaltungsgericht des Kantons Bern wies
die Beschwerde mit Entscheid vom 6. November 2015 ab.

C. 
Mit Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten beantragt A.________
die Aufhebung des kantonalen Entscheides und erneuert ihr vorinstanzliches
Leistungsbegehren.
Die IV-Stelle stellt unter Hinweis auf den vorinstanzlichen Entscheid, ohne
sich weiter zur Sache zu äussern, den Antrag, die Beschwerde sei abzuweisen.
Das Bundesamt für Sozialversicherungen verzichtet auf eine Vernehmlassung.

Erwägungen:

1. 
Die Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten kann wegen
Rechtsverletzungen gemäss Art. 95 und 96 BGG erhoben werden. Das Bundesgericht
wendet das Recht von Amtes wegen an (Art. 106 Abs. 1 BGG), doch prüft es, unter
Berücksichtigung der allgemeinen Rüge- und Begründungspflicht (Art. 42 Abs. 1
und 2 BGG), nur die geltend gemachten Vorbringen, falls allfällige weitere
rechtliche Mängel nicht geradezu offensichtlich sind (BGE 138 I 274 E. 1.6 S.
280; vgl. auch BGE 141 V 236 E. 1 S. 236; 140 V 136 E. 1.1 S. 137 f.).
Das Bundesgericht legt seinem Urteil den Sachverhalt zugrunde, den die
Vorinstanz festgestellt hat (Art. 105 Abs. 1 BGG). Es kann deren
Sachverhaltsfeststellung nur berichtigen oder ergänzen, wenn sie offensichtlich
unrichtig ist oder auf einer Rechtsverletzung im Sinne von Art. 95 BGG beruht
(Art. 105 Abs. 2 BGG).

2. 
Streitig und zu prüfen ist, ob ab 1. Juni 2013 Anspruch auf eine ganze anstelle
der zugesprochenen Dreiviertelsrente besteht.
Das kantonale Gericht hat im angefochtenen Entscheid die Bestimmungen und
Grundsätze zu den Begriffen Invalidität und Erwerbsunfähigkeit, zum nach dem
Invaliditätsgrad abgestuften Anspruch auf eine Invalidenrente (mit den
vorausgesetzten Mindestinvaliditätsgraden von 40 % für eine Viertelsrente, 50 %
für eine halbe Rente, 60 % für eine Dreiviertelsrente und 70 % für eine ganze
Rente), zur Bestimmung des Invaliditätsgrades mittels Einkommensvergleich, zur
Aufgabe von Arzt oder Ärztin bei der Invaliditätsbemessung, zur Beweiswürdigung
und zu den Anforderungen an beweiswertige ärztliche Berichte oder Gutachten
zutreffend dargelegt. Darauf wird verwiesen.

3.

3.1. Die Verwaltung ermittelte in den Verfügungen vom 18. Juni/ 20. Juli 2015
den Invaliditätsgrad mittels eines Einkommensvergleichs nach Massgabe der
Verhältnisse im Jahr 2013. Sie setzte das ohne invalidisierende
Gesundheitsschädigung mutmasslich erzielte Einkommen (Valideneinkommen)
gestützt auf die Angaben des ehemaligen Arbeitgebers auf Fr. 92'950.- fest.
Sodann ging sie davon aus, der Versicherten sei aus medizinischer Sicht in
einer abwechslungsreichen, lebhaften Tätigkeit ein zeitliches Arbeitspensum von
ca. 45 % möglich. Gestützt darauf setzte die IV-Stelle das trotz
invalidisierender Gesundheitsschädigung zumutbarerweise noch erzielbare
Einkommen (Invalideneinkommen) unter Verwendung des in der Schweizerischen
Lohnstrukturerhebung (LSE) 2012, Tabelle T17, für die Berufsuntergruppe Ziff.
41 "Allgemeine Büro- und Sekretariatskräfte" ausgewiesenen statistischen
Durchschnittseinkommens der Frauen im Alterssegment von 30-49 Jahren von Fr.
5'983.-, welches sie auf eine betriebsübliche Wochenarbeitszeit von 41.7
Stunden umrechnete und der Nominallohnentwicklung bis 2013 anpasste, auf Fr.
33'912.- fest. Die Gegenüberstellung der Vergleichseinkommen ergab eine
behinderungsbedingte Erwerbseinbusse von Fr. 59'038.-, entsprechend einem
Invaliditätsgrad von 64 %.

3.2. Das kantonale Gericht hat erkannt, das Valideneinkommen sei unbestritten.
Sodann liessen die medizinischen Akten bezüglich des Umfangs der noch gegebenen
Arbeitsfähigkeit zwar einen Interpretationsspielraum. Auf eine präzisierende
Nachfrage könne aber verzichtet werden, da der Anspruch auf eine
Dreiviertelsrente auch dann zu bestätigen sei, wenn zugunsten der
Beschwerdeführerin von einer bloss 40%igen Arbeitsfähigkeit ausgegangen werde.
Die Berechnungsfaktoren gemäss den streitigen Verwaltungsverfügungen seien zu
übernehmen. Selbst wenn beim Invalideneinkommen ein leidensbedingter Abzug von
(maximal) 5 % vorgenommen werde, betrage das Invalideneinkommen noch mindestens
Fr. 28'637.35. Aus der Gegenüberstellung mit dem Valideneinkommen von Fr.
92'950.- resultiere eine Erwerbseinbusse von maximal Fr. 64'312.65 und damit
ein Invaliditätsgrad von (gerundet) höchstens 69 %. Demnach sei der Anspruch
auf eine Dreiviertelsrente zu bestätigen.

3.3. Die Beschwerdeführerin macht geltend, entgegen den Verwaltungsverfügungen
sei von einer lediglich 40%igen Restarbeitsfähigkeit auszugehen. Ob dies
zutrifft, kann mit der Vorinstanz offen gelassen werden, wenn sich auch bei
Annahme dieses Leistungsvermögens lediglich ein Anspruch auf eine
Dreiviertelsrente ergibt.
Die Versicherte macht diesbezüglich geltend, in der Tabelle T17 der LSE 2012
sei der Tabellenlohn der Frauen der Altersgruppe         30-49 Jahre aus der
Berufs (haupt) gruppe Ziff. 4 "Bürokräfte und verwandte Berufe" (mithin Fr.
5'902.-) und nicht aus deren Untergruppe Ziff. 41 "Allgemeine Büro- und
Sekretariatskräfte" zu verwenden. Sodann sei der leidensbedingte Abzug auf 10 %
festzusetzen.

3.3.1. Das kantonale Gericht hat eingehend und überzeugend begründet, weshalb
es die Versicherte für befähigt erachtet, das noch gegebene Leistungsvermögen
im Bereich "Allgemeine Büro- und Sekretariatskräfte" zu verwerten. Die
Beschwerdeführerin bestätigt denn auch selber, dass sie nach der
Sekundarschule, einer einjährigen Handelsschule mit Diplomabschluss und dem
Erwerb des Fähigkeitsausweises als Telefonistin sich während rund zehn Jahren
in verschiedenen beruflichen Tätigkeiten Fachwissen aneignen konnte und
sprachbegabt ist. Sie hat denn auch vor Eintritt der Invalidität qualifizierte
und entsprechend entlöhnte Tätigkeiten hauptsächlich im Bürobereich ausgeübt.
Das lässt entgegen der in der Beschwerde vertretenen Auffassung durchaus
Schlüsse auf die noch möglichen Tätigkeiten zu, soweit diese gesundheitlich
zumutbar sind. Letzteres trifft hier für den Bereich "Allgemeine Büro- und
Sekretariatskräfte" sicher zu. Dass die Versicherte keine weitergehenden
Berufsabschlüsse aufweist, lässt die vorinstanzliche Beurteilung ebenfalls
nicht als bundesrechtswidrig erscheinen.

3.3.2. Praxisgemäss kann von dem anhand von LSE-Tabellenlöhnen ermittelten
Invalideneinkommen unter bestimmten Voraussetzungen ein leidensbedingter Abzug
vorgenommen werden. Dieser soll persönlichen und beruflichen Umständen
(leidensbedingte Einschränkung, Alter, Dienstjahre, Nationalität/
Aufenthaltskategorie und Beschäftigungsgrad) Rechnung tragen, welche negative
Auswirkungen auf die Lohnhöhe der gesundheitlich beeinträchtigten Person haben
können. Der Einfluss sämtlicher Merkmale auf das Invalideneinkommen ist nach
pflichtgemässem Ermessen gesamthaft zu schätzen, wobei der Abzug auf höchstens
25 % zu begrenzen ist (BGE 126 V 75 und seitherige Entscheide). Ob ein
leidensbedingter Abzug vorzunehmen sei, ist eine vom Bundesgericht frei
überprüfbare Rechtsfrage. Die Höhe des vorgenommenen Abzuges hingegen kann das
Bundesgericht lediglich auf Überschreitung, Missbrauch und Unterschreitung des
vorinstanzlichen Ermessens überprüfen (vgl. BGE 137 V 71 E. 5.1 S. 72 mit
Hinweis).
Als abzugsrelevanter Faktor kommt im vorliegenden Fall einzig die
leidensbedingte Einschränkung in Betracht. Die übrigen Merkmale sind auch nach
Auffassung der Beschwerdeführerin nicht erfüllt. Das kantonale Gericht hat
eingehend begründet, weshalb die leidensbedingte Einschränkung (höchstens)
einen Abzug von 5 % rechtfertigt. Was die Versicherte vorbringt, lässt diese
Ermessensausübung nicht als qualifiziert unrichtig erscheinen. Die Vorinstanz
hat entgegen der in der Beschwerde vertretenen Auffassung auch die Auswahl der
gesundheitlich noch in Betracht kommenden Tätigkeiten berücksichtigt.

3.4. Die übrigen Berechnungsfaktoren des Einkommensvergleichs werden nicht
beanstandet. Damit bleibt es beim Anspruch auf eine Dreiviertelsrente. Die
Beschwerde ist abzuweisen.

4. 
Die Kosten des Verfahrens sind von der unterliegenden Beschwerdeführerin zu
tragen (Art. 66 Abs. 1 BGG).

 Demnach erkennt das Bundesgericht:

1. 
Die Beschwerde wird abgewiesen.

2. 
Die Gerichtskosten von Fr. 800.- werden der Beschwerdeführerin auferlegt.

3. 
Dieses Urteil wird den Parteien, dem Verwaltungsgericht des Kantons Bern,
Sozialversicherungsrechtliche Abteilung, und dem Bundesamt für
Sozialversicherungen schriftlich mitgeteilt.

Luzern, 11. April 2016
Im Namen der I. sozialrechtlichen Abteilung
des Schweizerischen Bundesgerichts

Der Präsident: Maillard

Der Gerichtsschreiber: Lanz

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