Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

I. Sozialrechtliche Abteilung, Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten 8C.918/2015
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Bundesgericht
Tribunal fédéral
Tribunale federale
Tribunal federal

[8frIR2ALAGK1]     
8C_918/2015        
{T 0/2}

Urteil vom 8. Januar 2016

I. sozialrechtliche Abteilung

Besetzung
Bundesrichter Maillard, Präsident,
Bundesrichter Ursprung, Frésard,
Gerichtsschreiberin Hofer.

Verfahrensbeteiligte
A.A.________,
handelnd durch ihre Mutter B.A.________,
diese vertreten durch Rechtsanwalt Marco Unternährer,
Beschwerdeführerin,

gegen

IV-Stelle des Kantons Zug,
Baarerstrasse 11, 6300 Zug,
Beschwerdegegnerin.

Gegenstand
Invalidenversicherung (medizinische Massnahmen),

Beschwerde gegen den Entscheid des Verwaltungsgerichts des Kantons Zug
vom 29. Oktober 2015.

Sachverhalt:

A. 
Die am 29. Januar 2013 geborene A.A.________ wurde von ihren Eltern im August
2014 wegen präaurikulären Fisteln beidseits bei der Invalidenversicherung zum
Leistungsbezug angemeldet (Übernahme der Kosten der Fistelexzision). Nach
Durchführung des Vorbescheidverfahrens verneinte die IV-Stelle des Kantons Zug
mit Verfügung vom 8. Juli 2015 den Anspruch auf medizinische Massnahmen.

B. 
Die von der Versicherten, vertreten durch ihre Mutter, erhobene Beschwerde wies
das Verwaltungsgericht des Kantons Zug, Sozialversicherungsrechtliche Kammer,
mit Entscheid vom 29. Oktober 2015 ab.

C. 
A.A.________ lässt Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten führen
mit dem Antrag, unter Aufhebung des vorinstanzlichen Entscheids seien ihr die
gesetzlichen Leistungen der Invalidenversicherung zuzusprechen. Eventualiter
sei die Sache zur ergänzenden medizinischen Sachverhaltsabklärung an das
kantonale Gericht zurückzuweisen.

Erwägungen:

1. 
Mit der Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten kann u.a. die
Verletzung von Bundesrecht gerügt werden (Art. 95 lit. a BGG), die Feststellung
des Sachverhalts nur, wenn sie offensichtlich unrichtig ist oder auf einer
Rechtsverletzung im Sinne von Art. 95 BGG beruht und wenn die Behebung des
Mangels für den Ausgang des Verfahrens entscheidend sein kann (Art. 97 Abs. 1
BGG). Das Bundesgericht legt seinem Urteil den Sachverhalt zugrunde, den die
Vorinstanz festgestellt hat (Art. 105 Abs. 1 BGG). Es kann die
Sachverhaltsfeststellung der Vorinstanz von Amtes wegen berichtigen oder
ergänzen, wenn sie offensichtlich unrichtig ist oder auf einer Rechtsverletzung
im Sinne von Art. 95 beruht (Art. 105 Abs. 2 BGG).

2. 
Streitig ist, ob die Invalidenversicherung medizinische Massnahmen im
Zusammenhang mit den präaurikulären Fisteln zu übernehmen hat.

Das kantonale Gericht hat die gesetzlichen Bestimmungen zum Anspruch von
Personen vor vollendetem 20. Altersjahr auf medizinische Massnahmen im
Allgemeinen (Art. 12 IVG) und bei Geburtsgebrechen (Art. 13 IVG in Verbindung
mit Art. 3 Abs. 2 ATSG) zutreffend dargelegt. Richtig wiedergegeben hat es
sodann Ziff. 443 GgV Anhang ("angeborene Spalte im Ohrbereich, Mittelohrfisteln
und Trommelfelldefekte") und die Präzisierung im Kreisschreiben des Bundesamtes
für Sozialversicherungen über die medizinischen Eingliederungsmassnahmen der
Invalidenversicherung (KSME; Rz. 443 in der ab 1. März 2014 gültigen Fassung),
wonach die präaurikuläre Fistel nicht unter diese Ziffer fällt, da es sich um
ein geringfügiges Leiden handle, es sei denn, es liege eine
Mittelohrbeteiligung vor. Darauf wird verwiesen.

Durch die Nichtaufnahme des Leidens, von dem medizinisch feststeht, dass es
angeboren ist, in die Liste der Geburtsgebrechen, hat der Verordnungsgeber von
der ihm in Art. 13 Abs. 2 zweiter Satz IVG erteilten Befugnis zum Ausschluss
geringfügiger Geburtsgebrechen von der Leistungspflicht Gebrauch gemacht (vgl.
Art. 13 Abs. 2 IVG in Verbindung mit Art. 1 Abs. 2 Satz 1 GgV).

3.

3.1. Die Vorinstanz kam, insbesondere gestützt auf die Berichte der
behandelnden Ärzte und die Stellungnahme des Regionalen Ärztlichen Dienstes
(RAD), zum Schluss, dass sich aus den medizinischen Unterlagen keine Hinweise
für ein schwerwiegenderes Leiden im Sinne einer Mittelohrbeteiligung ergeben.
Der medizinische Sachverhalt sei insofern umfassend erhoben worden, so dass
keine ergänzenden Abklärungen erforderlich seien. Weiter hat sie erwogen, wenn
Dr. med. C.________, Leitender Arzt Kinderchirurgie am Spital D.________, unter
Hinweis auf die Gefahren der Nichtbehandlung (lokale Infektion mit konsekutiven
Vernarbungen und Ausbreitung der Fistelgänge, Gefahr für das Mittelohr,
Entzündung der Hirnhäute und des Gehirns) sowie die Risiken einer Exzision
(Nachblutungen, Wundinfektionen oder Rezidive) die Ansicht vertrete, dass es
sich bei präaurikulären Fisteln generell nicht um geringfügige Leiden handle,
stelle er die Entscheidung des Verordnungsgebers in Frage, wonach nur
Mittelohrfisteln, nicht aber generell präaurikuläre Fisteln als
Geburtsgebrechen zu qualifizieren seien. Das kantonale Gericht sah keine
Veranlassung, vom klaren Wortlaut des Verordnungsgebers und den Angaben im KSME
abzuweichen. Da präaurikuläre Fisteln ohne Mittelohrbeteiligung trotz
allfälliger Nachblutungen, Wundinfektionen und Rezidiven in der Regel - wie im
Ergebnis auch bei der Versicherten - gut behandelbar seien, komme den Gefahren
einer Nichtbehandlung bei der Beurteilung der Schwere des Leidens keine
entscheidende Bedeutung zu. Nach Ansicht des kantonalen Gerichts hat die
IV-Stelle das Vorliegen eines Geburtsgebrechens und damit auch die
Kostenübernahme für medizinische Massnahmen in Anwendung von Art. 13 IVG zu
Recht verneint. Da der Eingriff nicht unmittelbar auf die Eingliederung ins
Erwerbsleben oder in den Aufgabenbereich, sondern auf die Behandlung des
Leidens an sich gerichtet gewesen sei, komme auch eine Kostenübernahme gestützt
auf Art. 12 IVG nicht in Frage. Zudem vermöchten Geburtsgebrechen, welche als
geringfügig im Sinne von Art. 13 Abs. 2 IVG zu qualifizieren seien, keine
Leistungspflicht der Invalidenversicherung nach Art. 12 IVG zu begründen.

3.2. Was die Beschwerdeführerin in weitgehender Wiederholung der bereits
vorinstanzlich vorgebrachten Ausführungen dagegen einwendet, vermag nicht zu
einer anderen Beurteilung zu führen. Die vorinstanzliche Feststellung, wonach
das Mittelohr nicht betroffen war, beruht auf einer nicht zu beanstanden
Beweiswürdigung. Auch Dr. med. C.________ geht im Schreiben vom 17. Juli 2015
nicht von einer Mittelohrbeteiligung aus, sondern weist lediglich auf die
Gefahr für das Mittelohr hin, wenn die Fistel nicht operiert werde. Die
medizinischen Unterlagen sind diesbezüglich umfassend und vermitteln ein
eindeutiges Bild. Weitergehende Abklärungen sind daher nicht erforderlich. Die
potentielle Gefahr einer Infektion des Mittelohrs, welche laut Dr. med.
C.________ bei präaurikulären Fisteln grundsätzlich besteht, vermag die für die
Anerkennung als Geburtsgebrechen Ziff. 443 und damit für die Leistungspflicht
der Invalidenversicherung vorausgesetzte Mittelohrbeteiligung nicht zu
begründen. Vielmehr ist davon auszugehen, dass eine präaurikuläre Fistel ein
Gebrechen von geringfügiger Bedeutung ist und daher nicht unter Ziff. 443 GgV
Anhang fällt, solange das Mittelohr nicht betroffen ist (vgl. Rz. 443 KSME).
Etwas anderes ergibt sich mit Bezug auf die Versicherte auch nicht aus dem
Umstand, dass es nach einer ersten Operation zu einem operations-bedürftigen
Fistelrezidiv kam. Indem das kantonale Gericht geschlossen hat, es liege kein
leistungsbegründendes Gebrechen vor, hat es entgegen der Auffassung der
Beschwerdeführerin weder gegen Art. 13 IVG in Verbindung mit Art. 2 GgV und Rz.
443 GgV Anhang, noch gegen das Verhältnismässigkeitsprinzip verstossen.

4. 
Die offensichtlich unbegründete Beschwerde wird im vereinfachten Verfahren nach
Art. 109 Abs. 2 lit. a BGG - ohne Durchführung des Schriftenwechsels mit
summarischer Begründung unter Verweis auf den kantonalen Entscheid (Art. 102
Abs. 1 und Art. 109 Abs. 3 BGG) - erledigt.

5. 
Dem Ausgang des Verfahrens entsprechend hat die Beschwerdeführerin die
Gerichtskosten zu tragen (Art. 66 Abs. 1 BGG).

Demnach erkennt das Bundesgericht:

1. 
Die Beschwerde wird abgewiesen.

2. 
Die Gerichtskosten von Fr. 800.- werden der Beschwerdeführerin auferlegt.

3. 
Dieses Urteil wird den Parteien, dem Verwaltungsgericht des Kantons Zug,
Sozialversicherungsrechtliche Kammer, und dem Bundesamt für
Sozialversicherungen schriftlich mitgeteilt.

Luzern, 8. Januar 2016

Im Namen der I. sozialrechtlichen Abteilung
des Schweizerischen Bundesgerichts

Der Präsident: Maillard

Die Gerichtsschreiberin: Hofer

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