Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

I. Sozialrechtliche Abteilung, Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten 8C.898/2015
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Bundesgericht
Tribunal fédéral
Tribunale federale
Tribunal federal

[8frIR2ALAGK1]             
8C_898/2015    {T 0/2}     

Urteil vom 13. Juni 2016

I. sozialrechtliche Abteilung

Besetzung
Bundesrichter Maillard, Präsident,
Bundesrichter Frésard, Wirthlin,
Gerichtsschreiber Nabold.

Verfahrensbeteiligte
Schweizerische Unfallversicherungsanstalt (SUVA), Fluhmattstrasse 1, 6004
Luzern,
Beschwerdeführerin,

gegen

A.________,
vertreten durch Rechtsanwalt Holger Hügel,
Beschwerdegegnerin.

Gegenstand
Unfallversicherung
(Invalidenrente, Invalideneinkommen),

Beschwerde gegen den Entscheid des Sozialversicherungsgerichts des Kantons
Zürich
vom 20. Oktober 2015.

Sachverhalt:

A. 
Die 1954 geborene A.________ war als Spulenwicklerin im Umfang von 80 % und mit
einem 20%igen Pensum als Raumpflegerin bei der B.________ AG tätig gewesen und
in dieser Eigenschaft bei der Schweizerischen Unfallversicherungsanstalt (SUVA)
gegen die Folgen von Unfällen versichert. Am 10. März 2009 stolperte sie über
einen Schlauch und stürzte auf die rechte Schulter. Sie zog sich dabei einen
rechtsseitigen Supraspinatussehnenriss zu. Die SUVA erbrachte die gesetzlichen
Leistungen in Form von Heilbehandlung und Taggeld bis 31. Mai 2011. Mangels
unfallbedingter Erwerbseinbusse verneinte sie einen Rentenanspruch (Verfügung
vom 19. Juli 2011), sprach der Versicherten aber mit Verfügung vom 21.
September 2011 basierend auf einer 10%igen Integritätseinbusse eine
Integritätsentschädigung von Fr. 12'600.- zu. Die gegen beide Verfügungen
erhobenen Einsprachen wies die SUVA mit Einspracheentscheid vom 30. März 2012
ab.

B. 
Die dagegen geführte Beschwerde hiess das Sozialversicherungsgericht des
Kantons Zürich mit Entscheid vom 14. Oktober 2013 in dem Sinne teilweise gut,
als es den Einspracheentscheid, soweit dieser die Integritätsentschädigung
betraf, aufhob und die Sache zwecks weiterer Abklärung hinsichtlich deren Höhe
an die SUVA zurückwies. Die gegen diesen Entscheid, soweit er den Rentenpunkt
betraf, erhobene Beschwerde hiess das Bundesgericht mit Urteil 8C_887/2013 vom
21. Mai 2014 teilweise gut und wies die Sache zur Einholung eines
Gerichtsgutachtens und zu neuer Entscheidung an das kantonale Gericht zurück.
In Nachachtung dieses Urteils holte das kanto-nale Gericht bei der MEDAS
Zentralschweiz eine Expertise ein (Gutachten vom 15. April 2015). Daraufhin
sprach es der Versicherten mit Entscheid vom 20. Oktober 2015 ab 1. Juni 2011
ein Rente bei einem Invaliditätsgrad von 25 % zu.

C. 
Mit Beschwerde beantragt die SUVA, es sei unter Aufhebung des kantonalen
Entscheides vom 20. Oktober 2015 ihr Einspracheentscheid vom 30. März 2012 -
soweit dieser einen Anspruch auf eine Invalidenrente betrifft - zu bestätigen.
Während A.________ auf Abweisung der Beschwerde schliesst, verzichtet das
Bundesamt für Gesundheit auf eine Vernehmlassung.

Erwägungen:

1. 

1.1. Die Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten kann wegen
Rechtsverletzung gemäss Art. 95 und Art. 96 BGG erhoben werden. Das
Bundesgericht wendet das Recht von Amtes wegen an (Art. 106 Abs. 1 BGG). Es ist
somit weder an die in der Beschwerde geltend gemachten Argumente noch an die
Erwägungen der Vorinstanz gebunden; es kann eine Beschwerde aus einem anderen
als dem angerufenen Grund gutheissen oder es kann sie mit einer von der
Argumentation der Vorinstanz abweichenden Begründung abweisen (BGE 140 V 136 E.
1.1 S. 137 f.). Das Bundesgericht prüft indessen, unter Berücksichtigung der
allgemeinen Rüge- und Begründungspflicht (Art. 42 Abs. 1 und 2 BGG), nur die
geltend gemachten Vorbringen, falls allfällige weitere rechtliche Mängel nicht
geradezu offensichtlich sind (BGE 138 I 274 E. 1.6 S. 280; vgl. auch BGE 140 V
136 E. 1.1   S. 138).

1.2. Im Beschwerdeverfahren um die Zusprechung oder Verweigerung von
Geldleistungen der Militär- oder Unfallversicherung ist das Bundesgericht nicht
an die vorinstanzliche Feststellung des rechtserheblichen Sachverhalts gebunden
(Art. 97 Abs. 2 und Art. 105 Abs. 3 BGG).

2. 
Streitig und zu prüfen ist, ob der Versicherte ab 1. Juni 2011 Anspruch auf
eine Invalidenrente der Unfallversicherung hat.

3.

3.1. Ist eine versicherte Person infolge des Unfalles mindestens zu 10 %
invalid, so hat sie gemäss Art. 18 Abs. 1 UVG Anspruch auf eine Invalidenrente.
Zur Bestimmung des Invaliditätsgrades wird gemäss Art. 16 ATSG das
Erwerbseinkommen, das die versicherte Person nach Eintritt der unfallbedingten
Invalidität und nach Durchführung allfälliger Eingliederungsmassnahmen durch
eine zumutbare Tätigkeit bei ausgeglichener Arbeitsmarktlage erzielen könnte
(sog. Invalideneinkommen), in Beziehung gesetzt zum Erwerbseinkommen, das sie
erzielen könnte, wenn sie nicht invalid geworden wäre (sog. Valideneinkommen).

3.2. Für die Festsetzung des Invalideneinkommens ist nach der Rechtsprechung
primär von der beruflich-erwerblichen Situation auszugehen, in welcher die
versicherte Person konkret steht. Übt sie nach Eintritt der Invalidität eine
Erwerbstätigkeit aus, bei der - kumulativ - besonders stabile
Arbeitsverhältnisse gegeben sind und anzunehmen ist, dass sie die ihr
verbleibende Arbeitsfähigkeit in zumutbarer Weise voll ausschöpft, und
erscheint zudem das Einkommen aus der Arbeitsleistung als angemessen und nicht
als Soziallohn, gilt grundsätzlich der tatsächlich erzielte Verdienst als
Invalidenlohn. Ist kein solches tatsächlich erzieltes Erwerbseinkommen gegeben,
namentlich weil die versicherte Person nach Eintritt des Gesundheitsschadens
keine oder jedenfalls keine ihr an sich zumutbare neue Erwerbstätigkeit
aufgenommen hat, so können nach der Rechtsprechung entweder Tabellenlöhne
gemäss den vom Bundesamt für Statistik periodisch herausgegebenen
Lohnstrukturerhebungen (LSE) oder die DAP-Zahlen herangezogen werden (BGE 129 V
472 E. 4.2.1 S. 475 mit Hinweisen).

3.3. Ist die SUVA nicht in der Lage, im Einzelfall den erwähnten Anforderungen
zu genügen, kann im Bestreitungsfall nicht auf den DAP-Lohnvergleich abgestellt
werden; die SUVA hat diesfalls die Invalidität aufgrund der LSE-Löhne zu
ermitteln. Bemisst die SUVA das Invalideneinkommen von sich aus aufgrund der
LSE-Löhne, ist es rechtsprechungsgemäss wünschenswert, dass sie einen Auszug
aus der DAP-Datenbank zu den Akten nimmt, der die Unmöglichkeit, den
Anforderung zu genügen, dokumentiert. Im Beschwerdeverfahren ist es Sache des
angerufenen Gerichts, die Rechtskonformität der DAP-Invaliditätsbemessung zu
prüfen, gegebenenfalls die Sache an den Versicherer zurückzuweisen oder an
Stelle des DAP-Lohnvergleichs einen Tabellenlohnvergleich gestützt auf die LSE
vorzunehmen (BGE 129 V 472 E. 4.2.2 S. 480 f.). Diese Grundsätze hat das
Bundesgericht unlängst bestätigt (vgl. BGE 139 V 592).

4. 

4.1. Aufgrund des vom kantonalen Gericht eingeholten Gerichtsgutachtens steht
nunmehr fest und ist unbestritten, dass die Versicherte in einer angepassten
Tätigkeit voll arbeitsfähig ist. Angepasst ist dabei eine körperlich leichte
und wechselbelastende Tätigkeit - ohne belastende Arbeiten mit dem rechten Arm
auf beziehungsweise über der Schulterhorizontalen, ohne repetitive, auch
unbelastete Bewegungen über Schulterhöhe sowie ohne Heben und Tragen ab Boden
bis Tischhöhe über 10 kg sowie ohne kraftvolle Stoss-Zug-Drehbewegungen und
auch ohne axiales Abstützen, Schläge, Vibrationen.

4.2. Die SUVA macht zunächst geltend, mit diesem Anforderungsprofil sei auch
die angestammte Tätigkeit vollzeitlich zumutbar, weshalb ein Rentenanspruch der
Versicherten ohne Einkommensvergleich verneint werden könne. Wie das
Bundesgericht jedoch bereits im (Rückweisungs-) Urteil 8C_887/2013 vom 21. Mai
2014 E. 5 festgehalten hat, kann, da die Versicherte ihre bisherige Stelle
aufgrund des Unfalls verloren hat, nicht auf einen Einkommensvergleich im Sinne
von      Art. 16 ATSG verzichtet werden.

4.3. Unbestritten ist das Valideneinkommen der Versicherten von Fr. 60'775.-.
Im Sinne einer Eventualbegründung hat die SUVA in ihrem Einspracheentscheid vom
30. März 2012 festgehalten, bei Durchführung eines Einkommensvergleiches wäre
gestützt auf die DAP von einem Invalideneinkommen von Fr. 56'833.20 und damit
von einem rentenausschliessenden Invaliditätsgrad von 7 % auszugehen. Die SUVA
rügt, die Vorinstanz habe ihren Anspruch auf rechtliches Gehör verletzt, indem
sie ohne Auseinandersetzung mit der DAP der Versicherten direkt gestützt auf
die LSE eine Rente zugesprochen habe. In der Tat fehlen im angefochtenen
Entscheid jegliche Ausführungen dazu, weshalb im konkreten Fall eine Bemessung
des Invalideneinkommens gestützt auf die DAP nicht möglich sein sollte. Damit
hat die Vorinstanz gegen die Rechtsprechung (vgl. E. 3.3 hievor) verstossen,
wonach es im Beschwerdeverfahren Sache des angerufenen Gerichts ist, die
Rechtskonformität der DAP-Invaliditätsbemessung zu prüfen. Entsprechend ist die
Beschwerde gutzuheissen, der vorinstanzliche Entscheid aufzuheben und die Sache
an das kantonale Gericht zurückzuweisen. Dieses wird im neuen Entscheid zu
beurteilen haben, ob sich das Invalideneinkommen - gegebenenfalls unter
Einbezug der von der SUVA im kantonalen Verfahren aufgelegten DAP-Profile -
nach der DAP-Methode bestimmen lässt.

5. 
Dem Ausgang des Verfahrens entsprechend sind die Gerichtskosten der
Beschwerdegegnerin aufzuerlegen (Art. 66 Abs. 1 BGG).

 Demnach erkennt das Bundesgericht:

1. 
Die Beschwerde wird teilweise gutgeheissen und der Entscheid des
Sozialversicherungsgerichts des Kantons Zürich vom 20. Oktober 2015 aufgehoben.
Die Sache wird zu neuer Entscheidung an die Vorinstanz zurückgewiesen. Im
Übrigen wird die Beschwerde abgewiesen.

2. 
Die Gerichtskosten von Fr. 800.- werden der Beschwerdegegnerin auferlegt.

3. 
Dieses Urteil wird den Parteien, dem Sozialversicherungsgericht des Kantons
Zürich und dem Bundesamt für Gesundheit schriftlich mitgeteilt.

Luzern, 13. Juni 2016

Im Namen der I. sozialrechtlichen Abteilung
des Schweizerischen Bundesgerichts

Der Präsident: Maillard

Der Gerichtsschreiber: Nabold

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