Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

I. Sozialrechtliche Abteilung, Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten 8C.897/2015
Zurück zum Index I. Sozialrechtliche Abteilung, Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten 2015
Retour à l'indice I. Sozialrechtliche Abteilung, Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten 2015


Wichtiger Hinweis:
Diese Website wird in älteren Versionen von Netscape ohne graphische Elemente
dargestellt. Die Funktionalität der Website ist aber trotzdem gewährleistet.
Wenn Sie diese Website regelmässig benutzen, empfehlen wir Ihnen, auf Ihrem
Computer einen aktuellen Browser zu installieren.
Zurück zur Einstiegsseite Drucken
                                                               Grössere Schrift

Bundesgericht
Tribunal fédéral
Tribunale federale
Tribunal federal

[8frIR2ALAGK1]     
{T 0/2}
                   
8C_897/2015

Urteil vom 15. Januar 2016

I. sozialrechtliche Abteilung

Besetzung
Bundesrichter Maillard, Präsident,
Bundesrichter Ursprung, Frésard,
Gerichtsschreiberin Berger Götz.

Verfahrensbeteiligte
 A.________,
vertreten durch Rechtsanwalt Dominique Chopard,
Beschwerdeführerin,

gegen

IV-Stelle des Kantons Zürich, Röntgenstrasse 17, 8005 Zürich,
Beschwerdegegnerin.

Gegenstand
Invalidenversicherung (Invalidenrente),

Beschwerde gegen den Entscheid des Sozialversicherungsgerichts des Kantons
Zürich vom 23. Oktober 2015.

Sachverhalt:

A. 
Mit Verfügung vom 29. November 2013 verneinte die IV-Stelle des Kantons Zürich
einen Rentenanspruch der 1964 geborenen A.________ unter Hinweis auf einen
Invaliditätsgrad von 32 %.

B. 
Das Sozialversicherungsgericht des Kantons Zürich wies die dagegen erhobene
Beschwerde ab (Entscheid vom 23. Oktober 2015).

C. 
A.________ lässt Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten führen
mit dem Antrag, die IV-Stelle sei zur Ausrichtung einer Invalidenrente zu
verpflichten.

Das Bundesgericht hat auf die Durchführung eines Schriftenwechsels verzichtet.

Erwägungen:

1. 
Die Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten kann wegen
Rechtsverletzungen gemäss Art. 95 und 96 BGG erhoben werden. Das Bundesgericht
legt seinem Urteil den Sachverhalt zugrunde, den die Vorinstanz festgestellt
hat (Art. 105 Abs. 1 BGG). Es kann deren Sachverhaltsfeststellung auf Rüge hin
oder von Amtes wegen berichtigen oder ergänzen, wenn sie offensichtlich
unrichtig ist oder auf einer Rechtsverletzung im Sinne von Art. 95 BGG beruht,
und wenn die Behebung des Mangels für den Ausgang des Verfahrens entscheidend
sein kann (Art. 105 Abs. 2 BGG und Art. 97 Abs. 1 BGG).

2.

2.1. Die Vorinstanz hat die gesetzlichen Bestimmungen und die von der
Rechtsprechung entwickelten Grundsätze zur Erwerbsunfähigkeit (Art. 7 ATSG) und
Invalidität (Art. 8 ATSG; Art. 4 Abs. 1 IVG) zutreffend dargelegt. Gleiches
gilt für die Wiedergabe der Rechtsprechung zu den Anforderungen an
beweiskräftige medizinische Berichte und Gutachten (BGE 137 V 210 E. 6.2.2 S.
269; 134 V 231 E. 5.1 S. 232; 125 V 351 E. 3a S. 352) und zur Beurteilung der
Invalidität bei pathogenetisch-ätiologisch unklaren syndromalen
Beschwerdebildern ohne nachweisbare organische Grundlage (BGE 141 V 281).
Darauf wird verwiesen.

2.2. Im Rahmen der freien Beweiswürdigung (Art. 61 lit. c ATSG) darf sich die
Verwaltung - und im Streitfall das Gericht - weder über die (den
beweisrechtlichen Anforderungen genügenden) medizinischen
Tatsachenfeststellungen hinwegsetzen noch sich die ärztlichen Einschätzungen
und Schlussfolgerungen zur (Rest-) Arbeitsfähigkeit unbesehen ihrer konkreten
sozialversicherungsrechtlichen Relevanz und Tragweite zu eigen machen. Die
medizinischen Fachpersonen und die Organe der Rechtsanwendung prüfen die
Arbeitsfähigkeit je aus ihrer Sicht (BGE 141 V 281 E. 5.2.1 S. 306; BGE 140 V
193 E. 3 S. 194 ff.; je mit Hinweisen).

3.

3.1. Im angefochtenen Gerichtsentscheid wird gestützt auf die Ergebnisse der
vom Unfallversicherer eingeholten Expertise der Gutachterstelle Solothurn,
Solothurn (nachfolgend: gutso), vom 18. Februar 2009 und des Gutachtens des
Zentrums für Medizinische Begutachtung, Basel (nachfolgend: ZMB), vom 6.
November 2012 festgestellt, dass die Beschwerdeführerin aus somatischer Sicht
in einer leidensangepassten Tätigkeit - worunter die zuletzt bis im Jahr 2007
ausgeübte Beschäftigung als Hilfsbäckerin nicht falle - voll arbeitsfähig sei.
In psychischer Hinsicht seien schon auf der Ebene der Diagnosestellung nicht
auszuräumende Zweifel an der Schwere des Schmerzleidens auszumachen. Die
gutso-Ärzte hätten eine Symptomausweitung mit Selbstlimitierung diagnostiziert.
Eine somatoforme Schmerzstörung sei lediglich im Sinne einer
Differentialdiagnose in Betracht gezogen worden. Sie hätten es als schwierig
erachtet, aus den geltend gemachten Beeinträchtigungen ein medizinisch
plausibel wirkendes Konzept einer gesundheitlichen Störung abzuleiten. Dem sei
von den ZMB-Experten nicht widersprochen worden. Sie seien vielmehr weder in
der Befunderhebung noch in der Beurteilung wesentlich von der
gutso-Einschätzung abgewichen. Vor diesem Hintergrund sei eine Relevanz des
Schmerzgeschehens zu verneinen. Soweit im ZMB-Gutachten gestützt auf die darin
diagnostizierte somatoforme Schmerzstörung gleichwohl eine 20%ige Einschränkung
in der Arbeitsfähigkeit attestiert werde, könne dem nicht gefolgt werden. Für
das Fehlen eines invalidisierenden Gesundheitsschadens spreche auch, dass im
Gutachten kein Beschrieb enthalten sei, welcher auf eine erhebliche
Einschränkung im Alltag schliessen lasse. Auf dieser Grundlage nimmt die
Vorinstanz die Invaliditätsbemessung vor, woraus ein Invaliditätsgrad von 33 %
resultiert.

3.2. Die Einwände der Beschwerdeführerin vermögen an diesem Ergebnis nichts zu
ändern.

3.2.1. Soweit sie geltend macht, die Annahme von Gutachtern und Vorinstanz,
wonach die Gesundheitsschädigung Folge verschiedener "nicht-medizinischer
Faktoren" sei (namentlich fehlende Berufsqualifikation, als ungerecht
empfundener Umgang der letzten Arbeitgeberin mit der Versicherten, mangelnde
Deutschkenntnisse, Invalidität des Ehemannes, Wohnsituation), sei unhaltbar,
muss ihr entgegengehalten werden, dass die Ursache des Schmerzleidens für die
Frage nach einem Rentenanspruch nicht massgebend ist. Auch nach der
Praxisänderung durch BGE 141 V 281 kann eine Einschränkung der
Leistungsfähigkeit nur relevant sein, wenn sie Folge einer fachärztlich
einwandfrei diagnostizierten Gesundheitsbeeinträchtigung ist (vgl. BGE 130 V
396). Bei somatoformen Störungen (ICD-10 F45) im Besonderen ist dem
diagnoseinhärenten Schweregrad vermehrt Rechnung zu tragen (BGE 141 V 281 E.
2.1.1 S. 286; vgl. auch Urteil 9C_125/2015 vom 18. November 2015 E. 5.3). Eine
anhaltende somatoforme Schmerzstörung (ICD-10 F45.40) setzt einen andauernden,
schweren und quälenden Schmerz voraus. Die Vorinstanz hat mit Blick auf die
insgesamt nicht gesicherte Diagnose einer anhaltenden somatoformen
Schmerzstörung willkürfrei annehmen dürfen, dass keine Arbeitsunfähigkeit in
einer leidensangepassten Beschäftigung vorliegt (vgl. E. 2.2 hiervor). Entgegen
der Ansicht der Versicherten ist eine Konsistenzprüfung (BGE 141 V 281 E. 4.4
S. 303 f.) vor diesem Hintergrund hinfällig. Weil von zusätzlichen
medizinischen Abklärungsmassnahmen keine neuen entscheidwesentlichen
Aufschlüsse zu erwarten sind, kann und konnte auf weitergehende medizinische
Erhebungen und Gutachten verzichtet werden (antizipierte Beweiswürdigung; BGE
136 I 229 E. 5.3 S. 236).

3.2.2. Mit der Beschwerde reicht die Versicherte neu einen Lohnausweis für die
Steuererklärung vom 22. Januar 2007 betreffend das Jahr 2006 ein. Sie möchte
mit diesem Beleg nachweisen, dass das Valideneinkommen auf von den einzelnen
Lohnausweisen divergierenden Einträgen im Individuellen Konto (IK) basierte.
Neue Tatsachen und Beweismittel dürfen letztinstanzlich nur soweit vorgebracht
werden, als erst der Entscheid der Vorinstanz dazu Anlass gibt (Art. 99 Abs. 1
BGG; BGE 135 V 194). Ob der genannte Lohnausweis im letztinstanzlichen
Verfahren unbeachtlich zu bleiben hat, kann allerdings letztlich offen bleiben,
denn zum IK-Auszug über die tatsächlich abgerechneten Lohnzahlungen des Jahres
2006, welcher - nebst den dort eingetragenen Verdiensten in den weiteren
Erwerbsjahren - die massgebende Grundlage für die Bemessung des
Valideneinkommens bildete, besteht gar keine Diskrepanz. Die Beschwerdeführerin
übersieht nämlich, dass Familienzulagen nicht zum Valideneinkommen zählen (vgl.
MEYER/REICHMUTH, Rechtsprechung des Bundesgerichts zum IVG, 3. Aufl. 2014, S.
328 Rz. 54 zu Art. 28a IVG). Der IK-Auszug für das Jahr 2006 weist ein
AHV-beitragspflichtiges Einkommen von Fr. 68'301.- aus, der Bruttolohn gemäss
Lohnausweis für die Steuererklärung betrug im Jahr 2006 Fr. 70'641.-, wovon Fr.
2'340.- auf Kinderzulagen entfielen. Nach Abzug dieser Zulagen resultiert
ebenfalls ein Bruttolohn von Fr. 68'301.-. Es ergeben sich somit keine
Anhaltspunkte für ein vom kantonalen Gericht falsch berechnetes
Valideneinkommen. Gegen die vorinstanzliche Ermittlung des Invaliditätsgrades
erhebt die Versicherte darüber hinaus keine Einwände.

4. 
Die Beschwerde ist offensichtlich unbegründet, weshalb sie im vereinfachten
Verfahren nach Art. 109 Abs. 2 lit. a BGG - ohne Durchführung eines
Schriftenwechsels - mit summarischer Begründung und unter Verweis auf die
Erwägungen im angefochtenen Entscheid (Art. 109 Abs. 3 BGG) erledigt wird.

Der Prozess ist kostenpflichtig (Art. 65 Abs. 4 lit. a BGG). Die Gerichtskosten
sind dem Ausgang des Verfahrens entsprechend der Beschwerdeführerin
aufzuerlegen (Art. 66 Abs. 1 Satz 1 BGG).

 Demnach erkennt das Bundesgericht:

1. 
Die Beschwerde wird abgewiesen.

2. 
Die Gerichtskosten von Fr. 800.- werden der Beschwerdeführerin auferlegt.

3. 
Dieses Urteil wird den Parteien, dem Sozialversicherungsgericht des Kantons
Zürich und dem Bundesamt für Sozialversicherungen schriftlich mitgeteilt.

Luzern, 15. Januar 2016

Im Namen der I. sozialrechtlichen Abteilung
des Schweizerischen Bundesgerichts

Der Präsident: Maillard

Die Gerichtsschreiberin: Berger Götz

Navigation

Neue Suche

ähnliche Leitentscheide suchen
ähnliche Urteile ab 2000 suchen

Drucken nach oben