Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

I. Sozialrechtliche Abteilung, Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten 8C.880/2015
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Bundesgericht
Tribunal fédéral
Tribunale federale
Tribunal federal

[8frIR2ALAGK1]     
{T 0/2}
                   
8C_880/2015

Urteil vom 30. März 2016

I. sozialrechtliche Abteilung

Besetzung
Bundesrichter Maillard, Präsident,
Bundesrichterin Heine, Bundesrichter Wirthlin,
Gerichtsschreiberin Riedi Hunold.

Verfahrensbeteiligte
A.________,
vertreten durch Rechtsanwalt Daniel Altermatt,
Beschwerdeführer,

gegen

IV-Stelle Basel-Landschaft, Hauptstrasse 109, 4102 Binningen,
Beschwerdegegnerin.

Gegenstand
Invalidenversicherung,

Beschwerde gegen den Entscheid des Kantonsgerichts Basel-Landschaft vom 6.
August 2015.

Sachverhalt:

A. 
A.________, geboren 1974, war ab 1. Januar 1998 bei der B.________ AG
angestellt. Am 16. Juni 2009 vereinbarte er mit seiner Arbeitgeberin die
Auflösung des Arbeitsvertrages per 31. Dezember 2009. Infolge Krankheit
verlängerte sich das Arbeitsverhältnis. Am 5. Mai 2010 meldete sich A.________
bei der IV-Stelle Basel-Landschaft zum Leistungsbezug an. Diese holte einen
Arbeitgeberbericht sowie das Gutachten des Dr. med. C.________, Facharzt für
Psychiatrie und Psychotherapie, vom 21. Dezember 2011 ein. Am 9. Mai 2012 nahm
Dr. med. C.________ Stellung zu der von A.________ eingereichten persönlichen
Darlegung und dem Bericht des behandelnden Psychologen, lic. phil. D.________,
vom 21. März 2012. Zudem fand sich ein Bericht des Dr. med. E.________,
Facharzt für Psychiatrie und Psychotherapie, vom 12. September 2012 bei den
Akten. Dr. med. F.________, Facharzt für Psychiatrie und Psychotherapie, RAD,
nahm mehrmals Stellung zu den eingegangenen Berichten. Am 7. März 2013 lehnte
die IV-Stelle den Anspruch auf eine Invalidenrente ab.

B. 
A.________ liess dagegen Beschwerde erheben. Im Nachgang zur Urteilsberatung
vom 26. September 2013 erteilte das Kantonsgericht Basel-Landschaft am 4.
Dezember 2013 Dr. med. G.________, Facharzt für Psychiatrie und Psychotherapie,
den Auftrag zur Erstellung eines psychiatrischen Gutachtens, welches dieser am
16. Juli 2014 erstattete und am 29. April 2015 ergänzte. Das Kantonsgericht
wies die Beschwerde am 6. August 2015 ab, sprach A.________ eine
Parteientschädigung von Fr. 4'185.55 (inkl. Auslagen und MWSt) zu und
auferlegte der IV-Stelle die Kosten des gerichtlichen Gutachtens von Fr.
4'650.-.

C. 
A.________ lässt Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten führen
mit dem Antrag, es sei der kantonale Entscheid aufzuheben und ihm ab 1. August
2010 eine ganze Invalidenrente zuzusprechen.
Erwägungen:

1.

1.1. Die Beschwerde kann wegen Rechtsverletzung gemäss Art. 95 und Art. 96 BGG
erhoben werden. Das Bundesgericht wendet das Recht von Amtes wegen an (Art. 106
Abs. 1 BGG). Es ist somit weder an die in der Beschwerde geltend gemachten
Argumente noch an die Erwägungen der Vorinstanz gebunden; es kann eine
Beschwerde aus einem anderen als dem angerufenen Grund gutheissen und es kann
sie mit einer von der Argumentation der Vorinstanz abweichenden Begründung
abweisen (vgl. BGE 130 III 136 E. 1.4 S. 140). Gemäss Art. 42 Abs. 1 BGG ist
die Beschwerde hinreichend zu begründen, andernfalls wird darauf nicht
eingetreten (Art. 108 Abs. 1 lit. b BGG). Das Bundesgericht prüft grundsätzlich
nur die geltend gemachten Rügen; es ist nicht gehalten, wie eine
erstinstanzliche Behörde alle sich stellenden rechtlichen Fragen zu prüfen,
wenn diese vor Bundesgericht nicht mehr vorgetragen wurden. Es kann die
Verletzung von Grundrechten und von kantonalem und interkantonalem Recht nur
insofern prüfen, als eine solche Rüge in der Beschwerde vorgebracht und
begründet worden ist (Art. 106 Abs. 2 BGG).

1.2. Nach Art. 105 BGG legt das Bundesgericht seinem Urteil den Sachverhalt
zugrunde, den die Vorinstanz festgestellt hat (Abs. 1). Es kann diese
Sachverhaltsfeststellung von Amtes wegen berichtigen oder ergänzen, wenn sie
offensichtlich unrichtig ist oder auf einer Rechtsverletzung im Sinne von Art.
95 BGG beruht (Abs. 2). Die Voraussetzungen für eine Sachverhaltsrüge nach Art.
97 Abs. 1 BGG und für eine Berichtigung des Sachverhalts von Amtes wegen nach
Art. 105 Abs. 2 BGG stimmen im Wesentlichen überein. Soweit es um die Frage
geht, ob der Sachverhalt willkürlich oder unter verfassungswidriger Verletzung
einer kantonalen Verfahrensregel ermittelt worden ist, sind strenge
Anforderungen an die Begründungspflicht der Beschwerde gerechtfertigt.
Entsprechende Beanstandungen sind vergleichbar mit den in Art. 106 Abs. 2 BGG
genannten Rügen. Demzufolge genügt es nicht, einen von den tatsächlichen
Feststellungen der Vorinstanz abweichenden Sachverhalt zu behaupten. Vielmehr
ist in der Beschwerdeschrift nach den erwähnten gesetzlichen Erfordernissen
darzulegen, inwiefern diese Feststellungen willkürlich bzw. unter Verletzung
einer verfahrensrechtlichen Verfassungsvorschrift zustande gekommen sind.
Andernfalls können Vorbringen mit Bezug auf einen Sachverhalt, der von den
Feststellungen im angefochtenen Entscheid abweicht, nicht berücksichtigt
werden. Vorbehalten bleiben offensichtliche Sachverhaltsmängel im Sinne von
Art. 105 Abs. 2 BGG, die dem Richter geradezu in die Augen springen (BGE 133 IV
286 E. 6.2 S. 288; 133 II 249 E. 1.4.3 S. 255).

2. 
Streitig ist der Anspruch auf eine Invalidenrente.

3. 
Die Vorinstanz hat die Bestimmungen und Grundsätze über den Begriff der
Arbeitsunfähigkeit (Art. 6 ATSG), der Erwerbsunfähigkeit (Art. 7 ATSG) und der
Invalidität (Art. 8 ATSG), den Anspruch auf eine Invalidenrente (Art. 28 Abs. 1
und 2 IVG) sowie die Ermittlung des Invaliditätsgrades nach der allgemeinen
Methode des Einkommensvergleichs (Art. 28a Abs. 1 IVG in Verbindung mit Art. 16
ATSG; BGE 128 V 29 E. 1 S. 30) zutreffend dargelegt. Dasselbe gilt für die
Aufgabe der Ärzte bei der Ermittlung des Invaliditätsgrades (BGE 140 V 193 E.
3.2 S. 195, 132 V 93 E. 4 S. 99), die Beweiswürdigung von und die Anforderungen
an ärztliche Berichte (BGE 134 V 231 E. 5.1 S. 232; 125 V 351 E. 3a S. 352).
Darauf wird verwiesen.

4.

4.1. Gestützt auf das Gerichtsgutachten des Dr. med. G.________ vom 16. Juli
2014 und dessen Ergänzung vom 29. April 2015 hat die Vorinstanz für das
Bundesgericht in verbindlicher Weise (E 1.2) festgestellt, beim Versicherten
lägen eine Panikstörung mit agoraphobischen Zügen (ICD-10: F40.0), akzentuierte
narzisstisch-neurotische Persönlichkeitszüge (ICD-10: Z73.1) sowie eine
rezidivierende depressive Störung mit gegenwärtig leichter Episode (ICD-10:
F33.0) vor und es sei ihm eine volle Arbeitsfähigkeit für kaufmännische
Tätigkeiten ohne Führungsfunktion zumutbar. In der Folge hat sie unter
Zugrundelegung eines Invalideneinkommens gestützt auf die Lohnstrukturerhebung
des Bundes (LSE) und Berücksichtigung eines Abzugs von 10 % einen
rentenausschliessenden Invaliditätsgrad von 35 % ermittelt.

4.2. An diesem Ergebnis vermögen auch die Einwände des Versicherten nichts zu
ändern:

4.2.1. Vorweg ist festzuhalten, dass der zum Verfügungszeitpunkt, mithin dem 7.
März 2013, vorliegende Gesundheitszustand massgebend ist für die Beurteilung
des Rentenanspruchs (BGE 132 V 215 E. 3.1.1 S. 220 mit Hinweis). Somit vermögen
die im Rahmen des kantonalen Verfahrens eingereichten, einen späteren Zeitpunkt
betreffenden Arztberichte nichts Massgebliches beizutragen, da sie sich auf den
Gesundheitszustand nach Erlass der strittigen Verfügung beziehen.

4.2.2. Das Gutachten des Dr. med. C.________ vom 21. Dezember 2011 ergibt
zusammen mit der ergänzenden Stellungnahme vom 9. Mai 2012 ein stimmiges Bild
des Gesundheitszustands sowie der zumutbaren Tätigkeiten im Gesamtkontext mit
den Gerichtsgutachten. So werden die Aussagen des Dr. med. C.________ im
Wesentlichen durch die in den massgeblichen Punkten (Diagnosen, Auswirkungen
auf den Alltag, zumutbare Arbeitsfähigkeit) übereinstimmende Einschätzung des
Gerichtsgutachters Dr. med. G.________ bestätigt.

4.2.3. Die Rechtsprechung von BGE 141 V 281 führt nicht dazu, dass das
Gutachten des Dr. med. G.________ unbeachtlich wäre. Wie der Versicherte in
seiner Beschwerde selbst konstatiert, geht es hier um psychische Beschwerden,
welche nicht unter die zu den somatoformen Schmerzstörungen entwickelte
Rechtsprechung (BGE 130 V 352 und nachfolgende Entscheide) fallen (vgl. BGE 140
V 8 E. 2.2.1.3, S. 13). Nachdem beide Gutachter weder eine wesentliche
Einschränkung der Arbeitsfähigkeit diagnostizierten noch erhebliche
Beeinträchtigungen im Alltag feststellten, hat BGE 141 V 281 keinen Einfluss
auf den vorliegenden Fall. Zudem verlieren vor Erlass der
Rechtsprechungsänderung erstellte Gutachten nicht einfach ihren Beweiswert,
sondern können weiterhin berücksichtigt werden (BGE 141 V 281 E. 8 S. 309 mit
Verweis auf BGE 137 V 210 E. 6 S. 266).

4.2.4. Bezüglich der Berichte des lic. phil. D.________ ist darauf hinzuweisen,
dass diese Berichte eines Psychologen nicht geeignet sind, fachärztliche
Feststellungen eines Psychiaters umzustossen (vgl. etwa BGE 130 V 352 E. 2.2.2
S. 353); zudem handelt es sich beim Psychologen D.________ wie auch bei Dr.
med. E.________ um behandelnde Personen, so dass im Zweifelsfall auf ihre
Aussagen nicht abgestellt werden kann (BGE 125 V 352 E. 3b/cc S. 353; vgl. auch
SVR 2014 IV Nr. 39 S. 137 E. 3.3.3, 9C_121/2014).

4.2.5. Weiter vermögen die festgehaltenen narzisstisch-neurotischen
Persönlichkeitszüge (ICD-10: Z73.1) keinen rechtserheblichen Gesundheitsschaden
zu begründen; dazu bedürfte es zumindest einer Persönlichkeitsstörung, welche
hier jedoch nicht diagnostiziert wird (SVR 2012 IV Nr. 52 S. 188 E. 3, 9C_537/
2011, Urteile 8C_558/2015 vom 22. Dezember 2015 E. 4.2.4 und 8C_897/2013 vom
18. Februar 2014 E. 3.9).

4.2.6. Nicht zu beanstanden ist ferner die Zugrundelegung der zumutbaren vollen
Arbeitsfähigkeit in einer angepassten, d.h. üblichen kaufmännischen Tätigkeit.
Bezüglich der geltend gemachten Widersprüche im Gutachten des Dr. med.
G.________ ist festzuhalten, dass nicht bereits dann eine reduzierte
Arbeitsfähigkeit vorliegt, wenn in einzelnen Bereichen Einschränkungen
festgestellt werden. Massgebend ist vielmehr das Gesamtbild, so dass auch bei
festgestellten, nicht besonders schwer wiegenden Einschränkungen in einzelnen
Kompetenzen dennoch eine volle Arbeitsfähigkeit gegeben sein kann. Insofern
vermag der Versicherte aus den Ergebnissen des Mini-ICF-APP nichts zu seinen
Gunsten abzuleiten. Weiter beziehen sich die vom Gerichtsgutachter G.________
festgestellten, die Arbeitsfähigkeit einschränkenden Umstände ausschliesslich
auf die Tätigkeit als Manager, nicht aber auf die im Rahmen einer
kaufmännischen Arbeit üblichen Verrichtungen, so dass für die leidensangepasste
blosse kaufmännische Tätigkeit nicht von einer relevanten Einschränkung
auszugehen ist. Dies stimmt mit der Einschätzung des Dr. med. C.________
überein, welcher ebenfalls von einer vollen zumutbaren Arbeitsfähigkeit für
kaufmännische Tätigkeiten ohne Leitungsfunktion ausgeht. So ist seinem
Gutachten vom 21. Dezember 2011 sowie seiner ergänzenden Stellungnahme vom 9.
Mai 2012 insgesamt zu entnehmen, dass spätestens ein Jahr nach Beginn der
Beeinträchtigung der Leistungsfähigkeit die Panikattacken den Alltag des
Versicherten kaum mehr einschränkten, weshalb aus psychiatrischer Sicht nur
noch eine geringgradige Arbeitsunfähigkeit attestiert werden könne.

4.2.7. Was schliesslich die Rügen bezüglich der Feststellung des Validen- und
Invalideneinkommens betrifft, vermögen diese Ausführungen keine
bundesrechtswidrige Festlegung dieser Einkommen zu belegen. Denn der
Versicherte erlangte nach vorübergehenden gesundheitlichen Einschränkungen
wieder eine volle Arbeitsfähigkeit. Als Valideneinkommen gilt demnach zu Recht
der vor Eintritt der Arbeitsunfähigkeit im Jahr 2009 erzielte Lohn.

5. 
Bezüglich der Kostenauferlegung für das Gerichtsgutachten und der
zugesprochenen Parteientschädigung bleibt es beim vorinstanzlichen Entscheid
(Art. 107 Abs. 1 BGG).

6. 
Das Verfahren ist kostenpflichtig. Der unterliegende Versicherte hat die
Gerichtskosten zu tragen (Art. 66 Abs. 1 BGG).

 Demnach erkennt das Bundesgericht:

1. 
Die Beschwerde wird abgewiesen.

2. 
Die Gerichtskosten von Fr. 800.- werden dem Beschwerdeführer auferlegt.

3. 
Dieses Urteil wird den Parteien, dem Kantonsgericht Basel-Landschaft, Abteilung
Sozialversicherungsrecht, und dem Bundesamt für Sozialversicherungen
schriftlich mitgeteilt.

Luzern, 30. März 2016

Im Namen der I. sozialrechtlichen Abteilung
des Schweizerischen Bundesgerichts

Der Präsident: Maillard

Die Gerichtsschreiberin: Riedi Hunold

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