Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

I. Sozialrechtliche Abteilung, Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten 8C.87/2015
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Bundesgericht
Tribunal fédéral
Tribunale federale
Tribunal federal

[8frIR2ALAGK1]     
{T 0/2}
                   
8C_87/2015

Urteil vom 11. November 2015

I. sozialrechtliche Abteilung

Besetzung
Bundesrichterin Leuzinger, Präsidentin,
Bundesrichter Frésard, Bundesrichterin Heine,
Gerichtsschreiber Nabold.

Verfahrensbeteiligte
A.________,
vertreten durch Advokat Marco Albrecht,
Beschwerdeführer,

gegen

Öffentliche Arbeitslosenkasse Baselland, Bahnhofstrasse 32, 4133 Pratteln,
Beschwerdegegnerin.

Gegenstand
Arbeitslosenversicherung (Arbeitslosenentschädigung),

Beschwerde gegen den Entscheid
des Kantonsgerichts Basel-Landschaft
vom 18. September 2014.

Sachverhalt:

A. 
Der 1993 geborene A.________ arbeitete vom 1. April 2012 bis 31. Dezember 2012
über den Verein B.________ beim Tiefbauamt, Stadtreinigung. Zwischen Januar und
August 2013 war der Versicherte zudem während insgesamt etwas mehr als fünf
Monaten für verschiedene Arbeitgeber erwerbstätig. Am 19. September 2013
beantragte A.________ Arbeitslosentaggelder ab 30. August 2013. Mit Verfügung
vom 14. November 2013 und Einspracheentscheid vom 12. März 2014 verneinte die
Öffentliche Arbeitslosenkasse Baselland einen Anspruch des Versicherten wegen
Nichterfüllens der Beitragszeit.

B. 
Die von A.________ hiegegen erhobene Beschwerde wies das Kantonsgericht
Basel-Landschaft mit Entscheid vom 18. September 2014 ab.

C. 
Mit Beschwerde beantragt A.________, es sei unter Aufhebung des Einsprache- und
des kantonalen Gerichtsentscheides festzustellen, dass er die Beitragszeit
erfüllt habe.
Während die Arbeitslosenkasse auf Abweisung der Beschwerde schliesst,
verzichtet das Staatssekretariat für Wirtschaft auf eine Vernehmlassung.

Erwägungen:

1.

1.1. Die Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten kann wegen
Rechtsverletzung gemäss Art. 95 und Art. 96 BGG erhoben werden. Das
Bundesgericht wendet das Recht von Amtes wegen an (Art. 106 Abs. 1 BGG). Es ist
somit weder an die in der Beschwerde geltend gemachten Argumente noch an die
Erwägungen der Vorinstanz gebunden; es kann eine Beschwerde aus einem anderen
als dem angerufenen Grund gutheissen oder es kann sie mit einer von der
Argumentation der Vorinstanz abweichenden Begründung abweisen (BGE 140 V 136 E.
1.1 S. 137 f.). Das Bundesgericht prüft indessen, unter Berücksichtigung der
allgemeinen Rüge- und Begründungspflicht (Art. 42 Abs. 1 und 2 BGG), nur die
geltend gemachten Vorbringen, falls allfällige weitere rechtliche Mängel nicht
geradezu offensichtlich sind (BGE 138 I 274 E. 1.6 S. 280; vgl. auch BGE 140 V
136 E. 1.1 S. 138).

1.2. Das Bundesgericht kann die Sachverhaltsfeststellung der Vorinstanz nur
berichtigen oder ergänzen, wenn sie offensichtlich unrichtig ist oder auf einer
Rechtsverletzung im Sinne von Art. 95 BGG beruht (Art. 105 Abs. 2 BGG).
Überdies muss die Behebung des Mangels für den Ausgang des Verfahrens
entscheidend sein (Art. 97 Abs. 1 BGG). Neue Tatsachen und Beweismittel dürfen
nur so weit vorgebracht werden, als erst der Entscheid der Vorinstanz dazu
Anlass gibt (Art. 99 Abs. 1 BGG).

2. 
Streitig ist, ob der Beschwerdeführer die zwölfmonatige Beitragszeit nach Art.
13 Abs. 1 AVIG erfüllt hat. Dabei steht fest, dass er zwischen Januar und
August 2013 bei verschiedenen Arbeitgebern eine Beitragszeit von etwas über
fünf Monaten aufweist. Zu prüfen ist demgegenüber, ob auch die Zeit, während
der er über den Verein B.________ bei der Stadtreinigung arbeitete, als
Beitragszeit anzurechnen ist.

3.

3.1. Gemäss Art. 8 Abs. 1 lit. e AVIG besteht ein Anspruch auf
Arbeitslosenentschädigung nur dann, wenn die versicherte Person die
Beitragszeit erfüllt hat oder von der Erfüllung der Beitragszeit befreit ist.
Die Beitragszeit hat nach Art. 13 Abs. 1 AVIG erfüllt, wer innerhalb der dafür
vorgesehenen Rahmenfrist (Art. 9 Abs. 3 AVIG) während mindestens zwölf Monaten
eine beitragspflichtige Beschäftigung ausgeübt hat.

3.2. In Anwendung von Art. 23 Abs. 3bis AVIG ist ein Verdienst, den eine Person
durch Teilnahme an einer von der öffentlichen Hand finanzierten
arbeitsmarktlichen Massnahme erzielt, nicht versichert. Ausgenommen sind
Massnahmen nach den Art. 65 und 66a AVIG. Als arbeitsmarktliche Massnahmen nach
Art. 23 Abs. 3biserster Satz AVIG gelten gemäss Art. 38 Abs. 1 AVIV alle voll
oder teilweise durch die öffentliche Hand finanzierten Integrationsmassnahmen.

3.3. Obwohl Art. 23 Abs. 3bis AVIG nach seinem Wortlaut und seiner
systematischen Stellung lediglich die Ermittlung des versicherten Verdienstes
beschlägt, erfüllt eine Person durch eine Tätigkeit, welche unter diese
Bestimmung fällt, auch keine Beitragszeit im Sinne von Art. 13 Abs. 1 AVIG (BGE
139 V 212 E. 3.3 S. 214).

3.4. Das AVIG will unter anderem bestehende Arbeitslosigkeit bekämpfen und die
rasche und dauerhafte Eingliederung in den Arbeitsmarkt fördern (Art. 1a Abs. 2
AVIG). Damit verfolgen die Organe der Arbeitslosenversicherung die gleichen
Ziele wie Sozialbehörden, welche in ihrem Zuständigkeitsbereich
Beschäftigungsprogramme organisieren. Solche Programme sollen stets dazu
dienen, Stellensuchende wieder in den ersten Arbeitsmarkt zu integrieren.
Allerdings sollen in verschiedenen Kantonen arbeitslose Personen zwölf Monate
in ein vom Kanton finanziertes Programm aufgenommen worden sein, um alsdann
wieder eine neue Leistungspflicht der Arbeitslosenversicherung auszulösen. Art.
23 Abs. 3bis AVIG soll verhindern, dass Sozialbehörden Beschäftigungsprogramme
nicht zur Wiedereingliederung der Stellensuchenden, sondern einzig zur
Generierung von Beitragszeiten organisieren. Vor diesem Hintergrund erweist
sich Art. 38 Abs. 1 AVIV, wonach alle voll oder teilweise durch die öffentliche
Hand finanzierten Integrationsmassnahmen in den Anwendungsbereich von Art. 23
Abs. 3bis AVIG fallen, als gesetzeskonform (BGE 139 V 212 E. 4.1 S. 214 f.).
Für den Entscheid, ob eine Tätigkeit als Teilnahme an einer
Integrationsmassnahme zu werten ist, ist nicht entscheidend, ob die ausgeübte
Tätigkeit auch in der freien Wirtschaft nachgefragt wird. Entscheidend ist
vielmehr der Zweck der Beschäftigung (BGE 139 V 212 E. 4.2 S. 215).

4.

4.1. Gemäss den verbindlichen Feststellungen der Vorinstanz arbeitete der
Versicherte in der Zeit vom 1. April bis 31. Dezember 2012 für die
Stadtreinigung des Tiefbauamts. Dabei erzielte er einen marktüblichen Lohn. Der
Einsatz war über den Verein B.________ vermittelt.

4.1.1. Beim Verein B.________ handelt es sich nach den vorinstanzlichen
Feststellungen um ein im Jahre 2009 gestartetes Projekt mit dem Zweck,
Sozialhilfe- und ALV-Bezügern zu helfen, entsprechend deren Leistungsfähigkeit
eine Beschäftigung im regulären Arbeitsmarkt zu finden. Im Vorstand finden sich
unter anderem Vertreter des basel-städtischen Gewerbeverbandes, des
Wirteverbandes, des Malermeisterverbandes und der Mittelstands-Vereinigung.
Ziel sei eine nachhaltige Stellenvermittlung und finanzielle Eigenständigkeit
der begleiteten Personen. Der Verein unterstütze Stellensuchende im
persönlichen Bewerbungsprozess und sichere mit laufender Betreuung bis zur
Beendigung der Probezeit den Einstieg in den ersten Arbeitsmarkt. Der Verein
stelle den Erstkontakt zu den Einsatzfirmen her und bereite die
Vorstellungsgespräche vor. Erfolge ein Einsatz, so übernehme der Verein die
gesamte Lohnbuchhaltung und die Administration. Dem Einsatzbetrieb werden
monatlich der vereinbarte Bruttolohn und die Arbeitgebersozialleistungen in
Rechnung gestellt.

4.1.2. Aus den Akten geht hervor, dass der Verein B.________ den
Stellensuchenden nicht nur Einsätze bei kantonalen Betrieben und der kantonalen
Verwaltung vermittelt, sondern auch und vor allem bei Einsatzfirmen in der
Privatwirtschaft. So finden sich in der Liste der beteiligten Firmen und
Unternehmen solche aus der Autobranche (etwa C._________ AG, Zentrale
D.________), dem Bankwesen (Bank E.________), der Coiffeur-Branche (Coiffeur
F.________), der Floristik (u.a. G.________ AG, H.________ AG), der Gastronomie
(neben vielen etwa Pizzeria I.________, Restaurant J.________, Restaurant
K.________), dem Gesundheitswesen (u.a. Hauspflege L.________, Altersheim
M.________; Reha N.________), dem Graphik-Gewerbe (Fotograph O.________), der
Baubranche (u.a. Holzarbeiten P.________, Gerüstbau Q.________ AG, Storen
R.________ AG), der Hotellerie (Hotel S.________, Hotel T.________),
Logistikunternehmen (U.________ AG, Unternehmen V.________),
Reinigungsunternehmen (W.________ AG), der Überwachungsbranche (X.________ AG)
und dem Einzelhandel (Y.________ AG, Genossenschaft Z.________).

4.2. Entgegen den vorinstanzlichen Erwägungen folgt aus dem Umstand, dass die
Tätigkeit des Beschwerdeführers bei der Stadtreinigung über den Verein
B.________ vermittelt wurde, noch nicht, dass es sich bei dieser Tätigkeit um
die Teilnahme an einer arbeitsmarktlichen Massnahme im Sinne von Art. 23 Abs.
3bis AVIG gehandelt hat. Um den Zweck der Beschäftigung erfassen zu können, ist
in erster Linie von der Interessenlage des Einsatzbetriebes, und nicht von
jener des Vermittlers auszugehen. Das gilt auch dann, wenn die
Lohnadministration - wie dies auch beim Personalverleih nach dem Bundesgesetz
vom 6. Oktober 1989 über die Arbeitsvermittlung und den Personalverleih (AVG;
SR 823.11) regelmässig der Fall ist (vgl. Art. 19 AVG) - vom Vermittler
übernommen wird. Im vorliegenden Fall fehlen Hinweise darauf, dass das
Tiefbauamt nicht an der Arbeitsleistung des Versicherten interessiert war,
sondern in erster Linie die berufliche und soziale Integration des Versicherten
fördern wollte. So wurde der Beschwerdeführer marktüblich entlöhnt und die
anfänglich geplante Dauer des Einsatzes - offenbar aufgrund seiner guten
Leistungen - verlängert. Da der Einsatz insgesamt lediglich neun Monate
dauerte, die Mindestbeitragzeit aber zwölf Monate beträgt, erscheint es als
unwahrscheinlich, dass die Anstellung lediglich zu dem Zweck organisiert wurde,
dem Versicherten die Generierung von Beitragszeiten zu ermöglichen. Die
Beschwerde des Versicherten ist somit gutzuheissen, der Einsprache- und der
kantonale Gerichtsentscheid sind aufzuheben und die Sache ist an die
Arbeitslosenkasse zurückzuweisen, damit diese über die Ansprüche des
Versicherten unter Berücksichtigung seines Einsatzes für das Tiefbauamt als
Beitragszeit neu verfüge.

5. 
Das Verfahren ist kostenpflichtig (Art. 65 Abs. 1 BGG). Die Gerichtskosten
werden der Beschwerdegegnerin als unterliegender Partei auferlegt (Art. 66 Abs.
1 BGG). Sie hat dem Beschwerdeführer eine Parteientschädigung auszurichten
(Art. 66 Abs. 1 und 2 BGG).

 Demnach erkennt das Bundesgericht:

1. 
Die Beschwerde wird gutgeheissen. Der Entscheid des Kantonsgerichts
Basel-Landschaft vom 18. September 2014 und der Einspracheentscheid der
Öffentlichen Arbeitslosenkasse Baselland vom 12. März 2014 werden aufgehoben.
Die Sache wird an die Beschwerdegegnerin zurückgewiesen, damit diese über die
Ansprüche des Beschwerdeführers neu entscheide.

2. 
Die Gerichtskosten von Fr. 500.- werden der Beschwerdegegnerin auferlegt.

3. 
Die Beschwerdegegnerin hat den Beschwerdeführer für das bundesgerichtliche
Verfahren mit Fr. 2'800.- zu entschädigen.

4. 
Die Sache wird zur Neuverlegung der Parteientschädigung des vorangegangenen
Verfahrens an das Kantonsgericht Basel-Landschaft zurückgewiesen.

5. 
Dieses Urteil wird den Parteien, dem Kantonsgericht Basel-Landschaft, Abteilung
Sozialversicherungsrecht, und dem Staatssekretariat für Wirtschaft (SECO)
schriftlich mitgeteilt.

Luzern, 11. November 2015
Im Namen der I. sozialrechtlichen Abteilung
des Schweizerischen Bundesgerichts

Die Präsidentin: Leuzinger

Der Gerichtsschreiber: Nabold

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