Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

I. Sozialrechtliche Abteilung, Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten 8C.850/2015
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Bundesgericht
Tribunal fédéral
Tribunale federale
Tribunal federal

[8frIR2ALAGK1]     
{T 0/2}
                   
8C_850/2015

Urteil vom 19. April 2016

I. sozialrechtliche Abteilung

Besetzung
Bundesrichter Maillard, Präsident,
Bundesrichter Ursprung, Bundesrichterin Heine,
Gerichtsschreiber Krähenbühl.

Verfahrensbeteiligte
Schweizerische Unfallversicherungsanstalt (SUVA), Fluhmattstrasse 1, 6004
Luzern,
Beschwerdeführerin,

gegen

CONCORDIA Schweizerische Kranken-
und Unfallversicherung AG,
Bundesplatz 15, 6003 Luzern,
Beschwerdegegnerin,

A.________.

Gegenstand
Unfallversicherung (unfallähnliche Körperschädigung),

Beschwerde gegen den Entscheid des Verwaltungsgerichts des Kantons Obwalden
vom 14. Oktober 2015.

Sachverhalt:

A. 
A.________ (Jg. 1962) zog sich am 25. Juli 2014 eine Verletzung der rechten
Schulter (Ruptur der langen Bizepssehne) zu, als er sich beim Rückwärtsziehen
einer auf Rädern stehenden Kühltruhe mit einem Gewicht von rund 200 kg
umdrehte, um zu kontrollieren, ob der Weg hinter ihm von Hindernissen, welche
das freie Rollen der gezogenen Truhe hätten beeinträchtigen können, frei war.
Die Schweizerische Unfallversicherungsanstalt (SUVA) lehnte ihre
Leistungspflicht mit Verfügung vom 26. Februar 2015 ab, weil weder ein Unfall
noch eine unfallähnliche Körperschädigung vorläge. Daran hielt sie auf
Einsprache des Krankenversicherers - der CONCORDIA Schweizerische Kranken- und
Unfallversicherung AG - hin mit Entscheid vom 20. April 2015 fest.

B. 
In Gutheissung der dagegen von der Krankenversicherung ergriffenen Beschwerde
hob das Verwaltungsgericht des Kantons Obwalden den Einspracheentscheid der
SUVA vom 20. April 2015 mit Entscheid vom 14. Oktober 2015 auf und stellte
fest, dass die SUVA im Zusammenhang mit der unfallähnlichen Körperschädigung
vom 25. Juli 2014 die gesetzlichen Leistungen zu erbringen habe. Zu deren
Festsetzung wurde die Sache an diese zurückgewiesen.

C. 
Die SUVA lässt Beschwerde am Bundesgericht führen mit dem Antrag, ihr
Einspracheentscheid vom 20. April 2015 sei unter Aufhebung des angefochtenen
kantonalen Gerichtsentscheides zu bestätigen.
Die CONCORDIA und das kantonale Gericht schliessen je auf Abweisung der
Beschwerde. Das Bundesamt für Gesundheit verzichtet auf eine Vernehmlassung.

Erwägungen:

1. 
Die Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten (Art. 82 ff. BGG) kann
wegen Rechtsverletzungen gemäss den Art. 95 f. BGG erhoben werden. Im
Beschwerdeverfahren um die Zusprechung oder Verweigerung von Geldleistungen der
Militär- oder der Unfallversicherung ist das Bundesgericht - anders als in den
übrigen Sozialversicherungsbereichen (Art. 97 Abs. 1, Art. 105 Abs. 1 und 2
BGG) - nicht an die vorinstanzliche Feststellung des rechtserheblichen
Sachverhalts gebunden (Art. 97 Abs. 2 und Art. 105 Abs. 3 BGG). Es wendet das
Recht von Amtes wegen an (Art. 106 Abs. 1 BGG), prüft indessen - unter
Beachtung der Begründungspflicht in Beschwerdeverfahren (Art. 42 Abs. 1 und 2
BGG) - nur die geltend gemachten Rügen, sofern allfällige weitere rechtliche
Mängel nicht geradezu offensichtlich sind (BGE 133 II 249 E. 1.4.1 S. 254).

2.

2.1. Einig sind sich Beschwerdeführerin und Vorinstanz darin, dass der
Versicherte am 25. Juli 2014 keinen eigentlichen Unfall nach Art. 4 ATSG (in
Verbindung mit Art. 6 Abs. 1 und 3 sowie Art. 7 und 8 UVG) erlitten hat, weil
es nicht zur schädigenden Einwirkung eines ungewöhnlichen äusseren Faktors auf
den Körper des Versicherten gekommen ist und es damit an einer für die
Erfüllung des Unfallbegriffes unabdingbaren Voraussetzung mangelt. Eine
Leistungspflicht des Unfallversicherers fällt damit unbestrittenermassen nur in
Betracht, wenn sich der Versicherte an diesem Tag eine unfallähnliche
Körperschädigung im Sinne von Art. 9 Abs. 2 UVV in Verbindung mit Art. 6 Abs. 2
UVG zugezogen hat.

2.2. Die zur Leistungspflicht der Unfallversicherung bei unfallähnlichen
Körperschädigungen (Art. 6 Abs. 2 UVG in Verbindung mit Art. 9 Abs. 2 UVV)
ergangene Rechtsprechung (BGE 139 V 327, 129 V 466) hat das kantonale Gericht
zutreffend dargelegt. Darauf wird verwiesen.

3.

3.1. Von keiner Seite in Frage gestellt wird, dass die Verletzung des
Versicherten (Ruptur der langen Bizepssehne rechts) unter die in Art. 9 Abs. 2
UVV aufgelisteten unfallähnlichen Körperschädigungen fällt (Art. 9 Abs. 2 lit.
f UVV: Sehnenrisse).

3.2. Die Leistungspflicht des Unfallversicherers ist jedoch - auch wenn eine
der in Art. 9 Abs. 2 lit. a bis h UVV unter dem Titel "unfallähnliche
Körperschädigungen" aufgeführten Befunde erhoben wird - nur gegeben, wenn die
Verletzung, wie in Art. 4 ATSG vorgesehen, auf eine plötzliche, nicht
beabsichtigte schädigende Einwirkung eines äusseren Faktors zurückzuführen ist.
Bei den unfallähnlichen Körperschädigungen im Sinne von Art. 9 Abs. 2 UVV
entfällt im Vergleich zu den eigentlichen Unfällen nach Art. 4 ATSG einzig das
Tatbestandselement der Ungewöhnlichkeit des auf den Körper einwirkenden
äusseren Faktors (BGE 139 V 327 E. 3.1 S. 328, 129 V 466 E. 2.2 S. 467 und 123
V 43 E. 2b S. 44 f., je mit Hinweisen). Alle übrigen Begriffsmerkmale eines
Unfalles müssen hingegen - wie das kantonale Gericht unter Hinweis auf die
bundesgerichtliche Rechtsprechung richtig festgehalten hat - auch bei
unfallähnlichen Körperschädigungen erfüllt sein. Dies gilt namentlich für das
Erfordernis des auf den menschlichen Körper einwirkenden äusseren Faktors,
worunter ein ausserhalb des Körpers liegender, objektiv feststellbarer,
sinnfälliger - eben unfallähnlicher - Einfluss auf den Körper zu verstehen ist
(BGE 129 V 466 E. 2.2 S. 467 mit Hinweisen; vgl. auch BGE 139 V 327 E. 3.3.1 S.
329). Die schädigende Einwirkung kann auch in einer körpereigenen Bewegung
bestehen (BGE 129 V 466 E. 4.1 S. 468 f. mit Hinweisen), doch gilt das
Auftreten von Schmerzen allein noch nicht als äusserer Faktor im Sinne der
Rechtsprechung zu Art. 9 Abs. 2 UVV, ist ein solcher also nicht gegeben, wenn
die versicherte Person einzig das (in zeitlicher Hinsicht erstmalige) Auftreten
von Schmerzen angibt, aber keine gleichzeitig mitwirkende äussere Komponente zu
benennen vermag (BGE 129 V 466 E. 4.2.1 S. 469 f.).

3.3. Für die Annahme der schädigenden Einwirkung eines äusseren Faktors auf den
menschlichen Körper ist ein Geschehen erforderlich, das sich in einer allgemein
gesteigerten Gefahrenlage abspielt und welchem überdies ein erhöhtes
Gefährdungspotenzial innewohnt (vgl. BGE 129 V 466 E. 4.2.2 S. 470). Ein
solches Geschehen kann auch in einer körpereigenen Bewegung gesehen werden,
sofern diese eine physiologisch normale und psychologisch beherrschte
Beanspruchung übersteigt.
Beizupflichten ist der Beschwerdeführerin einerseits darin, dass allein das
Ziehen einer rund 200 kg schweren Kühltruhe, welche auf Rädern steht resp.
rollt, zumindest auf ebenem Boden, also ohne dass eine Steigung zu überwinden
wäre (etwas Derartiges wurde nie behauptet), noch keine allgemein gesteigerte
Gefahrenlage schafft; dies schon gar nicht bei einem Versicherten, welcher -
wie hier - eigenen Angaben zufolge solche Manöver mindestens ein Mal
wöchentlich durchzuführen hat. Dieser Vorgang kann nicht als mit einem
besonderen Risiko behaftet betrachtet werden, sondern ist als durchaus übliche
Alltagsverrichtung im Rahmen seiner gewohnten beruflichen Tätigkeit
einzustufen. So konnte er die Kühltruhe bewegen, nötigenfalls auch jederzeit
zum Stoppen bringen, ohne sich dabei physiologisch in eine ungewöhnliche
Position begeben zu müssen. Andererseits ist einem blossen "Blick zurück" -
entgegen der im angefochtenen Entscheid zum Ausdruck gebrachten
vorinstanzlichen Ansicht - auch kein erhöhtes Gefährdungspotenzial beizumessen.
Die dadurch bedingte Drehung des Kopfes und allenfalls eines Teils des
Oberkörpers ändert daran nichts. Insoweit ist der Beschwerdeführerin ebenfalls
vollumfänglich zuzustimmen. Ein unfallähnlicher Vorfall, für dessen Folgen der
Unfallversicherer gestützt auf Art. 9 Abs. 2 UVV in Verbindung mit Art. 6 Abs.
2 UVG Leistungen zu erbringen hätte, liegt demnach nicht vor. Dahingestellt
bleiben kann, ob - wie der Versicherte nachträglich geltend gemacht hat -
tatsächlich von einer Ruckartigkeit des damaligen Bewegungsablaufes - sei es
beim Ziehen der Truhe selbst, sei es beim "Blick zurück" - auszugehen ist, was
von der Beschwerdeführerin unter Berufung auf die Massgeblichkeit der "Aussage
der ersten Stunde" (BGE 115 V 133 E. 8c S. 143) bestritten wird. Ein erhöhtes
Gefährdungspotenzial liesse sich daraus ohnehin nicht ableiten.

4. 
Die Gerichtskosten (Art. 65 Abs. 1 und Abs. 4 lit. a BGG) sind dem
Verfahrensausgang entsprechend von der Beschwerdegegnerin als unterliegender
Partei zu tragen (Art. 66 Abs. 1 BGG).

Demnach erkennt das Bundesgericht:

1. 
Die Beschwerde wird gutgeheissen. Der Entscheid des Verwaltungsgerichts des
Kantons Obwalden vom 14. Oktober 2015 wird aufgehoben und der
Einspracheentscheid der Schweizerischen Unfallversicherungsanstalt vom 20.
April 2015 bestätigt.

2. 
Die Gerichtskosten von Fr. 3'000.- werden der Beschwerdegegnerin auferlegt.

3. 
Dieses Urteil wird den Parteien, A.________, dem Verwaltungsgericht des Kantons
Obwalden und dem Bundesamt für Gesundheit schriftlich mitgeteilt.

Luzern, 19. April 2016
Im Namen der I. sozialrechtlichen Abteilung
des Schweizerischen Bundesgerichts

Der Präsident: Maillard

Der Gerichtsschreiber: Krähenbühl

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