Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

I. Sozialrechtliche Abteilung, Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten 8C.846/2015
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Bundesgericht
Tribunal fédéral
Tribunale federale
Tribunal federal

[8frIR2ALAGK1]     
{T 0/2}
                   
8C_846/2015

Urteil vom 3. Juni 2016

I. sozialrechtliche Abteilung

Besetzung
Bundesrichter Maillard, Präsident,
Bundesrichter Frésard, Bundesrichterin Heine,
Gerichtsschreiberin Berger Götz.

Verfahrensbeteiligte
IV-Stelle Bern, Scheibenstrasse 70, 3014 Bern,
Beschwerdeführerin,

gegen

A.________,
vertreten durch Rechtsdienst Inclusion Handicap, Mühlemattstrasse 14a, 3007
Bern,
Beschwerdegegner.

Gegenstand
Invalidenversicherung (Invalidenrente),

Beschwerde gegen den Entscheid des Verwaltungsgerichts des Kantons Bern vom 9.
Oktober 2015.

Sachverhalt:

A. 
Der 1968 geborene A.________ war seit 1. Dezember 2001 in einem Vollpensum als
Informatiker für den Betrieb B.________ tätig. Ab April 2005 reduzierte er das
Arbeitspensum auf 80 %. Am 15. April 2010 meldete er sich infolge einer im
Februar 2009 erlittenen Hirnblutung und unter Hinweis auf einen im März 2010
diagnostizierten hochgradigen Verdacht auf eine Neurosarkoidose bei der
Invalidenversicherung zum Leistungsbezug an. Die IV-Stelle Bern nahm diverse
Abklärungen vor, führte berufliche Eingliederungsmassnahmen durch, gewährte
verschiedene Hilfsmittel und richtete ab 1. Januar 2011 eine
Hilflosenentschädigung für Hilflosigkeit leichten Grades aus (Mitteilung vom 8.
Juni 2012). Mit vier Verfügungen vom 5. Juli 2012 sprach sie A.________ ab 1.
Oktober 2010 eine ganze, ab 1. Juni 2011 eine Dreiviertels- und ab 1. September
bis 31. Dezember 2011 eine Viertelsrente zu; den Invaliditätsgrad ermittelte
sie anhand der gemischten Methode mit den Anteilen 80 % Erwerb und 20 %
Haushalt.

Nachdem A.________ mit Schreiben vom 6. Juli 2013 mitgeteilt hatte, dass sich
sein Gesundheitszustand in letzter Zeit verschlechtert habe, weshalb er sein
aktuelles Arbeitspensum von 60 % nach Absprache mit seinem Hausarzt reduzieren
müsse, holte die IV-Stelle aktuelle medizinische Stellungnahmen und einen
Abklärungsbericht Haushalt vom 31. Januar 2014 ein. Nach Durchführung des
Vorbescheidverfahrens verneinte sie einen Rentenanspruch unter Hinweis auf
einen Invaliditätsgrad von 37 %, wobei sie der Invaliditätsbemessung wiederum
die gemischte Methode mit den Anteilen 80 % Erwerb und 20 % Haushalt zugrunde
legte (Verfügung vom 26. Juni 2014).

B. 
In Gutheissung der dagegen geführten Beschwerde hob das Verwaltungsgericht des
Kantons Bern die Verfügung vom 26. Juni 2014 auf und sprach A.________ mit
Wirkung ab Januar 2014 eine Viertelsrente zu (Entscheid vom 9. Oktober 2015).

C. 
Mit Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten beantragt die
IV-Stelle die Aufhebung des kantonalen Gerichtsentscheids vom 9. Oktober 2015.
A.________ lässt auf Abweisung der Beschwerde schliessen. Das Bundesamt für
Sozialversicherungen verzichtet auf eine Stellungnahme.

Erwägungen:

1. 
Die Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten kann wegen
Rechtsverletzungen gemäss Art. 95 und 96 BGG erhoben werden. Das Bundesgericht
legt seinem Urteil den Sachverhalt zugrunde, den die Vorinstanz festgestellt
hat (Art. 105 Abs. 1 BGG). Es kann deren Sachverhaltsfeststellung auf Rüge hin
oder von Amtes wegen berichtigen oder ergänzen, wenn sie offensichtlich
unrichtig ist oder auf einer Rechtsverletzung im Sinne von Art. 95 BGG beruht,
und wenn die Behebung des Mangels für den Ausgang des Verfahrens entscheidend
sein kann (Art. 105 Abs. 2 BGG und Art. 97 Abs. 1 BGG). Das Bundesgericht
wendet das Recht von Amtes wegen an (Art. 106 Abs. 1 BGG) und ist folglich
weder an die in der Beschwerde geltend gemachten Argumente noch an die
Erwägungen der Vorinstanz gebunden (BGE 134 I 65 E. 1.3 S. 67 f.; 134 V 250 E.
1.2 S. 252, je mit Hinweisen).

2. 
Das kantonale Gericht hat die Bestimmungen und die von der Rechtsprechung
entwickelten Grundsätze zur Rentenrevision, die bei Neuanmeldungen analog
Anwendung finden (Art. 17 Abs. 1 ATSG; Art. 87 Abs. 2 und 3 IVV; BGE 130 V 71
E. 3.2.3 S. 77; vgl. auch BGE 133 V 108 E. 5.4 S. 114; 134 V 131 E. 3. S. 132),
zum Begriff der Invalidität (Art. 4 Abs. 1 IVG in Verbindung mit Art. 8 Abs. 1
ATSG), zur Erwerbsunfähigkeit (Art. 7 ATSG), zum Umfang des Rentenanspruchs
(Art. 28 Abs. 2 IVG) und zur Beurteilung der sog. Statusfrage und damit zur
anwendbaren Invaliditätsbemessungsmethode (bei erwerbstätigen Versicherten nach
der Einkommensvergleichsmethode [Art. 28a Abs. 1 IVG in Verbindung mit Art. 16
ATSG]; bei teilerwerbstätigen Versicherten nach der gemischten Methode [Art.
28a Abs. 3 IVG und Art. 27bis IVV in Verbindung mit Art. 28a Abs. 1 und 2 IVG,
Art. 16 ATSG und Art. 27 IVV]; BGE 130 V 393 E. 3.3 S. 395 f.; 125 V 146 E. 2c
S. 150; vgl. ferner BGE 134 V 9; 133 V 477 E. 6.3 S. 486 f. mit Hinweisen, 504
E. 3.3 S. 507 f.; 130 V 97 E. 3. S. 98 ff.) zutreffend dargelegt. Darauf wird
verwiesen.

3. 
Es steht fest und ist unbestritten, dass seit der rechtskräftigen Zusprechung
der abgestuften und befristeten Rente (Verwaltungsakte vom 5. Juli 2012) bis
zur verfügungsweisen Neuprüfung vom 26. Juni 2014 eine - im Rahmen einer
Neuanmeldung analog zu prüfende (E. 2 hiervor) - revisionsbegründende
erhebliche Änderung in den tatsächlichen Verhältnissen eingetreten ist:

Der Versicherte hatte nach einer vorübergehenden 100%igen Arbeitsunfähigkeit
seine Beschäftigung als Informatiker im Betrieb B.________ am 1. September 2011
im Rahmen eines 60%igen Pensums wieder aufgenommen. In den Rentenverfügungen
vom 5. Juli 2012 legte die IV-Stelle der Invaliditätsbemessung im Erwerb den
effektiv in dieser Tätigkeit erzielten Verdienst als Invalideneinkommen
zugrunde. Anlässlich der Anspruchsprüfung im Rahmen der Neuanmeldung waren sich
die medizinischen Fachpersonen einig, dass dieses Arbeitspensum aufgrund der
gesundheitlichen Defizite längerfristig nicht beibehalten werden konnte, weil
wiederholt Erschöpfungszustände mit 100%iger Arbeitsunfähigkeit aufgetreten
waren. Im Laufe des Jahres 2013 musste das Pensum auf 50 % reduziert werden.
Zudem zeigte sich, dass auch Pikettdienst und Nachtarbeit nicht mehr zumutbar
waren. Der Arbeitgeber bot dem Beschwerdegegner deshalb eine seinen Leiden
besser angepasste 50%-Stelle ohne Pikettdienst an. Die Vorinstanz leitet aus
der durch die ärztlichen Stellungnahmen objektivierten Reduktion des
Leistungsvermögens mit erheblichen Auswirkungen auf den Lohn einen
Revisionsgrund ab. Da unbestrittenermassen eine anspruchsrelevante Veränderung
des Sachverhalts vorliegt, kann der Rentenanspruch in rechtlicher und
tatsächlicher Hinsicht umfassend ("allseitig") geprüft werden, wobei keine
Bindung an frühere Beurteilungen besteht (vgl. BGE 141 V 9 E. 2.3 S. 10 f.; 117
V 198 E. 4b S. 200).

4.

4.1. Das kantonale Gericht geht davon aus, dass der Versicherte als Gesunder
überwiegend wahrscheinlich ausschliesslich im erwerblichen Bereich im Umfang
eines 80%-Pensums tätig wäre. Er habe sein Arbeitspensum damals - vor Eintritt
des Gesundheitsschadens - nicht für die Erledigung des Haushaltes reduziert.
Darum sei es entgegen der Ansicht der IV-Stelle unzulässig, auf eine im
Gesundheitsfall 20%ige Tätigkeit im Aufgabenbereich Haushalt zu schliessen. Für
die Ermittlung des Invaliditätsgrades sei die Einkommensvergleichsmethode
anzuwenden. Das Invalideneinkommen berechne sich gestützt auf die Angaben des
Arbeitgebers. Ausgehend von Fr. 121'826.- bei einer Vollzeitbeschäftigung
resultiere in einer 80%igen Beschäftigung ein Jahreslohn von Fr. 101'729.30
(Fr. 97'460.80 zuzüglich Pikettzulage von Fr. 4'268.50). Ob die Pikettzulage
mit der IV-Stelle der Teuerung anzupassen sei, könne offen bleiben. Denn im
Vergleich mit dem Invalideneinkommen in der Höhe von Fr. 60'913.- (Fr.
121'826.- x 0,5), welches dem aktuellen Verdienst im Betrieb B.________ in
einem 50%-Pensum entspreche, resultiere bereits unter Berücksichtigung einer
nicht indexierten Pikettzulage ein Invaliditätsgrad von 40 %. Der Anspruch auf
eine Viertelsrente stehe damit jedenfalls fest.

4.2. Die IV-Stelle ist der Ansicht, die Vorinstanz hätte den Invaliditätsgrad
gestützt auf die gemischte Methode berechnen müssen. Indem im angefochtenen
Entscheid der Anteil von 20 % neben dem 80%igen Erwerbsanteil fälschlicherweise
als Freizeit taxiert und in der Folge die Einkommensvergleichsmethode
angewendet werde, liege eine Verletzung von Bundesrecht, konkret von Art. 28a
Abs. 3 IVG sowie der dazu ergangenen Rechtsprechung (BGE 141 V 15), vor. Mit
Blick auf BGE 141 V 15 dürfe der Haushaltsanteil nicht in Abhängigkeit vom
Umfang der im Aufgabenbereich anfallenden Arbeiten festgesetzt werden. Was
nicht Erwerbstätigkeit sei, falle unter die Besorgung des Haushalts.
Erwerbstätigkeit und nicht erwerblicher Aufgabenbereich seien in dem Sinne
komplementär, als sie zusammen im Regelfall einen Wert von 100 % ergeben
sollten. Die Angaben des Versicherten seien nicht geeignet, einen
Aufgabenbereich mit überwiegender Wahrscheinlichkeit auszuschliessen.

4.3. Der Versicherte lässt geltend machen, wer allein lebe, nur einen einfachen
und minimalen Haushalt für sich selber führe und damit nur das tue, was jede
Person ohnehin erledigen müsse (Einkaufen, Mahlzeiten zubereiten, Wohnung
pflegen und Waschen), erfülle keine "IV-rechtlichen Aufgaben". Er sei bereits
vor seiner Erkrankung als Informatiker im Betrieb B.________ einem 80%-Pensum
nachgegangen und die Vorinstanz habe zu Recht erwogen, dass er als
alleinstehende Person nach einer Reduktion des Pensums nicht automatisch als
Teilerwerbstätiger mit einem Aufgabenbereich Haushalt einzustufen sei. An
diesem Grundsatz habe BGE 141 V 15 nichts geändert. Das kantonale Gericht habe
bei offensichtlich fehlendem Aufgabenbereich den IV-Grad zu Recht nach der
Methode des Einkommensvergleichs berechnet und ab 1. Januar 2014 eine
Viertelsrente zugesprochen.

5.

5.1. Nach den verbindlichen vorinstanzlichen Tatsachenfeststellungen führt der
ledige und kinderlose Beschwerdegegner einen Einpersonenhaushalt in einer 3 1/
2-Zimmer-Wohnung ohne Betreuungsaufgaben. Die Reduktion des Pensums im Erwerb
von 100 % auf 80 % sei nach den plausiblen Angaben des Versicherten vor
Eintritt des Gesundheitsschadens erfolgt, weil er gut verdient habe, weshalb
ein 80%-Pensum ausgereicht habe. Es seien keine hinreichenden Anhaltspunkte
auszumachen, dass er sein Arbeitspensum für die Erledigung des Haushalts
reduziert hätte. Im Gegenteil habe er die Haushaltsführung stets mit sehr
geringem Aufwand betrieben und er sei vor der Erkrankung mehrheitlich auswärts
essen gegangen. Die Wohnungspflege habe er vor Eintritt des Gesundheitsschadens
einmal wöchentlich, manchmal auch nur einmal in zwei Wochen jeweils am Samstag
erledigt, während er Bügel- und Flickarbeiten bei Bedarf seiner Mutter
übergeben habe. Die Haushaltsführung sei folglich qualitativ wie quantitativ
von untergeordneter Bedeutung gewesen, weshalb sie nicht einer Erwerbstätigkeit
gleichgestellt werden könne. Der Beschwerdegegner schliesst sich dieser
Betrachtungsweise an. Bereits im Vorbescheidverfahren hatte er darauf
hingewiesen, dass die Reduktion des Arbeitspensums auf 80 % vor Eintritt des
Gesundheitsschadens wegen seiner Hobbies (Rudern, Joggen) und nicht zur
Verrichtung des Haushalts erfolgt sei. Die IV-Stelle rügt die
Sachverhaltsfeststellung des kantonalen Gerichts nicht, ist jedoch - unter
Berufung auf BGE 141 V 15 - der Meinung, dass unter den vorliegenden Umständen
neben der 80%igen Erwerbstätigkeit dennoch komplementär ein 20%iger
Haushaltsanteil zu berücksichtigen und demgemäss die gemischte Methode
anzuwenden sei.

5.2. Nach BGE 141 V 15 sind Erwerbstätigkeit und nichterwerblicher
Aufgabenbereich im Rahmen der gemischten Methode grundsätzlich komplementär,
wobei der Haushaltsanteil nicht in Abhängigkeit vom Umfang der im
Aufgabenbereich anfallenden Arbeiten festgesetzt werden darf. Daraus kann
allerdings nicht abgeleitet werden, dass bei allen teilzeitlich erwerbstätigen
Personen mit eigenem Haushalt ein Aufgabenbereich (mit einem Anteil im Umfang
der nicht durch die Erwerbstätigkeit ausgefüllten Zeit, somit z.B. bei einem
erwerblichen Anteil von 50 % ein ebensolcher Anteil im Aufgabenbereich, oder in
casu bei einem erwerblichen Pensum von 80 % ein Aufgabenbereich von 20 %)
angenommen werden muss. Die IV-Stelle übersieht bei ihrer Argumentation, dass
in der vorliegenden Konstellation, in welcher der Versicherte eine
Teilzeitanstellung wählte, um mehr Freizeit zu haben und nicht, um die
Haushaltsführung wahrnehmen zu können, gar kein Aufgabenbereich vorliegt.
Freizeit ist aber nach Art. 27 IVV nicht versichert. Die gemischte Methode
kommt demzufolge nicht zur Anwendung, weshalb die Rüge der Verletzung von Art.
28 Abs. 3 IVG ins Leere zielt. Dennoch ist der IV-Stelle im Ergebnis
beizupflichten, dass der Beschwerdegegner keinen Rentenanspruch hat (vgl. E. 7
hiernach). Dies ist Folge der mit Urteil 9C_178/2015 vom 4. Mai 2016 (zur
Publikation vorgesehen) präzisierten bundesgerichtlichen Rechtsprechung, auf
welche nachfolgend (in E. 6) eingegangen wird.

6.

6.1. Gemäss BGE 131 V 51 bemisst sich die Invalidität bei einer hypothetisch im
Gesundheitsfall lediglich teilerwerbstätigen versicherten Person ohne
Aufgabenbereich im Sinne von Art. 27 IVV nach der allgemeinen Methode des
Einkommensvergleichs oder einer Untervariante davon (Schätzungs- oder
Prozentvergleich, ausserordentliches Bemessungsverfahren). Dabei ist das
Valideneinkommen nach Massgabe der ohne Gesundheitsschaden ausgeübten
Teilerwerbstätigkeit festzulegen, wobei entscheidend ist, was die versicherte
Person als Gesunde tatsächlich an Einkommen erzielen würde, und nicht, was sie
bestenfalls verdienen könnte. Wäre sie gesundheitlich in der Lage, voll
erwerbstätig zu sein, reduziert sie aber das Arbeitspensum, um mehr Freizeit zu
haben, hat dafür nicht die Invalidenversicherung einzustehen. Das
Invalideneinkommen bestimmt sich entsprechend den gesetzlichen Vorgaben danach,
was die versicherte Person nach Eintritt der Invalidität und Durchführung
allfälliger Eingliederungsmassnahmen durch eine ihr zumutbare Tätigkeit bei
ausgeglichener Arbeitsmarktlage erzielen könnte. Dabei kann das - ärztlich
festzulegende - Arbeitspensum unter Umständen grösser sein als das ohne
gesundheitliche Beeinträchtigung geleistete (BGE 131 V 51 E. 5.1.2 S. 53 f.).

6.2. Entsprechend der Zielsetzung der Invalidenversicherung, die
wirtschaftlichen Folgen der Invalidität zu mildern (vgl. Botschaft des
Bundesrats vom 24. Oktober 1958 zum Entwurf eines Bundesgesetzes über die
Invalidenversicherung und eines Bundesgesetzes betreffend die Änderung des
Bundesgesetzes über die Alters- und Hinterlassenenversicherung, BBl 1958 II
1137 ff., insbes. 1161 f.; vgl. auch BGE 137 V 334 E. 5.5.3 S. 345), ist das
versicherte Risiko in der Invalidenversicherung die Erwerbsinvalidität, die von
der effektiven, gesundheitlich bedingten Erwerbseinbusse abhängt. Eine
versicherte Person, welche im Gesundheitsfall ihr wirtschaftliches Potential
nicht voll ausnützt, indem sie zwar in der Lage wäre, voll erwerbstätig zu
sein, sich aber für eine Teilzeitstelle entscheidet, um mehr Freizeit zu haben,
begnügt sich mit einem Teilzeitlohn und verzichtet damit freiwillig auf einen
Teil des Lohnes, den sie erzielen könnte, wenn sie voll erwerbstätig wäre. Dass
ihr Erwerbseinkommen vermindert ist, stellt die Folge ihrer Wahl dar. Der nicht
verwertete Teil ihrer Erwerbsfähigkeit ist damit nicht versichert (BGE 135 V 58
E. 3.4.1 S. 61; 131 V 51 E. 5.1.2 S. 53; Urteil 9C_112/2012 vom 19. November
2012 E. 4.6) und ein Ausgleich durch die Invalidenversicherung demzufolge nicht
statthaft (BGE 137 V 334 E. 5.5.3 S. 345 f.; 131 V 51 E. 5.1.2 S. 53). Aus
diesen Überlegungen ergibt sich, dass eine teilerwerbstätige versicherte Person
ohne Aufgabenbereich eine gesundheitlich bedingte Erwerbseinbusse lediglich im
Rahmen des versicherten Bereiches, welcher dem (hypothetischen)
Beschäftigungsgrad entspricht, erleidet und deshalb auch nur in diesem Umfang
ein Ausgleich stattfinden kann. Es verhält sich nicht anders als bei den
Vollerwerbstätigen, bei welchen wegen des auf 100 % Bezug nehmenden
Einkommensvergleichs (Art. 28a Abs. 1 IVG in Verbindung mit Art. 16 ATSG)
ebenfalls maximal ein dem versicherten Bereich (100 %) entsprechender
Invaliditätsgrad (mithin maximal 100 %) resultieren kann (Urteil 9C_178/2015
vom 4. Mai 2016 E. 7.2).

6.3. Da die Praxis gemäss BGE 131 V 51 unter anderem zu einer mit dem
Rechtsgleichheitsgebot (Art. 8 Abs. 1 BV) nicht zu vereinbarenden Bevorzugung
Teilerwerbstätiger ohne einen anerkannten Aufgabenbereich gegenüber
Teilerwerbstätigen mit einem anerkannten Aufgabenbereich führte, wird im Urteil
9C_178/2015 vom 4. Mai 2016 präzisiert, dass fortan bei teilerwerbstätigen
Versicherten ohne Aufgabenbereich die anhand der Einkommensvergleichsmethode
(Art. 16 ATSG) zu ermittelnde Einschränkung im allein versicherten erwerblichen
Bereich proportional - im Umfang der hypothetischen Teilerwerbstätigkeit - zu
berücksichtigen ist. Der Invaliditätsgrad entspricht der proportionalen
Einschränkung im erwerblichen Bereich und kann damit den versicherten Bereich,
welcher durch das hypothetische Teilzeitpensum definiert wird, nicht
übersteigen. Denn andernfalls könnte ein das hypothetische erwerbliche Pensum
übersteigender Invaliditätsgrad resultieren, womit indirekt unzulässigerweise
eine Einschränkung in den weder Erwerbs- noch Aufgabenbereich darstellenden,
nicht versicherten Freizeitaktivitäten mitentschädigt würde (Urteil 9C_178/2015
vom 4. Mai 2016 E. 6.4 ff.).

7. 
Das kantonale Gericht hat den Invaliditätsgrad zu Recht anhand der allgemeinen
Methode der Invaliditätsbemessung berechnet. Dabei wurde ein Invaliditätsgrad
von 40 % ermittelt. Da der Versicherte bereits vor Eintritt des
Gesundheitsschadens teilzeitlich, im Umfang von 80 %, erwerbstätig war, weil er
mehr Freizeit wollte, daneben also kein Aufgabenbereich angenommen werden kann,
wird aber nun in Anwendung der präzisierten Rechtsprechung des Bundesgerichts
gemäss Urteil 9C_178/2015 vom 4. Mai 2016 eine im Umfang des
hypothetisch-erwerblichen Teilzeitpensums von 80 % proportionale Einschränkung
im erwerblichen Bereich berücksichtitgt. Beim im Erwerbsanteil von 80 % zu 40 %
invaliden Beschwerdegegner beträgt der Invaliditätsgrad in proportionaler
Berücksichtigung des Resultats des Einkommensvergleichs im Sinne der
präzisierten Rechtsprechung 32 % (0,8 x 40 %). Die Einschränkungen im Haushalt
fallen entgegen der Auffassung der Verwaltung nicht ins Gewicht. Im Ergebnis
ist somit die Verfügung der IV-Stelle vom 26. Juni 2014, mit welcher ein
Anspruch auf eine Invalidenrente verneint wird, nicht zu beanstanden. Dies
führt zur Gutheissung der vorliegenden Beschwerde.

8. 
Mit dem Entscheid in der Sache wird das Gesuch um aufschiebende Wirkung der
Beschwerde gegenstandslos.

9. 
Das Verfahren ist kostenpflichtig. Der Beschwerdegegner als unterliegende
Partei hat die Gerichtskosten zu tragen (Art. 66 Abs. 1 BGG).
 Demnach erkennt das Bundesgericht:

1. 
Die Beschwerde wird gutgeheissen. Der Entscheid des Verwaltungsgerichts des
Kantons Bern vom 9. Oktober 2015 wird aufgehoben und die Verfügung der
IV-Stelle Bern vom 26. Juni 2014 wird bestätigt.

2. 
Die Gerichtskosten von Fr. 800.- werden dem Beschwerdegegner auferlegt.

3. 
Die Sache wird zur Neuverlegung der Kosten des vorangegangenen Verfahrens an
das Verwaltungsgericht des Kantons Bern zurückgewiesen.

4. 
Dieses Urteil wird den Parteien, dem Verwaltungsgericht des Kantons Bern,
Sozialversicherungsrechtliche Abteilung, und dem Bundesamt für
Sozialversicherungen schriftlich mitgeteilt.

Luzern, 3. Juni 2016

Im Namen der I. sozialrechtlichen Abteilung
des Schweizerischen Bundesgerichts

Der Präsident: Maillard

Die Gerichtsschreiberin: Berger Götz

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