Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

I. Sozialrechtliche Abteilung, Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten 8C.793/2015
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Bundesgericht
Tribunal fédéral
Tribunale federale
Tribunal federal

[8frIR2ALAGK1]               
{T 0/2}
                             
8C_793/2015, 8C_794/2015

Urteil vom 7. Januar 2016

I. sozialrechtliche Abteilung

Besetzung
Bundesrichter Maillard, Präsident,
Bundesrichter Ursprung, Wirthlin,
Gerichtsschreiber Krähenbühl.

Verfahrensbeteiligte
A.________,
vertreten durch Rechtsanwalt Claude Wyssmann,
Beschwerdeführer,

gegen

IV-Stelle des Kantons Aargau,
Bahnhofplatz 3C, 5000 Aarau,
Beschwerdegegnerin.

Gegenstand
Invalidenversicherung
(Leistungseinstellung; Vorbescheidverfahren),

Beschwerden gegen zwei Entscheide des Versicherungsgerichts des Kantons Aargau
vom 15. September 2015.

Sachverhalt:
Mit Verfügung vom 13. Januar 2015 schloss die IV-Stelle des Kantons Aargau
einerseits die A.________ (Jg. 1965) gewährten beruflichen Massnahmen ab.
Andererseits setzte sie mit Verfügung vom 22. Januar 2015 die für die Zeit ab
1. Dezember 1997 ausgerichtete ganze Invalidenrente in Wiedererwägung ihrer
Rentenzusprache vom 11. Januar 2000 auf eine halbe herab.
Die gegen diese beiden Verfügungen erhobenen Beschwerden wies das
Versicherungsgericht des Kantons Aargau mit zwei Entscheiden vom 15. September
2015 ab.
A.________ lässt gegen diese beiden Entscheide zwei - identische - Beschwerden
ans Bundesgericht erheben. Darin wird - nebst einer Verfahrensvereinigung -
beantragt, es seien ihm unter Aufhebung der angefochtenen Entscheide vom 15.
September 2015 die bisherigen Leistungen, namentlich die ganze Invalidenrente,
weiterhin zu gewähren, eventuell die Sache zu weiteren Massnahmen und/oder
Abklärungen beruflicher resp. medizinischer Art an die IV-Stelle
zurückzuweisen, subeventuell weitere berufliche Massnahmen oder allenfalls eine
Dreiviertelsrente zuzusprechen. Ferner ersucht er darum, seinen Beschwerden
aufschiebende Wirkung zu erteilen und ihm für das bundesgerichtliche Verfahren
unentgeltliche Rechtspflege unter Beiordnung seines Anwaltes als unentgeltliche
Verbeiständung zu gewähren.
Die vorinstanzlichen Akten wurden eingeholt. Schriftenwechsel finden keine
statt.

Erwägungen:

1. 
Die beiden Beschwerden richten sich gegen zwei von derselben Vorinstanz
erlassene Entscheide, welche denselben Sachverhalt und die gleichen Parteien
betreffen. In beiden Entscheiden geht es um das nämliche Rechtsverhältnis,
nämlich um Leistungsansprüche (Invalidenrente einerseits, berufliche Massnahmen
andererseits) gegenüber der Invalidenversicherung aufgrund des gleichen
Unfallereignisses. Da sich im Wesentlichen dieselben Fragen stellen,
rechtfertigt es sich im Hinblick auch auf den engen Sachzusammenhang, die
beiden vom Bundesgericht eröffneten Verfahren 8C_793/2015 und 8C_794/2015
antragsgemäss zu vereinigen und in einem einzigen Urteil zu erledigen (vgl. BGE
131 V 59 E. 1 S. 60 f., 128 V 124 E. 1 S. 126 und 192 E. 1 S. 194, je mit
Hinweisen).

2.

2.1. Die Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten (Art. 82 ff. BGG)
kann wegen Rechtsverletzungen gemäss den Art. 95 f. BGG erhoben werden. Eine -
für den Ausgang des Verfahrens entscheidende (vgl. Art. 97 Abs. 1 BGG) -
Sachverhaltsfeststellung der Vorinstanz kann das Bundesgericht nur berichtigen
oder ergänzen, wenn sie offensichtlich unrichtig ist oder auf einer
Rechtsverletzung im Sinne von Art. 95 BGG beruht (Art. 105 Abs. 1 und 2 BGG).

2.2. Die für die Beurteilung der erhobenen Beschwerden massgebenden
gesetzlichen Bestimmungen und die von der Rechtsprechung hiezu weiter
konkretisierten Grundlagen hat das kantonale Gericht in den angefochtenen
Entscheiden zutreffend dargelegt, worauf verwiesen wird. Richtig sind
namentlich die Ausführungen zur Notwendigkeit eines Vorbescheidverfahrens vor
Erlass einer Verfügung über Versicherungsleistungen resp. deren Entzug oder
Herabsetzung (Art. 57a Abs. 1 IVG; vgl. auch Art. 73bis und 73ter IVV). Ebenso
kann bezüglich der gesetzlichen Bestimmungen und Grundsätze zur Wiedererwägung
einer früheren Rentenverfügung (Art. 53 Abs. 2 ATSG), zur Invaliditätsbemessung
bei Erwerbstätigen nach der Einkommensvergleichsmethode (Art. 16 ATSG) und zur
Aufgabe medizinischer Fachpersonen im Rahmen der Invaliditätsbemessung sowie
zum Beweiswert ärztlicher Berichte und Gutachten (BGE 125 V 351 E. 3a S. 352,
122 V 157 E. 1c S. 160) auf die vorinstanzlichen Erwägungen verwiesen werden.
Korrekt aufgezeigt hat die Vorinstanz schliesslich, dass das Bundesgericht in
dem in BGE 141 V 281 publizierten Urteil 9C_492/2014 vom 3. Juni 2015 seine
Rechtsprechung zu den Voraussetzungen, unter welchen anhaltende somatoforme
Schmerzstörungen und vergleichbare psychosomatische Leiden eine
rentenbegründende Invalidität zu bewirken vermögen, grundlegend überdacht und
teilweise geändert hat. Auch diesbezüglich ist seitens des Bundesgerichts
grundsätzlich nichts beizufügen.

3.

3.1. Soweit der Beschwerdeführer das Unterbleiben einer Prüfung der
Eingliederungsfrage hervorhebt, ist klarzustellen, dass die Verwaltung zu
Vorkehren beruflicher Art stets bereit gewesen wäre, solche aber nicht
erfolgreich angegangen werden konnten, weil er selbst seinerseits keine
hinreichende Mitwirkungsbereitschaft erkennen liess. Seine diesbezüglichen
Vorwürfe gegenüber der Beschwerdegegnerin sind somit nicht haltbar. Das
Arbeitstraining in der B.________ AG war nach mehrfacher Intervention am 5.
Januar 2014 zwar wieder aufgenommen worden, wurde schon tags darauf aber
wiederum abgebrochen. Der Beschwerdeführer begründete dies mit Rückenschmerzen,
ohne dass in der Folge eine durch solche bedingte Arbeitsunfähigkeit hätte
belegt werden können. Daher hat die Verwaltung die beruflichen Massnahmen -
diese waren seinerzeit im Hinblick auf die in Betracht gezogene und dem
Beschwerdeführer auch in Aussicht gestellte Aufhebung oder zumindest Reduktion
seiner bisherigen Rente aufgenommen worden - mit Verfügung vom 13. Januar 2015
als abgeschlossen erklären dürfen.

3.2. Dass vor Erlass dieser Verfügung kein Vorbescheidverfahren im Sinne von
Art. 57a Abs. 1 IVG mehr durchgeführt worden ist, lässt sich nicht beanstanden.
Wie die Vorinstanz in ihrem Entscheid vom 15. September 2015 betreffend
Abschluss der beruflichen Massnahmen ausführlich aufgezeigt hat, musste sich
der Beschwerdeführer aufgrund des bisherigen Verlaufs des vorangegangenen
Administrativverfahrens mit wiederholten Mahn- und Bedenkzeitverfahren nach dem
schon am 16. September 2014 einmal erfolgten Vorbescheidverfahren der Folgen
mangelnder Kooperation durchaus bewusst gewesen sein. Eines erneuten
Vorbescheidverfahrens bedurfte es deshalb vor Abschluss der bisherigen
Anstrengungen hinsichtlich beruflicher Eingliederung nicht mehr. Die damit
einhergehende Verzögerung liesse sich mit dem Gebot einer raschen und
speditiven Verfahrensführung kaum vereinbaren.

4.

4.1. Was die auf dem Weg einer Wiedererwägung nach Art. 53 Abs. 2 ATSG
vorgenommene - nach einleuchtenden Überlegungen der Vorinstanz grundsätzlich
aber auch im Sinne einer Revision gemäss Art. 17 Abs. 1 ATSG in Betracht
fallende - Herabsetzung der ganzen auf eine halbe Invalidenrente anbelangt,
bringt der Beschwerdeführer nichts vor, das den überzeugend begründeten
angefochtenen Entscheid vom 15. September 2015 betreffend Rentenreduktion
ernsthaft in Frage stellen könnte.

4.2. Darin wurde in eingehender Würdigung der medizinischen Unterlagen, welche
einer bundesgerichtlichen Überprüfung in jeder Hinsicht standzuhalten vermag,
erkannt, dass bezüglich des aktuellen Leistungsvermögens auf das
polydisziplinäre Gutachten der medizinischen Abklärungsstelle C.________ vom 4.
Februar 2014 abgestellt werden kann, welches dem Beschwerdeführer aus
interdisziplinärer Sicht medizinisch-theoretisch für eine dem Leiden optimal
angepasste Tätigkeit eine 50%ige Arbeitsfähigkeit bescheinigt. Zu beachten ist,
dass die Würdigung ärztlicher Berichte durch die Vorinstanz - da zur
Sachverhaltsfeststellung gehörend - einer Überprüfung durch das Bundesgericht
weitgehend entzogen ist (E. 2.1 hievor). Offensichtlich unrichtige
Feststellungen tatsächlicher Art liegen ebenso wenig vor wie eine
Bundesrechtswidrigkeit. Insbesondere kann nicht von unvollständiger
Sachverhaltsabklärung gesprochen werden, was das kantonale Gericht mit nicht zu
beanstandender Begründung ausführlich erläutert hat. Angesichts des - in der
Beschwerdeschrift zwar in Abrede gestellten, indessen ganz offensichtlich als
aggravatorisch zu bezeichnenden - Verhaltens namentlich während der Vorkehren
zur Wiedereingliederung in der B.________ AG (vgl. E. 3.1 hievor) verbleibt
auch kein Raum für die nach BGE 141 V 281 bei anhaltenden somatoformen
Schmerzstörungen und vergleichbaren psychosomatischen Leiden neu vorgesehene
Prüfungsweise. Soweit eine Leistungseinschränkung auf Aggravation oder einer
ähnlichen Konstellation beruht, liegt regelmässig keine versicherte
Gesundheitsschädigung vor (BGE 141 V 281 E. 2.2.1 S. 287 f. und E. 2.2.2 S.
288; vgl. auch Urteil 9C_899/2014 vom 29. Juni 2015 E. 4.1, publiziert in SVR
2015 IV Nr. 38 S. 121). Nichts einzuwenden ist schliesslich gegen den von der
Beschwerdegegnerin - ausgehend von der in der medizinischen Abklärungsstelle
C.________ attestierten 50%igen Arbeitsunfähigkeit - vorgenommenen
Einkommensvergleich, den die Vorinstanz mit plausibler Begründung, auf welche
verwiesen wird, bestätigt hat. Die erneut vorgebrachten Einwendungen sind,
soweit vom Bundesgericht überhaupt überprüfbar, unbegründet.

5. 
Dem Ausgang des Verfahrens entsprechend hat der Beschwerdeführer als
unterliegende Partei die Gerichtskosten zu tragen (Art. 66 Abs. 1 BGG). Seinen
Gesuchen um unentgeltliche Rechtspflege im bundesgerichtlichen Verfahren kann
nicht entsprochen werden (Art. 64 Abs. 1 und 2 BGG), da seine Beschwerden
angesichts der beiden überzeugenden vorinstanzlichen Entscheide von vornherein
aussichtslos waren.

6. 
Mit heutigem Urteil werden die Gesuche um aufschiebende Beschwerdewirkung
gegenstandslos.

Demnach erkennt das Bundesgericht:

1. 
Die Verfahren 8C_793/2015 und 8C_794/2015 werden vereinigt.

2. 
Die Beschwerden werden abgewiesen.

3. 
Die Gesuche um unentgeltliche Rechtspflege werden abgewiesen.

4. 
Die Gerichtskosten von Fr. 1'600.- werden dem Beschwerdeführer auferlegt.

5. 
Dieses Urteil wird den Parteien, dem Versicherungsgericht des Kantons Aargau
und dem Bundesamt für Sozialversicherungen schriftlich mitgeteilt.

Luzern, 7. Januar 2016
Im Namen der I. sozialrechtlichen Abteilung
des Schweizerischen Bundesgerichts

Der Präsident: Maillard

Der Gerichtsschreiber: Krähenbühl

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