Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

I. Sozialrechtliche Abteilung, Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten 8C.783/2015
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Bundesgericht
Tribunal fédéral
Tribunale federale
Tribunal federal

[8frIR2ALAGK1]     
{T 0/2}
                   
8C_783/2015

Urteil vom 22. Februar 2016

I. sozialrechtliche Abteilung

Besetzung
Bundesrichter Maillard, Präsident,
Bundesrichter Frésard, Bundesrichterin Heine,
Gerichtsschreiber Nabold.

Verfahrensbeteiligte
A.________,
vertreten durch Rechtsanwalt Dr. Rolf Thür,
Beschwerdeführer,

gegen

Zürich Versicherungs-Gesellschaft AG, Litigation Hauptbranchen, 8085 Zürich,
Beschwerdegegnerin.

Gegenstand
Unfallversicherung (Kausalzusammenhang),

Beschwerde gegen den Entscheid
des Kantonsgerichts Luzern
vom 11. September 2015.

Sachverhalt:

A. 
Der 1960 geborene A.________ war als Betriebswirtschafter bei der Zürich
Versicherungs-Gesellschaft AG (nachstehend: Zürich) gegen die Folgen von
Unfällen versichert, als am 17. Juli 2012 ein Lastwagen auf das Fahrzeug, in
dem sich der Versicherte als Beifahrer befand, auffuhr. Dr. med. B.________,
der vom Versicherten noch am Unfalltag aufgesucht wurde, diagnostizierte eine
Distorsion der Halswirbelsäule. Die Zürich anerkannte ihre Leistungspflicht und
erbrachte die gesetzlichen Leistungen. Nachdem der Versicherte ab 25. Oktober
2013 wieder zu 100 % an seine bisherige Arbeitsstelle zurückkehrte, stellte die
Zürich mit Verfügung vom 29. April 2014 und Einspracheentscheid vom 24. Oktober
2014 ihre Taggeld-Leistungen per 24. Oktober 2013 und ihre übrigen Leistungen
per 30. April 2014 ein.

B. 
Die von A.________ hiegegen erhobene Beschwerde wies das Kantonsgericht Luzern
mit Entscheid vom 11. September 2015 ab.

C. 
Mit Beschwerde beantragt A.________, die Zürich sei unter Aufhebung des
Einsprache- und des kantonalen Gerichtsentscheides zu verpflichten, die
gesetzlichen Leistungen, insbesondere Heilbehandlungsleistungen und eine
Integritätsentschädigung, auszurichten.

Erwägungen:

1.

1.1. Die Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten kann wegen
Rechtsverletzung gemäss Art. 95 und Art. 96 BGG erhoben werden. Das
Bundesgericht wendet das Recht von Amtes wegen an (Art. 106 Abs. 1 BGG). Es ist
somit weder an die in der Beschwerde geltend gemachten Argumente noch an die
Erwägungen der Vorinstanz gebunden; es kann eine Beschwerde aus einem anderen
als dem angerufenen Grund gutheissen oder es kann sie mit einer von der
Argumentation der Vorinstanz abweichenden Begründung abweisen (BGE 140 V 136 E.
1.1 S. 137 f.). Das Bundesgericht prüft indessen, unter Berücksichtigung der
allgemeinen Rüge- und Begründungspflicht (Art. 42 Abs. 1 und 2 BGG), nur die
geltend gemachten Vorbringen, falls allfällige weitere rechtliche Mängel nicht
geradezu offensichtlich sind (BGE 138 I 274 E. 1.6 S. 280; vgl. auch BGE 140 V
136 E. 1.1 S. 138).

1.2. Im Beschwerdeverfahren um die Zusprechung oder Verweigerung von
Geldleistungen der Militär- oder Unfallversicherung ist das Bundesgericht nicht
an die vorinstanzliche Feststellung des rechtserheblichen Sachverhalts gebunden
(Art. 97 Abs. 2 und Art. 105 Abs. 3 BGG).

1.3. Gemäss Art. 99 Abs. 1 BGG sind Noven im letztinstanzlichen Verfahren
grundsätzlich unzulässig (vgl. zur Geltung dieses Grundsatzes im
Beschwerdeverfahren um die Zusprechung oder Verweigerung von Geldleistungen der
Militär- oder Unfallversicherung: BGE 135 V 194 E. 3.4 S. 199 f.). Die
Voraussetzungen, unter denen der vom Versicherten neu eingereichte Bericht des
Dr. med. C.________ vom 21. Oktober 2015 ausnahmsweise zulässig wäre, sind
vorliegend nicht erfüllt, so dass dieser unbeachtet bleiben muss.

2. 
Im kantonalen Entscheid werden die nach der Rechtsprechung für den Anspruch auf
Leistungen der obligatorischen Unfallversicherung (Art. 6 Abs. 1 UVG) geltenden
Voraussetzungen des natürlichen und adäquaten Kausalzusammenhanges zwischen dem
Unfallereignis und dem eingetretenen Schaden (BGE 129 V 177 E. 3.1 und 3.2 S.
181), insbesondere bei Schleudertraumen der Halswirbelsäule und bei
schleudertraumaähnlichen Verletzungen (BGE 134 V 109), zutreffend dargelegt.
Darauf wird verwiesen.

3. 
Streitig und zu prüfen ist die Leistungspflicht der Zürich für die über den 30.
April 2014 hinaus anhaltend geklagten Beschwerden des Versicherten.

4.

4.1. Die Vorinstanz hat nach eingehender Würdigung der medizinischen Akten
festgestellt, die geklagten Beschwerden seien nicht auf einen im Sinne der
Rechtsprechung organisch hinreichend nachweisbaren Gesundheitsschaden (vgl.
Urteil 8C_806/2007 vom 7. August 2008 E. 8.2) zurückzuführen. Soweit sich der
Versicherte in seiner Beschwerde gegen diese Feststellung wendet, beruft er
sich auf ein unzulässiges Novum (vgl. E. 1.3 hievor); entsprechend ist auf
seine diesbezügliche Rüge nicht näher einzugehen. Vorinstanz und Verwaltung
gingen im Weiteren davon aus, von einer Fortsetzung der ärztlichen Behandlung
über den 30. April 2014 hinaus sei keine namhafte Besserung des
Gesundheitszustandes mehr zu erwarten gewesen. Der Versicherte behauptet zwar,
er sei in diesem Zeitpunkt noch nicht voll leistungsfähig gewesen und habe sein
100%iges Arbeitspensum nur unter Sonderanstrengungen bewältigen können. Er legt
indessen nicht dar, ärztlicherseits habe noch die Erwartung einer namhaften
Besserung des Gesundheitszustandes bestanden. Damit erscheint es rechtens, dass
die Vorinstanz die Adäquanz eines allfälligen Kausalzusammenhanges zwischen dem
Unfallereignis vom 17. Juli 2012 und den geklagten Beschwerden auf den 30.
April 2014 hin geprüft hat.

4.2. Die Schwere des Unfalles ist aufgrund des augenfälligen Geschehensablaufs
mit den sich dabei entwickelnden Kräften zu beurteilen (SVR 2008 UV Nr. 8 S.
26, U 2/07 E. 3.1). Dabei werden einfache Auffahrkollisionen auf ein haltendes
Fahrzeug in der Regel als mittelschwerer Unfall im Grenzbereich zu den leichten
Unfällen betrachtet (RKUV 2005 Nr. U 549 S. 236, U 380/04 E. 5.1.2). Vor diesem
Hintergrund ist es nicht zu beanstanden, dass die Vorinstanz das Ereignis vom
17. Juli 2012 als im engeren Sinne mittelschweren Unfall qualifiziert hat. Auch
wenn bei diesem Unfall eines der beteiligten Fahrzeuge ein Lastwagen war, so
waren die sich entwickelnden Kräfte ungleich geringer als in dem vom
Versicherten erwähnten Urteil 8C_633/2007 vom 7. Mai 2008. In jenem Verfahren
ging es um einen Unfall, bei dem das auf einer Autobahn im Stau stehende Auto
der versicherten Person von einem ungebremst auffahrenden anderen Fahrzeug
getroffen wurde. Die Adäquanz eines Kausalzusammenhanges wäre demnach nur dann
zu bejahen, wenn eines der relevanten Adäquanzkriterien in besonders
ausgeprägter oder mehrere dieser Kriterien in gehäufter Weise erfüllt wären.

4.3. Entgegen den Ausführungen des Versicherten ist das Kriterium der besonders
dramatischen Begleitumstände oder der besonderen Eindrücklichkeit des Unfalles
nicht gegeben. An dessen Erfüllung werden deutlich höhere Anforderungen
gestellt. Dass bei einem Verkehrsunfall alle Fahrzeuginsassen betroffen sind,
erscheint nicht als aussergewöhnlich und macht ihn noch nicht besonders
eindrücklich.

4.4. Das Bundesgericht hat im Urteil BGE 134 V 109, E. 10.2.2 S. 127 f. seine
Rechtsprechung bestätigt, wonach die Diagnose einer HWS-Distorsion für sich
allein nicht zur Bejahung des Kriteriums der Schwere und besonderen Art der
erlittenen Verletzung genügt. Es bedarf hiezu einer besonderen Schwere der für
das Schleudertrauma typischen Beschwerden oder besonderer Umstände, welche das
Beschwerdebild beeinflussen können (SVR 2007 UV Nr. 26 S. 86, U 339/06 E. 5.3;
RKUV 2005 Nr. U 549 S. 236, U 380/04 E. 5.2.3 mit Hinweisen). Diese können
beispielsweise in einer beim Unfall eingenommenen besonderen Körperhaltung und
den dadurch bewirkten Komplikationen bestehen (SVR 2007 UV Nr. 26 S. 86, U 339/
06 E. 5.3; RKUV 2003 Nr. U 489 S. 357, U 193/01 E. 4.3 mit Hinweisen). Daneben
gilt es zu beachten, dass eine HWS-Distorsion, welche eine bereits erheblich
vorgeschädigte Wirbelsäule trifft, speziell geeignet ist, die "typischen"
Symptome hervorzurufen, weshalb sie als Verletzung besonderer Art zu
qualifizieren ist (vgl. SVR 2007 UV Nr. 1 S. 1, U 39/04 E. 3.4 und Urteil
8C_785/2007 vom 11. Juni 2008, E. 4.4). Dabei ist allerdings in der Regel
vorausgesetzt, dass die versicherte Person aufgrund der Vorschädigung
unmittelbar vor dem Unfall mindestens teilweise arbeitsunfähig war (Urteile
8C_759/2007 vom 14. August 2008 E. 5.3 und 8C_352/2012 vom 27. Dezember 2012 E.
6.4). Da der Versicherte vor dem Unfall vom 17. Juli 2012 voll arbeitsfähig
war, ist das Kriterium trotz der geltend gemachten wiederholten Betroffenheit
der Wirbelsäule zu verneinen.

4.5. Der Versicherte bringt nichts vor, was das Kriterium der fortgesetzt
spezifischen, belastenden ärztlichen Behandlung, jenes der ärztlichen
Fehlbehandlung, welche die Unfallfolgen erheblich verschlimmert hat oder jenes
des schwierigen Heilungsverlaufes und der erheblichen Komplikationen erfüllt
erscheinen lässt.

4.6. Was die beiden Kriterien der erheblichen Beschwerden und der erheblichen
Arbeitsunfähigkeit trotz ausgewiesener Anstrengungen betrifft, gilt
festzustellen, dass selbst wenn diese bejaht werden könnten, sie jedenfalls
nicht in ausgeprägter Weise gegeben sind.

4.7. Da mithin keines der massgeblichen Kriterien besonders ausgeprägt vorliegt
und selbst dann, wenn man zugunsten des Versicherten die beiden Kriterien der
erheblichen Beschwerden und der erheblichen Arbeitsunfähigkeit trotz
ausgewiesener Anstrengungen als erfüllt erachten würde, die Kriterien nicht in
gehäufter Weise gegeben sind, ist die Adäquanz eines allfälligen natürlichen
Kausalzusammenhanges zwischen dem Unfall vom 17. Juli 2012 und den über den 30.
April 2014 hinaus anhaltend beklagten Beschwerden mit der Vorinstanz zu
verneinen. Dass die Adäquanzprüfung im vorliegenden Fall negativ ausfällt,
stellt entgegen den Vorbringen des Versicherten keinen Grund für eine
Praxisänderung dar. Der Einsprache- und der kantonale Gerichtsentscheid
bestehen demnach zu Recht; die Beschwerde des Versicherten ist abzuweisen.

5. 
Dem Ausgang des Verfahrens entsprechend sind die Gerichtskosten dem
Beschwerdeführer aufzuerlegen (Art. 66 Abs. 1 BGG).

Demnach erkennt das Bundesgericht:

1. 
Die Beschwerde wird abgewiesen.

2. 
Die Gerichtskosten von Fr. 800.- werden dem Beschwerdeführer auferlegt.

3. 
Dieses Urteil wird den Parteien, dem Kantonsgericht Luzern, 3. Abteilung, und
dem Bundesamt für Gesundheit schriftlich mitgeteilt.

Luzern, 22. Februar 2016
Im Namen der I. sozialrechtlichen Abteilung
des Schweizerischen Bundesgerichts

Der Präsident: Maillard

Der Gerichtsschreiber: Nabold

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