Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

I. Sozialrechtliche Abteilung, Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten 8C.751/2015
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Bundesgericht
Tribunal fédéral
Tribunale federale
Tribunal federal

[8frIR2ALAGK1]     
{T 0/2}
                   
8C_751/2015

Urteil vom 9. Februar 2016

I. sozialrechtliche Abteilung

Besetzung
Bundesrichter Maillard, Präsident,
Bundesrichter Frésard, Bundesrichterin Heine,
Gerichtsschreiber Hochuli.

Verfahrensbeteiligte
Öffentliche Arbeitslosenkasse des Kantons Aargau, Bahnhofstrasse 78, 5000
Aarau,
Beschwerdeführerin,

gegen

A.________,
vertreten durch AXA-ARAG Rechtsschutz AG,
Beschwerdegegner.

Gegenstand
Arbeitslosenversicherung
(Einstellung in der Anspruchsberechtigung),

Beschwerde gegen den Entscheid des Versicherungsgerichts des Kantons Aargau
vom 8. September 2015.

Sachverhalt:

A. 
A.________, geboren 1956, arbeitete seit 1. Januar 2014 bei der B.________ AG
(nachfolgend: Arbeitgeberin) als LKW-Chauffeur (Führerausweiskategorie C). Am
24. September 2014 wurde ihm der Führerausweis vorsorglich entzogen. Nach
verkehrspsychiatrischer Begutachtung bestätigte das Strassenverkehrsamt den
Sicherungsentzug des Führerausweises ab 2. Oktober 2014 infolge
Alkoholabhängigkeit mit gegenwärtigem Substanzgebrauch auf unbestimmte Zeit
(Verfügung vom 13. März 2015). Am 15. Januar 2015 kündigte die Arbeitgeberin
den Arbeitsvertrag fristlos, weil der Versicherte seit Ende September nicht
mehr über den für die Berufsausübung erforderlichen Führerausweis verfügte.
Daraufhin meldete er sich am 16. Januar 2015 bei der Öffentlichen
Arbeitslosenkasse des Kantons Aargau (nachfolgend: ÖALK oder
Beschwerdeführerin) zum Bezug von Arbeitslosenentschädigung an. Mit Verfügung
vom 25. Februar 2015 stellte die ÖALK den Versicherten ab 16. Januar 2015 für
die Dauer von 39 Tagen wegen selbstverschuldeter Arbeitslosigkeit in der
Anspruchsberechtigung zum Bezug von Arbeitslosenentschädigung ein. Eine dagegen
erhobene Einsprache wies die ÖALK ab (Einspracheentscheid vom 19. März 2015).

B. 
Die hiegegen von A.________ erhobene Beschwerde hiess das Versicherungsgericht
des Kantons Aargau mit Entscheid vom 8. September 2015 gut und hob den
Einspracheentscheid vom 19. März 2015 auf.

C. 
Mit Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten beantragt die ÖALK,
der angefochtene Gerichtsentscheid sei aufzuheben und der Einspracheentscheid
vom 19. März 2015 zu bestätigen.
Während A.________ auf Abweisung der Beschwerde schliesst, verzichtet das
Staatssekretariat für Wirtschaft (SECO) auf eine Vernehmlassung.

Erwägungen:

1. 
Mit der Beschwerde kann eine Rechtsverletzung nach Art. 95 f. BGG gerügt
werden. Das Bundesgericht wendet das Recht von Amtes wegen an (Art. 106 Abs. 1
BGG). Dennoch prüft es - offensichtliche Fehler vorbehalten - nur die in seinem
Verfahren beanstandeten Rechtsmängel (Art. 42 Abs. 1 f. BGG; BGE 135 II 384 E.
2.2.1 S. 389). Es kann die Sachverhaltsfeststellung der Vorinstanz nur
berichtigen oder ergänzen, wenn sie offensichtlich unrichtig ist oder auf einer
Rechtsverletzung im Sinne von Art. 95 BGG beruht und wenn die Behebung des
Mangels für den Ausgang des Verfahrens entscheidend sein kann (Art. 97 Abs. 1
BGG in Verbindung mit Art. 105 Abs. 2 BGG). Die vorinstanzliche
Ermessensbetätigung ist im Verfahren vor Bundesgericht nur beschränkt
überprüfbar. Eine Angemessenheitskontrolle ist dem Gericht verwehrt; es hat nur
zu prüfen, ob die Vorinstanz ihr Ermessen rechtsfehlerhaft ausgeübt, mithin
überschritten, unterschritten oder missbraucht hat (Art. 95 lit. a BGG; BGE 134
V 322 E. 5.3 S. 328; 132 V 393 E. 3.3 S. 399; Urteil 8C_165/2015 vom 20. Mai
2015 E. 1).

2. 
Das kantonale Gericht hat die Grundlagen über die Einstellung in der
Anspruchsberechtigung zufolge selbstverschuldeter Arbeitslosigkeit (Art. 30
Abs. 1 lit. a AVIG), namentlich wegen einer Verletzung arbeitsvertraglicher
Pflichten, die dem Arbeitgeber Anlass zur Auflösung des Arbeitsverhältnisses
gegeben hat (Art. 44 Abs. 1 lit. a AVIV; Art. 20 lit. b des Übereinkommens Nr.
168 der Internationalen Arbeitsorganisation [IAO] über Beschäftigungsförderung
und den Schutz gegen Arbeitslosigkeit vom 21. Juni 1988; BGE 124 V 234 E. 3a
und b S. 236, 112 V 242 E. 1 S. 245; ARV 2012 S. 294, 8C_872/2011 E. 4.1 und
4.2.1 f.; SVR 2006 ALV Nr. 15 S. 51, C 223/05 E. 1), sowie die
verschuldensabhängige Dauer der Einstellung (Art. 30 Abs. 3 Satz 3 AVIG in
Verbindung mit Art. 45 Abs. 3 AVIV) zutreffend dargelegt. Gleiches gilt zum
Untersuchungsgrundsatz und zum Beweisgrad der überwiegenden Wahrscheinlichkeit
(BGE 138 V 218 E. 6 S. 221). Darauf wird verwiesen.

3. 
Gemäss vorinstanzlicher Sachverhaltsfeststellung ist unbestritten, dass dem
Versicherten bereits mit Wirkung ab 17. August 2002 der Führerausweis wegen
Alkohols vorsorglich entzogen worden war. Gestützt auf ein Gutachten vom 24.
Januar 2003 verfügte die zuständige Behörde am 20. Februar 2003 mangels
Fahreignung den Sicherungsentzug. Am 26. Februar 2004 wurde ihm der
Führerausweis wieder erteilt unter der Auflage der Alkoholabstinenz (mit
Antabus und/oder Durchführung monatlicher Abstinenzkontrollen). Am 30. März
2006 wurde diese Auflage aufgehoben. Weiter steht fest, dass die
Lebenspartnerin des Beschwerdegegners Letzteren am 14. September 2014 der
Polizei wegen Selbstgefährdung meldete. Beim anschliessenden Alkohol-Atemtest
ermittelte die Polizei einen Wert von 1,54 Promillen. Sie rapportierte diesen
Vorfall dem Strassenverkehrsamt, welches sodann ab 24. September 2014 erneut
die Fahrerlaubnis vorsorglich und nach verkehrspsychiatrischer Begutachtung ab
2. Oktober 2014 auf unbestimmte Zeit infolge Alkoholabhängigkeit mit
gegenwärtigem Substanzgebrauch entzog.

4. 
Streitig und zu prüfen ist, ob die Arbeitslosigkeit des Beschwerdegegners
gemäss Auffassung der Beschwerdeführerin durch eigenes Verschulden im Sinne von
Art. 30 Abs. 1 lit. a AVIG und Art. 44 Abs. 1 lit. a AVIV eingetreten ist und
er von der Verwaltung ursprünglich zu Recht in seiner Anspruchsberechtigung
eingestellt wurde, oder ob dem Versicherten laut angefochtenem Entscheid im
Gegenteil sein Verhalten nicht vorwerfbar und folglich auf die Einstellung in
der Anspruchsberechtigung zu verzichten ist.
Dabei gelten als Rechtsfragen die gesetzlichen und praxisgemässen Regeln über
die Einstellung in der Anspruchsberechtigung (Art. 30 AVIG). Zu prüfen ist
insbesondere falsche Rechtsanwendung. Feststellungen über innere oder
psychische Tatsachen, wie beispielsweise was jemand wollte oder wusste, sind
Tatfragen (BGE 130 IV 58 E. 8.5 S. 62; nicht publ. E. 3.1 f. des Urteils BGE
133 V 640; Urteil 8C_958/2008 vom 30. April 2009 E. 3). Die Beachtung des
Untersuchungsgrundsatzes und der Beweiswürdigungsregeln nach Art. 43 Abs. 1
bzw. Art. 61 lit. c ATSG ist Rechtsfrage. Die konkrete Beweiswürdigung stellt
eine Tatfrage dar (BGE 132 V 393 E. 3.2 und 4 S. 397 ff.; Urteil 8C_511/2009
vom 20. August 2009 E. 3.1 mit Hinweisen), wobei das Bundesgericht
grundsätzlich an den vorinstanzlich festgestellten Sachverhalt gebunden ist (E.
1 hievor).

5. 
Ein Selbstverschulden im Sinne der Arbeitslosenversicherung liegt vor, wenn und
soweit der Eintritt der Arbeitslosigkeit nicht objektiven Faktoren
zuzuschreiben ist, sondern in einem nach den persönlichen Umständen und
Verhältnissen vermeidbaren Verhalten der versicherten Person liegt, für das die
Arbeitslosenversicherung die Haftung nicht übernimmt (ARV 1998 Nr. 9 S. 41, C
334/95 E. 2b; 1982 Nr. 4 S. 37; C 50/81 E. 1a; Urteil 8C_12/2010 vom 4. Mai
2010 E. 2.2 mit Hinweis; THOMAS NUSSBAUMER, Arbeitslosenversicherung, in:
Soziale Sicherheit, SBVR Bd. XIV, 3. Aufl. 2016, S. 2514 Rz. 835; GERHARD
GERHARDS, Kommentar zum Arbeitslosenversicherungsgesetz [AVIG], Bd. I [Art.
1-58], 1988, N. 8 zu Art. 30 AVIG). Die Einstellung in der
Anspruchsberechtigung setzt keine Auflösung des Arbeitsverhältnisses aus
wichtigem Grund gemäss Art. 337 bzw. Art. 346 Abs. 2 OR voraus. Es genügt, dass
das allgemeine Verhalten der versicherten Person Anlass zur Kündigung bzw.
Entlassung gegeben hat; Beanstandungen in beruflicher Hinsicht müssen nicht
vorgelegen haben (BGE 112 V 242 E. 1 S. 245 mit Hinweisen). Eine Einstellung in
der Anspruchsberechtigung kann jedoch nur verfügt werden, wenn das dem
Versicherten zur Last gelegte Verhalten in beweismässiger Hinsicht klar
feststeht (BGE 112 V 242 E. 1 S. 245; SVR 2006 ALV Nr. 15 S. 51, C 223/05 E. 1;
je mit Hinweisen). Das vorwerfbare Verhalten muss zudem nach Art. 20 lit. b des
Übereinkommens Nr. 168 der Internationalen Arbeitsorganisation (IAO) über
Beschäftigungsförderung und den Schutz gegen Arbeitslosigkeit vom 21. Juni 1988
vorsätzlich erfolgt sein, wobei Eventualvorsatz genügt (BGE 124 V 234 E. 3a und
b S. 236; ARV 2012 S. 294, 8C_872/2011 E. 4.1 mit Hinweisen). Eventualvorsatz
liegt vor, wenn die versicherte Person vorhersehen kann oder damit rechnen
muss, dass ihr Verhalten zu einer Kündigung durch den Arbeitgeber führt, und
sie dies in Kauf nimmt (Urteil 8C_165/2015 vom 20. Mai 2015 E. 4 mit
Hinweisen).

6.

6.1. Die Beschwerdeführerin schloss aus der arbeitsvertraglichen Treuepflicht
des Versicherten als LKW-Chauffeur unter Berücksichtigung seiner Vorgeschichte
des früheren Führerausweisentzuges wegen bereits damals ursächlicher
Alkoholprobleme, er habe den wiederholten Sicherungsentzug seines
Führerausweises aufgrund des erneuten übermässigen Alkoholkonsums - unabhängig
vom Zeitpunkt der Alkoholisierung ausserhalb der Arbeitszeit - und den daran
anknüpfenden Verlust der Arbeitsstelle als LKW-Chauffeur voraussehbar und
selbstverantwortlich in Kauf genommen. Als Berufschauffeur sei er auch
ausserhalb der Arbeitszeit verpflichtet gewesen, alles daran zu setzen, seine
Fahrerlaubnis nicht durch einen Führerausweisentzug zu gefährden.

6.2. Die Vorinstanz ging demgegenüber gestützt auf die Feststellung einer
krankheitswertigen Alkoholabhängigkeit mit gegenwärtigem Substanzgebrauch davon
aus, das durch die Suchterkrankung bestimmte Verhalten des Beschwerdegegners
könne ihm nicht vorgeworfen werden. Die Kündigung der Arbeitsstelle als
LKW-Berufschauffeur sei deshalb nicht auf ein für den Versicherten vermeidbares
Verhalten und damit sein eigenes Verschulden zurückzuführen, weshalb die
Einstellung in der Anspruchsberechtigung aufzuheben sei.

6.3. Die Beschwerdeführerin rügt, das kantonale Gericht habe Bundesrecht
verletzt, indem es angenommen habe, dem Beschwerdegegner sei ein anderes
Verhalten als der Wiedereinstieg in die Alkoholabhängigkeit nicht zumutbar
gewesen.

7.

7.1. Zunächst hat die Vorinstanz - entgegen der Auffassung des Versicherten -
zutreffend erkannt und überzeugend dargelegt, dass er im Rahmen der ihm
obliegenden Sorgfalts- und Treuepflicht (Art. 321a OR) als Berufschauffeur
jegliche Handlungen zu unterlassen hat, welche zum Verlust seiner Fahrerlaubnis
führen könnten. Dabei genügt, dass das allgemeine dienstliche oder
ausserdienstliche Verhalten der versicherten Person Anlass zur Kündigung oder
Entlassung gegeben hat (THOMAS NUSSBAUMER, a.a.O., S. 2515 Rz. 837 mit
Hinweisen; Urteil 8C_582/2014 vom 12. Januar 2015 E. 6.3). Beanstandungen in
beruflicher Hinsicht müssen nicht vorgelegen haben (E. 5 hievor). Zudem werden
von einem Chauffeur von Berufs wegen überdurchschnittliche Kenntnisse des
Strassenverkehrsrechts verlangt (ARV 2002 S. 121, C 221/01 E. 2c). Erhöhte
Vorsicht wäre umso mehr geboten gewesen, als dem Beschwerdegegner der
Führerausweis alkoholbedingt bereits einmal entzogen und erst nach
erfolgreicher Absolvierung einer zweijährigen vollständigen Alkoholabstinenz
von 2004 bis 2006 wieder ohne Auflagen erteilt worden war (vgl. ARV 2002 S.
121, C 221/01 E. 2c). Er musste wissen, dass ihm nach Art. 16d Abs. 1 lit. b
SVG der Führerausweis auf unbestimmte Zeit entzogen wird, wenn er an einer
Sucht leidet, welche die Fahreignung ausschliesst. Trunksucht wird nach der
Praxis des Bundesgerichtes bejaht, wenn der Lenker regelmässig so viel Alkohol
konsumiert, dass seine Fahrfähigkeit vermindert wird und er keine Gewähr
bietet, den Alkoholkonsum zu kontrollieren und ihn ausreichend vom
Strassenverkehr zu trennen, sodass die Gefahr nahe liegt, dass er im akuten
Rauschzustand am motorisierten Strassenverkehr teilnimmt (BGE 127 II 122 E. 3c
S. 126; 124 II 559 E. 3d S. 564, E. 4e S. 567, je mit Hinweisen; Urteil 1C_748/
2013 vom 16. Januar 2014 E. 3.1).

7.2. Unter Berufung auf die Anwendbarkeit von Art. 16 Abs. 2 lit. c AVIG
vertrat die Vorinstanz sodann die Auffassung, die angestammte Tätigkeit als
LKW-Berufschauffeur sei für den Beschwerdegegner aus gesundheitlichen Gründen -
ohne dass ihm offenbar hiefür ein Verschulden angelastet werden könne - infolge
erneut eingetretener Alkoholabhängigkeit unzumutbar geworden. Sinngemäss
scheint das kantonale Gericht somit davon auszugehen, der Versicherte sei in
Bezug auf sein Handeln - übermässiger Alkoholkonsum vom 14. September 2014 bis
zu einer Blutalkoholkonzentration von 1,54 Promillen, welcher die
anschliessende Selbstgefährdungsmeldung von seiner Lebenspartnerin an die
Polizei zur Folge hatte - aus medizinischen Gründen urteilsunfähig gewesen. Die
Urteilsfähigkeit nach Art. 16 ZGB ist jedoch die Regel und wird aufgrund
allgemeiner Lebenserfahrung vermutet. Wer behauptet, zu einem gewissen
Zeitpunkt urteilsunfähig gewesen zu sein, hat dafür einen Beweis zu erbringen
und trägt beim Scheitern des Beweises die Folgen der Beweislosigkeit (BGE 129 I
173 E. 3.1 S. 178; 127 V 237 E. 2c S. 240; 124 III 5 E. 1b S. 8; Urteil 8C_366/
2015 vom 14. August 2015 E. 3.2). Die Vorinstanz begründet mit keinem Wort,
weshalb der Beschwerdegegner in Bezug auf sein Rauschtrinken vom 14. September
2014 urteilsunfähig gewesen sein soll. Allein aus dem Verweis auf die
angebliche - medizinisch nicht aktenkundig belegte - "Krankheitswertigkeit der
Alkoholabhängigkeit", welche jedoch den Versicherten bis zum 14. September 2014
mangels gegenteiliger Anhaltspunkte offenbar klaglos seinen Beruf als
LKW-Chauffeur ausüben liess, ergeben sich jedenfalls keine Hinweise dafür, dass
für den bis dahin nach seiner früheren Alkoholabhängigkeit zwischenzeitlich
vernunftgemäss handelnden Beschwerdegegner bei Trinkbeginn die Konsequenzen
seines Handelns nicht absehbar gewesen sein sollen. Weshalb in der Folge des
Führerausweisentzuges von 2002 bis 2004 mit anschliessender Wiedererlangung der
Fahrerlaubnis nach erfolgreich erfüllter Auflage einer zweijährigen
vollständigen Alkoholabstinenz sowie nach vielen Jahren der Berufsausübung das
Verhalten des Rauschtrinkens vom 14. September 2014 für den Versicherten nicht
vermeidbar gewesen sein soll, ist aktenkundig nicht erstellt und wird vom
kantonalen Gericht nicht weiter begründet.

7.3. Der Beschwerdegegner muss sich demnach sein ausserdienstliches Verhalten
entgegen halten lassen (vgl. E. 5 und 7.1; vgl. auch ARV 1961 Nr. 47 S. 122).
Er war nach Aktenlage am 14. September 2014 jedenfalls bei Trinkbeginn nicht
urteilsunfähig. Zudem lagen keine Anhaltspunkte vor, wonach dem Versicherten
als LKW-Berufschauffeur insbesondere aufgrund seiner Erfahrung des früheren
alkoholbedingten Führerausweisentzuges mit anschliessend erfolgreich
absolvierter zweijähriger Alkoholabstinenz angesichts seiner persönlichen
Umstände und Verhältnisse der Verzicht auf Alkoholkonsum (auch) am 14.
September 2014 nicht zumutbar gewesen wäre. Das kantonale Gericht hat
demzufolge in Verletzung von Art. 30 Abs. 1 lit. a AVIG und Art. 44 Abs. 1 lit.
a AVIV darauf geschlossen, das Verhalten des Beschwerdegegners vom 14.
September 2014 sei ihm infolge seiner Suchtkrankheit nicht vorwerfbar gewesen.
Hätte ein solches permanentes Rückfallrisiko nach erfolgreicher Überwindung
seiner Alkoholprobleme auch ab 2006 weiterhin fortbestanden, hätte das
Stassenverkehrsamt dem Versicherten die Fahrerlaubnis als LKW-Berufschauffeur
ab 30. März 2006 nicht ohne Auflagen wieder erteilt.

7.4. Zusammenfassend hat die Vorinstanz nach dem Gesagten Bundesrecht verletzt,
indem sie bei gegebener Aktenlage darauf schloss, dem Versicherten sei sein
Verhalten, welches am 14. September 2014 infolge Alkoholisierung zur
polizeilichen Anzeige wegen Selbstgefährdung, sodann zum Sicherungsentzug
seines Führerausweises und hernach zur Kündigung seiner Arbeitsstelle als
Berufschauffeur geführt habe, nicht vorwerfbar. Die ÖALK hat demnach zutreffend
darauf geschlossen, dass der Beschwerdegegner die ab 15. Januar 2015
eingetretene Arbeitslosigkeit selbst verschuldet hat.

8. 
Ist die von der ÖALK verfügte Einstellung in der Anspruchsberechtigung nach
Massgabe von Art. 30 Abs. 1 lit. a AVIG bundesrechtskonform, hat dies
angesichts der bundesgerichtlichen Überprüfungsbefugnis (E. 1 hiervor) auch mit
Blick auf die verschuldensabhängige Bemessung der Dauer der Einstellung (Art.
45 Abs. 3 AVIV) gemäss Verfügung und Einspracheentscheid der ÖALK zu gelten.
Die Festlegung der Einstellungsdauer stellt eine typische Ermessensfrage dar,
deren Beantwortung letztinstanzlicher Korrektur nur mehr dort zugänglich ist,
wo das kantonale Gericht das Ermessen rechtsfehlerhaft ausgeübt hat, also
Ermessensüber- oder -unterschreitung resp. Ermessensmissbrauch vorliegt (ARV
2014 S. 145, 8C_42/2014 E. 6 mit Hinweis). Davon kann hier keine Rede sein.
Dass sich die innerhalb des bei schwerem Verschulden vorgesehenen Rahmens von
Art. 45 Abs. 3 lit. c AVIV verfügte Einstellungsdauer von 39 Tagen nicht auf
die einschlägige Praxis bei selbstverschuldeter Arbeitslosigkeit (Urteil 8C_165
/2015 vom 20. Mai 2015 E. 8 mit Hinweisen) abstützen liesse, ist nicht
ersichtlich und wird nicht geltend gemacht.

9. 
Der bundesrechtswidrige angefochtene Entscheid ist folglich aufzuheben und die
mit Einspracheentscheid vom 19. März 2015 geschützte Verfügung der ÖALK vom 25.
Februar 2015 zu bestätigen.

10. 
Der unterliegende Beschwerdegegner hat die Gerichtskosten zu tragen (Art. 66
Abs. 1 Satz 1 BGG).

Demnach erkennt das Bundesgericht:

1. 
Die Beschwerde wird gutgeheissen. Der Entscheid des Versicherungsgerichts des
Kantons Aargau vom 8. September 2015 wird aufgehoben und der
Einspracheentscheid der Öffentlichen Arbeitslosenkasse des Kantons Aargau vom
19. März 2015 bestätigt.

2. 
Die Gerichtskosten von Fr. 500.- werden dem Beschwerdegegner auferlegt.

3. 
Dieses Urteil wird den Parteien, dem Versicherungsgericht des Kantons Aargau
und dem Staatssekretariat für Wirtschaft (SECO) schriftlich mitgeteilt.

Luzern, 9. Februar 2016
Im Namen der I. sozialrechtlichen Abteilung
des Schweizerischen Bundesgerichts

Der Präsident: Maillard

Der Gerichtsschreiber: Hochuli

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