Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

I. Sozialrechtliche Abteilung, Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten 8C.750/2015
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Bundesgericht
Tribunal fédéral
Tribunale federale
Tribunal federal

[8frIR2ALAGK1]     
{T 0/2}
                   
8C_750/2015

Urteil vom 18. Januar 2016

I. sozialrechtliche Abteilung

Besetzung
Bundesrichter Maillard, Präsident,
Bundesrichter Ursprung, Bundesrichterin Heine,
Gerichtsschreiberin Durizzo.

Verfahrensbeteiligte
AXA Versicherungen AG,
General Guisan-Strasse 40, 8400 Winterthur,
Beschwerdeführerin,

gegen

A.________, vertreten durch
CAP Rechtsschutz-Versicherungsgesellschaft AG,
Leistungen und Services, 8010 Zürich,
Beschwerdegegner.

Gegenstand
Unfallversicherung (Unfallbegriff),

Beschwerde gegen den Entscheid des Sozialversicherungsgerichts des Kantons
Zürich
vom 24. August 2015.

Sachverhalt:

A. 
A.________, geboren 1969, war bei der AXA Versicherungen AG (nachfolgend: AXA)
für die Folgen von Berufs- und Nichtberufsunfällen sowie Berufskrankheiten
versichert. Am 5. August 2014 meldete die Arbeitgeberin einen Zahnunfall vom
29. Juli 2014. Der Versicherte habe in einem Restaurant einen Salat mit
gerösteten Croûtons und Nüssen gegessen und sich dabei einen Zahn
herausgebrochen. Im Fragebogen vom 18. August 2014 ergänzte er, dass er einen
"Caesar-Salat" bestellt und auf einen Croûton aus geröstetem Walnussbrot
gebissen habe. Er habe den Küchenchef informiert. Der Restaurant-Manager habe
den Securitas-Angestellten beigezogen, welcher alles fotografiert habe. Mit
Verfügung vom 22. September 2014 und Einspracheentscheid vom 19. März 2015
lehnte die AXA ihre Leistungspflicht ab.

B. 
Das Sozialversicherungsgericht des Kantons Zürich hiess die dagegen erhobene
Beschwerde mit Entscheid vom 24. August 2015 gut, hob den Einspracheentscheid
vom 19. März 2015 auf und verpflichtete die AXA, die gesetzlichen Leistungen
für das Ereignis vom 29. Juli 2014 zu erbringen.

C. 
Die AXA führt Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten mit dem
Antrag, unter Aufhebung des angefochtenen Entscheides (Ziffer 1: Gutheissung;
Ziffer 3: Prozessentschädigung) sei ihr Einspracheentscheid vom 19. März 2015
zu bestätigen. Des Weiteren ersucht sie um Gewährung der aufschiebenden Wirkung
ihrer Beschwerde.
A.________ und das Bundesamt für Gesundheit verzichten auf eine Vernehmlassung.

Erwägungen:

1.

1.1. Die Beschwerde kann wegen Rechtsverletzung gemäss Art. 95 und Art. 96 BGG
erhoben werden. Das Bundesgericht wendet das Recht von Amtes wegen an (Art. 106
Abs. 1 BGG). Es ist somit weder an die in der Beschwerde geltend gemachten
Argumente noch an die Erwägungen der Vorinstanz gebunden; es kann eine
Beschwerde aus einem anderen als dem angerufenen Grund gutheissen und es kann
sie mit einer von der Argumentation der Vorinstanz abweichenden Begründung
abweisen (vgl. BGE 130 III 136 E. 1.4 S. 140). Gemäss Art. 42 Abs. 1 BGG ist
die Beschwerde hinreichend zu begründen, andernfalls wird darauf nicht
eingetreten (Art. 108 Abs. 1 lit. b BGG). Das Bundesgericht prüft grundsätzlich
nur die geltend gemachten Rügen; es ist nicht gehalten, wie eine
erstinstanzliche Behörde alle sich stellenden rechtlichen Fragen zu prüfen,
wenn diese vor Bundesgericht nicht mehr vorgetragen wurden. Es kann die
Verletzung von Grundrechten und von kantonalem und interkantonalem Recht nur
insofern prüfen, als eine solche Rüge in der Beschwerde vorgebracht und
begründet worden ist (Art. 106 Abs. 2 BGG).

1.2. Im Beschwerdeverfahren um die Zusprechung oder Verweigerung von
Geldleistungen der Militär- oder Unfallversicherung ist das Bundesgericht nicht
an die vorinstanzliche Feststellung des rechtserheblichen Sachverhalts gebunden
(Art. 97 Abs. 2 und Art. 105 Abs. 3 BGG).

2. 
Das kantonale Gericht hat die Bestimmungen und Grundsätze zum Unfallbegriff
nach Art. 4 ATSG sowie insbesondere zum Begriffsmerkmal der Ungewöhnlichkeit
zutreffend dargelegt (vgl. die zu Art. 9 Abs. 1 UVV ergangene, weiterhin
geltende Rechtsprechung: BGE 129 V 402 E. 2.1 S. 404; 134 V 72 E. 2.2 S. 74 f.,
E. 4 S. 76 ff.). Darauf wird verwiesen.

3. 
Nach den vorinstanzlichen Feststellungen hat der Beschwerdeführer auf einen
Croûton aus geröstetem Walnussbrot gebissen, der sich in einem "Caesar-Salat"
befunden hatte. Das kantonale Gericht hat erwogen, dass üblicher Bestandteil
eines solchen Salates Weissbrotwürfel seien, ein Croûton aus geröstetem
Walnussbrot mit entsprechend harten Nussbestandteilen jedoch grundsätzlich und
insbesondere auch in einem "Caesar-Salat" unüblich und keineswegs alltäglich
sei. Nach seiner Auffassung war das für den Unfallbegriff vorausgesetzte
Merkmal des ungewöhnlichen äusseren Faktors deshalb gegeben und die
Leistungspflicht des Unfallversicherers zu bejahen.

4. 
Es kann mit dem kantonalen Gericht aufgrund der im Wesentlichen stets gleichen
Angaben des Versicherten als erstellt gelten, dass er auf ein Stück Nuss
gebissen hat, das sich in dem von ihm im Restaurant bestellten Salat befunden
hat. Im vorinstanzlichen Verfahren reicht er ein Foto von einem Croûton mit
einem Stück Nuss, vermutlich Baumnuss, ein. Bei der Unfallmeldung gab er an,
dass der Salat auch Nüsse enthalten habe.
Den vorinstanzlichen Ausführungen zur Ungewöhnlichkeit der Walnuss im Salat
beziehungsweise im Brot auf dem Salat kann mit Blick auf die Rechtsprechung des
Bundesgerichts, vormals des Eidgenössischen Versicherungsgerichts, in
vergleichbaren Fällen jedoch nicht gefolgt werden (vgl. dazu Urteil 8C_893/2014
vom 27. Januar 2015 E. 3.3).

5. 
Nicht massgeblich ist, dass der am 29. Juli 2014 verletzte Zahn vorgeschädigt
war. Die Annahme eines Unfalles darf nach der Rechtsprechung nicht mit der
Begründung ausgeschlossen werden, ein völlig intakter Zahn hätte die Belastung
überstanden. Es genügt, dass ein sanierter Zahn für den normalen Kauakt
funktionstüchtig ist (BGE 112 V 201 E. 3a S. 204). Da es sich jedoch um eine
Schädigung im Körperinnern handelt, müsste, wie in BGE 134 V 72 (E. 4.1.1 S. 76
f.) erwogen, das exogene Element so ungewöhnlich sein, dass eine endogene
Verursachung ausser Betracht fällt. Selbst wenn eine krankheitsbedingte Ursache
auszuschliessen wäre, müsste das Begriffsmerkmal der Ungewöhnlichkeit also
erfüllt sein. Immerhin könnte die vorliegende Gesundheitsschädigung, da es sich
um einen sanierten Zahn handelt, auch innerhalb eines durchaus normalen
Geschehensablaufs auftreten, weshalb sie nicht von vornherein einem äusseren
Faktor zugeordnet werden kann. Somit müsste die unmittelbare Ursache der
Schädigung unter besonders "sinnfälligen" Umständen gesetzt worden sein, die
Einwirkung würde erst durch das Hinzukommen eines zusätzlichen Ereignisses zum
ungewöhnlichen äusseren Faktor (Urteil 8C_718/2009 vom 30. September 2009 E.
6.2).
Ausschlaggebend ist dabei nach der Rechtsprechung zu den Zahnverletzungen beim
Essen, ob der fragliche äussere Faktor, der zur Zahnverletzung geführt hat,
üblicher Bestandteil des verarbeiteten Materials ist (RKUV 1992 Nr. U 144 S. 82
E. 2b). Nüsse sind weder im Brot noch im Salat - als Dekoration beziehungsweise
geschmackliche Anreicherung - grundsätzlich unüblich. Jedenfalls war die Nuss
im Salat zum Essen bestimmt (RKUV 1985 Nr. K 614 S. 24 E. 3a), und es geht
entgegen der vorinstanzlichen Auffassung nicht über das Alltägliche und Übliche
hinaus (BGE 134 V 72 E. 4.1 S. 76), wenn Nüsse in einem Salat verwendet werden.
Daran vermag auch nichts zu ändern, dass er im Restaurant offenbar als
"Caesar-Salat" angeboten wurde und solche Salate nicht regelmässig mit Nüssen
gereicht werden (RKUV 1992 Nr. U 144 S. 82 E. 2c). Nicht massgebend ist, ob der
Beschwerdeführer persönlich davon ausging, dass der Salat keine Nüsse enthalte
(Urteil U 288/01 vom 28. Februar 2003 E. 2).
Die Walnuss im Salat lässt sich daher nicht als ungewöhnlicher äusserer Faktor
und damit der erlittene Zahnschaden nicht als Unfall qualifizieren.

6. 
Das Gesuch um aufschiebende Wirkung der Beschwerde wird mit dem heutigen Urteil
gegenstandslos.

7. 
Das Verfahren ist kostenpflichtig (Art. 65 BGG). Die Gerichtskosten werden dem
unterliegenden Beschwerdegegner auferlegt (Art. 66 Abs. 1 BGG).

 Demnach erkennt das Bundesgericht:

1. 
Die Beschwerde wird gutgeheissen. Der Entscheid des Sozialversicherungsgerichts
des Kantons Zürich vom 24. August 2015 wird aufgehoben und der
Einspracheentscheid der AXA Versicherungen AG vom 19. März 2015 bestätigt.

2. 
Die Gerichtskosten von Fr. 800.- werden dem Beschwerdegegner auferlegt.

3. 
Dieses Urteil wird den Parteien, dem Sozialversicherungsgericht des Kantons
Zürich und dem Bundesamt für Gesundheit schriftlich mitgeteilt.

Luzern, 18. Januar 2016
Im Namen der I. sozialrechtlichen Abteilung
des Schweizerischen Bundesgerichts

Der Präsident: Maillard

Die Gerichtsschreiberin: Durizzo

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