Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

I. Sozialrechtliche Abteilung, Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten 8C.73/2015
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Bundesgericht
Tribunal fédéral
Tribunale federale
Tribunal federal

[8frIR2ALAGK1]     
{T 0/2}
                   
8C_73/2015

Urteil vom 15. April 2015

I. sozialrechtliche Abteilung

Besetzung
Bundesrichterin Leuzinger, Präsidentin,
Bundesrichter Ursprung, Bundesrichterin Heine,
Gerichtsschreiber Grunder.

Verfahrensbeteiligte
A.________,
vertreten durch Rechtsanwalt Armin Durrer,

Beschwerdeführer,

gegen

IV-Stelle Obwalden, Brünigstrasse 144, 6060 Sarnen,
Beschwerdegegnerin.

Gegenstand
Invalidenversicherung (Invalidenrente; Revision; Wiedererwägung),

Beschwerde gegen den Entscheid des Verwaltungsgerichts des Kantons Obwalden vom
17. Dezember 2014.

Sachverhalt:

A. 
A.________ meldete sich am 22. Januar 2002 wegen chronischer massiver Nacken-
und Armschmerzen sowie rezidivierender Lumboischialgien zum Leistungsbezug bei
der Invalidenversicherung an. Die IV-Stelle Obwalden zog unter anderem die
Berichte des Dr. med. B.________, Allgemeine Medizin FMH, vom 4. Februar und 2.
September 2002 bei. Mit Verfügung vom 5. März 2003 sprach sie dem Versicherten
ab 1. August 2002 eine ganze Invalidenrente nebst Zusatzrente für die Ehefrau
sowie Kinderrenten zu. Diesen Anspruch bestätigte sie revisionsweise mit
Mitteilungen vom 27. Januar 2004 und 10. Mai 2007.

Im Rahmen eines im Mai 2012 eingeleiteten Revisionsverfahrens holte die
IV-Stelle unter anderem das auf allgemein-medizinischen, orthopädischen,
psychiatrischen und neuropsychologischen Untersuchungen beruhende Gutachten des
Begutachtungszentrums C.________ vom 29. August 2013 ein. Nach Rücksprache mit
dem Regionalen Ärztlichen Dienst (RAD; Stellungnahmen vom 11. September und 2.
Dezember 2013) und Durchführung des Vorbescheidverfahrens setzte die IV-Stelle
mit Verfügung vom 28. April 2014 die bislang ausgerichtete ganze Invalidenrente
ab dem ersten Tag des der Zustellung folgenden Monats auf eine Viertelsrente
herab.

B. 
Die hiegegen eingereichte Beschwerde wies das Verwaltungsgericht des Kantons
Obwalden mit Entscheid vom 17. Dezember 2014 ab.

C. 
Mit Beschwerde lässt A.________ beantragen, unter Aufhebung des
vorinstanzlichen Entscheids seien ihm die gemäss IVG zustehenden Leistungen
zuzuerkennen; namentlich sei ihm eine ganze Rente zuzusprechen.

Das Bundesgericht führt keinen Schriftenwechsel durch.

Erwägungen:

1.

1.1. Mit der Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten kann u.a. die
Verletzung von Bundesrecht gerügt werden (Art. 95 lit. a BGG). Die Feststellung
des Sachverhalts kann nur gerügt werden, wenn sie offensichtlich unrichtig ist
oder auf einer Rechtsverletzung im Sinne von Art. 95 BGG beruht und wenn die
Behebung des Mangels für den Ausgang des Verfahrens entscheidend sein kann
(Art. 97 Abs. 1 BGG). Das Bundesgericht legt seinem Urteil den Sachverhalt
zugrunde, den die Vorinstanz festgestellt hat (Art. 105 Abs. 1 BGG). Es kann
die Sachverhaltsfeststellung der Vorinstanz von Amtes wegen berichtigen oder
ergänzen, wenn sie offensichtlich unrichtig ist oder auf einer Rechtsverletzung
im Sinne von Art. 95 BGG beruht (Art. 105 Abs. 2 BGG).

1.2. Das Bundesgericht wendet das Recht von Amtes wegen an (Art. 106 Abs. 1
BGG). Es ist folglich weder an die in der Beschwerde geltend gemachten
Argumente noch an die Erwägungen der Vorinstanz gebunden; es kann eine
Beschwerde aus einem anderen als dem angerufenen Grund gutheissen und es kann
sie mit einer von der Argumentation der Vorinstanz abweichenden Begründung
abweisen (BGE 130 III 136 E. 1.4 S. 140). Immerhin prüft das Bundesgericht,
unter Berücksichtigung der allgemeinen Begründungspflicht der Beschwerde (Art.
42 Abs. 1 und 2 BGG), grundsätzlich nur die geltend gemachten Rügen, sofern die
rechtlichen Mängel nicht geradezu offensichtlich sind (BGE 133 II 249 E. 1.4.1
S. 254).

1.3. Bei den gerichtlichen Feststellungen zum Gesundheitszustand und zur
Arbeitsfähigkeit bzw. deren Veränderung in einem bestimmten Zeitraum handelt es
sich um Tatfragen (BGE 132 V 393 E. 3.2 S. 397 ff.). Gleiches gilt für die
konkrete Beweiswürdigung (nicht publ. E. 4.1 des Urteils BGE 135 V 254, in SVR
2009 IV Nr. 53 S. 164 [9C_204/2009]). Dagegen sind die Beachtung des
Untersuchungsgrundsatzes und der Beweiswürdigungsregeln nach Art. 61 lit. c
ATSG, die unvollständige Feststellung rechtserheblicher Tatsachen sowie die
Missachtung des Untersuchungsgrundsatzes (Art. 43 Abs. 1, Art. 61 lit. c ATSG)
Rechtsfragen.

2. 
Nach Art. 53 Abs. 2 ATSG kann der Versicherungsträger auf formell
rechtskräftige Verfügungen zurückkommen, wenn diese zweifellos unrichtig sind
und wenn ihre Berichtigung von erheblicher Bedeutung ist. Unter diesen
Voraussetzungen kann die Verwaltung eine Rentenverfügung auch dann abändern,
wenn die Revisionsvoraussetzungen des Art. 17 ATSG nicht erfüllt sind. Wird die
zweifellose Unrichtigkeit der ursprünglichen Rentenverfügung erst vom Gericht
festgestellt, kann es die auf Art. 17 ATSG gestützte Revisionsverfügung mit
dieser substituierten Begründung schützen (vgl. BGE 127 V 466 E. 2c S. 469, 125
V 368 E. 2 S. 369). Das Erfordernis der zweifellosen Unrichtigkeit ist in der
Regel erfüllt, wenn eine Leistungszusprache aufgrund falsch oder unzutreffend
verstandener Rechtsregeln erfolgt ist oder wenn massgebliche Bestimmungen nicht
oder unrichtig angewandt wurden. Anders verhält es sich, wenn der
Wiedererwägungsgrund im Bereich materieller Anspruchsvoraussetzungen liegt,
deren Beurteilung notwendigerweise Ermessenszüge aufweist. Erscheint die
Beurteilung einzelner Schritte bei der Feststellung solcher
Anspruchsvoraussetzungen (Invaliditätsbemessung, Arbeitsunfähigkeitsschätzung,
Beweiswürdigung, Zumutbarkeitsfragen) vor dem Hintergrund der Sach- und
Rechtslage, wie sie sich im Zeitpunkt der rechtskräftigen Leistungszusprechung
darboten, als vertretbar, scheidet die Annahme zweifelloser Unrichtigkeit aus.
Zweifellos ist die Unrichtigkeit, wenn kein vernünftiger Zweifel daran möglich
ist, dass die Verfügung unrichtig war. Es ist nur ein einziger Schluss -
derjenige auf die Unrichtigkeit der Verfügung - denkbar (Urteil 9C_500/2013 vom
29. November 2013 E. 4 mit Hinweisen).

3.

3.1.

3.1.1. Das kantonale Gericht hat zunächst geprüft, ob die IV-Stelle zutreffend
einen Revisionsgrund gemäss Art. 17 Abs. 1 ATSG annahm. Es hat diese Frage mit
der Begründung verneint, der psychiatrische Sachverständige des
Begutachtungszentrums C.________ habe nicht dargelegt, ob und inwieweit sich
der Gesundheitszustand im massgeblichen Zeitraum seit Erlass der
Rentenverfügung vom 5. März 2003 bis zur revisionsweisen Neuprüfung (Verfügung
vom 28. April 2014) erheblich verbessert habe.

3.1.2. Sodann hat die Vorinstanz erkannt, dass der Rentenverfügung vom 5. März
2003 massgeblich die Berichte des Dr. med. B.________ vom 4. Februar und 2.
September 2002 zugrunde lagen. Danach litt der Versicherte an einem chronischen
Cervicovertebralsyndrom (bei Status nach Spondylodese auf Höhe der
Halswirbelkörper C5 bis C7 wegen einer Diskushernie im Bereich von C5/C6) sowie
wiederkehrenden depressiven, dysphorischen Episoden, weswegen er im Beruf als
Kältetechniker vollständig arbeitsunfähig war. Damit stand gemäss den weiteren
vorinstanzlichen Erwägungen fest, dass die Verwaltung die massgebliche
Arbeitsunfähigkeit auf offensichtlich unzulänglichen Beweisgrundlagen
beurteilte. Zum einem verfügte Dr. med. B.________ über keine psychiatrische
Ausbildung, weshalb die IV-Stelle den medizinischen Sachverhalt bezüglich der
psychischen Beeinträchtigungen praxisgemäss fachärztlich hätte abklären müssen.
Zum anderen fiel auf, dass Dr. med. B.________ die Arbeitsfähigkeit in einer
den körperlichen Einschränkungen angepassten Tätigkeit nicht thematisierte.
Insgesamt hatte die Verwaltung nach den abschliessenden vorinstanzlichen
Erwägungen den ihr obliegenden Untersuchungsgrundsatz (vgl. Art. 43 Abs. 1 und
Art. 44 ATSG) offensichtlich verletzt, weshalb die Rentenverfügung vom 5. März
2003 in Wiedererwägung zu ziehen sei.

3.2. Was der Beschwerdeführer vorbringt, dringt nicht durch. Er übersieht, dass
gerade die von ihm aus dem Bericht des Dr. med. B.________ vom 4. Februar 2002
zitierte Stelle ("Die Arbeitsfähigkeit kann bei einem neuen Arbeitsplatz ... im
bisherigen Tätigkeitsbereich nicht verbessert werden. Es würde nur eine
Umschulung in einen nicht handwerklichen Beruf die Arbeitsfähigkeit verbessern,
jedoch ist dies nur möglich, wenn der Patient weniger Schmerzen hat und aus
seiner Depression herausfindet") die vorinstanzliche Beurteilung untermauert.
Nichts anderes ergibt sich aus dem Austrittsbericht der Rehaklinik E.________
vom 7. November 2001, wonach die Wiedereingliederung in den angestammten Beruf
angestrebt wurde. Schliesslich kann auch aus dem polydisziplinären Gutachten
des Begutachtungszentrums C.________ vom 29. August 2013 hinsichtlich der zu
diskutierenden Frage nichts gewonnen werden, zumal die medizinischen
Sachverständigen, wie der Beschwerdeführer selber einräumt, dazu nicht Stellung
nahmen, bzw. mangels aussagekräftiger echtzeitlicher medizinischer Unterlagen
nicht Stellung nehmen konnten. Zur Verdeutlichung der nicht zu beanstandenden
vorinstanzlichen Erwägungen ist darauf hinzuweisen, dass Dr. med. D.________,
Psychiatrie und Psychotherapie FMH, im Teilgutachten vom 20. August 2013 einzig
festhielt, dass sich die zu diagnostizierende Schmerzstörung mit körperlichen
und psychischen Faktoren (ICD-10: F45.41) bezogen auf leichte bis mittelschwere
manuelle Tätigkeiten auch angesichts eines zu vermutenden primären
Krankheitsgewinnes nicht leistungsmindernd auswirkte.

3.3. Zusammengefasst ist in Bestätigung des vorinstanzlichen Entscheids
festzuhalten, dass aus der eindeutigen Begründung der Rentenverfügung vom 5.
März 2003 einzig der Schluss zu ziehen ist, die Verwaltung habe aus der
ärztlich eingeschätzten vollständigen Arbeitsunfähigkeit im angestammten Beruf
als Kältetechniker auf einen gleich hohen Invaliditätsgrad von 100 %
geschlossen. Damit liess die IV-Stelle die für die Bestimmung des
Invaliditätsgrades massgeblichen Art. 7 und 16 ATSG ausser Acht, weshalb ohne
Weiteres davon auszugehen ist, dass die Rentenverfügung vom 5. März 2003 auf
einer zweifellos unrichtigen Rechtsanwendung beruhte.

3.4.

3.4.1. Entsprechend diesem Ergebnis hat die Vorinstanz zu Recht den Sachverhalt
ex nunc et pro futuro (vgl. Art. 88bis Abs. 2 lit a IVV) ohne Bindung an
revisionsrechtliche Grundsätze frei geprüft. Sie hat für das Bundesgericht
verbindlich erkannt, dass keine konkreten Indizien vorlagen (vgl. BGE 135 V 465
E. 4.4 S. 470 oben; 125 V 351 E. 3b/bb S. 353 mit Hinweisen), die gegen die
Zuverlässigkeit und damit die Beweiskraft des polydisziplinären Gutachtens des
Begutachtungszentrums C.________ vom 29. August 2013 sprachen. Danach litt der
Versicherte an einem chronifizierten, tendomyotischen und cervicovertebralen
Syndrom (bei Status nach Spondylodese C6/C7 [1991] und cervicaler
Schmerzexacerbation nach Sturz mit Schulterkontusion [2001]) sowie an einer
Schmerzstörung mit körperlichen und psychischen Faktoren (ICD-10: F45.41); aus
orthopädischer Sicht waren ihm schwere Überkopfarbeiten und Verrichtungen in
Zwangshaltung nicht mehr zumutbar, dagegen vermochte er leichte bis
mittelschwere manuelle Tätigkeiten oder Kontroll- und Überwachungsarbeiten
vollschichtig auszuführen, wobei er wegen der Nachbarsegment-Pathologie bei C6/
C7 gelegentliche Pausen benötigte, weswegen das Rendement um insgesamt 30 % zu
reduzieren war.

3.4.2. Gestützt darauf hat das kantonale Gericht anhand der Schweizerischen
Lohnstrukturerhebung des Bundesamtes für Statistik das der Bestimmung des
Invaliditätsgrades gemäss Art. 16 ATSG zugrunde zu legende hypothetische
Invalideinkommen unbestritten auf Fr. 44'119.- festgelegt. Verglichen mit dem
vor- und letztinstanzlich nicht beanstandeten, von der IV-Stelle auf Fr.
85'751.- festgelegten Valideneinkommen ergibt sich ein Invaliditätsgrad von
gerundet 47 %, weshalb der Versicherte künftig (vgl. Revisionsverfügung vom 28.
April 2014) nurmehr Anspruch auf eine Viertelsrente der Invalidenversicherung
hatte.

4. 
Dem Beschwerdeführer werden als unterliegender Partei die Gerichtskosten
auferlegt (Art. 66 Abs. 1 Satz 1 BGG).

Demnach erkennt das Bundesgericht:

1. 
Die Beschwerde wird abgewiesen.

2. 
Die Gerichtskosten von Fr. 800.- werden dem Beschwerdeführer auferlegt.

3. 
Dieses Urteil wird den Parteien, dem Verwaltungsgericht des Kantons Obwalden
und dem Bundesamt für Sozialversicherungen schriftlich mitgeteilt.

Luzern, 15. April 2015

Im Namen der I. sozialrechtlichen Abteilung
des Schweizerischen Bundesgerichts

Die Präsidentin: Leuzinger

Der Gerichtsschreiber: Grunder

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