Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

I. Sozialrechtliche Abteilung, Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten 8C.731/2015
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Bundesgericht
Tribunal fédéral
Tribunale federale
Tribunal federal

[8frIR2ALAGK1]     
{T 0/2}
                   
8C_731/2015

Urteil vom 18. April 2016

I. sozialrechtliche Abteilung

Besetzung
Bundesrichter Maillard, Präsident,
Bundesrichter Ursprung, Frésard,
Gerichtsschreiberin Schüpfer.

Verfahrensbeteiligte
A.________,
vertreten durch Rechtsanwalt Daniel Christe,
Beschwerdeführerin,

gegen

IV-Stelle des Kantons Zürich,
Röntgenstrasse 17, 8005 Zürich,
Beschwerdegegnerin.

Gegenstand
Invalidenversicherung,

Beschwerde gegen den Entscheid des Sozialversicherungsgerichts des Kantons
Zürich
vom 24. August 2015.

Sachverhalt:

A. 
Die 1989 geborene A.________ meldete sich am 20. September 2013 mit Hinweis auf
ein psychisches Leiden bei der Invalidenversicherung zum Leistungsbezug an. Die
Sozialversicherungsanstalt des Kantons Zürich, IV-Stelle, zog die Akten der
Krankentaggeldversicherung und der für einen Auffahrunfall vom 27. März 2009
zuständigen UVG-Versicherung bei. Weiter holte sie einen Bericht des
behandelnden Dr. med. B.________, Facharzt für Psychiatrie und Psychotherapie,
Therapiezentrum C.________, vom 6. Februar 2014 ein. Mit Verfügung vom 29.
August 2014 verneinte die IV-Stelle einen Anspruch auf eine Invalidenrente, da
kein invalidenversicherungsrechtlich relevanter Gesundheitsschaden bestehe.

B. 
Das Sozialversicherungsgericht des Kantons Zürich wies die dagegen geführte
Beschwerde mit Entscheid vom 24. August 2015 ab.

C. 
A.________ lässt mit Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten die
Aufhebung des Entscheides vom 24. August 2015 und die Rückweisung zur
ergänzenden medizinischen Abklärung und Neubeurteilung ihres Leistungsanspruchs
an die Vorinstanz oder die IV-Stelle beantragen.
Es wird kein Schriftenwechsel durchgeführt.

Erwägungen:

1. 
Die Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten kann wegen
Rechtsverletzungen gemäss Art. 95 und 96 BGG erhoben werden. Das Bundesgericht
legt seinem Urteil den Sachverhalt zugrunde, den die Vorinstanz festgestellt
hat (Art. 105 Abs. 1 BGG). Es kann deren Sachverhaltsfeststellung auf Rüge hin
oder von Amtes wegen berichtigen oder ergänzen, wenn sie offensichtlich
unrichtig ist oder auf einer Rechtsverletzung im Sinne von Art. 95 BGG beruht,
und wenn die Behebung des Mangels für den Ausgang des Verfahrens entscheidend
sein kann (Art. 105 Abs. 2 BGG und Art. 97 Abs. 1 BGG). Das Bundesgericht
wendet das Recht von Amtes wegen an (Art. 106 Abs. 1 BGG) und ist folglich
weder an die in der Beschwerde geltend gemachten Argumente noch an die
Erwägungen der Vorinstanz gebunden (BGE 134 I 65 E. 1.3 S. 67 f.; 134 V 250 E.
1.2 S. 252, je mit Hinweisen).

2. 
Streitig und zu prüfen ist, ob die Beschwerdeführerin einen Anspruch auf eine
Rente der Invalidenversicherung hat, wobei insbesondere in Frage steht, ob der
medizinische Sachverhalt rechtsgenüglich abgeklärt ist.

2.1. Im angefochtenen Entscheid werden die massgebenden Rechtsgrundlagen
zutreffend wiedergegeben. Es betrifft dies insbesondere die Bestimmungen und
Grundsätze zur Bedeutung ärztlicher Auskünfte im Rahmen der
Invaliditätsschätzung (BGE 125 V 256 E. 4 S. 261 mit Hinweisen; vgl. auch BGE
132 V 93 E. 4 S. 99 f.) sowie zu den Anforderungen an beweiskräftige
medizinische Berichte und Gutachten (BGE 134 V 231 E. 5.1 S. 232; 125 V 351 E.
3a S. 352). Darauf wird verwiesen.

2.2. Bei den gerichtlichen Feststellungen zum Gesundheitszustand und zur
Arbeitsfähigkeit handelt es sich grundsätzlich um Fragen tatsächlicher Natur (
BGE 132 V 393 E. 3.2 S. 397 ff.). Ebenso stellt die konkrete Beweiswürdigung
eine Tatfrage dar (Urteil 9C_204/2009 vom 6. Juli 2009 E. 4.1, nicht publ. in:
BGE 135 V 254, aber in: SVR 2009 IV Nr. 53 S. 164). Dagegen sind die
unvollständige Feststellung rechtserheblicher Tatsachen sowie die Missachtung
des Untersuchungsgrundsatzes (Art. 43 Abs. 1, Art. 61 lit. c ATSG) Rechtsfragen
(Urteil 9C_460/2013 vom 18. März 2014 E. 1.3, in: SVR 2014 IV Nr. 20 S. 72).

3.

3.1. Die Vorinstanz hat die medizinischen Akten dahingehend gewürdigt, bei der
von den Ärzten der Klinik D.________ und von Dr. med. B.________ genannten
Diagnose einer mittelgradigen depressiven Episode (ICD-10 F32.1) handle es sich
definitionsgemäss um ein vorübergehendes Leiden. Länger dauernde Störungen
seien unter einer anderen Codierung zu subsumieren. Weiter stellte sie in
tatsächlicher Hinsicht fest, aufgrund der ärztlichen Ausführungen könnten die
gesundheitlichen Einschränkungen mittels medizinischer Massnahmen vermindert
werden. Mit der Wiederaufnahme der beruflichen Tätigkeit sei zu rechnen. Bei
der vom behandelnden Arzt diagnostizieren depressiven Episode handle es sich um
ein therapeutisch angehbares reaktives Geschehen auf bestimmte belastende
Lebensereignisse. Die zumutbaren Behandlungsmöglichkeiten seien im Zeitpunkt
der Untersuchung nicht optimal und nachhaltig ausgeschöpft worden. Damit fehle
es an einer adäquaten und konsequenten Depressionstherapie. Erst deren
Scheitern würde das Leiden als resistent im Sinne der Rechtsprechung ausweisen.
Weiter seien die Befunde auf belastende psychosoziale Faktoren zurückzuführen.
Damit stellten sie keinen invalidisierenden psychischen Gesundheitsschaden dar.
Die Sachlage sei in medizinischer Hinsicht genügend abgeklärt, weshalb in
antizipierter Beweiswürdigung auf weitere Untersuchungen verzichtet werden
könne.

3.2. Die Beschwerdeführerin hält die medizinischen Abklärungen für ungenügend.
Das kantonale Gericht habe in seiner Würdigung nicht beachtet, dass Dr. med.
B.________ in seinem Bericht vom 6. Februar 2014 nicht nur eine mittelgradige,
sondern eine mittelgradige bis schwere depressive Episode diagnostiziert habe.
Zudem dauere die depressive Störung zum Verfügungszeitraum schon seit
mindestens eineinhalb Jahren an. Richtigerweise hätte daher nicht mehr eine
depressive Episode, sondern eine chronische depressive Störung diagnostiziert
werden müssen. Der Fehler in der Diagnose bedürfe ergänzender Abklärung durch
die Verwaltung. Die antizipierte Beweiswürdigung durch die Vorinstanz sei
unzulässigerweise erfolgt.

4.

4.1. Invalidität ist die voraussichtlich bleibende oder längere Zeit dauernde
ganze oder teilweise Erwerbsunfähigkeit als Folge von Geburtsgebrechen,
Krankheit oder Unfall (Art. 4 Abs. 1 IVG und Art. 8 Abs. 1 ATSG). Eine
fachärztlich festgestellte psychische Krankheit im Besonderen ist nicht ohne
weiteres gleichbedeutend mit dem Vorliegen einer Invalidität. In jedem
Einzelfall muss eine Beeinträchtigung der Arbeits- und Erwerbsfähigkeit
unabhängig von der Diagnose und grundsätzlich unbesehen der Ätiologie
ausgewiesen und in ihrem Ausmass bestimmt sein. Entscheidend ist die nach einem
weit gehend objektivierten Massstab zu erfolgende Beurteilung, ob und inwiefern
der versicherten Person trotz ihres Leidens die Verwertung ihrer
Restarbeitsfähigkeit auf dem in Betracht fallenden (ausgeglichenen)
Arbeitsmarkt zumutbar ist (BGE 141V 281 E. 3.7.3, S. 296; 136 V 279 E. 3.2.1,
S. 281; 127 V 294 E. 4c S. 298).

4.2. Die Beschwerdeführerin bringt vor, die Vorinstanz habe zu Unrecht nicht
berücksichtigt, dass Dr. med. B.________ eine mittelgradige bis schwere
depressive Episode - und damit eine höhergradigere Erkrankung als im
angefochtenen Entscheid erwähnt - diagnostiziert habe. Damit ist allerdings
über die Dauer der möglichen Einschränkung noch nichts ausgesagt. Sogar eine
schwere depressive Episode im Sinne von ICD-10 F32.2 kann eine vorübergehende
Störung bezeichnen (vgl. Daniel Hell und Andere, Kurzes Lehrbuch der
Psychiatrie, 3. Aufl. 2011, S. 117 unten). Denn die Diagnose alleine besagt
noch nichts über die invalidisierende Wirkung einer gesundheitlichen
Beeinträchtigung (E. 4.1).
Vorliegend ist unbestritten, dass die Beschwerdeführerin - wegen ihrer im
Zeitpunkt der Untersuchung durch Dr. med. B.________ vom 6. Februar 2014
bestehenden Schwangerschaft - auf eine medikamentöse Behandlung weitgehend
verzichtete. Auch wenn ein solches Verhalten verständlich ist, verbietet eine
nicht ausgeschöpfte psychiatrische und psychotherapeutische
Behandlungsmöglichkeit - ohne dass weitere Abklärungen notwendig wären - den
Schluss, die versicherte Person verfüge nicht über genügende psychische
Ressourcen, einer den Anspruch auf eine Rente ausschliessende Erwerbstätigkeit
nachzugehen (MEYER/REICHMUTH, Bundesgesetz über die Invalidenversicherung, 3.
Aufl. 2014, N. 28 zu Art. 4 IVG mit Hinweis auf Urteil 9C_266/2012 E. 4.3.2;
Urteil 9C_947/2012 E. 3.2.2). Anlässlich eines "Standortgesprächs" bei der
IV-Stelle am 8. Oktober 2013 gab die Beschwerdeführerin denn auch an, die vor
der Schwangerschaft eingenommenen Medikamente Cirpalex und Zyprexa hätten ihr
geholfen. Seither gehe es ihr schlechter. Die Vorinstanz ist daher zu Recht
nicht von einer andauernden gesundheitlichen Beeinträchtigung ausgegangen.

4.3. In der Beschwerde wird nichts vorgebracht, was die (für das Bundesgericht
grundsätzlich verbindlichen; vgl. E. 2.2) Tatsachenfeststellungen des
kantonalen Gerichts als offensichtlich unrichtig oder rechtsfehlerhaft
erscheinen lässt. Dass die Vorinstanz angesichts der - mit Ausnahme des Dr.
med. B.________ in seinem Bericht vom 6. Februar 2014, also während der
Schwangerschaft - übereinstimmenden Diagnosen nach dem Beweisgrad der
überwiegenden Wahrscheinlichkeit vom Vorliegen einer mittelgradigen depressiven
Episode ausging und keinen weiteren Abklärungsbedarf sah, ist entgegen der
Beschwerdeführerin nicht zu beanstanden. Sowohl die Ärzte in der Klinik
D.________ als auch Dr. med. B.________ stellten bei einer regelrechten
Therapie inklusive Psychopharmaka eine gute Prognose bezüglich der
Wiedererlangung der Arbeitsfähigkeit. Zudem liegen keine sich widersprechenden
ärztlichen Stellungnahmen oder Hinweise auf eine unvollständige Aktenlage vor.
Das kantonale Gericht durfte damit darauf schliessen, es liege kein
invalidisierender Gesundheitsschaden vor.

5. 
Da im massgebenden Zeitpunkt des Verfügungserlasses am 29. August 2014 (BGE 132
V 215 E. 3.1.1 S. 320) kein invalidenversicherungsrechtlich relevanter
Gesundheitsschaden vorlag, bleibt für eine Rückweisung an die IV-Stelle oder
Vorinstanz zu weiteren Abklärungen kein Raum. Die Beschwerde ist daher
abzuweisen. Falls sich der Gesundheitszustand der Versicherten seither
verschlechtert haben sollte, ist es ihr unbenommen, sich bei der
Invalidenversicherung neu anzumelden (Art. 87 Abs. 2 f. IVV; BGE 130 V 64 E.
5.2.5 S. 69).

6. 
Die Kosten des Verfahrens sind von der unterliegenden Beschwerdeführerin zu
tragen (Art. 66 Abs. 1 BGG).

Demnach erkennt das Bundesgericht:

1. 
Die Beschwerde wird abgewiesen.

2. 
Die Gerichtskosten von Fr. 800.- werden der Beschwerdeführerin auferlegt.

3. 
Dieses Urteil wird den Parteien, dem Sozialversicherungsgericht des Kantons
Zürich und dem Bundesamt für Sozialversicherungen schriftlich mitgeteilt.

Luzern, 18. April 2016
Im Namen der I. sozialrechtlichen Abteilung
des Schweizerischen Bundesgerichts

Der Präsident: Maillard

Die Gerichtsschreiberin: Schüpfer

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