Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

I. Sozialrechtliche Abteilung, Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten 8C.725/2015
Zurück zum Index I. Sozialrechtliche Abteilung, Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten 2015
Retour à l'indice I. Sozialrechtliche Abteilung, Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten 2015


Wichtiger Hinweis:
Diese Website wird in älteren Versionen von Netscape ohne graphische Elemente
dargestellt. Die Funktionalität der Website ist aber trotzdem gewährleistet.
Wenn Sie diese Website regelmässig benutzen, empfehlen wir Ihnen, auf Ihrem
Computer einen aktuellen Browser zu installieren.
Zurück zur Einstiegsseite Drucken
                                                               Grössere Schrift

Bundesgericht
Tribunal fédéral
Tribunale federale
Tribunal federal

[8frIR2ALAGK1]          
8C_725/2015 {T 0/2}     

Urteil vom 17. Februar 2016

I. sozialrechtliche Abteilung

Besetzung
Bundesrichter Maillard, Präsident,
Bundesrichter Ursprung, Wirthlin,
Gerichtsschreiberin Polla.

Verfahrensbeteiligte
 A.________,
vertreten durch Rechtsanwalt Markus Stadelmann,
Beschwerdeführer,

gegen

IV-Stelle des Kantons Thurgau, Rechts- und Einsprachedienst, St. Gallerstrasse
11, 8500 Frauenfeld,
Beschwerdegegnerin.

Gegenstand
Invalidenversicherung,

Beschwerde gegen den Entscheid des Verwaltungsgerichts des Kantons Thurgau vom
19. August 2015.

Sachverhalt:

A. 
Der 1956 geborene A.________ meldete sich im Januar 2012 unter Hinweis auf ein
Burnout zum Leistungsbezug bei der Invalidenversicherung an. Die IV-Stelle des
Kantons Thurgau nahm erwerbliche und medizinische Abklärungen vor. Unter
anderem gestützt auf einen Untersuchungsbericht der Frau B.________, Fachärztin
für Psychiatrie und Psychotherapie, Regionaler Ärztlicher Dienst (RAD), vom 3.
August 2012 erteilte die IV-Stelle Kostengutsprache für einen Arbeitsversuch
vom 3. September 2012 bis 28. Februar 2013 (vgl. Art. 18a IVG) bei der
C.________ AG. Im Bericht hielt die RAD-Ärztin eine abklingende, mittelgradige
depressive Episode mit somatischen Symptomen im Rahmen einer chronischen
beruflichen Belastungssituation mit Burnout-Syndrom und eine um 50 % reduzierte
Arbeitsfähigkeit fest. Nachdem das Pensum bei der C.________ AG nicht wie
geplant auf 100 % gesteigert werden konnte, liess die IV-Stelle den
Versicherten durch Dr. med. D.________, Facharzt für Psychiatrie und
Psychotherapie, begutachten. Dieser stellte keine psychische Krankheit fest,
weshalb die Arbeitsfähigkeit uneingeschränkt sei (Gutachten vom 11. Dezember
2013, welchem die neuropsychologische Beurteilung des Dr. phil. E.________,
Diplompsychologe, vom 29. November 2013 beilag). Mit Verfügung vom 14. April
2015 verneinte die IV-Stelle einen Anspruch auf Leistungen der
Invalidenversicherung mangels eines invalidisierenden Gesundheitsschadens.

B. 
Die dagegen geführte Beschwerde wies das Verwaltungsgericht des Kantons Thurgau
mit Entscheid vom 19. August 2015 ab.

C. 
A.________ lässt Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten führen
und beantragen, es sei ihm eine ganze Invalidenrente zuzusprechen. Eventualiter
sei die Sache zu weiteren Abklärungen an die Vorinstanz zurückzuweisen.
Die IV-Stelle und das Bundesamt für Sozialversicherungen haben auf eine
Stellungnahme verzichtet.

Erwägungen:

1. 
Die Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten kann wegen
Rechtsverletzungen gemäss Art. 95 und 96 BGG erhoben werden. Das Bundesgericht
wendet das Recht von Amtes wegen an (Art. 106 Abs. 1 BGG), doch prüft es, unter
Berücksichtigung der allgemeinen Rüge- und Begründungspflicht (Art. 42 Abs. 1
und 2 BGG), nur die geltend gemachten Vorbringen, falls allfällige weitere
rechtliche Mängel nicht geradezu offensichtlich sind (BGE 138 I 274 E. 1.6 S.
280 mit Hinweisen).
Das Bundesgericht legt seinem Urteil den Sachverhalt zugrunde, den die
Vorinstanz festgestellt hat (Art. 105 Abs. 1 BGG). Es kann deren
Sachverhaltsfeststellung nur berichtigen oder ergänzen, wenn sie offensichtlich
unrichtig ist oder auf einer Rechtsverletzung im Sinne von Art. 95 BGG beruht
(Art. 105 Abs. 2 BGG).

2. 
Im angefochtenen Entscheid sind die Rechtsgrundlagen für den streitigen
Anspruch auf eine Invalidenrente zutreffend dargelegt. Darauf wird verwiesen.

3.

3.1. Die Vorinstanz stellte nach eingehender Würdigung der Akten fest, gestützt
auf das beweiskräftige Gutachten des Dr. med. D.________ vom 11. Dezember 2013
liege keine psychiatrische Störung mit Krankheitswert vor; die Arbeitsfähigkeit
sei daher aus psychiatrischer Sicht nicht eingeschränkt. Daran ändere auch der
Umstand nichts, dass dem Beschwerdeführer der Wiedereinstieg ins Erwerbsleben
nicht vollumfänglich geglückt sei. Mit Blick darauf, dass sowohl Dr. med.
F.________, FMH Psychiatrie und Psychotherapie, der im Auftrag des zuständigen
Krankenversicherers am 30. Dezember 2011 ein Gutachten zur Arbeitsfähigkeit
erstellt habe, als auch der Psychologe Dr. E.________ festgehalten hätten, dass
die Vorbringen des Versicherten und seine gezeigten Leistungen Inkonsistenzen
aufweisen würden, könne hieraus kein Rückschluss auf seine effektive
Arbeitsfähigkeit gezogen werden. Der behandelnde Psychiater Dr. med. G.________
habe sich ferner ohne kritische Würdigung im Wesentlichen auf die subjektiven
Angaben des Beschwerdeführers gestützt und die geschätzte Arbeitsunfähigkeit
nicht schlüssig begründet (Berichte vom 4. Mai 2015, 24. Juli 2013, 16. Juli
und 27. Februar 2012), weshalb diese die Beweiskraft des Gutachtens nicht in
Frage zu stellen vermöchten. Auch der Umstand, dass der Gutachter Dr. med.
D.________ die von ihm beim Psychologen Dr. phil. H.________ in Auftrag
gegebene Beurteilung der Motivation zur sozialversicherungsrechtlichen
Abklärung vom 8. November 2013 in seiner Expertise unerwähnt gelassen und
einzig die neuropsychologische Beurteilung des Psychologen Dr. phil. E.________
in sein Gutachten integriert habe, sei zwar unverständlich, schmälere aber den
Beweiswert seiner Aussagen nicht. In seiner Stellungnahme vom 20. Juni 2014
habe der Arzt einleuchtend und nachvollziehbar dargelegt, dass Dr. phil.
H.________ keine eigentliche neuropsychologische Beurteilung, sondern lediglich
eine Motivationsabklärung vorgenommen habe, worauf die eingehendere, mit einer
Konsistenzprüfung versehene, neuropsychologische Untersuchung bei Dr. phil.
E.________ in Auftrag gegeben worden sei. Zusammenfassend bestehe demnach
mangels eines invalidenversicherungsrechtlich relevanten Gesundheitsschadens
kein Anspruch auf eine Rente.

3.2. Die durch das kantonale Gericht getroffenen Tatsachenfeststellungen,
namentlich die aus den medizinischen Unterlagen gewonnenen Erkenntnisse, sind
im letztinstanzlichen Prozess grundsätzlich verbindlich (vgl. E. 1 hiervor). Im
Rahmen der eingeschränkten Sachverhaltskontrolle (Art. 97 Abs. 1 BGG) ist es
nicht Aufgabe des Bundesgerichts, die schon im vorangehenden Verfahren im Recht
gelegenen ärztlichen Berichte neu zu beurteilen und die rechtsfehlerfreie
Sachverhaltsfeststellung der Vorinstanz zu korrigieren.

3.3. Die Vorbringen des Beschwerdeführers zeigen keine offensichtliche
Unrichtigkeit der vorinstanzlichen Schlussfolgerungen auf. Soweit er einwendet,
es sei zumindest fraglich, ob der Hauptgutachter Dr. med. D.________, nachdem
die Beurteilung des Dr. phil. H.________ vorgelegen habe, überhaupt eine
zusätzliche, zweite gutachterliche Abklärung bei Dr. phil. E.________ habe in
Auftrag geben dürfen, verkennt er, dass es sich beim Bericht des Psychologen
Dr. phil. E.________ nicht um eine unzulässige "second opinion" im Sinne eines
weiteren Gutachtens eines Facharztes für Psychiatrie und Psychotherapie (vgl.
hiezu BGE 137 V 210 E. 3.3.1 S. 245; 136 V 156 E. 3.3 S. 158) handelt. Die
Verwaltung hat nicht trotz eines bereits umfassend abgeklärten Sachverhalts
eine zweite Expertise eingeholt. Dr. phil. E.________ hat vielmehr einzig als
Fachpsychologe einen ergänzenden Bericht erstellt, welchen der Facharzt in
seine medizinische Expertise aufnehmen durfte. Die Vorinstanz hat sodann
einleuchtend dargelegt, weshalb es zwar störend ist, dass Dr. med. D.________
die Motivationsabklärung im Gutachten nicht aufgeführt und gewertet hat.
Ebenfalls überzeugend hat sie indessen seine Erklärung als plausibel erachtet,
wonach er erst aufgrund der durch Dr. phil. H.________ erhobenen Testresultate
eine eingehende neuropsychologische Beurteilung veranlasst hat. Der Beweiswert
des Gutachtens wird dadurch nicht beeinträchtigt. Das kantonale Gericht hat
weiter die neuropsychologischen Abklärungsergebnisse des Dr. phil. E.________,
auf welche der Gutachter verweist, mit eingehender, nachvollziehbarer
Begründung als verwertbar erachtet. Diese Beweiswürdigung ist nicht zu
beanstanden (vgl. BGE 137 V 210 E. 6.2.2 S.269; 134 V 231 E. 5.1 S. 232; 125 V
351 E. 3 S. 352 mit Hinweisen).
Entgegen den weiteren Darlegungen in der Beschwerde hat sich der Gutachter auch
hinreichend mit den früheren Arbeitsfähigkeitsschätzungen auseinandergesetzt
und gestützt auf die Aktenlage nachvollziehbar ausgeführt, weshalb nicht von
einer anhaltend eingeschränkten Arbeitsfähigkeit, wie sie der behandelnde
Psychiater Dr. med. G.________ annahm, auszugehen ist. Die Vorinstanz durfte
hierauf abstellen, ohne Bundesrecht zu verletzen, wobei der erst im
letztinstanzlichen Beschwerdeverfahren eingereichte Bericht des Dr. med.
G.________ vom 26. Oktober 2015 als unzulässiges (echtes) Novum unbeachtlich
ist (Art. 99 Abs. 1 BGG). Es sind keine Widersprüche oder andere Mängel im
Gutachten des Dr. med. D.________ ersichtlich, welche seine fachärztlichen
Folgerungen in Frage stellen könnten. Auch der häufige Einsatz des Gutachters
durch die IV-Stelle Thurgau rechtfertigt kein anderes Ergebnis. Der
regelmässige Beizug eines Gutachters oder einer Begutachtungsinstitution durch
den Versicherungsträger, die Anzahl der beim selben Arzt in Auftrag gegebenen
Gutachten sowie das daraus resultierende Arbeits- und Honorarvolumen begründen
für sich allein genommen keinen Ausstand. Dies gilt sowohl für Administrativ-
als auch für Gerichtsgutachten. Konkrete Hinweise auf eigentliche
Ausstandsgründe ergeben sich aus den Akten nicht und werden auch nicht geltend
gemacht. Zudem wäre es Pflicht des Versicherten gewesen, etwaige
Ausstandsgründe sofort zu rügen (BGE 138 I 1 E. 2.2 S. 4; Urteil 9C_629/2013
vom 13. Dezember 2013 E. 4.3 mit Hinweisen), was er unterlassen hat.

3.4. Nach dem Gesagten ist nicht ersichtlich, inwiefern die vorinstanzlichen
Feststellungen zur Arbeitsfähigkeit des Beschwerdeführers offensichtlich
unrichtig (unhaltbar, willkürlich) sind oder auf einer Rechtsverletzung
beruhen; sie bleiben für das Bundesgericht verbindlich. Eine Verletzung des
Untersuchungsgrundsatzes liegt nicht vor (Art. 43 Abs. 1 und 61 lit. c ATSG);
der Verzicht auf weitere Abklärungen erfolgte in zulässiger antizipierender
Beweiswürdigung (BGE 136 I 229 E. 5.3 S. 236; 134 I 140 E. 5.3 S. 148; 124 V 90
E. 4b S. 94). Besteht nach dem Gesagten keine gesundheitsbedingte
Arbeitsunfähigkeit, wurde ein Rentenanspruch zu Recht verneint. Die Beschwerde
ist unbegründet.

4. 
Die Kosten des Verfahrens sind vom unterliegenden Beschwerdeführer zu tragen
(Art. 66 Abs. 1 BGG).

Demnach erkennt das Bundesgericht:

1. 
Die Beschwerde wird abgewiesen.

2. 
Die Gerichtskosten von Fr. 800.- werden dem Beschwerdeführer auferlegt.

3. 
Dieses Urteil wird den Parteien, dem Verwaltungsgericht des Kantons Thurgau und
dem Bundesamt für Sozialversicherungen schriftlich mitgeteilt.

Luzern, 17. Februar 2016

Im Namen der I. sozialrechtlichen Abteilung
des Schweizerischen Bundesgerichts

Der Präsident: Maillard

Die Gerichtsschreiberin: Polla

Navigation

Neue Suche

ähnliche Leitentscheide suchen
ähnliche Urteile ab 2000 suchen

Drucken nach oben