Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

I. Sozialrechtliche Abteilung, Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten 8C.712/2015
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Bundesgericht
Tribunal fédéral
Tribunale federale
Tribunal federal

[8frIR2ALAGK1]     
{T 0/2}
                   
8C_712/2015

Urteil vom 21. Januar 2016

I. sozialrechtliche Abteilung

Besetzung
Bundesrichter Maillard, Präsident,
Bundesrichter Ursprung, Bundesrichterin Heine,
Gerichtsschreiberin Durizzo.

Verfahrensbeteiligte
A.________,
vertreten durch Rechtsanwalt Viktor Györffy,
Beschwerdeführerin,

gegen

IV-Stelle des Kantons Zürich, Röntgenstrasse 17, 8005 Zürich,
Beschwerdegegnerin.

Gegenstand
Invalidenversicherung (Invalidenrente),

Beschwerde gegen den Entscheid des Sozialversicherungsgerichts des Kantons
Zürich vom 11. August 2015.

Sachverhalt:

A. 
A.________, geboren 1967, meldete sich am 12. Januar 2012 (Früherfassung)
beziehungsweise am 2. Februar 2012 bei der Invalidenversicherung zum
Leistungsbezug an. Sie arbeitete als Bestückerin bei der B.________ GmbH in
C.________ und klagte seit 2011 über Beschwerden in beiden Ellbogen und im
Schulter-Nackenbereich. Der behandelnde Arzt Dr. med. D.________ hatte bereits
eine Arbeitsplatzabklärung durch das Spital E.________, Rheumaklinik und
Institut für Physikalische Medizin, veranlasst (Bericht vom 21. Oktober 2011).
Die IV-Stelle des Kantons Zürich holte einen Bericht des Hausarztes Dr. med.
F.________ vom 7. April 2012 ein. Es erfolgte ein Arbeitsassessment durch die
Ärzte des Spital E.________, Rheumaklinik, Physiotherapie, Ergotherapie
(Bericht vom 11. September 2012). Im Juli 2013 diagnostizierte Dr. med.
F.________ eine Frozen Shoulder links und rechts und bescheinigte eine volle
Arbeitsunfähigkeit. Die IV-Stelle liess A.________ bidisziplinär
rheumatologisch und psychiatrisch untersuchen durch Dres. med. G.________ und
H.________, Abklärungsstelle I.________ (Gutachten vom 29. April 2014).
Gestützt auf deren Einschätzung lehnte sie den Anspruch auf Leistungen der
Invalidenversicherung mangels dauerhafter Einschränkung der Leistungsfähigkeit
mit Verfügung vom 17. Juni 2014 ab.

B. 
Die dagegen erhobene Beschwerde wies das Sozialversicherungsgericht des Kantons
Zürich mit Entscheid vom 11. August 2015 ab. Es berücksichtigte dabei auch das
im vorinstanzlichen Verfahren eingereichte Privatgutachten des Dr. med.
J.________, Medizinische Abklärungsstelle MEDAS, vom 24. Februar 2015.

C. 
A.________ lässt Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten führen
mit dem Antrag auf Aufhebung des angefochtenen Entscheides und Rückweisung der
Sache an die Vorinstanz, eventualiter an die IV-Stelle, zu weiteren
Abklärungen.

Die IV-Stelle schliesst auf Abweisung der Beschwerde. Das Bundesamt für
Sozialversicherungen hat sich nicht vernehmen lassen.
Erwägungen:

1. 
Die Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten kann wegen
Rechtsverletzungen gemäss den Art. 95 f. BGG erhoben werden. Das Bundesgericht
legt seinem Urteil den Sachverhalt zugrunde, den die Vorinstanz festgestellt
hat (Art. 105 Abs. 1 BGG), und kann deren Sachverhaltsfeststellung nur
berichtigen oder ergänzen, wenn sie offensichtlich unrichtig ist oder auf einer
Rechtsverletzung im Sinne von Art. 95 BGG beruht und die Behebung des Mangels
für den Ausgang des Verfahrens entscheidend sein kann (Art. 97 Abs. 1 und Art.
105 Abs. 2 BGG). Es wendet das Recht von Amtes wegen an (Art. 106 Abs. 1 BGG)
und ist folglich weder an die in der Beschwerde geltend gemachten Argumente
noch an die Erwägungen der Vorinstanz gebunden (BGE 134 I 65 E. 1.3 S. 67 f.,
134 V 250 E. 1.2 S. 252, je mit Hinweisen). Unter Berücksichtigung der
Begründungspflicht (Art. 42 Abs. 1 und 2 BGG) prüft es indessen nur die geltend
gemachten Rügen, sofern die rechtlichen Mängel nicht geradezu offensichtlich
sind, und ist jedenfalls nicht gehalten, wie eine erstinstanzliche Behörde alle
sich stellenden rechtlichen Fragen zu untersuchen, wenn diese vor Bundesgericht
nicht mehr aufgegriffen werden (BGE 134 I 313 E. 2 S. 315, 65 E. 1.3 S. 67 f.,
je mit Hinweisen).

2. 
Die bundesgerichtliche Überprüfung der vorinstanzlichen Beweiswürdigung hat
sich darauf zu beschränken, ob mit Blick auf die vorgebrachten Rügen die
Sachverhaltsfeststellung im angefochtenen Entscheid offensichtlich unrichtig
ist oder eine Rechtsverletzung, namentlich hinsichtlich der Regeln über den
Beweiswert von ärztlichen Berichten, vorliegt (vgl. E. 1). Zu beachten ist hier
der Grundsatz, dass das Gericht Gutachten externer Spezialärzte, welche von
Versicherungsträgern im Verfahren nach Art. 44 ATSG eingeholt wurden und den
Anforderungen der Rechtsprechung entsprechen, vollen Beweiswert zuerkennen
darf, solange nicht konkrete Indizien gegen die Zuverlässigkeit der Expertise
sprechen (BGE 137 V 210 E. 1.3.4 S. 227; 135 V 465 E. 4.4 S. 470; 125 V 351 E.
3b/bb S. 353).

3. 
Die Feststellung des Gesundheitsschadens, das heisst die Befunderhebung, die
gestützt darauf angegebene Diagnose, die ärztlichen Auskünfte zu dem noch
vorhandenen Leistungsvermögen oder (bei psychischen Gesundheitsschäden) zur
Verfügbarkeit von Ressourcen der versicherten Person sowie die aufgrund der
medizinischen Untersuchungen gerichtlich festgestellte Arbeits (un) fähigkeit
betreffen Tatfragen (BGE 132 V 393 E. 3.2 S. 398), die das Bundesgericht nur
auf offensichtliche Unrichtigkeit und Rechtsfehlerhaftigkeit hin zu überprüfen
befugt ist (Art. 105 Abs. 2 BGG). Soweit hingegen die Beurteilung der
Zumutbarkeit von Arbeitsleistungen auf die allgemeine Lebenserfahrung gestützt
wird, geht es um eine Rechtsfrage (BGE a.a.O.). Die konkrete wie die
antizipierte Beweiswürdigung betreffen Tatfragen (BGE 132 V 393 E. 3.3 S. 399).
Das kantonale Gericht verletzt etwa dann Bundesrecht, wenn es aus den
abgenommenen Beweisen unhaltbare Schlüsse gezogen hat (BGE 129 I 8 E. 2.1 S.
9). Ein Verzicht des kantonalen Gerichts auf weitere Beweisvorkehren hält vor
Bundesrecht unter anderem dann nicht stand, wenn seine Sachverhaltsfeststellung
unauflösbare Widersprüche enthält oder wenn es eine entscheidwesentliche
Tatsache auf unvollständiger Beweisgrundlage - beispielsweise ohne Beizug des
notwendigen Fachwissens unabhängiger Experten - beantwortet hat (Urteile 8C_975
/2012 vom 1. Juli 2013 E. 1.2; 8C_391/2009 vom 21. Oktober 2009 E. 1; 9C_410/
2008 vom 8. September 2008 E. 3.3.1).

4. 
Das kantonale Gericht hat die für den Rentenanspruch massgeblichen Bestimmungen
und Grundsätze zutreffend dargelegt. Es wird darauf verwiesen.

5. 
Die Vorinstanz hat die medizinischen Akten eingehend dargelegt. Nach ihren
Feststellungen erfüllt das Gutachten der Abklärungsstelle I.________ die
massgeblichen Kriterien der Rechtsprechung und sind insbesondere die
Ausführungen des Dr. med. G.________ zur Schulterproblematik schlüssig und
nachvollziehbar, wonach die Beschwerdeführerin aus rheumatologisch-somatischer
Sicht bei Berücksichtigung der von ihm genannten Schonkriterien (dazu E. 6)
auch ohne Operationen sowohl in der angestammten als auch in jeder anderen
leichten Tätigkeit zu 100 Prozent arbeitsfähig sei. Die geplanten Eingriffe
würden die Bewegungseinschränkung noch verbessern. Auf die Einschätzung des
Gesundheitszustandes und der Arbeitsfähigkeit im Gutachten der Abklärungsstelle
I.________ sei daher abzustellen. Daran vermöchten die von der
Beschwerdeführerin angerufenen anders lautenden ärztlichen Stellungnahmen,
insbesondere auch des Dr. med. J.________, nichts zu ändern.

6. 
Die Beschwerdeführerin beruft sich auf die angeblich widersprüchlichen
Einschätzungen in dem von der IV-Stelle eingeholten Gutachten des Dr. med.
G.________ und im Privatgutachten des Dr. med. J.________ hinsichtlich des
Schulterleidens und der damit verbundenen Arbeitsfähigkeit. Übereinstimmend
stellten die Gutachter die Diagnose einer Frozen Shoulder beidseitig und
beschrieben die Arbeitsfähigkeit vorab dadurch als eingeschränkt. Zwischen den
Untersuchungen durch die Gutachter war an der rechten Schulter bereits eine
Operation erfolgt am 1. Juli 2014, der Eingriff an der linken Schulter war
geplant für den 13. März 2015. Als unzumutbar erachtete Dr. med. G.________
repetitive Arbeiten über der Horizontalen beziehungsweise über Kopf,
regelmässige oder repetitive Gewichtsbelastungen über zehn Kilogramm sowie die
Exposition in kaltfeuchtem Milieu. Unter Berücksichtigung dieser Schonkriterien
sei die Beschwerdeführerin in der angestammten, aber auch bei jeder anderen
leichten Tätigkeit vollzeitlich arbeitsfähig. Dr. med. J.________ erachtete
eine leidensangepasste Tätigkeit ohne Anheben der Arme über die Horizontale und
ohne grosse Gewichtsbelastung der Arme (bis maximal fünf bis sieben Kilogramm)
als zumutbar und er schätzte die Arbeitsfähigkeit aktuell auf 50 Prozent, wobei
die Schulterbeweglichkeit rechts (nach der Operation) noch immer eingeschränkt
und eine erneute Einschätzung nach dem Eingriff an der linken Schulter
angezeigt sei. Dr. med. J.________ gab insbesondere zu bedenken, dass Dr. med.
G.________ eine massiv eingeschränkte Schulterbeweglichkeit (bei der Abduktion,
Flexion sowie Aussen- und Innenrotation) beschreibe und eine operative
Sanierung empfehle, der Beschwerdeführerin aber trotzdem eine zeitlich
uneingeschränkte Arbeitsfähigkeit bescheinige.

7. 
Nach der Anmeldung bei der Invalidenversicherung verlor die Beschwerdeführerin
ihre vormalige Arbeitsstelle wegen Pensionierung und Geschäftsaufgabe ihres
Arbeitgebers. Bis zum Erlass der Verfügung vom 17. Juni 2014, welcher Zeitpunkt
für die richterliche Überprüfungsbefugnis massgeblich ist (BGE 132 V 215 E.
3.1.1 S. 220; 129 V 167 E. 1 S. 169), war der Beschwerdeführerin in einer
leidensangepassten Tätigkeit nach Einschätzung des Dr. med. G.________ im
Gutachten vom 29. April 2014 eine 100-prozentige Arbeitsfähigkeit zuzumuten.
Dies stimmt überein mit den Ergebnissen des Arbeitsassessments im Spital
E.________ im September 2012; gemäss den abklärenden Ärzten und des Ergo-/
Physiotherapeuten war eine mittelschwere wechselbelastende Arbeit ganztags (mit
einer Belastungsreduktion bei Arbeiten über Schulterhöhe) möglich. Ihre
Einschätzung war auch für den Privatgutachter ausdrücklich nachvollziehbar. Es
besteht unter den Gutachtern also insoweit Einigkeit, bis der Hausarzt Dr. med.
F.________ im Juli 2013 eine Frozen Shoulder beidseits diagnostizierte. Der
weitere Verlauf der Arbeitsfähigkeit liess sich nach der Stellungnahme des Dr.
med. J.________ nicht zuverlässig einschätzen; er konnte das Ausmass der
Arbeitsunfähigkeit aufgrund der Akten nicht rekonsturieren. Damit lassen sich
keine hinreichenden Indizien begründen, welche gegen die Schlüssigkeit des von
der IV-Stelle eingeholten Gutachtens sprechen und die gestützt darauf
ergangenen Feststellungen des kantonalen Gerichts als offensichtlich unrichtig
erscheinen liessen. Soweit die Einschätzungen des Dr. med. J.________ von
diesen Feststellungen abweichen, beziehen sie sich nicht auf den massgeblichen
Überprüfungszeitpunkt.

Zusammengefasst ist daher im Ergebnis mit der Vorinstanz auf das von der
IV-Stelle eingeholte Gutachten abzustellen und bis zum Verfügungserlass vom 17.
Juni 2014 von einer vollen Arbeitsfähigkeit in einer leidensangepassten
Tätigkeit auszugehen. Den gestützt darauf vorgenommenen Einkommensvergleich
stellt die Beschwerdeführerin nicht in Frage, weshalb die Beschwerde abzuweisen
ist.

8. 
Das Verfahren ist kostenpflichtig (Art. 65 BGG). Die Gerichtskosten werden der
unterliegenden Beschwerdeführerin auferlegt (Art. 66 Abs. 1 BGG).
 Demnach erkennt das Bundesgericht:

1. 
Die Beschwerde wird abgewiesen.

2. 
Die Gerichtskosten von Fr. 800.- werden der Beschwerdeführerin auferlegt.

3. 
Dieses Urteil wird den Parteien, dem Sozialversicherungsgericht des Kantons
Zürich und dem Bundesamt für Sozialversicherungen schriftlich mitgeteilt.

Luzern, 21. Januar 2016

Im Namen der I. sozialrechtlichen Abteilung
des Schweizerischen Bundesgerichts

Der Präsident: Maillard

Die Gerichtsschreiberin: Durizzo

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