Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

I. Sozialrechtliche Abteilung, Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten 8C.707/2015
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Bundesgericht
Tribunal fédéral
Tribunale federale
Tribunal federal

[8frIR2ALAGK1]     
{T 0/2}
                   
8C_707/2015

Urteil vom 9. Februar 2016

I. sozialrechtliche Abteilung

Besetzung
Bundesrichter Maillard, Präsident,
Bundesrichter Ursprung, Frésard,
Gerichtsschreiberin Riedi Hunold.

Verfahrensbeteiligte
1. A.A.________
2. B.A.________
3. C.A.________
alle drei vertreten durch Rechtsanwalt Oliver Lücke,
Beschwerdeführer,

gegen

Einwohnergemeinde U.________
Beschwerdegegnerin.

Gegenstand
Sozialhilfe,

Beschwerde gegen den Entscheid des Verwaltungsgerichts des Kantons Bern,
Sozialversicherungsrechtliche Abteilung, vom 27. August 2015.

Sachverhalt:

A. 
Die Gebrüder A.A.________, B.A.________ und C.A.________ beziehen seit Jahren
Sozialhilfeleistungen ihrer Einwohnergemeinde (nachfolgend: Gemeinde). Nachdem
ihnen die IV-Stelle des Kantons Bern mit Verfügungen vom 9. Januar bzw. 7.
April 2014 Hilflosenentschädigungen zugesprochen hatte, berechnete die Gemeinde
ihre Leistungen unter Einbezug der Hilflosenentschädigungen neu und entzog in
ihrer Verfügung vom 3. bzw. 16. April 2014 einer allfälligen Beschwerde die
aufschiebende Wirkung.
A.A.________, B.A.________ und C.A.________ liessen dagegen Beschwerde beim
Regierungsstatthalteramt Bern-Mittelland einreichen und die aufschiebende
Wirkung ihrer Beschwerde beantragen. Das Regierungsstatthalteramt hiess die
Beschwerden bezüglich des Entzugs der aufschiebenden Wirkung mit
Zwischenentscheiden vom 23. Mai 2014 gut und forderte den Rechtsvertreter von
A.A.________, B.A.________ und C.A.________ auf, für diesen Teil des Verfahrens
eine Honorarnote einzureichen. Dieser machte pro Beschwerdeführer einen Aufwand
von Fr. 1'982.88 (inkl. MWSt und Auslagen) geltend. Das
Regierungsstatthalteramt sprach am 14. Juli 2014 eine Parteientschädigung von
je Fr. 200.- zuzüglich Auslagen und MWSt, insgesamt je Fr. 227.90, zu. Am 28.
Oktober 2014 wies das Verwaltungsgericht des Kantons Bern die gegen die
Entscheide vom 14. Juli 2014 erhobenen Beschwerden und die Gesuche um
unentgeltliche Rechtspflege ab. Das Bundesgericht trat auf die dagegen erhobene
Beschwerde mit Urteil 8C_855/2014 vom 25. Februar 2015 nicht ein.
Das Regierungsstatthalteramt hatte inzwischen am 19. September 2014 die drei
Verfahren vereinigt und mit Entscheid vom 24. September 2014 die Beschwerden
abgewiesen; das amtliche Honorar des Rechtsanwalts setzte es auf Fr. 879.10 je
Beschwerdeführer fest.

B. 
Die gegen den Entscheid vom 24. September 2014 erhobene Beschwerde wies das
Verwaltungsgericht am 27. August 2015 ab, soweit es darauf eintrat, verzichtete
auf die Erhebung von Verfahrenskosten sowie auf die Zusprechung einer
Parteientschädigung. Hingegen gewährte es die unentgeltliche Rechtspflege und
sprach dem Rechtsanwalt zu Lasten der Gerichtskasse eine Entschädigung von Fr.
2'228.05 (inkl. Auslagen und MWSt) zu.

C. 
A.A.________, B.A.________ und C.A.________ lassen Beschwerde in
öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten führen mit dem sinngemässen Antrag, es
sei der vorinstanzliche Entscheid aufzuheben und ihnen die
Hilflosenentschädigungen im Rahmen der Sozialhilfe nicht anzurechnen. Zudem sei
ihnen für die vorinstanzlichen Verfahren eine Parteientschädigung von Fr.
2'768.05 resp. von Fr. 1'365.80 und für jene vor dem Regierungsstatthalteramt
eine solche von Fr. 7'999.86 resp. von Fr. 1'331.64 zu Lasten der Gemeinde
zuzusprechen. Eventualiter sei die Sache in den jeweiligen Punkten an die
Vorinstanz zurückzuweisen. Schliesslich stellen sie für das Verfahren vor
Bundesgericht das Gesuch um unentgeltliche Rechtspflege.

Erwägungen:

1.

1.1. Die Beschwerde kann wegen Rechtsverletzung gemäss Art. 95 und Art. 96 BGG
erhoben werden. Das Bundesgericht wendet das Recht von Amtes wegen an (Art. 106
Abs. 1 BGG). Es ist somit weder an die in der Beschwerde geltend gemachten
Argumente noch an die Erwägungen der Vorinstanz gebunden; es kann eine
Beschwerde aus einem anderen als dem angerufenen Grund gutheissen und es kann
sie mit einer von der Argumentation der Vorinstanz abweichenden Begründung
abweisen (vgl. BGE 130 III 136 E. 1.4 S. 140). Gemäss Art. 42 Abs. 1 BGG ist
die Beschwerde hinreichend zu begründen, andernfalls wird darauf nicht
eingetreten (Art. 108 Abs. 1 lit. b BGG). Das Bundesgericht prüft grundsätzlich
nur die geltend gemachten Rügen; es ist nicht gehalten, wie eine
erstinstanzliche Behörde alle sich stellenden rechtlichen Fragen zu prüfen,
wenn diese vor Bundesgericht nicht mehr vorgetragen wurden. Es kann die
Verletzung von Grundrechten und von kantonalem und interkantonalem Recht nur
insofern prüfen, als eine solche Rüge in der Beschwerde vorgebracht und
begründet worden ist (Art. 106 Abs. 2 BGG).

1.2. Nach Art. 105 BGG legt das Bundesgericht seinem Urteil den Sachverhalt
zugrunde, den die Vorinstanz festgestellt hat (Abs. 1). Es kann diese
Sachverhaltsfeststellung von Amtes wegen berichtigen oder ergänzen, wenn sie
offensichtlich unrichtig ist oder auf einer Rechtsverletzung im Sinne von Art.
95 BGG beruht (Abs. 2). Die Voraussetzungen für eine Sachverhaltsrüge nach Art.
97 Abs. 1 BGG und für eine Berichtigung des Sachverhalts von Amtes wegen nach
Art. 105 Abs. 2 BGG stimmen im Wesentlichen überein. Soweit es um die Frage
geht, ob der Sachverhalt willkürlich oder unter verfassungswidriger Verletzung
einer kantonalen Verfahrensregel ermittelt worden ist, sind strenge
Anforderungen an die Begründungspflicht der Beschwerde gerechtfertigt.
Entsprechende Beanstandungen sind vergleichbar mit den in Art. 106 Abs. 2 BGG
genannten Rügen. Demzufolge genügt es nicht, einen von den tatsächlichen
Feststellungen der Vorinstanz abweichenden Sachverhalt zu behaupten. Vielmehr
ist in der Beschwerdeschrift nach den erwähnten gesetzlichen Erfordernissen
darzulegen, inwiefern diese Feststellungen willkürlich bzw. unter Verletzung
einer verfahrensrechtlichen Verfassungsvorschrift zustande gekommen sind.
Andernfalls können Vorbringen mit Bezug auf einen Sachverhalt, der von den
Feststellungen im angefochtenen Entscheid abweicht, nicht berücksichtigt
werden. Vorbehalten bleiben offensichtliche Sachverhaltsmängel im Sinne von
Art. 105 Abs. 2 BGG, die dem Richter geradezu in die Augen springen (BGE 133 IV
286 E. 6.2 S. 288; 133 II 249 E. 1.4.3 S. 255).

2. 
Streitig sind die Anrechnung der Hilflosenentschädigungen als Einkommen im
Rahmen der Sozialhilfe sowie Parteientschädigungen in den Verfahren vor
Vorinstanz und Regierungsstatthalteramt.

3.

3.1. Die Beschwerdeführer rügen eine offensichtlich unrichtige Feststellung des
Sachverhalts durch die Vorinstanz. Diese habe festgehalten, es gehe um eine
Rückforderung von Sozialhilfeleistungen infolge Bevorschussung. Dieser Einwand
geht fehl. Die Vorinstanz hat einzig die Frage der Anrechnung der
zugesprochenen Hilflosenentschädigungen als Einkommen im Sozialhilfebudget
beantwortet. Diese gilt es zu prüfen.

3.2. Die Vorinstanz hat unter Hinweis auf das Urteil 8C_731/2009 vom 25.
Februar 2010 festgestellt, dass Hilflosenentschädigungen bei der Sozialhilfe
gestützt auf den Grundsatz der Subsidiarität - anders etwa als bei der
Ermittlung des Anspruchs auf Ergänzungsleistungen - zum anrechenbaren Einkommen
zählen und dass Sozialhilfeleistungen zurückgefordert werden können, sofern für
den kongruenten Zeitraum nachträglich Leistungen seitens eines
Sozialversicherers erbracht werden. Dem Einwand der Zweckgebundenheit der
Hilflosenentschädigung und damit der fehlenden Notwendigkeit des Nachweises von
behinderungsbedingten Ausgaben hielt die Vorinstanz entgegen, dass es sich
dabei um eine invalidenversicherungsrechtlich relevante Aussage handle, im
Sozialhilferecht jedoch behinderungsbedingte Mehrkosten nur soweit
berücksichtigt würden, als sie auch tatsächlich anfielen und ausgewiesen seien.
Dies treffe auf die Beschwerdeführer jedoch nicht zu. Zur geltend gemachten
Unpfändbarkeit von Hilflosenentschädigung führte die Vorinstanz aus, der von
den Beschwerdeführern zitierte Entscheid beziehe sich nicht auf
Hilflosenentschädigungen, sondern auf persönliche Effekten und Hausrat wie
Kleider, Berufswerkzeuge und andere Kompetenzgegenstände. Abschliessend
erklärte das kantonale Gericht die Beschwerden als unbegründet und wies sie ab.
Was die Beschwerdeführer dagegen vorbringen, vermag zu keinem anderen Ergebnis
zu führen: Vorliegend ist der Schutzbereich von Art. 12 BV, welcher lediglich
ein Minimum zur Deckung der grundlegendsten Bedürfnisse gewährt, angesichts der
weit über diesem Minimum liegenden ausgerichteten Leistungen der Gemeinde nicht
tangiert (vgl. dazu statt vieler BGE 138 V 310 E. 2.1 S. 313). Dass die
Gemeinde nicht explizit Hilflosenentschädigungen bevorschusst, sondern "bloss"
den Lebensbedarf der Beschwerdeführer für den Zeitraum, für welchen
nachträglich Hilflosenentschädigungen zugesprochen wurden, gedeckt hat, ändert
nichts daran, dass diese Hilflosenentschädigungen gestützt auf das kantonale
Sozialhilferecht als Einkommen angerechnet werden dürfen und müssen; denn sie
werden für denselben Zeitraum gewährt, für welchen die Gemeinde zuvor
Sozialhilfeleistungen erbracht hatte. Mangels ausgewiesener
behinderungsbedingter Mehrkosten ist die Anrechnung der Hilflosenentschädigung
nicht zu beanstanden und schon gar nicht willkürlich (E. 1.2). Die Rügen am
vorinstanzlichen Entscheid erschöpfen sich in appellatorischer Kritik, auf
welche mit Blick auf die Überprüfungsbefugnis des Bundesgerichts nicht
einzugehen ist (BGE 134 II 244 E. 2.2 S. 246).

4.

4.1. Soweit die Beschwerdeführer die Parteientschädigung von Fr. 200.-
zuzüglich MWSt und Auslagen, mithin je Fr. 227.90, gemäss Zwischenentscheid des
Regierungsstatthalteramtes vom 14. Juli 2014 rügen, ist diese nicht zu
beanstanden. Beim strittigen Zwischen- und damit nicht instanzabschliessenden
Entscheid haben sie lediglich im Umfang der Wiederherstellung der
aufschiebenden Wirkung obsiegt. Dieser Nebenpunkt bedurfte keiner einlässlichen
Abklärungen und grossen Ausführungen. Zudem waren die drei Fälle inhaltlich
identisch, so dass der ermessensweise festgesetzte Aufwand für die jeweils eine
Seite umfassenden Ausführungen weder in der Begründung noch im Ergebnis als
willkürlich (Art. 9 BV; BGE 140 III 167 E. 2.1 S. 168) bezeichnet werden kann.
Daran vermag auch der Einwand, bis zur formellen Vereinigung der drei Verfahren
sei die Zustellung an jeden Beschwerdeführer einzeln erfolgt, nichts zu ändern;
den drei Verfahren lagen dieselben Rechtsfragen zu Grunde. Deshalb kann die
Frage, ob die vor Bundesgericht erstmals aufgelegten Bestätigungen gemäss Art.
99 BGG zulässig sind, offen bleiben.

4.2. Da Regierungsstatthalteramt und Vorinstanz zu Recht die Berücksichtigung
der Hilflosenentschädigung im Sozialhilfebudget bestätigt haben (E. 3.2), haben
sie ebenfalls zu Recht den Beschwerdeführern diesbezüglich keine
Parteientschädigungen zugesprochen. Damit ist ihren Begehren vor Bundesgericht
auf Ausrichtung einer Parteientschädigung für die Verfahren vor
Regierungsstatthalteramt und kantonalem Gericht die Grundlage entzogen.

5. 
Weil die Beschwerde offensichtlich unbegründet ist, wird sie im Verfahren nach
Art. 109 BGG, d.h. ohne Durchführung eines Schriftenwechsels und mit
summarischer Begründung, erledigt.

6. 
Da die Beschwerde als aussichtslos zu bezeichnen ist, ist das Gesuch um
unentgeltliche Rechtspflege abzuweisen (Art. 64 Abs. 1 BGG).
Das Verfahren ist kostenpflichtig. Die unterliegenden Beschwerdeführer haben
die Gerichtskosten zu tragen (Art. 66 Abs. 1 BGG).

 Demnach erkennt das Bundesgericht:

1. 
Die Beschwerde wird abgewiesen.

2. 
Das Gesuch um unentgeltliche Rechtspflege wird abgewiesen.

3. 
Die Gerichtskosten von Fr. 500.- werden den Beschwerdeführern auferlegt.

4. 
Dieses Urteil wird den Parteien, dem Verwaltungsgericht des Kantons Bern,
Sozialversicherungsrechtliche Abteilung, und dem Regierungsstatthalteramt
Bern-Mittelland schriftlich mitgeteilt.

Luzern, 9. Februar 2016

Im Namen der I. sozialrechtlichen Abteilung
des Schweizerischen Bundesgerichts

Der Präsident: Maillard

Die Gerichtsschreiberin: Riedi Hunold

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