Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

I. Sozialrechtliche Abteilung, Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten 8C.697/2015
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Bundesgericht
Tribunal fédéral
Tribunale federale
Tribunal federal

[8frIR2ALAGK1]     
{T 0/2}
                   
8C_697/2015

Urteil vom 22. Dezember 2015

I. sozialrechtliche Abteilung

Besetzung
Bundesrichterin Leuzinger, Präsidentin,
Bundesrichter Ursprung, Frésard,
Gerichtsschreiber Grünvogel.

Verfahrensbeteiligte
 A.________,
vertreten durch Advokat André M. Brunner,
Beschwerdeführer,

gegen

IV-Stelle des Kantons Aargau,
Bahnhofplatz 3C, 5000 Aarau,
Beschwerdegegnerin.

Gegenstand
Invalidenversicherung (Verwaltungsverfahren; unentgeltlicher Rechtsbeistand),

Beschwerde gegen den Entscheid des Versicherungsgerichts des Kantons Aargau vom
13. August 2015.

Sachverhalt:

A. 
Der 1968 geborene A.________ ersuchte am 9. März 2014 die IV-Stelle des Kantons
Aargau um Gewährung der unentgeltlichen Verbeiständung im laufenden
Abklärungsverfahren. Dies nachdem er bereits am 2. Februar 2014 ein solches
eingereicht hatte, das mit Verfügung vom 7. Februar 2014 abgelehnt worden war.
Die Ablehnung dieses ersten Gesuchs bestätigte das Versicherungsgericht des
Kantons Aargau rechtskräftig mit Entscheid vom 29. Oktober 2014, worauf die
IV-Stelle auch das zweite Gesuch mit Verfügung vom 28. November 2014 abwies.

B. 
Dagegen liess A.________ beim kantonalen Versicherungsgericht Beschwerde
erheben. Mit Entscheid vom 13. August 2015 wies das Gericht auch diese
Beschwerde ab.

C. 
A.________ lässt Beschwerde in öffentlich rechtlichen Angelegenheiten führen
und beantragen, in Aufhebung des vorinstanzlichen Entscheids und der Verfügung
vom 28. November 2014 sei ihm für die Zeit ab dem 20. Februar 2014 für das
verwaltungsinterne Verfahren die unentgeltliche Verbeiständung zu gewähren.
Eventualiter wird um Rückweisung der Angelegenheit an die Verwaltung zum Erlass
einer neuen Verfügung, subeventuell um Gewährung der unentgeltlichen
Prozessführung vor Vorinstanz, ersucht. Ferner verlangt er die unentgeltliche
Rechtspflege auch für das Verfahren vor Bundesgericht.

Erwägungen:

1. 
Die Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten kann wegen
Rechtsverletzung gemäss Art. 95 und Art. 96 BGG erhoben werden. Das
Bundesgericht wendet das Recht von Amtes wegen an (Art. 106 Abs. 1 BGG). Das
Bundesgericht prüft indessen, unter Berücksichtigung der allgemeinen Rüge- und
Begründungspflicht (Art. 42 Abs. 1 und 2 BGG), nur die geltend gemachten
Vorbringen, falls allfällige weitere rechtliche Mängel nicht geradezu
offensichtlich sind (BGE 138 I 274 E. 1.6 S. 280; vgl. auch BGE 140 V 136 E.
1.1 S. 138).

2. 
Das Bundesgericht kann die Sachverhaltsfeststellung der Vorinstanz nur
berichtigen oder ergänzen, wenn sie offensichtlich unrichtig ist oder auf einer
Rechtsverletzung im Sinne von Art. 95 BGG beruht (Art. 105 Abs. 2 BGG).
Überdies muss die Behebung des Mangels für den Ausgang des Verfahrens
entscheidend sein (Art. 97 Abs. 1 BGG).

3. 
Die Vorinstanz legte im angefochtenen Entscheid die Voraussetzungen dar, unter
denen im sozialversicherungsrechtlichen Verwaltungsverfahren ausnahmsweise eine
unentgeltliche Verbeiständung nach Art. 37 Abs. 4 ATSG geboten sein kann.
Danach müssen sich schwierige rechtliche oder tatsächliche Fragen stellen und
eine Interessenwahrung durch Dritte (Verbandsvertreter, Fürsorgestellen oder
andere Fach- und Vertrauensleute sozialer Institutionen) ausser Betracht fallen
(BGE 132 V 200 E. 4.1 f. S. 201). Diese hohen Anforderungen rechtfertigen sich
namentlich mit Blick darauf, dass der Untersuchungsgrundsatz gilt, die
Versicherungsträger und Durchführungsorgane der einzelnen Sozialversicherungen
also den rechtserheblichen Sachverhalt unter Mitwirkung der Parteien nach den
rechtsstaatlichen Grundsätzen der Objektivität, Neutralität und
Gesetzesgebundenheit (BGE 136 V 376) zu ermitteln haben (Art. 43 ATSG). Zu
berücksichtigen sind die Umstände des Einzelfalles, die Eigenheiten der
anwendbaren Verfahrensvorschriften sowie die Besonderheiten des jeweiligen
Verfahrens (Urteil 8C_557/2014 vom 18. November 2014 E. 4.2 mit Hinweis).
Allein aus der Stärkung der Parteirechte gemäss BGE 137 V 210 kann nicht auf
einen generellen Anspruch auf unentgeltliche Verbeiständung geschlossen werden
(Urteil 8C_572/2014 vom 28. Januar 2015 E. 5.1). Neben der Komplexität der
Rechtsfragen und der Unübersichtlichkeit des Sachverhalts fallen auch in der
Person des Betroffenen liegende Gründe in Betracht, wie etwa seine Fähigkeit,
sich im Verfahren zurechtzufinden (Ivo SCHWANDER, Anmerkung zu BGE 122 I 8, in:
AJP 1996 S. 495; Urteil 8C_557/2014 vom 18. November 2014 E. 4.2 mit Hinweis).

4. 
Den beiden Gesuchen um unentgeltliche Rechtspflege vorangegangen ist nach
unbestrittener vorinstanzlicher Feststellung der Rückweisungsentscheid des
Versicherungsgerichts vom 18. April 2013, worin die Verwaltung in Aufhebung der
Rentenverfügung (2) vom 21. August 2012 angewiesen wurde, zumindest eine
Stellungnahme des Regionalen Ärztlichen Dienstes (RAD) zum vom
Unfallversicherer veranlassten Bericht der Academy of Swiss Insurance Medicine
(asim) vom 15. Februar 2012 einzuholen und hernach eine begründete Verfügung zu
erlassen. Diese Stellungnahme erfolgte am 19. Februar 2014, wenige Tage nachdem
der Beschwerdeführer am 2. Februar 2014 erstmals um unentgeltliche Rechtspflege
ersucht hatte. Der RAD empfahl eine polydisziplinäre Begutachtung und
formulierte einen Fragenkatalog, worauf die IV-Stelle den Versicherten am 20.
Februar 2014 über die geplante Begutachtung informierte und ihm zugleich den
Fragenkatalog zur Stellungnahme und zur Einreichung von Ergänzungsfagen innert
gesetzter Frist zustellte. Der Beschwerdeführer reichte mit Schreiben vom 9.
März 2014 ein Gutachten von Dr. med. B.________ vom 25. Februar 2014 zu Handen
des Unfallversicherers über den Zustand der Schulter ein. Am 9. März 2014
reichte der Beschwerdeführer das zweite, nunmehr vor Bundesgericht
thematisierte Gesuch um unentgeltliche Rechtspflege ein. Gleichzeitig ersuchte
er um Verzicht auf die anberaumte Begutachtung.

4.1. Das kantonale Gericht erwog bezugnehmend auf die Parteivorbringen und
unter Hinweis auf die seit der Anmeldung zum Leistungsbezug vom 19. April 2004
vergangene Zeit, zwar daure das Verfahren schon ziemlich lange, allein daraus
könne indessen genau so wenig auf eine aussergewöhnliche Komplexität des Falles
geschlossen werden wie aus der Tatsache, dass eine durch die IV-Stelle (auf
eigene Initiative hin) in Auftrag gegebene polydisziplinäre Begutachtung
anstehe; zwar seien der Gesundheitszustand des Beschwerdeführers und der daraus
abzuleitende Grad der Arbeitsunfähigkeit nicht vollends geklärt; schwierige
rechtliche oder tatsächliche Frage stellten sich jedoch im jetzigen
Verfahrensstadium nicht, zumal das neue Gutachten augenscheinlich insbesondere
eine Auseinandersetzung mit den bereits in den Akten liegenden medizinischen
Unterlagen zum Gegenstand habe, wozu auch das gegeneinander Abwägen der sich im
Bereich der Arbeitsfähigkeitsbeurteilung widersprechenden Berichte der
Gutachterstelle C.________ vom 6. Januar 2010 und der asim vom 10. Juni 2011
und 15. Februar 2012 zu zählen sei.

4.2. Was der Beschwerdeführer dagegen vorbringt, dringt nicht durch.
Insbesondere ist nicht einzusehen, was sich seit der ersten Gesuchseinreichung
Wesentliches geändert haben soll, sodass nunmehr eine amtliche Verbeiständung
geboten sein sollte.

4.2.1. Zwar wird nunmehr eine polydisziplinäre Begutachtung durchgeführt. Dies
indessen nicht auf Anordnung des Gerichts, sondern aus eigenem Antrieb bzw. auf
Empfehlung des RAD-Arztes hin. Insoweit unterscheidet sich die Angelegenheit
nicht wesentlich von jenen Fällen, in denen die Verwaltung sonst vor Erlass der
Verfügung ein nach BGE 137 V 210 durchzuführendes polydisziplinäres Gutachten
anordnet, ohne dass deswegen ein Anspruch auf unentgeltliche Rechtspflege
entstünde (E. 3 in fine hiervor). Von einer besonderen Bedeutsamkeit der
Beachtung der Verfahrensgarantien, wie sie das Bundesgericht in Fällen mit
nicht zufallsbasierter Zuweisung zu einer Gutachterstelle (möglich bei mono-
oder bidisziplinären Begutachtungen; BGE 139 V 349) schon für erfüllt
betrachtete, kann vorliegend übrigens nicht die Rede sein (dazu siehe etwa die
Urteile 8C_572/2014 vom 28. Januar 2015 E. 5.2.3.1 und 8C_557/2014 vom 18.
November 2014 E. 5.2.1).

4.2.2. Sodann wird das neue Gutachten nach vorinstanzlicher, durch den
Beschwerdeführer nicht näher bestrittener und damit für das Bundesgericht
verbindlicher Feststellung (E. 2 hievor) im besonderen Masse eine Würdigung der
bereits in den Akten liegenden medizinischen Berichte zum Gegenstand haben; es
unterscheidet sich insoweit von der Ausgangslage her nicht wesentlich von
jener, wie sie sich unmittelbar nach dem Rückweisungsentscheid vom 18. April
2013 und damit auch vor der ersten Gesuchseinreichung vom 2. Februar 2014
präsentiert hatte. Von einem besonders unübersichtlichen Sachverhalt kann
dergestalt in Übereinstimmung mit der Vorinstanz nicht die Rede sein. Ebenso
wenig finden sich im Rückweisungsentscheid besondere Vorgaben tatsächlicher
oder rechtlicher Natur, welche im weiteren Verfahrensverlauf zu beachten wären
und damit das Verfahren zusätzlich erschweren würden (dazu siehe etwa Urteil
8C_572/2014 vom 28. Januar 2015, worin eine Rückweisung wegen ungenügender
Abklärung des Sachverhaltes nicht nur zur umfassenden Neubeurteilung des
Gesundheitszustandes mittels Gutachtens, sondern auch zur Neuüberprüfung des
Einkommensvergleichs unter allfälliger Parallelisierung der Einkommen
Ausgangslage war, weshalb die Angelegenheit insgesamt als einen Anwalt
erheischend bezeichnet wurde). Schliesslich hat sich der Beschwerdeführer nicht
erstmals einer Begutachtung zu unterziehen, weist insoweit einen gewissen
Erfahrungsschatz auf. Daran vermag der Umstand, dass er gegenüber der nunmehr
angeordneten Begutachtung Vorbehalte zu haben scheint, nichts zu ändern.

4.3. Die Beschwerde erweist sich insgesamt als unbegründet.

5. 
Bei diesem Verfahrensausgang sind die Gerichtskosten vom Beschwerdeführer als
unterliegender Partei zu tragen (Art. 66 Abs. 1 BGG). Die unentgeltliche
Rechtspflege kann ihm wegen Aussichtslosigkeit der Beschwerde nicht gewährt
werden (Art. 64 BGG).

Demnach erkennt das Bundesgericht:

1. 
Die Beschwerde wird abgewiesen.

2. 
Das Gesuch um unentgeltliche Rechtspflege wird abgewiesen.

3. 
Die Gerichtskosten von Fr. 500.- werden dem Beschwerdeführer auferlegt.

4. 
Dieses Urteil wird den Parteien, dem Versicherungsgericht des Kantons Aargau
und dem Bundesamt für Sozialversicherungen schriftlich mitgeteilt.

Luzern, 22. Dezember 2015

Im Namen der I. sozialrechtlichen Abteilung
des Schweizerischen Bundesgerichts

Die Präsidentin: Leuzinger

Der Gerichtsschreiber: Grünvogel

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