Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

I. Sozialrechtliche Abteilung, Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten 8C.692/2015
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Bundesgericht
Tribunal fédéral
Tribunale federale
Tribunal federal

[8frIR2ALAGK1]     
{T 0/2}
                   
8C_692/2015

Urteil vom 20. Juni 2016

I. sozialrechtliche Abteilung

Besetzung
Bundesrichter Maillard, Präsident,
Bundesrichterin Heine, Bundesrichter Wirthlin,
Gerichtsschreiber Grunder.

Verfahrensbeteiligte
 A.________,
vertreten durch Rechtsanwalt Thomas Laube,
Beschwerdeführerin,

gegen

Verwaltungsgericht des Kantons Bern, Sozialversicherungsrechtliche Abteilung,
Speichergasse 12, 3011 Bern,
Beschwerdegegner.

Gegenstand
Invalidenversicherung (vorinstanzliches Verfahren; unentgeltliche
Rechtspflege),

Beschwerde gegen den Entscheid des Verwaltungsgerichts des Kantons Bern vom 14.
September 2015.

Sachverhalt:

A. 
Mit Verfügung vom 1. Juni 2015 hob die IV-Stelle Bern den Rentenanspruch der
A.________ auf, der seit 1. November 2001 im Umfang einer Viertelsrente und
zuletzt ab 1. Dezember im Umfang einer halben Rente bestand.

B. 
Mit der hiegegen eingereichten Beschwerde liess A.________ beantragen, die
bislang ausgerichtete halbe Rente der Invalidenversicherung sei ihr weiterhin
zu gewähren, eventuell sei die Angelegenheit an die IV-Stelle zurückzuweisen,
damit sie die Arbeitsunfähigkeit und den Invaliditätsgrad im strukturierten
Beweisverfahren gemäss BGE 141 V 281 abkläre. Das Verwaltungsgericht des
Kantons Bern wies das gleichzeitig gestellte Gesuch um unentgeltliche
Rechtspflege wegen Aussichtslosigkeit des eingelegten Rechtsmittels ab
(Entscheid vom 14. September 2015).

C. 
A.________ lässt Beschwerde führen und beantragen, in Aufhebung des
vorinstanzlichen Entscheids sei ihr für das kantonale Verfahren die
unentgeltliche Rechtspflege zu gewähren. Ferner ersucht sie um Bewilligung der
unentgeltlichen Rechtspflege für das bundesgerichtliche Verfahren.

Das Bundesgericht führt keinen Schriftenwechsel durch.

Erwägungen:

1. 
Angefochten ist eine Verfügung des kantonalen Gerichts, mit der die
unentgeltliche Rechtspflege verweigert worden ist. Dabei handelt es sich nach
der Rechtsprechung um einen Zwischenentscheid, der einen nicht wieder
gutzumachenden Nachteil bewirken kann (vgl. Art. 93 Abs. 1 lit. a BGG; BGE 129
I 129 E. 1.1 S. 131 mit Hinweis). Von einem nicht wieder gutzumachenden
Nachteil ist auszugehen, wenn nicht nur die unentgeltliche Rechtspflege
verweigert, sondern - wie hier - zugleich auch die Anhandnahme des
Rechtsmittels von der Bezahlung eines Kostenvorschusses durch die
gesuchstellende Partei abhängig gemacht wird (BGE 128 V 199 E. 2b S. 202 mit
Hinweisen). Daher ist auf die Beschwerde einzutreten.

2.

2.1. Als aussichtslos sind nach der Rechtsprechung Prozessbegehren anzusehen,
bei denen die Gewinnnaussichten beträchtlich geringer sind als die
Verlustgefahren und die deshalb kaum als ernsthaft bezeichnet werden können.
Dagegen gilt ein Begehren nicht als aussichtslos, wenn sich Gewinnaussichten
und Verlustgefahren ungefähr die Waage halten oder jene nur wenig geringer sind
als diese. Massgebend ist, ob eine Partei, die über die nötigen finanziellen
Mittel verfügt, sich bei vernünftiger Überlegung zu einem Prozess entschliessen
würde; eine Partei soll einen Prozess, den sie auf eigene Rechnung und Gefahr
nicht führen würde, nicht deshalb anstrengen können, weil er sie nichts kostet.
Wie es sich damit verhält, prüft das Bundesgericht in rechtlicher Hinsicht mit
freier Kognition (BGE 140 V 521 E. 9.1 S. 537 mit Hinweisen). Feststellungen
der kantonalen Instanz, die tatsächlicher Natur sind, überprüft das
Bundesgericht hiegegen nur auf deren offensichtliche Unrichtigkeit oder
Unvollständigkeit (vgl. Art. 97 Abs. 1 in Verbindung mit Abs. 2 BGG) hin (vgl.
BGE 135 III 127 E. 1.5 S. 130 mit Hinweisen). Es ist nicht Aufgabe des
Bundesgerichts, der Vorinstanz vorgreifend Stellung zu nehmen, ob das von der
Beschwerde führenden Person im kantonalen Verfahren eingebrachte Rechtsbegehren
zu schützen sei oder nicht. Mit Blick auf die Prozesschancen ist daher nur zu
prüfen, ob der von ihr eingenommene Standpunkt im Rahmen des sachlich
vertretbaren lag, beziehungsweise von vornherein unbegründet erschien (vgl. BGE
119 III 113 E. 3a S. 115).

2.2. Ob im Einzelfall genügende Erfolgsaussichten bestehen, beurteilt sich nach
den Verhältnissen zur Zeit, in der das Gesuch um unentgeltliche Rechtspflege
gestellt wird, namentlich aufgrund der bis dann vorliegenden Akten. Indizien,
die erst nach Einreichung des Gesuchs bekannt werden, aber darauf hinweisen,
dass das Gesuch seinerzeit begründet (oder unbegründet) war, sind bei dessen
Beurteilung mit zu berücksichtigen (BGE 140 V 521 Regest und E. 9.1 f. S. 537
f. mit Hinweisen).

3.

3.1. Das kantonale Gericht hat erkannt, dass voraussichtlich zur
revisionsweisen Neubeurteilung des Gesundheitszustands und der Arbeitsfähigkeit
auf das in allen Teilen beweiskräftige polydisziplinäre Gutachten der
Ärztliches Begutachtungs-Institut GmbH (ABI), Basel, vom 24. November 2014
abzustellen sein werde. Darin werde einlässlich und mit überzeugender
Begründung dargelegt, dass sich der Gesundheitszustand verbessert habe und die
Versicherte nunmehr wieder vollständig arbeitsfähig gewesen sei. Einzig aus
gastroenterologischer Sicht sei sie weiterhin eingeschränkt, indem ihr nicht
mehr zumutbar sei, schwere Lasten zu heben, was allerdings nach wie vor der
Erzielung eines rentenausschliessenden Erwerbseinkommens nicht entgegen stehe.
Die Versicherte untermaure ihre Einwendungen nicht mit fachmedizinischen
Unterlagen, welche die Schlussfolgerungen der Experten der ABI, wonach sie für
die angestammten Tätigkeiten wie auch für jede andere, körperlich leicht bis
mittelschwer belastende Tätigkeit uneingeschränkt arbeitsfähig sei,
voraussichtlich auch nur in Zweifel ziehen würden. Der Regionale Ärztliche
Dienst (RAD) habe denn auch, nachdem er die Ergebnisse des Gutachtens der ABI
als schlüssig erachtet habe, empfohlen, die im Vorbescheidverfahren geltend
gemachten Vorbringen den Sachverständigen der ABI zu unterbreiten, die keine
medizinisch relevanten Einwände bestätigen konnten (Stellungnahme der ABI vom
4. Februar 2015.

3.2. Was die Beschwerdeführerin geltend macht, dringt nicht durch. Den
Verfügungen vom 10. März 2004 und 4. März 2008, wonach sie ab 1. November 2001
Anspruch auf eine Viertels- und - bei unverändertem Gesundheitszustand - ab 1.
Dezember 2006 auf eine halbe Invalidenrente hatte, lag das Gutachten der ABI
vom 17. Februar 2003 zugrunde. Die medizinischen Sachverständigen hielten -
entgegen der Auffassung der Beschwerdeführerin - klar fest, dass die
psychiatrischen Diagnosen (anhaltende somatoforme Schmerzstörung mit
somatischen und psychischen Faktoren [ICD-10 F45.4]; neurasthenisches Syndrom
mit dysthymer Symptomatik [ICD-10 F48/F43.1]) im Vordergrund standen und im
Wesentlichen die Arbeitsunfähigkeit von 50 % begründeten. Laut Expertise der
ABI vom 24. November 2014 konnte diese frühere psychiatrische Beurteilung nicht
mehr hinreichend bestätigt werden; so konnte neben der somatoformen Störung
keine neurasthenische und dysthyme Symptomatik mehr festgestellt werden, die
sich leistungsmindernd auf die Arbeitsfähigkeit auswirkte; die Explorandin
beanspruchte denn auch seit Jahren keine psychiatrisch-/psychotherapeutische
Behandlung mehr und nahm auch keine Psychopharmaka mehr ein. Unter diesen
Umständen ist eine anspruchsrelevante Verbesserung des Gesundheitszustands
anzunehmen, zumal die Beschwerdeführerin gemäss den das Bundesgericht bindenden
Feststellungen des kantonalen Gerichts ihre Einwendungen nicht mit medizinisch
einschlägigen Unterlagen untermauerte, womit das Gutachten der ABI vom 24.
November 2014 voraussichtlich in Frage zu stellen sein werde. Auch die mit BGE
141 V 281 begründete Rechtsprechungsänderung muss im vorliegenden Fall -
entgegen den Vorbringen in der Beschwerde - nicht zwingend zu Weiterungen
führen. Denn nebst dem schon erwähnten Fehlen jeglicher Behandlungsbemühungen
sticht ins Auge, dass nach dem 23. März 2007 über all die Jahre kein einziger
Arztbericht verfasst worden war, der Zweifel an der gutachterlichen
Einschätzung der Arbeitsfähigkeit begründen könnte. Auch unter diesem
Blickwinkel kann die vorinstanzliche Einschätzung der Erfolgschancen der
kantonalen Beschwerde nicht geradezu als bundesrechtswidrig betrachtet werden.

4. 
Das Gesuch um unentgeltliche Rechtspflege für das bundesgerichtliche Verfahren
ist gestützt auf die Akten mangels ausgewiesener Bedürftigkeit ohne Weiteres
abzuweisen.

5. 
Die Gerichtskosten werden der Beschwerdeführerin als unterliegende Partei
auferlegt (66 Abs. 1 Satz 1 BGG).

Demnach erkennt das Bundesgericht:

1. 
Die Beschwerde wird abgewiesen.

2. 
Die Gerichtskosten von Fr. 800.- werden der Beschwerdeführerin auferlegt.

3. 
Dieses Urteil wird den Parteien, der IV-Stelle Bern und dem Bundesamt für
Sozialversicherungen schriftlich mitgeteilt.

Luzern, 20. Juni 2016

Im Namen der I. sozialrechtlichen Abteilung
des Schweizerischen Bundesgerichts

Der Präsident: Maillard

Der Gerichtsschreiber: Grunder

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