Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

I. Sozialrechtliche Abteilung, Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten 8C.669/2015
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Bundesgericht
Tribunal fédéral
Tribunale federale
Tribunal federal

[8frIR2ALAGK1]     
{T 0/2}
                   
8C_669/2015

Urteil vom 3. November 2015

I. sozialrechtliche Abteilung

Besetzung
Bundesrichterin Leuzinger, Präsidentin,
Bundesrichter Frésard, Maillard,
Gerichtsschreiberin Schüpfer.

Verfahrensbeteiligte
A.________,
vertreten durch Advokat Dr. Alex Hediger,
Beschwerdeführer,

gegen

Schweizerische Unfallversicherungsanstalt (SUVA), Fluhmattstrasse 1, 6004
Luzern,
Beschwerdegegnerin.

Gegenstand
Unfallversicherung
(Kausalzusammenhang; Diskushernie),

Beschwerde gegen den Entscheid des Sozialversicherungsgerichts des Kantons
Basel-Stadt vom 1. Juli 2015.

Sachverhalt:

A. 
Der 1963 geborene A.________ war als Mechaniker/Monteur der B.________ AG
obligatorisch bei der Schweizerischen Unfallversicherungsanstalt (SUVA)
versichert, als er am 26. Juni 2013 verunfallte. Beim Sturz auf die Kante der
Ladefläche eines Lastwagens zog er sich gemäss Bericht des erstbehandelnden
Spitals unter anderem eine diskret dislozierte Rippenfraktur rechts (später als
Rippenserienfraktur 6-8 diagnostizert) mit angrenzender kleiner Lungenkontusion
zu. Die SUVA gewährte Heilbehandlung und richtete Taggeld aus. Ab dem 21.
August 2013 konnte der Versicherte seine Arbeit wieder halbtags aufnehmen.
Nachdem die Schmerzen trotz radiologisch bestätigter Konsolidierung der
Frakturen im Verlaufe des September 2013 weiterhin anhielten, erfolgte bei
Verdacht auf eine zervikale Pathologie am 21. Februar 2014 eine
Magnetresonanz-Untersuchung der Halswirbelsäule. Dr. med. C.________, Facharzt
für Orthopädie und Unfallchirurgie, nahm am 25. März 2014 eine kreisärztliche
Untersuchung vor. Gestützt auf dessen Einschätzung, wonach bezüglich der
Rippenfrakturen und der Lungenkontusion keine Behandlungsbedürftigkeit mehr
bestehe und die Beschwerden der Halswirbelsäule (HWS) unfallfremd seien,
stellte die SUVA ihre Leistungen mit Verfügung vom 5. Juni 2014 auf den 25.
März 2014 ein. Daran hielt sie mit Einspracheentscheid vom 28. August 2014
fest.

B. 
Die dagegen erhobene Beschwerde wies das Sozialversicherungsgericht des Kantons
Basel-Stadt mit Entscheid vom 1. Juli 2015 ab.

C. 
A.________ lässt Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten führen
und beantragen, in Aufhebung des vorinstanzlichen Entscheides seien ihm über
den 25. März 2014 hinaus Versicherungsleistungen (Taggeld bei einer vollen
Arbeitsunfähigkeit, eventuell eine 100%ige Invalidenrente nebst einer
angemessenen Integritätsentschädigung) zu gewähren.
Es wird kein Schriftenwechsel durchgeführt.

Erwägungen:

1.

1.1. Die Beschwerde kann wegen Rechtsverletzung nach Art. 95 f. BGG erhoben
werden. Das Bundesgericht wendet das Recht von Amtes wegen an (Art. 106 Abs. 1
BGG). Immerhin prüft es grundsätzlich nur die geltend gemachten Rügen, sofern
die rechtlichen Mängel nicht geradezu offensichtlich sind (Art. 42 Abs. 1 und 2
BGG; BGE 133 II 249 E. 1.4.1 S. 254).

1.2. Im Beschwerdeverfahren um die Zusprechung oder Verweigerung von
Geldleistungen der Militär- oder Unfallversicherung ist das Bundesgericht nicht
an die vorinstanzliche Feststellung des rechtserheblichen Sachverhalts gebunden
(Art. 97 Abs. 2 und Art. 105 Abs. 3 BGG).

2. 
Streitig und zu prüfen ist, ob aus dem Unfall vom 26. Juni 2013 über den 25.
März 2014 hinaus Anspruch auf Leistungen der obligatorischen Unfallversicherung
besteht. Einig sind sich die Parteien darin, dass die Rippenserienfraktur und
die leichte Lungenkontusion abgeheilt sind. Umstritten ist einzig der
Kausalzusammenhang zwischen der zervikalen Diskushernie und dem versicherten
Unfall.

2.1. Die Rechtsgrundlagen für die Beurteilung der Streitsache sind im
angefochtenen Entscheid zutreffend dargelegt, worauf verwiesen wird.

2.2. Wie das kantonale Gericht bereits festhielt, entspricht es einer
medizinischen Erfahrungstatsache im Bereich des Unfallversicherungsrechts, dass
praktisch alle Diskushernien bei Vorliegen degenerativer
Bandscheibenveränderungen entstehen und ein Unfallereignis nur ausnahmsweise,
unter besonderen Voraussetzungen, als eigentliche Ursache in Betracht fällt.
Als weitgehend unfallbedingt kann eine Diskushernie betrachtet werden, wenn das
Unfallereignis von besonderer Schwere und geeignet war, eine Schädigung der
Bandscheibe herbeizuführen, und die Symptome der Diskushernie (vertebrales oder
radikuläres Syndrom) unverzüglich und mit sofortiger Arbeitsunfähigkeit
auftreten (statt vieler: SVR 2009 UV Nr. 1 S. 1; RKUV 2000 Nr. U 379 S. 192, U
138/99 E. 2a).

3.

3.1. Gemäss kantonalem Gericht ist auf die Erkenntnisse des SUVA-Kreisarztes in
seinem Untersuchungsbericht vom 25. März 2014 abzustellen. Nachdem der
Versicherte beim Unfallereignis im Bereich der Halswirbelsäule keine
strukturellen objektivierbaren Läsionen erlitten habe, seien die nunmehr
geltend gemachten Beschwerden an der Halswirbelsäule unfallfremd. Das Gleiche
gelte für die Beschwerden an der rechten Schulter. Aufgrund der beim
versicherten Unfall erlittenen Verletzungen sei der Beschwerdeführer ab dem 25.
März 2014 wieder voll arbeitsfähig. Die Berichte der Neurologin Dr. med.
D.________ vom 3. und 19. März 2014 seien nicht geeignet, Zweifel an der
Einschätzung des Kreisarztes hervorzurufen.

3.2. Der Beschwerdeführer beruft sich insbesondere auf zwei vorinstanzlich
eingereichte Aktenstücke, in denen sich seine behandelnden Ärzte zur
Kausalitätsbeurteilung durch die SUVA äussern. Das kantonale Gericht habe sich
damit nicht auseinandergesetzt und den massgeblichen Sachverhalt unrichtig und
unvollständig festgestellt. Wenn es den Ausführungen dieser Ärzte nicht habe
folgen wollen, hätte es den Kausalzusammenhang zwischen seinen Beschwerden an
der Halswirbelsäule und dem Unfall vom 26. Juni 2013 zumindest mittels eines
medizinischen Gutachtens abklären müssen.

4. 
Vorerst ist zu prüfen, ob die vom Beschwerdeführer sinngemäss geltend gemachte
Verletzung seines rechtlichen Gehörs durch die Vorinstanz zur Aufhebung des
angefochtenen Entscheides führt.

4.1. Der verfassungsmässige Anspruch auf rechtliches Gehör umfasst unter
anderem das Recht des Betroffenen, sich vor Erlass eines in seine
Rechtsstellung eingreifenden Akts zur Sache äussern zu können. Er verlangt von
der Behörde, dass sie seine Vorbringen tatsächlich hört, ernsthaft prüft und in
ihrer Entscheidfindung angemessen berücksichtigt. Dies gilt für alle form- und
fristgerechten Äusserungen, Eingaben und Anträge, die zur Klärung der konkreten
Streitfrage geeignet und erforderlich erscheinen (BGE 136 I 184 E. 2.2.1 S. 188
mit Hinweisen; 112 Ia 1 E. 3c).

4.2. Im angefochtenen Entscheid werden die mit der Replik vom 16. März 2015
eingereichten Beilagen mit medizinischen Ausführungen zur Kausalitätsfrage
weder erwähnt noch gewürdigt. Darin könnte eine Gehörsverletzung (Art. 29 Abs.
2 BV) vorliegen. Diese führte jedoch zu keiner formellrechtlich begründeten
Rückweisung der Streitsache an die Vorinstanz: Nach der Rechtsprechung kann
eine nicht besonders schwerwiegende Verletzung des rechtlichen Gehörs
ausnahmsweise als geheilt gelten, wenn die betroffene Person die Möglichkeit
erhält, sich vor einer Beschwerdeinstanz zu äussern, die sowohl den Sachverhalt
als auch die Rechtslage frei überprüfen kann. Unter dieser Voraussetzung ist
darüber hinaus - im Sinne einer Heilung des Mangels - selbst bei einer
schwerwiegenden Verletzung des Gehörs - wovon hier nicht ausgegangen werden
kann - von einer Rückweisung der Sache an die Verwaltung abzusehen, wenn und
soweit die Rückweisung zu einem formalistischen Leerlauf und damit zu unnötigen
Verzögerungen führen würde, die mit dem (der Anhörung gleichgestellten)
Interesse der betroffenen Partei an einer beförderlichen Beurteilung der Sache
nicht zu vereinbaren wären (BGE 137 I 195 E. 2.3.2; 136 V 117 E. 4.2.2.2; je
mit Hinweisen).
Da das Bundesgericht im Beschwerdeverfahren um die Zusprechung oder
Verweigerung von Geldleistungen der Militär- oder Unfallversicherung nicht an
den vorinstanzlich festgestellten Sachverhalt gebunden ist (E. 1.2), und damit
die vom Beschwerdeführer angeführten Aktenstücke in seinen Erwägungen
berücksichtigen kann, ist eine eventuelle Gehörsverletzung durch das kantonale
Gericht als geheilt zu betrachten.

5.

5.1. Entgegen den Ausführungen des Beschwerdeführers hat das kantonale Gericht
gestützt auf die sorgfältige Würdigung der im angefochtenen Entscheid
dargelegten medizinischen Akten nachvollziehbar aufgezeigt, weshalb es zur
Erkenntnis gelangte, dass die geltend gemachten HWS- und Schulterbeschwerden
nicht auf den versicherten Unfall zurückzuführen sind. Die Vorinstanz erwog
hierbei zutreffend, im Bericht über ein MRI der HWS vom 21. Februar 2014 seien
keine Hinweise auf eine Diskushernie gefunden worden. Das Ereignis vom 26. Juni
2013 könne nicht als besonders schwer bezeichnet werden. Namentlich lasse der
Bericht über die Hospitalisierung am Tag des Unfalls nicht darauf schliessen,
dass der Beschwerdeführer bereits damals unter den rechtsprechungsgemäss (E.
2.2 hievor) erforderlichen akuten Symptomen gelitten hätte. Zu Recht führt die
Vorinstanz aus, dass eine unfallbedingte Diskushernie - und damit
notwendigerweise ein vertebrales oder radikuläres Syndrom (E. 2.2) - nicht
unbemerkt geblieben wäre. Dies gilt selbst dann, wenn die Rippenserienfraktur
im Vordergrund gestanden hatte. Umso mehr hätten entsprechende Symptome in der
Zeit, als der erste Schmerzschub aufgrund der Frakturen abgeklungen war,
bemerkt werden müssen. Solches ergibt sich aus den Akten aber nicht. Gemäss
Zeugnis des Dr. med. E.________, Facharzt FMH für Allgemeine Innere Medizin,
vom 18. Juli 2014 waren bei Nachkontrollen im September 2013 keine
neurologischen Ausfälle vorhanden. Laut Bericht desselben Arztes vom 25.
Februar 2014 fiel erst im Verlaufe des Dezembers 2013 - mithin sechs Monate
nach dem Unfall - eine Atrophie des rechten Deltoidmuskels auf. Eine
Sensibilitätsstörung wurde sogar erst auf Anfrage hin angegeben. Damit fehlt es
mit der Vorinstanz an Symptomen einer unfallbedingten Diskushernie, die - wie
dargelegt - unverzüglich auftreten und so heftig sind, dass sie eine sofortige
Arbeitsunfähigkeit bewirken (E. 2.2).

5.2. An dieser Einschätzung vermögen auch die mit der vorinstanzlichen Replik
aufgelegten weiteren ärztlichen Schreiben nichts zu ändern.

5.2.1. Dr. med. E.________ führt in seinem Schreiben vom 21. Januar 2015 keine
neuen medizinischen Argumente für eine unfallursächliche Diskushernie an. Im
Gegenteil ist seinen Ausführungen zu entnehmen, dass sich der diesbezügliche
Gesundheitszustand beim Versicherten über Monate schleichend verschlechterte.
Dies spricht wiederum gegen "unverzüglich auftretende Symptome (vertebrales
oder radikuläres Syndrom) mit sofortiger (durch die Diskushernie bedingte)
Arbeitsunfähigkeit". Ein Kausalzusammenhang wird demgemäss von diesem Arzt vor
allem aufgrund der unzulässigen und daher nicht zu beachtenden Beweisregel
"post hoc ergo propter hoc" (vgl. etwa Urteil 8C_354/2015 vom 13. Oktober 2015
E. 7.2 mit Hinweis) bejaht.

5.2.2. In seiner Stellungnahme vom 6. März 2015 zur Vernehmlassung der SUVA im
vorinstanzlichen Verfahren führt der behandelnde Neurologe, Dr. med.
F.________, aus, eine degenerative Problematik der HWS sei angesichts des
Alters des Versicherten und wegen der fehlenden Vorbeschwerden
unwahrscheinlich, aber nicht unmöglich. Eine schwere Deltoideusparese, wie sie
sich beim Beschwerdeführer gezeigt habe, sei seines Erachtens aber nicht durch
eine langsame Entwicklung einer degenerativen Diskushernie zu erklären. Er
empfiehlt eine gutachterliche Abklärung der Kausalitätsfrage.
Auch diese Vorbringen vermögen die kreisärztliche Kausalitätsbeurteilung nicht
in Zweifel zu ziehen. Entgegen der weiteren Darstellung dieses Arztes traten
die Beschwerden beim Versicherten gerade nicht in - enger - zeitlicher Folge
zum Trauma auf. Dass gemäss Dr. med. F.________ "im Moment kein Grund zur
Annahme einer anderen Ätiologie als einer traumatischen" besteht genügt nicht,
um die Leistungspflicht der Unfallversicherung zu begründen.

5.3. Nach dem Gesagten wurde ein Leistungsanspruch über den 25. März 2014
hinaus mangels Unfallkausalität der noch bestandenen Beschwerden zu Recht
verneint.

6. 
Entsprechend dem Ausgang des Verfahrens sind die Gerichtskosten dem
unterliegenden Beschwerdeführer aufzuerlegen (Art. 66 Abs. 1 BGG).

Demnach erkennt das Bundesgericht:

1. 
Die Beschwerde wird abgewiesen.

2. 
Die Gerichtskosten von Fr. 800.- werden dem Beschwerdeführer auferlegt.

3. 
Dieses Urteil wird den Parteien, dem Sozialversicherungsgericht des Kantons
Basel-Stadt und dem Bundesamt für Gesundheit schriftlich mitgeteilt.

Luzern, 3. November 2015
Im Namen der I. sozialrechtlichen Abteilung
des Schweizerischen Bundesgerichts

Die Präsidentin: Leuzinger

Die Gerichtsschreiberin: Schüpfer

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