Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

I. Sozialrechtliche Abteilung, Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten 8C.667/2015
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Bundesgericht
Tribunal fédéral
Tribunale federale
Tribunal federal

[8frIR2ALAGK1]          
8C_667/2015 {T 0/2}     

Urteil vom 6. September 2016

I. sozialrechtliche Abteilung

Besetzung
Bundesrichter Maillard, Präsident,
Bundesrichter Ursprung, Frésard,
Bundesrichterinnen Heine, Moser-Szeless,
Gerichtsschreiber Hochuli.

Verfahrensbeteiligte
IV-Stelle Luzern,
Landenbergstrasse 35, 6005 Luzern,
Beschwerdeführerin,

gegen

A.________,
vertreten durch Rechtsanwalt Eric Schuler,
Beschwerdegegner.

Gegenstand
Invalidenversicherung
(Massnahmen zur Wiedereingliederung),

Beschwerde gegen den Entscheid des
Kantonsgerichts Luzern vom 4. August 2015.

Sachverhalt:

A. 
A.________, geboren 1962, bezog seit 1. September 2002 eine ganze
Invalidenrente. Im Rahmen eines 2012 eingeleiteten Revisionsverfahrens holte
die IV-Stelle Luzern beim Swiss Medical Assessment- and Business-Center in St.
Gallen das polydisziplinäre Gutachten vom 27. Februar 2013 (nachfolgend:
SMAB-Gutachten) ein. Mit unangefochten in Rechtskraft erwachsener Verfügung vom
27. Juni 2013 hob sie die Invalidenrente unter Hinweis auf lit. a Abs. 1 der am
1. Januar 2012 in Kraft getretenen Schlussbestimmungen der Änderung vom 18.
März 2011 des IVG (6. IV-Revision; nachfolgend SchlBest. IVG) per 31. Juli 2013
auf. Gleichzeitig gewährte die IV-Stelle dem Versicherten in Anwendung von Art.
8a IVG Beratung und Begleitung bis 31. Juli 2015 (Verfügung vom 26. Juni 2013).
Zudem verfügte sie am 28. Juni 2013 die Weiterausrichtung einer ganzen
Invalidenrente ab 1. August 2013 für die Dauer von
Wiedereingliederungsmassnahmen, längstens aber bis zum 31. Juli 2015. Die
IV-Stelle sprach ihm sodann ab Mai 2014 einen sechsmonatigen Arbeitsversuch bei
der B.________ AG zu. Nach dem ersten Arbeitstag am 5. Mai attestierte ihm der
Hausarzt ab 6. Mai 2014 wieder eine volle Arbeitsunfähigkeit. Zwei weitere
Arbeitsversuche endeten am 19. Mai nach vier und am 20. Mai 2014 nach zwei
Stunden. Danach ging der Versicherte infolge geklagter Schmerzen nach Hause und
erschien nicht mehr am Arbeitsplatz. Nach Durchführung des
Vorbescheidverfahrens verfügte die IV-Stelle am 13. Oktober 2014 den Abbruch
der Wiedereingliederungsmassnahmen per 28. Mai 2014 und die Einstellung der
ganzen Invalidenrente per 1. Juni 2014. Am 20. Oktober 2014 erliess sie sodann
eine Rückforderungsverfügung in Bezug auf die vom       1. Juni bis 31. Juli
2014 erbrachten Rentenleistungen.

B. 
A.________ liess gegen die beiden letztgenannten Verfügungen je separat
Beschwerde erheben. Das Kantonsgericht Luzern vereinigte die beiden
Beschwerdeverfahren, hob sowohl die Verfügung vom    17. November 2014 (recte:
20. Oktober 2014) als auch diejenige vom 13. Oktober 2014 auf. In Bezug auf
Letztere wies es die Sache an die IV-Stelle zurück, damit diese im Sinne der
Erwägungen vorgehe und anschliessend neu verfüge (Entscheid vom 4. August
2015). In den Erwägungen, auf welche das Dispositiv verwies, ordnete das
kantonale Gericht an, dass die IV-Stelle dem Versicherten die ganze
Invalidenrente nach lit. a Abs. 3 SchlBest. IVG durchgehend ohne Unterbruch bis
zum Ablauf der Zweijahresfrist per 31. Juli 2015 weiter auszurichten habe.

C. 
Mit Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten lässt die IV-Stelle
unter Aufhebung des angefochtenen Entscheides die Bestätigung ihrer beiden
Verfügungen vom 13. und 20. Oktober 2014 beantragen. Zudem ersucht sie darum,
es sei der Beschwerde die aufschiebende Wirkung zu erteilen.
Während A.________ auf Abweisung der Beschwerde schliesst, trägt das Bundesamt
für Sozialversicherungen (BSV) auf Gutheissung derselben.

D. 
Mit Verfügung vom 4. Dezember 2015 hat der Instruktionsrichter der Beschwerde
aufschiebende Wirkung zuerkannt.

Erwägungen:

1. 

1.1. Das kantonale Gericht hob mit angefochtenem Entscheid nicht nur die
Rückforderungsverfügung der IV-Stelle vom 20. Oktober 2014 auf. Gleichzeitig
verpflichtete es Letztere dazu, über den verfügten Abbruch der
Wiedereingliederungsmassnahmen hinaus auch ab       1. Juni 2014 ohne
Unterbruch bis zum 31. Juli 2015 eine ganze Invalidenrente weiter auszurichten.
Zudem wies es die Angelegenheit an die Beschwerde führende IV-Stelle zurück,
damit sie nach Durchführung des Vorgehens gemäss den Erwägungen neu verfüge.

1.2. Beim angefochtenen Rückweisungsentscheid handelt es sich, da das Verfahren
noch nicht abgeschlossen wird und die Rückweisung auch nicht einzig der
Umsetzung des oberinstanzlich Angeordneten dient (vgl. Urteil 9C_684/2007 vom
27. Dezember 2007 E. 1.1 mit Hinweisen, in: SVR 2008 IV Nr. 39 S. 131), um
einen selbstständig eröffneten Vor- oder Zwischenentscheid im Sinne von Art. 93
BGG (BGE 133 V 477 E. 4.2 S. 481 f. mit Hinweisen). Die Zulässigkeit der
Beschwerde setzt somit - alternativ - voraus, dass der Entscheid einen nicht
wieder gutzumachenden Nachteil bewirken kann (Abs. 1 lit. a) oder dass die
Gutheissung der Beschwerde sofort einen Endentscheid herbeiführen und damit
einen bedeutenden Aufwand an Zeit oder Kosten für ein weitläufiges
Beweisverfahren ersparen würde (Abs. 1 lit. b). Dies gilt auch für den Fall,
dass damit über materielle Teilaspekte entschieden wird, da diese ebenfalls
zusammen mit dem Endentscheid anfechtbar sind (Art. 93 Abs. 3 BGG; BGE 133 V
477 E. 4.2 und 4.3 S. 481 f.; 132 III 785 E. 3.2 S. 790 f.; 129 I 313 E. 3.2 S.
316 f.).

1.2.1. Rechtsprechungsgemäss bewirkt ein Rückweisungsentscheid in der Regel
keinen irreversiblen Nachteil im Sinne von Art. 93 Abs. 1 lit. a BGG, weil der
Rechtsuchende ihn später zusammen mit dem neu zu fällenden Endentscheid wird
anfechten können (vgl. Art. 93 Abs. 3 BGG). Anders verhält es sich allerdings
für die Verwaltung bzw. den Versicherungsträger, wenn sie durch den
Rückweisungsentscheid gezwungen werden, eine ihres Erachtens rechtswidrige
Verfügung zu erlassen. Diesfalls kann bereits dieser Entscheid angefochten und
braucht nicht der Endentscheid abgewartet zu werden (BGE 140 V 282 E. 4.2 S.
285 f.; 133 V 477 E. 5.2, 5.2.1-5.2.4 S. 483 ff.).

1.2.2. Das kantonale Gericht vertritt die Auffassung, ein schriftliches Mahn-
und Bedenkzeitverfahren hätte auch bei einem mangels subjektiver
Eingliederungsfähigkeit beabsichtigten Abbruch von
Wiedereingliederungsmassnahmen nach lit. a Abs. 2 SchlBest. IVG durchgeführt
werden müssen. Dies umso mehr, wenn mit dem Abbruch auch die Einstellung der
laufenden Rente verknüpft werde. Der Hinweis laut rechtskräftiger Verfügung vom
28. Juni 2013 genüge nicht, wonach die Weiterausrichtung der Invalidenrente bei
Abbruch der Eingliederungsmassnahme eingestellt werde. Die IV-Stelle habe
deshalb die Invalidenrente im Rahmen von lit. a Abs. 3 SchlBest. IVG über den
1. Juni 2014 hinaus ununterbrochen bis zum Ablauf der Zweijahresfrist per 31.
Juli 2015 weiter auszurichten. Sodann habe sie ein Mahn- und
Bedenkzeitverfahren durchzuführen und - bei gegebener Bereitschaft des
Versicherten - die in zeitlicher Hinsicht nicht limitierten
Eingliederungsbemühungen nach lit. a Abs. 2 SchlBest. IVG in Verbindung mit
Art. 8a IVG fortzusetzen. Hierfür sei die Angelegenheit an die Verwaltung
zurückzuweisen. Der angefochtene Entscheid enthält damit materiellrechtlich
verbindliche Anordnungen, welche den Beurteilungsspielraum des
Versicherungsträgers wesentlich einschränken (vgl. Urteil 8C_125/2015 vom 26.
Juni 2015 E. 1.2.2). Der Umstand, dass der darauf beruhende Endentscheid
praktisch nicht angefochten und das Ergebnis nicht mehr korrigiert werden
könnte, stellt nach dem Gesagten einen offenkundigen, nicht wieder
gutzumachenden Nachteil im Sinne des Art. 93 Abs. 1 lit. a BGG dar. Auf die
Beschwerde ist daher einzutreten.

2. 
Mit Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten kann u.a. die
Verletzung von Bundesrecht gerügt werden (Art. 95 lit. a BGG), die Feststellung
des Sachverhalts nur, wenn sie offensichtlich unrichtig ist oder auf einer
Rechtsverletzung im Sinne von Art. 95 BGG beruht und wenn die Behebung des
Mangels für den Ausgang des Verfahrens entscheidend sein kann (Art. 97 Abs. 1
BGG). Das Bundesgericht legt seinem Urteil den Sachverhalt zugrunde, den die
Vorinstanz festgestellt hat (Art. 105 Abs. 1 BGG). Es kann die
Sachverhaltsfeststellung der Vorinstanz von Amtes wegen berichtigen oder
ergänzen, wenn sie offensichtlich unrichtig ist oder auf einer Rechtsverletzung
im Sinne von Art. 95 beruht (Art. 105 Abs. 2 BGG).

3. 
Lit. a SchlBest. IVG beinhaltet die Überprüfung der Renten, die bei
pathogenetisch-ätiologisch unklaren syndromalen Beschwerdebildern ohne
nachweisbare organische Grundlage gesprochen wurden. Gemäss Abs. 1 dieser
Bestimmung werden solche Renten innerhalb von drei Jahren nach Inkrafttreten
dieser Änderung überprüft. Sind die Voraussetzungen nach Art. 7 ATSG nicht
erfüllt, so wird die Rente herabgesetzt oder aufgehoben, auch wenn die
Voraussetzungen von Art. 17 Abs. 1 ATSG nicht erfüllt sind. Wird die Rente
herabgesetzt oder aufgehoben, so hat die Bezügerin oder der Bezüger Anspruch
auf Massnahmen zur Wiedereingliederung nach Art. 8a IVG. Ein Anspruch auf eine
Übergangsleistung nach Art. 32 Abs. 1 lit. c IVG entsteht dadurch nicht (Abs.
2). Werden Massnahmen zur Wiedereingliederung nach Art. 8a IVG durchgeführt, so
wird die Rente bis zum Abschluss der Massnahmen weiter ausgerichtet, längstens
aber während zwei Jahren ab dem Zeitpunkt der Aufhebung oder Herabsetzung (Abs.
3).

4. 

4.1. Die am 27. Juni 2013 verfügte Renteneinstellung gemäss lit. a Abs. 1
SchlBest. IVG ist unangefochten in Rechtskraft erwachsen. Dabei handelt es sich
um einen Endentscheid (Urteile 8C_125/2015 vom 26. Juni 2015 E. 5.2 und 9C_64/
2015 vom 27. April 2015 E. 4.1, je mit Hinweisen). Praxisgemäss haben die
rentenbegleitenden Massnahmen zur Wiedereingliederung nach Art. 8a IVG
grundsätzlich nahtlos an die Rentenaufhebung gemäss lit. a Abs. 1 SchlBest. IVG
anzuknüpfen, wenn im Gespräch mit der versicherten Person ersichtlich wurde,
dass diese im Anschluss an die Aufhebung oder Herabsetzung der Rente an
Massnahmen zur Wiedereingliederung teilnehmen will (BGE 141 V 385 E. 5.5 S. 395
mit Hinweis). Während diese Massnahmen durchgeführt werden, besteht ein
akzessorischer Anspruch auf die Weiterausrichtung der bisherigen Invalidenrente
(vgl. BGE 141 V 385 E. 5.4 S. 394 f. mit Hinweis). Über die Rentenrevision wird
mithin entschieden, bevor Massnahmen zur Eingliederung stattgefunden haben. Der
Anspruch auf Wiedereingliederungsmassnahmen ist demnach Folge der Reduktion
oder Aufhebung der Rente (Urteile 8C_125/2015 vom 26. Juni 2015 E. 5.1 und
9C_64/2015 vom 27. April 2015 E. 4.1 mit Hinweisen).

4.2. Wie schon der Wortlaut von lit. a Abs. 3 SchlBest. IVG andeutet, welcher
die Ausrichtung der Invalidenrente an die Durchführung von
Wiedereingliederungsmassnahmen knüpft (vgl. dazu SILVIA BUCHER, Rentenaufhebung
/-herabsetzung und Begleitmassnahmen nach der IV-Revision 6a, in: Gabriela
Riemer-Kafka [Hrsg.], Psyche und Sozialversicherung, S. 112 Rz. 42), besteht
gemäss Botschaft zur Änderung des Bundesgesetzes über die Invalidenversicherung
vom 24. Februar 2010 (6. IV-Revision, erstes Massnahmenpaket; BBl 2010 1817
1911 zu Abs. 2) nicht in jedem Fall ein Anspruch auf Massnahmen zur
Wiedereingliederung nach lit. a Abs. 2 SchlBest. IVG. Erforderlich ist
vielmehr, dass die Massnahmen für eine Wiedereingliederung "sinnvoll und
nutzbringend" sind (vgl. auch Rz. 1007.1 zweiter Absatz des Kreisschreibens des
BSV über die Schlussbestimmungen der Änderung vom 18. März 2011 des IVG [KSSB;
in der seit 1. April 2014 geltenden Fassung]; BGE 141 V 385 E. 5.3 S. 392 f.
mit Hinweisen). Wie alle Eingliederungsmassnahmen setzen auch die
Wiedereingliederungsmassnahmen nach Art. 8a IVG in Verbindung mit lit. a Abs. 2
SchlBest. IVG eine subjektive und objektive Eingliederungsfähigkeit der
betroffenen Person voraus (ULRICH MEYER/MARCO REICHMUTH, Bundesgesetz über die
Invalidenversicherung, 3. Aufl. 2014, S. 121 mit Hinweis auf Urteil 8C_664/2013
vom 25. März 2014 E. 2). In diesem Sinne hat das Bundesgericht erkannt, eine
Rentenaufhebung ohne Durchführung von Massnahmen zur Wiedereingliederung (Art.
8a IVG) nach lit. a Abs. 2 und 3 der SchlBest. IVG sei nicht zu beanstanden,
wenn die IV-Stelle verfügungsweise festgehalten habe, die Eingliederung wäre
mangels Interesses der versicherten Person nicht erfolgversprechend (BGE 141 V
385 E. 5.3 S. 392 f. mit Hinweisen).

5. 

5.1. Offensichtlich war die IV-Stelle bei Erlass der Verfügung vom    27. Juni
2013 betreffend Rentenaufhebung gemäss lit. a Abs. 1 SchlBest. IVG davon
überzeugt, dass die Voraussetzungen der Zusprache von rentenbegleitenden
Massnahmen zur Wiedereingliederung nach Art. 8a IVG in Verbindung mit lit. a
Abs. 2 SchlBest. IVG damals erfüllt waren. Sie muss demzufolge aufgrund des
Gespräches mit dem Versicherten davon ausgegangen sein, dass er im Anschluss an
die Aufhebung der Rente per 31. Juli 2013 an Massnahmen zur Wiedereingliederung
teilnehmen werde (vgl. E. 4.1 hievor). Nur unter dieser Voraussetzung konnte
ihm die IV-Stelle in Anwendung von   Art. 8a IVG Beratung und Begleitung bis
31. Juli 2015 gewähren (Verfügung vom 26. Juni 2013) und am 28. Juni 2013 die
Weiterausrichtung einer ganzen Invalidenrente ab 1. August 2013 für die Dauer
von Wiedereingliederungsmassnahmen, längstens aber bis zum 31. Juli 2015
zusprechen. Denn andernfalls hätten sich diese Massnahmen schon im Zeitpunkt
der Rentenaufhebung vom 27. Juni 2013 als sinn- und nutzlos (vgl. E. 4.2
hievor) antizipieren lassen, so dass die Verwaltung schon damals - ohne
Durchführung des Mahn- und Bedenkzeitverfahrens im Sinne von Art. 21 Abs. 4
ATSG - zur Verneinung eines Anspruchs auf Wiedereingliederungsmassnahmen
berechtigt gewesen wäre (BGE 141 V 385 E. 5.3 S. 392 f. mit Hinweisen; Urteile
8C_19/2016 vom 4. April 2016 E. 5.2.3, 8C_579/2015 vom 14. April 2016 E.
3.2.2.3 und 8C_569/2015 vom 17. Februar 2016 E. 5.1 mit Hinweisen).

5.2. Art. 21 Abs. 4 ATSG (vgl. dazu SVR 2005 IV Nr. 30 S. 113,          I 605/
04 E. 2) ist im Rahmen der Schadenminderungspflicht zu sehen (Ueli Kieser,
ATSG-Kommentar, 3. Aufl. 2015, Rz. 98 zu Art. 21 ATSG; BGE 134 V 189 E. 2.3 S.
194), welche im gesamten Bereich des Sozialversicherungsrechts gilt (BGE 133 V
511 E. 4.3 S. 513 mit Hinweis; vgl. auch Art. 7 Abs. 1 IVG). Ungeachtet der
Durchführung eines Mahn- und Bedenkzeitverfahrens steht bereits von Gesetzes
wegen fest, dass die versicherte Person an allen zumutbaren Massnahmen, die zur
Erhaltung des bestehenden Arbeitsplatzes oder zu ihrer Eingliederung ins
Erwerbsleben oder in einen dem Erwerbsleben gleichgestellten Aufgabenbereich
dienen, aktiv teilnehmen muss    (Art. 7 Abs. 2 IVG). Das Mahn- und
Bedenkzeitverfahren von Art. 21 Abs. 4 ATSG bezweckt, dass die versicherte
Person nicht die Folgen eines Verhaltens tragen soll, über dessen Auswirkungen
sie sich möglicherweise keine Rechenschaft abgelegt hat (Ueli Kieser, a.a.O.,
Rz. 133 i.f. zu Art. 21 ATSG; Urteil I 265/05 vom 3. Oktober 2005      E. 4.2).

5.3. In tatsächlicher Hinsicht steht fest, dass der Abbruch der
Wiedereingliederungsmassnahmen per 28. Mai 2014 nicht aufgrund einer
Verschlechterung des Gesundheitszustandes wegen fehlender objektiver, sondern
ausschliesslich infolge angeblich nachträglich entfallener subjektiver
Eingliederungsfähigkeit erfolgte. Die Beschwerdeführerin schloss aus dem
Verhalten des Versicherten bei Antritt des Arbeitsversuchs auf dessen fehlenden
Eingliederungswillen und erachtete folglich weitere Massnahmen als sinnlos.
Selbst wenn dies zutraf und dem Versicherten tatsächlich bei Antritt des
Arbeitsversuches die Eingliederungsbereitschaft offensichtlich fehlte, blieb
die IV-Stelle nach der Rechtsprechung zu Art. 21 Abs. 4 ATSG (Urteile 8C_156/
2008 vom 11. August 2008 E. 2.2.2 und 9C_494/2007 vom 6. Mai 2008 E. 2.2.2)
verpflichtet, vor der Verfügung des Abbruchs der Wiedereingliederungsmassnahmen
das schriftliche Mahn- und Bedenkzeitverfahren durchzuführen. So ist nach der
Rechtsprechung nur dann von fehlender subjektiver Eingliederungsfähigkeit
auszugehen, wenn sie mit dem Beweisgrad der überwiegenden Wahrscheinlichkeit (
BGE 138 V 218 E. 6 S. 221 mit Hinweisen) feststeht (Urteil 9C_368/2012 vom 28.
Dezember 2012 E. 3.1). Schliesslich macht die Beschwerdeführerin weder geltend
noch sind entsprechende Anhaltspunkte ersichtlich, dass der Versicherte im Juni
2013 bei Zusprache von Wiedereingliederungsmassnahmen mit akzessorischer
Weiterausrichtung einer ganzen Invalidenrente ab 1. August 2013 längstens bis
zum 31. Juli 2015 in rechtsmissbräuchlicher Absicht über seine tatsächlich von
Beginn weg subjektiv nicht vorhandene Eingliederungsbereitschaft hinweg zu
täuschen versuchte.

5.4. Die Vorinstanz hat demnach zutreffend erkannt, dass die IV-Stelle vor
Erlass der Verfügung vom 13. Oktober 2014, mit welcher sie die
Wiedereingliederungsmassnahmen abbrach, ein schriftliches Mahn- und
Bedenkzeitverfahren hätte durchführen müssen. Folglich hat das kantonale
Gericht diese Verfügung zu Recht aufgehoben und die Sache an die
Beschwerdeführerin zurückgewiesen. Damit hat es beim angefochtenen Entscheid
sein Bewenden.

6. 
Dem Ausgang des Verfahrens entsprechend sind die Gerichtskosten der
Beschwerdeführerin zu überbinden (Art. 66 Abs. 1 Satz 1 BGG). Sie hat dem
anwaltlich vertretenen Beschwerdegegner ferner eine angemessene
Parteientschädigung zu leisten (Art. 68 Abs. 1 und 2 BGG).

Demnach erkennt das Bundesgericht:

1. 
Die Beschwerde wird abgewiesen.

2. 
Die Gerichtskosten von Fr. 800.- werden der Beschwerdeführerin auferlegt.

3. 
Die Beschwerdeführerin hat den Beschwerdegegner für das bundesgerichtliche
Verfahren mit Fr. 2'000.- zu entschädigen.

4. 
Dieses Urteil wird den Parteien, dem Kantonsgericht Luzern, 3. Abteilung, und
dem Bundesamt für Sozialversicherungen schriftlich mitgeteilt.

Luzern, 6. September 2016

Im Namen der I. sozialrechtlichen Abteilung
des Schweizerischen Bundesgerichts

Der Präsident: Maillard

Der Gerichtsschreiber: Hochuli

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