Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

I. Sozialrechtliche Abteilung, Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten 8C.659/2015
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Bundesgericht
Tribunal fédéral
Tribunale federale
Tribunal federal

[8frIR2ALAGK1]     
{T 0/2}
                   
8C_659/2015

Urteil vom 2. Dezember 2015

I. sozialrechtliche Abteilung

Besetzung
Bundesrichterin Leuzinger, Präsidentin,
Bundesrichter Maillard, Bundesrichterin Heine,
Gerichtsschreiber Lanz.

Verfahrensbeteiligte
Schweizerische Unfallversicherungsanstalt (SUVA), Fluhmattstrasse 1, 6004
Luzern,
Beschwerdeführerin,

gegen

A.________,
vertreten durch Rechtsanwalt Daniel Zbinden,
Beschwerdegegner.

Gegenstand
Unfallversicherung (Invalidenrente),

Beschwerde gegen den Entscheid
des Kantonsgerichts Freiburg
vom 4. August 2015.

Sachverhalt:

A. 
Mit Verfügung vom 1. April 2010 und Einspracheentscheid vom 1. Dezember 2010
sprach die Schweizerische Unfallversicherungsanstalt (SUVA) dem 1956 geborenen
A.________ für die bleibenden Folgen einer Berufskrankheit eine Invalidenrente
für eine Erwerbsunfähigkeit von 27 % sowie eine Integritätsentschädigung für
eine Integritätseinbusse von 20 % zu.

B. 
Hiegegen erhob A.________ im Rentenpunkt Beschwerde. Das Kantonsgericht
Freiburg wies diese mit Entscheid vom 19. Dezember 2012 ab. Mit Urteil 8C_121/
2013 vom 11. Juni 2013 hob das Bundesgericht diesen Entscheid auf und wies die
Sache zur Beweisergänzung und zum neuen Entscheid an die Vorinstanz zurück.
Nach weiterer Abklärung hiess das Kantonsgericht die Beschwerde mit Entscheid
vom 4. August 2015 gut und erhöhte die dem Rentenanspruch zugrunde liegende
Erwerbsunfähigkeit auf 54 %.
Auf ein hierauf von der SUVA gestelltes Gesuch, in Berichtigung des Entscheides
vom 4. August 2015 sei die Erwerbsunfähigkeit auf 51 % festzusetzen, trat das
Kantonsgericht mit Verfügung vom 3. September 2015 nicht ein.

C. 
Mit Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten beantragt die SUVA,
der vorinstanzliche Entscheid vom 4. August 2014 sei insofern zu berichtigen,
als die Erwerbsunfähigkeit auf 51 % festzusetzen sei.
A.________ schliesst auf Abweisung der Beschwerde, soweit darauf einzutreten
sei. Das Kantonsgericht beantragt deren Gutheissung. Das Bundesamt für
Gesundheit verzichtet auf eine Vernehmlassung.
Mit Eingabe vom 5. November 2015 äussert sich A.________ nochmals.

Erwägungen:

1. 
Die Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten kann wegen
Rechtsverletzungen gemäss Art. 95 und 96 BGG erhoben werden. Das Bundesgericht
wendet das Recht von Amtes wegen an (Art. 106 Abs. 1 BGG), doch prüft es, unter
Berücksichtigung der allgemeinen Rüge- und Begründungspflicht (Art. 42 Abs. 1
und 2 BGG), nur die geltend gemachten Vorbringen, falls allfällige weitere
rechtliche Mängel nicht geradezu offensichtlich sind (BGE 138 I 274 E. 1.6 S.
280 mit Hinweisen).
Im Beschwerdeverfahren um die Zusprechung oder Verweigerung von Geldleistungen
der Militär- oder Unfallversicherung ist das Bundesgericht nicht an die
vorinstanzliche Feststellung des rechtserheblichen Sachverhalts gebunden (Art.
97 Abs. 2 und Art. 105 Abs. 3 BGG).

2. 
Streitig ist die Höhe der rentenbestimmenden Erwerbsunfähigkeit.
Das kantonale Gericht hat zu deren Bestimmung einen Einkommensvergleich
vorgenommen und ist von einem ohne Berufskrankheit mutmasslich erzielten
Einkommen (Valideneinkommen) von Fr. 62'075.- ausgegangen. Das trotz der
gesundheitlichen Beeinträchtigung noch zumutbare Einkommen (Invalideneinkommen)
hat die Vorinstanz unter Verwendung von Tabellenlöhnen gemäss der
Schweizerischen Lohnstrukturerhebung (LSE) ermittelt. Auf der Grundlage einer
Restarbeitsfähigkeit von 56.25 % ist es zu einem Einkommen von Fr. 33'738.12
gelangt. Es hat sodann erwogen, hievon sei ein leidensbedingter Abzug von 10 %
vorzunehmen. Das ergebe ein Invalideneinkommen von Fr. 28'677.40. Die
Gegenüberstellung mit dem Valideneinkommen führe zu einer Erwerbseinbusse von
Fr. 33'397.60, was einem Invaliditätsgrad von gerundet 54 % entspreche.

3. 
Die Beschwerdeführerin macht geltend, die Vorinstanz sei fälschlicherweise zum
Schluss gelangt, unter Berücksichtigung des 10 %-Abzugs resultiere ein
Invalideneinkommen von Fr. 28'677.40. Richtigerweise führe ein Abzug von 10 %
zu einem Invalideneinkommen von Fr. 30'057.30 (recte: Fr. 30'364.31). Werde
dieses mit dem Valideneinkommen verglichen, so ergebe sich ein Invaliditätsgrad
von 51 %. Insoweit sei der kantonale Entscheid zu berichtigen.

4. 
Die SUVA hat diesen Einwand zuerst mit Berichtigungsgesuch beim kantonalen
Gericht geltend gemacht. Dieses ist darauf nicht eingetreten.

5. 
Die Vorinstanz bestätigt sodann im vorliegenden Verfahren, dass sich nach ihrer
Beurteilung einzig ein Abzug von 10 % rechtfertige. Damit ergebe sich ein
Invalideneinkommen von Fr. 30'364.31 und nicht wie im angefochtenen Entscheid
aus Versehen fälschlicherweise festgehalten von Fr. 28'677.40. Es resultiere
eine Erwerbseinbusse von Fr. 31'710.69 (statt Fr. 33'397.60) und damit ein
Invaliditätsgrad von gerundet 51 % (statt 54 %). Deshalb sei die Beschwerde
gutzuheissen.
Die Differenz bei der Erwerbsunfähigkeit (54 % resp. 51 %) beruht darauf, dass
die Vorinstanz im angefochtenen Entscheid beim Invalideneinkommen zwar auf
einen leidensbedingten Abzug von 10 % erkannt, aber einen Abzug von 15 %
angerechnet hat. Davon geht auch der Beschwerdegegner aus.
Die falsche Anrechnung des leidensbedingten Abzuges mit daraus resultierendem
überhöhtem Invaliditätsgrad und Rentenanspruch verletzt Bundesrecht. Die
Beschwerde erscheint insofern begründet. Zu prüfen bleibt, ob die Einwände des
Versicherten ein anderes Ergebnis rechtfertigen.

6.

6.1. Der Beschwerdegegner macht geltend, es sei nicht klar, ob ein
Rechnungsfehler vorliege. Denkbar sei auch, dass der Vorinstanz lediglich ein
redaktioneller Tippfehler unterlaufen sei. Jedenfalls sei sie zu Recht nicht
auf das Berichtigungsgesuch eingetreten, da im Entscheiddispositiv der
Invaliditätsgrad von 54 % auf 51 % hätte reduziert werden müssen. Eine Änderung
der Entscheidformel sei aber im Berichtigungsverfahren nach kantonalem Recht
nicht zulässig. Falls es sich beim angefochtenen Entscheid tatsächlich
lediglich um einen Rechnungsfehler gehandelt habe, hätte die Beschwerdeführerin
beim Kantonsgericht ein Gesuch um Erläuterung nach kantonalem Recht einreichen
können. In einem Erläuterungsverfahren wäre es zulässig gewesen, im
Entscheiddispositiv den Invaliditätsgrad auf 51 % zu korrigieren. Diesfalls
hätte der Beschwerdegegner die Möglichkeit gehabt, diesen Entscheid
anzufechten, um die Festsetzung eines Leidensabzugs von 15 % zu erwirken. Der
Versicherte macht weiter geltend, im Rahmen der Beschwerde in
öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten könne das Bundesgericht den
angefochtenen Entscheid nicht berichtigen. Die Beschwerdeführerin hätte daher
aufzeigen müssen, in welchen Punkten die Vorinstanz materielles Bundesrecht
verletzt resp. den Sachverhalt nicht richtig festgestellt habe. Das sei nicht
erfolgt. Auf die Beschwerde sei deshalb mangels Begründung nicht einzutreten.
Falls das Bundesgericht dennoch den Ausführungen der Beschwerdeführerin folgen
sollte, sei die Angelegenheit zur Neubeurteilung an die Vorinstanz
zurückzuweisen. Dem Beschwerdegegner müsse die Möglichkeit gegeben werden,
gegen den für ihn allfällig ungünstigen Entscheid des kantonalen Gerichts ein
Rechtsmittel einzulegen.

6.2. Die SUVA hat in der Beschwerde hinreichend dargelegt, weshalb nach ihrer
Auffassung ein falscher Abzug berechnet wurde und daraus ein zu hoher, mithin
rechtsfehlerhafter Invaliditätsgrad resultierte. Den Anforderungen an die
Beschwerdebegründung (Art. 42 Abs. 2 BGG), und damit dem entsprechenden
Eintretenserfordernis ist Genüge getan. Im Weiteren hat die Vorinstanz
bestätigt, dass sie tatsächlich nur einen leidensbedingten Abzug von 10 % für
gerechtfertigt hält. Das zeigen bei genauer Betrachtung auch ihre Erwägungen im
angefochtenen Entscheid. Damit erübrigen sich Weiterungen zu einem allfälligen
Erläuterungsgesuch. Sodann hatte der Beschwerdegegner im vorliegenden Verfahren
Gelegenheit, seine Einwände gegen den von der SUVA postulierten
leidensbedingten Abzug von 10 % vorzubringen und zu begründen, weshalb der im
angefochtenen Entscheid de facto angerechnete Abzug von 15 % gerechtfertigt
sein soll. Davon hat er auch Gebrauch gemacht. Seine Vorbringen sind nicht
geeignet, die recte auf einen 10%igen Abzug schliessende Beurteilung der
Vorinstanz in Frage zu stellen, zumal das Bundesgericht die Höhe des im
angefochtenen Entscheid festgesetzten Abzuges lediglich auf Überschreitung,
Missbrauch und Unterschreitung des vorinstanzlichen Ermessens überprüfen kann
(vgl. BGE 137 V 71 E. 5.1 S. 72 f. mit Hinweis). Die Einwände des
Beschwerdegegners vermögen daher nichts an der Gutheissung der Beschwerde zu
ändern.

7. 
Die Gerichtskosten werden dem unterliegenden Beschwerdegegner auferlegt (Art.
66 Abs. 1 BGG). Dem Gesuch um unentgeltliche Rechtspflege kann entsprochen
werden (Art. 64 Abs. 1 und 2 BGG). Es wird indessen ausdrücklich auf Art. 64
Abs. 4 BGG aufmerksam gemacht, wonach die begünstigte Partei der Gerichtskasse
Ersatz zu leisten haben wird, wenn sie später dazu im Stande ist.

Demnach erkennt das Bundesgericht:

1. 
Die Beschwerde wird gutgeheissen. Der Entscheid des Kantonsgerichts Freiburg
vom 4. August 2015 wird insoweit abgeändert, als der rentenbestimmende
Invaliditätsgrad auf 51 % festgesetzt wird.

2. 
Dem Beschwerdegegner wird die unentgeltliche Rechtspflege gewährt und
Rechtsanwalt Daniel Zbinden wird als unentgeltlicher Anwalt bestellt.

3. 
Die Gerichtskosten von Fr. 800.- werden dem Beschwerdegegner auferlegt, indes
vorläufig auf die Bundesgerichtskasse genommen.

4. 
Dem Rechtsvertreter des Beschwerdegegners wird aus der Bundesgerichtskasse eine
Entschädigung von Fr. 2'800.- ausgerichtet.

5. 
Dieses Urteil wird den Parteien, dem Kantonsgericht Freiburg und dem Bundesamt
für Gesundheit schriftlich mitgeteilt.

Luzern, 2. Dezember 2015
Im Namen der I. sozialrechtlichen Abteilung
des Schweizerischen Bundesgerichts

Die Präsidentin: Leuzinger

Der Gerichtsschreiber: Lanz

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