Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

I. Sozialrechtliche Abteilung, Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten 8C.652/2015
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Bundesgericht
Tribunal fédéral
Tribunale federale
Tribunal federal

[8frIR2ALAGK1]     
{T 0/2}
                   
8C_652/2015

Urteil vom 17. Mai 2016

I. sozialrechtliche Abteilung

Besetzung
Bundesrichter Maillard, Präsident,
Bundesrichter Ursprung, Frésard,
Bundesrichterin Heine, Bundesrichter Wirthlin,
Gerichtsschreiberin Berger Götz.

Verfahrensbeteiligte
Staatssekretariat für Wirtschaft SECO,
Arbeitsmarkt/Arbeitslosenversicherung,
Juristischer Dienst, Holzikofenweg 36, 3003 Bern,
Beschwerdeführer,

gegen

1.       Öffentliche Arbeitslosenkasse Basel-Stadt,              Hochstrasse
37, 4053 Basel,
2.       A.________,
Beschwerdegegner.

Gegenstand
Arbeitslosenversicherung (Zwischenverdienst),

Beschwerde gegen den Entscheid des Sozialversicherungsgerichts des Kantons
Basel-Stadt vom 17. Juni 2015.

Sachverhalt:

A. 
Der 1968 geborene A.________ war ab 1. Oktober 2003 als Croupier für die
B.________ AG in X.________ tätig. Die Arbeitgeberin kündigte das
Arbeitsverhältnis am 25. September 2012 per 30. November 2012 und stellte
A.________ per sofort frei. Am 16. Oktober 2012 meldete er sich zur
Arbeitsvermittlung an. Zufolge einer krankheitsbedingten Arbeitsunfähigkeit in
der Zeit vom 19. November bis 2. Dezember 2012 verlängerte sich das
Arbeitsverhältnis mit der B.________ AG bis Ende Dezember 2012. Nachdem
A.________ Antrag auf Ausrichtung von Arbeitslosenentschädigung gestellt hatte,
eröffnete die Öffentliche Arbeitslosenkasse Basel-Stadt eine Rahmenfrist für
den Leistungsbezug vom 1. Januar 2013 bis 31. Dezember 2014 und ermittelte
einen versicherten Verdienst von Fr. 6'888.-, basierend auf dem
Durchschnittslohn der letzten sechs Beitragsmonate (Juli bis Dezember 2012).
Im Anschluss an eine Revision des SECO forderte die Kasse mit Verfügung vom 30.
Mai 2014 bezogene Leistungen in der Höhe von Fr. 4'654.60 zurück, die sie für
die Zeit ab Mai 2013 ausgerichtet hatte. Zur Begründung gab sie an, die
Rahmenfrist für den Leistungsbezug beginne neu am 1. Mai 2013, da erst ab
diesem Zeitpunkt sämtliche Anspruchsvoraussetzungen erfüllt seien. Vom 1.
Januar bis 30. April 2013 sei A.________ in einem finanziell zumutbaren
Arbeitsverhältnis bei der C.________ AG unter Vertrag gewesen. Der versicherte
Verdienst sei deshalb unter Mitberücksichtigung des Einkommens aus dieser
Anstellung zu ermitteln. Ausserdem seien die von der B.________ AG im November
und Dezember 2012 ausgerichteten Leistungs- und Verhaltensprämien bei der
Berechnung des versicherten Verdienstes anteilmässig auf das ganze Jahr 2012
anzurechnen. Aus diesen Korrekturen resultiere ein - niedrigerer - versicherter
Verdienst von Fr. 6'254.-. Daran hielt die Kasse auf Einsprache hin fest
(Einspracheentscheid vom 3. September 2014).

B. 
In Gutheissung der dagegen von A.________ geführten Beschwerde hob das
Sozialversicherungsgericht des Kantons Basel-Stadt den Einspracheentscheid vom
3. September 2014 auf (Entscheid vom 17. Juni 2015).

C. 
Das SECO führt Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten und stellt
das Rechtsbegehren, der Entscheid des kantonalen Gerichts vom 17. Juni 2015 sei
aufzuheben.
Das Sozialversicherungsgericht des Kantons Basel-Stadt beantragt die Abweisung
der Beschwerde und verweist zur Begründung auf den angefochtenen Entscheid. Die
Kasse verzichtet auf eine Vernehmlassung. A.________ schliesst sinngemäss auf
Abweisung des Rechtsmittels.

Erwägungen:

1. 
Die Legitimation des SECO zur Einreichung der Beschwerde ergibt sich aus Art.
89 Abs. 2 lit. a BGG in Verbindung mit Art. 102 Abs. 2 AVIG. Die übrigen
Voraussetzungen für das Eintreten auf die Beschwerde sind ebenfalls erfüllt.

2. 
Die Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten kann wegen
Rechtsverletzungen gemäss Art. 95 und 96 BGG erhoben werden. Das Bundesgericht
wendet das Recht von Amtes wegen an (Art. 106 Abs. 1 BGG), doch prüft es, unter
Berücksichtigung der allgemeinen Rüge- und Begründungspflicht (Art. 42 Abs. 1
und 2 BGG), nur die geltend gemachten Vorbringen, falls allfällige weitere
rechtliche Mängel nicht geradezu offensichtlich sind (BGE 138 I 274 E. 1.6 S.
280 mit Hinweis). Das Bundesgericht legt seinem Urteil den Sachverhalt
zugrunde, den die Vorinstanz festgestellt hat (Art. 105 Abs. 1 BGG). Es kann
deren Sachverhaltsfeststellung nur berichtigen oder ergänzen, wenn sie
offensichtlich unrichtig ist oder auf einer Rechtsverletzung im Sinne von Art.
95 BGG beruht (Art. 105 Abs. 2 BGG).

3. 
Nach Art. 95 Abs. 1 AVIG in Verbindung mit Art. 25 Abs. 1 ATSG sind
unrechtmässig bezogene Leistungen zurückzuerstatten. Zu Unrecht bezogene
Geldleistungen, die auf einer formell rechtskräftigen Verfügung beruhen,
können, unabhängig davon, ob die zur Rückforderung Anlass gebenden Leistungen
förmlich oder formlos verfügt worden sind, nur zurückgefordert werden, wenn
entweder die für die Wiedererwägung (wegen zweifelloser Unrichtigkeit und
erheblicher Bedeutung der Berichtigung) oder die für die prozessuale Revision
(wegen vorbestandener neuer Tatsachen oder Beweismittel) bestehenden
Voraussetzungen erfüllt sind (Art. 53 ATSG; BGE 130 V 318 E. 5.2 in fine S.
320; 129 V 110 E. 1.1).

4.

4.1. Der ab 1. Januar 2013 als arbeitslos gemeldete Versicherte fand für die
Zeit vom 1. Januar bis 31. März 2013 eine befristete Anstellung als Croupier
für die C.________ AG in Y.________. Mit Vereinbarung vom 20. März 2013 wurde
das Arbeitsverhältnis um einen Monat bis 30. April 2013 verlängert. In dieser
befristeten Anstellung wurde ein monatlicher Lohn von Fr. 5'128.80, und somit
unbestrittenermassen mehr als 70 % des ursprünglich von der Kasse auf Fr.
6'888.- festgesetzten versicherten Verdienstes, erzielt. Im angefochtenen
Entscheid wird dazu festgehalten, dass allein der finanzielle Aspekt im Sinne
von Art. 16 Abs. 2 lit. i AVIG für die hier zu prüfende "Verlegung der
Rahmenfristen" nicht entscheidend sei. Schon die Kasse habe festgestellt, dass
die Länge des Arbeitswegs von X.________ nach Y.________ mit einer Dauer von 3
Stunden und 45 Minuten pro Weg tagsüber und bei guten Bahnverbindungen über der
Zumutbarkeitsgrenze nach Art. 16 Abs. 2 lit. f AVIG liege. Zudem sei nach dem
Wortlaut dieser Bestimmung für die Annahme einer Unzumutbarkeit nicht allein
ein langer Arbeitsweg, sondern zusätzlich noch das Fehlen einer angemessenen
Unterkunft am Arbeitsort erforderlich. Im Vertrag zwischen dem Versicherten und
der C.________ AG vom 28. Dezember 2012 sei nicht vorgesehen, dass die
Arbeitgeberin ihm eine Unterkunft auf ihre Kosten zur Verfügung stelle. Eine
solche sei damit während des Engagements in Y.________ nicht "vorhanden"
gewesen. Der Versicherte habe mit anderen Worten eine Unterkunft nahe dem
Arbeitsort in Y.________ erst suchen und entsprechend zusätzliche finanzielle
Belastungen (Mietzins) für eine Zweitwohnung auf sich nehmen müssen. In die
Zeit seines Arbeitsantrittes am 1. Januar 2013 sei zudem ein in Y.________
stattfindendes Wirtschaftstreffen gefallen, weshalb er in einer vom Arbeitgeber
angemieteten Zweizimmerwohnung auf einem überdachten Balkon habe wohnen müssen
und dafür (monatlich) Fr. 650.- bezahlt habe. Nach seinen glaubhaften
Ausführungen anlässlich der Hauptverhandlung vom 17. Juni 2015 seien die
Wohnverhältnisse sehr beengt gewesen. Nach Ende des Wirtschaftstreffens habe er
zwar eine andere Unterkunft für (monatlich) Fr. 600.- gefunden. Es sei jedoch
anzunehmen, dass er nicht nur zu Beginn, sondern für die ganze Dauer des
Engagements in Y.________ nicht über eine angemessene Unterkunft verfügt habe,
denn für monatlich Fr. 600.- lasse sich in einem Winterkurort während der
Wintersaison kein als angemessen zu bezeichnendes Logis finden. Mit Blick auf
diese Umstände erscheine der ursprüngliche Entscheid der Kasse, die Tätigkeit
im Zeitraum vom 1. Januar bis 30. April 2013 als im Sinne von Art. 16 Abs. 2
lit. f AVIG unzumutbar zu qualifizieren und den in diesem Zeitraum erzielten
Lohn als Zwischenverdienst zu behandeln, gut nachvollziehbar. Da es nicht
offensichtlich unrichtig gewesen sei, das Anspruchserfordernis der
Arbeitslosigkeit ab 1. Januar 2013 als erfüllt zu betrachten, sei auch die
Festsetzung der Rahmenfrist für den Leistungsbezug auf den Zeitraum vom 1.
Januar 2013 bis 31. Dezember 2014 nicht zweifellos unrichtig gewesen. Es bleibe
damit bei der ursprünglichen Rahmenfrist für die Beitragszeit vom 1. Januar
2011 bis 31. Dezember 2012 und dem gestützt darauf ermittelten versicherten
Verdienst von Fr. 6'888.-.

4.2. Gegen die vorinstanzliche Argumentation wendet das SECO ein, der
Versicherte habe per 1. Januar 2013 eine auf vier Monate befristete
Vollzeitstelle angetreten, die ihm im Sinne des AVIG ein zumutbares Einkommen
ermöglicht habe. Damit sei offensichtlich, dass er keinen Arbeitsausfall,
geschweige denn einen Verdienstausfall aufweise. Es fehle folglich an einer der
"wesentlichsten" Anspruchsvoraussetzungen. Dem kantonalen Gericht könne nicht
gefolgt werden, soweit es sich auf den unzumutbaren Arbeitsweg abstütze, denn
der Versicherte habe die Arbeitsstelle selber ausgesucht und als für ihn gut
eingestuft. Den Arbeitsvertrag habe er vor Eintritt der Arbeitslosigkeit
unterschrieben. Zudem habe er ja selber innert nützlicher Frist eine
angemessene Unterkunft gefunden, wenn auch nicht unmittelbar nach der
Beendigung seines alten und nahtlosem Antritt seines neuen
Anstellungsverhältnisses. Die Vorinstanz habe sich auch nicht damit befasst,
dass sich in unmittelbarer Nähe von Y.________ sicherlich eine angemessene
Unterkunft hätte finden lassen. Dies sei aber so oder anders irrelevant, weil
es einerseits an Arbeitslosigkeit fehle und andererseits ein zumutbares
Einkommen vorliege. Der angefochtene Gerichtsentscheid verletze klarerweise
Bundesrecht, weil die Eröffnung einer Rahmenfrist mangels Erfüllung aller
Anspruchsvoraussetzungen nach Art. 8 in Verbindung mit Art. 11 AVIG
offensichtlich unrichtig sei.

4.3. Der Versicherte weist letztinstanzlich darauf hin, dass er zur nach Ende
des Wirtschaftstreffens gefundenen Wohnung im nächsten Dorf mehr als 3 km habe
laufen müssen, weil nach seinen geleisteten Nachtschichten kein Bus mehr
gefahren sei. Zudem werde vom SECO nicht berücksichtigt, dass er durch Annahme
der Stelle in Y.________ und Bezug einer zweiten Unterkunft (neben seinem Logis
in X.________) höhere Miet-, Pendler- und Lebenshaltungskosten gehabt habe,
weshalb auch die wirtschaftliche Zumutbarkeit zu verneinen sei. Diese Kosten
müssten berücksichtigt werden, da sie nur wegen dieser Stelle angefallen seien
und ein Umzug mit Kündigung der Wohnung in X.________ nicht in Frage gekommen
sei, nachdem es sich beim Einsatz in Y.________ von Anfang an um ein
befristetes Arbeitsverhältnis während der Winterhochsaison gehandelt habe.
Schliesslich sei ihm im Vorfeld vom RAV und von der Arbeitslosenkasse
versichert worden, dass der Lohn aus dem befristeten Arbeitsverhältnis als
Zwischenverdienst zu qualifizieren sei, weshalb er in seinem Vertrauen auf
diese Zusicherung geschützt werden müsse.

5.

5.1. Der Anspruch auf Arbeitslosenentschädigung setzt unter anderem voraus,
dass die versicherte Person ganz oder teilweise arbeitslos ist (Art. 8 Abs. 1
lit. a in Verbindung mit Art. 10 AVIG). Dabei gilt als ganz arbeitslos, wer in
keinem Arbeitsverhältnis steht und eine Vollzeitbeschäftigung sucht (Art. 10
Abs. 1 AVIG). Zudem muss sich der Arbeitsuchende beim Arbeitsamt seines
Wohnortes zur Arbeitsvermittlung gemeldet haben (Art. 10 Abs. 3 AVIG). Weiter
setzt der Arbeitslosenentschädigungsanspruch voraus, dass die versicherte
Person einen anrechenbaren Arbeitsausfall erlitten hat (Art. 8 Abs. 1 lit. b in
Verbindung mit Art. 11 AVIG). Ein solcher Arbeitsausfall liegt gemäss Art. 11
Abs. 1 AVIG dann vor, wenn er einen Verdienstausfall zur Folge hat und
mindestens zwei aufeinanderfolgende volle Arbeitstage dauert. Kumulativ
erforderlich sind somit ein Verdienst- und ein Mindestarbeitsausfall.
Art. 11 Abs. 1 AVIG hat die Funktion einer Grundregel, die immer zur Anwendung
gelangt, es sei denn, das Gesetz sehe selbst eine Ausnahme vor. Letzteres
geschieht etwa mit Art. 24 Abs. 5 AVIG (vgl. THOMAS NUSSBAUMER,
Arbeitslosenversicherung, in: Schweizerisches Bundesverwaltungsrecht [SBVR],
Soziale Sicherheit, 3. Aufl. 2016, Rz. 155). Diese im Rahmen der
Zwischenverdienstregelung geltende Bestimmung befreit den Versicherten während
den gesetzlich vorgesehenen Fristen (vgl. Art. 24 Abs. 4 AVIG) vom Erfordernis
des anrechenbaren Arbeitsausfalles, wenn er zur Vermeidung von Arbeitslosigkeit
für wenigstens eine ganze Kontrollperiode eine Vollzeitbeschäftigung annimmt,
deren Entlöhnung geringer ist als die ihm zustehende Arbeitslosenentschädigung
(vgl. BGE 121 V 336 E. 2b S. 339).

5.2. Nach Art. 16 Abs. 1 AVIG muss der Versicherte zur Schadensminderung
grundsätzlich jede Arbeit unverzüglich aufnehmen. Der in Art. 16 AVIG geregelte
Begriff der zumutbaren Arbeit ist massgebende Bezugsgrösse für die
Anspruchsvoraussetzung der Vermittlungsfähigkeit (Art. 15 AVIG), spielt aber
unter anderem auch bei der Beendigung der Arbeitslosigkeit und bei der Frage
nach der Qualifikation einer Tätigkeit als Zwischenverdienst (Art. 24 AVIG)
eine Rolle (NUSSBAUMER, a.a.O., Rz. 290). Die Unzumutbarkeitstatbestände gemäss
Art. 16 Abs. 2 AVIG müssen kumulativ ausgeschlossen sein, damit eine Arbeit als
zumutbar qualifiziert werden kann (BGE 124 V 62). Sie sind somit einzeln
daraufhin zu überprüfen, ob die in Frage stehende Arbeit den jeweiligen
Unzumutbarkeitsgrund erfüllt (Urteil C 137/03 vom 5. April 2004; NUSSBAUMER,
a.a.O., Rz. 293).

5.3. Eine Arbeit ist namentlich unzumutbar, wenn sie einen Arbeitsweg von mehr
als zwei Stunden je für den Hin- und Rückweg notwendig macht und bei welcher
für den Versicherten am Arbeitsort keine angemessene Unterkunft vorhanden ist
oder er bei Vorhandensein einer entsprechenden Unterkunft seine
Betreuungspflicht gegenüber den Angehörigen nicht ohne grössere Schwierigkeiten
erfüllen kann (Art. 16 Abs. 2 lit. f AVIG). Unzumutbarkeit liegt unter anderm
auch vor, wenn die Arbeit dem Versicherten einen Lohn einbringt, der geringer
ist als 70 % des versicherten Verdienstes, es sei denn, er erhalte
Kompensationsleistungen nach Art. 24 AVIG (Art. 16 Abs. 2 lit. i AVIG, erster
Teilsatz).

6.

6.1.

6.1.1. Das SECO vertritt die Auffassung, mangels eines Arbeits- und
Verdienstausfalls sei im vorliegenden Fall gar keine Arbeitslosigkeit
eingetreten, weshalb auch keine Rahmenfrist für den Leistungsbezug hätte
eröffnet werden dürfen.

6.1.2. Das kantonale Gericht seinerseits hat sich bei seiner Beurteilung
insbesondere vom Urteil C 224/03 des damaligen Eidgenössischen
Versicherungsgerichts (seit 1. Januar 2007: I. und II. sozialrechtliche
Abteilungen des Bundesgerichts) vom 1. März 2004 leiten lassen. Darin wurde
erkannt, der Beginn der Rahmenfrist für den Leistungsbezug sei zu Recht auf
einen Zeitpunkt gelegt worden, in dem der damals betroffene Versicherte eine
Tätigkeit als Temporärmitarbeiter ausgeübt hatte. Obwohl der bezogene Lohn
höher als die Arbeitslosenentschädigung gewesen war, qualifizierte das
Eidgenössische Versicherungsgericht diese Tätigkeit als Zwischenverdienst im
Sinne des Art. 24 AVIG, weil eine bloss zweitägige Kündigungsfrist gegeben war.
Denn damit lag keine zumutbare Arbeit im Sinne des Art. 16 Abs. 2 lit. a AVIG
vor. Dies hatte zur Folge, dass der Versicherte auch während der temporären
Anstellung als arbeitslos zu qualifizieren war. Im Übrigen wurde - unter
Hinweis darauf, dass der erzielte Bruttolohn niedriger als die während der
vorangegangenen Umschulung erzielten Bruttotaggelder der Invalidenversicherung,
aber höher als die Taggelder der Arbeitslosenversicherung gewesen war - auch
ein Verdienstausfall nach Art. 11 AVIG bejaht. Damit hatte der dortige
Versicherte die Anspruchsvoraussetzungen für den Bezug von Taggeldern erfüllt,
auch wenn infolge des die Taggeldhöhe übersteigenden Lohnes aus dem
Zwischenverdienst keine Geldleistungen der Arbeitslosenversicherung ausbezahlt
worden waren (Urteil C 224/03 vom 1. März 2004 E. 3).
Vor diesem Hintergrund und weil die neue (ab Beginn befristete) Stelle in
Y.________ nicht nur vom Arbeitsweg her, sondern auch deswegen unzumutbar war,
weil am Arbeitsort eine angemessene Unterkunft fehlte, hat das kantonale
Gericht ein Zurückkommen auf den ursprünglichen Entscheid auf dem Weg der
Wiedererwägung nicht zugelassen. Denn es erscheine - so die Vorinstanz -
angesichts der Umstände gut nachvollziehbar, die Tätigkeit des Versicherten im
Zeitraum von 1. Januar bis 30. April 2013 als Zwischenverdienst zu
qualifizieren. Da es nicht offensichtlich unrichtig gewesen sei, das
Anspruchserfordernis der Arbeitslosigkeit im Sinne von Art. 8 Abs. 1 lit. a in
Verbindung mit Art. 10 AVIG als erfüllt zu betrachten, gelte dies
gleichermassen für die Festsetzung der Rahmenfristen ab 1. Januar 2013.

6.1.3. Es steht ausser Frage, dass eine eingetretene Arbeitslosigkeit im
rechtlichen Sinn immer erst mit der Aufnahme einer nach Art. 16 AVIG zumutbaren
Voll- oder Teilzeitstelle endet (BGE 122 V 34 E. 4c/bb S. 40, 114 V 345 E. 2d
S. 349; NUSSBAUMER, a.a.O., Rz. 149 und 411; BORIS RUBIN, Commentaire de la loi
sur l'assurance-chômage, 2014, N. 5 zu Art. 10 AVIG). Und wenn die gefestigte
Rechtsprechung die "insbesondere lohnmässig" zumutbare Arbeit als
Ausschlussgrund für die Annahme von Zwischenverdienst nennt (BGE 121 V 51 E. 2
S. 54, 120 V 233 E. 5c S. 250), bedeutet dies gewiss nicht, dass eine
allenfalls aus anderen Gründen bestehende Unzumutbarkeit zur Beendigung der
Arbeitslosigkeit und zum Ausschluss von Art. 24 AVIG führen würde (vgl. E. 5.3
hiervor). Anderseits erscheint kaum nachvollziehbar - und insofern ist dem
beschwerdeführenden SECO beizupflichten -, den Eintritt der Arbeitslosigkeit
und damit den Beginn der Rahmenfristen auf einen Zeitpunkt zu legen, in dem es
an einem anrechenbaren Arbeitsausfall fehlte, ohne dass zugleich die
Voraussetzungen eines ausnahmsweisen Verzichts auf dieses Erfordernis gemäss
Art. 24 Abs. 5 AVIG gegeben waren. Denn der Wortlaut dieser Bestimmung bezieht
sich explizit ausschliesslich auf die (unzumutbare) Entlöhnung, derweil er die
übrigen in Art. 16 Abs. 2 AVIG aufgezählten Unzumutbarkeitsgründe unerwähnt
lässt. Dies spräche an sich gegen die Zulässigkeit einer weitergehenden Sicht,
wie sie nicht nur im besagten Urteil C 224/03 vom 1. März 2004, sondern ebenso
im Urteil C 253/06 vom 6. November 2007 E. 5.1.2 vertreten wurde.
Ob an dem in diesen Urteilen Erwogenen in allen Teilen weiter festzuhalten ist,
kann hier letztlich offen bleiben, wie sogleich zu zeigen ist.

6.2.

6.2.1. Wenn beim Beschwerdeführer ab 1. Januar 2013 keine Arbeitslosigkeit,
namentlich kein anrechenbarer Arbeitsausfall bestand, da er eine
Vollzeitbeschäftigung aufgenommen hatte, die ihm jedenfalls aus Sicht der
Entlöhnung gemäss Art. 16 Abs. 2 lit. i AVIG unbestrittenermassen zumutbar war,
dann fiel die Ansetzung einer Rahmenfrist ab diesem Zeitpunkt ausser Betracht.
Und weil sich der Beschwerdeführer aus freien Stücken zu einem solchen Schritt
entschied, bleibt eine allfällige Unzumutbarkeit nach Art. 16 Abs. 2 lit. f
AVIG unerheblich. Selbst wenn diese vom SECO vertretene Sicht zutrifft und das
kantonale Gericht in diesem Zusammenhang - ebenso wie zunächst die Verwaltung
selbst - in rechtlicher Hinsicht von einem falschen Verständnis ausgegangen
ist, führt dies nicht zwangsläufig zur Gutheissung der Beschwerde. Für ein
Rückkommen auf die angesetzte Rahmenfrist bedarf es eines entsprechenden
Titels, wobei im vorliegenden Fall lediglich derjenige der Wiedererwägung (Art.
53 Abs. 2 ATSG) in Betracht fällt. Obwohl bei unrichtiger Rechtsanwendung die
Wiedererwägungsvoraussetzung der zweifellosen Unrichtigkeit in der Regel bejaht
wird, ist davon unter den hier gegebenen Umständen ausnahmsweise abzusehen
(vgl. SVR 2011 ALV Nr. 5 S. 11 E. 5, 8C_721/2010, ebenfalls publiziert in ARV
2011 S. 160). Denn die von der Verwaltung ursprünglich vertretene
Rechtsauffassung, nämlich die Annahme des Eintritts von Arbeitslosigkeit trotz
unmittelbar auf den Stellenverlust folgender Aufnahme einer neuen, aber
unzumutbaren Tätigkeit, liess sich immerhin mit den zuvor zitierten Urteilen
des Eidgenössischen Versicherungsgerichts begründen. Aufgrund der verbindlichen
vorinstanzlichen Tatsachenfeststellungen (vgl. E. 4.1 hiervor) kann die
Unterbringung des Beschwerdeführers in Y.________ wenigstens in der
Anfangsphase nicht als angemessen bezeichnet werden. Der Schluss des kantonalen
Gerichts von der - zumindest zu Beginn der Arbeitsaufnahme in Y.________
bestehenden - Unzumutbarkeit auf eine ab Januar 2013 eingetretene
Arbeitslosigkeit erweist sich daher nicht als unhaltbar.

6.2.2. Die ursprüngliche Eröffnung einer Rahmenfrist für den Leistungsbezug vom
1. Januar 2013 bis 31. Dezember 2014 durch die Arbeitslosenkasse war damit
nicht geradezu zweifellos unrichtig. Mit der Vorinstanz hat es demnach beim
anfänglich auf Fr. 6'888.- festgesetzten versicherten Verdienst, basierend auf
den Einkünften in der früheren Anstellung bei der B.________ AG - der Einbezug
der im November und Dezember 2012 von der damaligen Arbeitgeberin
ausgerichteten Leistungs- und Verhaltensprämien in die Berechnung des
versicherten Verdienstes wird letztinstanzlich nicht mehr gerügt - sein
Bewenden.

6.3. Damit dringt das SECO im Ergebnis nicht durch, was zur Abweisung seiner
Beschwerde führt.

7. 
Es werden keine Gerichtskosten erhoben (Art. 66 Abs. 4 BGG).

 Demnach erkennt das Bundesgericht:

1. 
Die Beschwerde wird abgewiesen.

2. 
Es werden keine Gerichtskosten erhoben.

3. 
Dieses Urteil wird den Parteien und dem Sozialversicherungsgericht des Kantons
Basel-Stadt schriftlich mitgeteilt.

Luzern, 17. Mai 2016
Im Namen der I. sozialrechtlichen Abteilung
des Schweizerischen Bundesgerichts

Der Präsident: Maillard

Die Gerichtsschreiberin: Berger Götz

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