Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

I. Sozialrechtliche Abteilung, Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten 8C.649/2015
Zurück zum Index I. Sozialrechtliche Abteilung, Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten 2015
Retour à l'indice I. Sozialrechtliche Abteilung, Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten 2015


Wichtiger Hinweis:
Diese Website wird in älteren Versionen von Netscape ohne graphische Elemente
dargestellt. Die Funktionalität der Website ist aber trotzdem gewährleistet.
Wenn Sie diese Website regelmässig benutzen, empfehlen wir Ihnen, auf Ihrem
Computer einen aktuellen Browser zu installieren.
Zurück zur Einstiegsseite Drucken
                                                               Grössere Schrift

Bundesgericht
Tribunal fédéral
Tribunale federale
Tribunal federal

[8frIR2ALAGK1]     
{T 0/2}
                   
8C_649/2015

Urteil vom 28. Januar 2016

I. sozialrechtliche Abteilung

Besetzung
Bundesrichter Maillard, Präsident,
Bundesrichter Ursprung, Bundesrichterin Heine,
Gerichtsschreiberin Schüpfer.

Verfahrensbeteiligte
 HOTELA Versicherungen AG, Rue de la Gare 18,
1820 Montreux, vertreten durch Rechtsanwalt Lorenz Fivian,
Beschwerdeführerin,

gegen

 A.________, vertreten durch Rechtsanwalt Dominique Chopard,
Beschwerdegegnerin.

Gegenstand
Unfallversicherung (Kausalzusammenhang),

Beschwerde gegen den Entscheid des Kantonsgerichts Wallis vom 10. Juli 2015.

Sachverhalt:

A. 
Die 1982 geborene A.________ war als Zimmerfrau im Hotel B.________ tätig und
dadurch bei der HOTELA Versicherungen AG (nachfolgend: Hotela) obligatorisch
gegen Unfallfolgen versichert. Am 20. April 2011 erlitt sie als Beifahrerin
einen Autounfall, wobei sie sich nebst einer Commotio cerebri insbesondere
multiple Rissquetschwunden im Bereich der rechten Hand mit einer subtotalen
Läsion der Extensorsehne des dritten Fingers, einer Gelenkseröffnung des PIP
(Fingermittelgelenk) und einer Knochenabrasion im Bereich des Köpfchens der
proximalen Phalanx dieses Fingers zuzog. Die Hotela gewährte Heilbehandlung und
richtete Taggeld aus. Unter anderem liess sie die Versicherte durch den
orthopädischen Chirurgen Dr. med. C.________ gutachterlich untersuchen. Gemäss
Expertise vom 18. November 2011 bestand eine Arbeitsfähigkeit von 50% in der
angestammten Tätigkeit; der festgestellte Morbus Sudeck bessere sich nur
langsam; die Behandlung sei noch nicht abgeschlossen. Mit Verfügung vom 29.
Februar 2012 stellte die Unfallversicherung fest, spätestens seit dem 1.
Oktober 2011 läge keine organische Gesundheitsschädigung mehr vor, die auf den
versicherten Unfall zurückzuführen sei, weshalb sie ab diesem Zeitpunkt keine
Leistungen mehr erbringe. Auf Einsprache der A.________ hin holte die Hotela,
nebst weiteren Abklärungen, eine polydisziplinäre Expertise bei der
interdisziplinären medizinischen Gutachterstelle MEDAS Zentralschweiz
(nachfolgend: Medas) ein (Gutachten vom 7. November 2013). Gestützt darauf
hiess die Unfallversicherung die Einsprache mit Entscheid vom 16. Mai 2014 in
dem Sinne teilweise gut, als sie sich verpflichtete, Versicherungsleistungen
bis zum 31. Mai 2012 auszurichten. Danach fehle es an einem adäquaten
Kausalzusammenhang zwischen den geklagten psychischen Beschwerden und dem
versicherten Unfall.

B. 
Die von A.________ gegen den Einspracheentscheid vom 16. Mai 2014 erhobene
Beschwerde hiess das Kantonsgericht Wallis in dem Sinne gut als es die Hotela
verpflichtete, die gesetzlichen Leistungen in Form von Heilbehandlung und
Taggeld weiterhin zu erbringen.

C. 
Die Hotela führt Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten mit dem
Rechtsbegehren, der kantonale Gerichtsentscheid sei aufzuheben und der
Einspracheentscheid vom 16. Mai 2014 zu bestätigen. Ferner wird darum ersucht,
der Beschwerde die aufschiebende Wirkung zu erteilen.
 A.________ schliesst auf Abweisung der Beschwerde. Das kantonale Gericht und
das Bundesamt für Gesundheit verzichten auf eine Vernehmlassung.

Erwägungen:

1. 
Mit der Beschwerde kann eine Rechtsverletzung nach Art. 95 f. BGG gerügt
werden. Das Bundesgericht wendet das Recht von Amtes wegen an (Art. 106 Abs. 1
BGG). Dennoch prüft es - offensichtliche Fehler vorbehalten - nur die in seinem
Verfahren beanstandeten Rechtsmängel (Art. 42 Abs. 1 f. BGG; BGE 135 II 384 E.
2.2.1 S. 389).
Im Beschwerdeverfahren um die Zusprechung oder Verweigerung von Geldleistungen
der Militär- oder Unfallversicherung ist das Bundesgericht nicht an die
vorinstanzliche Feststellung des rechtserheblichen Sachverhalts gebunden (Art.
97 Abs. 2 und Art. 105 Abs. 3 BGG).

2. 
Streitig ist die Leistungspflicht der Unfallversicherung ab 1. Juni 2012.
Die Vorinstanz hat die Bestimmungen und Rechtsprechung zu dem für die
Leistungspflicht des obligatorischen Unfallversicherers nebst anderem
erforderlichen natürlichen und adäquaten Kausalzusammenhang zwischen dem Unfall
und dem eingetretenen Schaden richtig dargelegt. Darauf wird verwiesen.

3. 
Das kantonale Gericht hat erkannt, gemäss Gutachten der Medas sei im
Heilungsverlauf der rechten Hand der Endzustand erreicht und die empfohlene
ergotherapeutische Behandlung diene nur noch der Verbesserung der Funktion und
der Schmerzlinderung. Demnach habe die Hotela den Fall zu Recht abgeschlossen.
Zu prüfen bleibe, ob die noch behandlungsbedürftigen psychischen Beschwerden in
einem adäquaten Kausalzusammenhang zum versicherten Unfallereignis stehen (vgl.
BGE 134 V 109 E. 3 und 4 S. 112 ff.). Das wird auch von der Beschwerdegegnerin
nicht bestritten.

4. 
Der adäquate Kausalzusammenhang zwischen dem Unfall der Versicherten vom 20.
April 2011 und ihren psychischen Beschwerden ist unbestrittenermassen nach der
Praxis zu den psychischen Unfallfolgen zu beurteilen. Dabei sind die
psychischen Beschwerdekomponenten des Gesundheitsschadens auszuklammern (BGE
115 V 133; vgl. auch BGE 134 V 109 E. 6.1 S. 116). Einigkeit herrscht unter den
Parteien auch darüber, dass das Unfallereignis den mittelschweren Unfällen im
engeren Sinn zuzurechnen ist, weshalb die Adäquanz nur bejaht werden kann, wenn
mindestens drei der sieben Adäquanzkriterien erfüllt sind oder eines besonders
ausgeprägt vorliegt (BGE 115 V 133 E. 6c/aa S. 140; SVR 2013 UV Nr. 3 S. 7 E.
5.2.3 und 6 Ingress [8C_389/2012]).

5. 
Die Vorinstanz bejahte in einfacher Form die drei Adäquanzkriterien der
körperlichen Dauerschmerzen, des schwierigen Heilungsverlaufs mit erheblichen
Komplikationen und des Grades und der Dauer der physisch bedingten
Arbeitsunfähigkeit. Die übrigen Kriterien erachtete sie als nicht erfüllt.

6.

6.1. Das kantonale Gericht bezeichnete das Kriterium der körperlichen
Dauerschmerzen mit der Begründung als erfüllt, die Versicherte leide gemäss
rheumatologischer Medas-Beurteilung an einem chronischen und
therapierefraktären Verlauf, der ihr nicht mehr erlaube, in ihrem angestammten
Beruf als Zimmerfrau in einem Hotel zu mehr als 50 % zu arbeiten.

6.2. Gemäss rheumatologischem Medas-Teilgutachten vom 3. Juni 2013 leidet die
Versicherte neben einem Residualzustand mit leichter Funktionseinschränkung und
einer Minderbelastbarkeit der rechten Hand, Finger II bis IV, an einem diffusen
oberen Quadrantenschmerzsyndrom rechts sowie einem diffusen myofaszialen
Schmerzsyndrom lumboiliosakral beidseits. Der Gutachter führt in seiner
medizinischen Beurteilung aus, von rheumatologischer Seite her könne dieses
ausweitende, therapierefraktäre, persistierende zervikale Schmerzsyndrom nicht
durch entsprechende organische Befunde begründet werden. Bezüglich der
organisch nachgewiesenen Unfallfolgen in Form eines Residualzustandes nach
Handverletzung mit einer leichtgradigen Bewegungseinschränkung werden im
Gutachten keine Dauerbeschwerden vermerkt. Da die als körperlich imponierenden,
organisch jedoch nicht hinreichend erklärbaren Beschwerden bei einer Prüfung
der Adäquanz nach BGE 115 V 133 nicht in die Beurteilung einzubeziehen sind,
ist das Kriterium entgegen der Vorinstanz nicht erfüllt. Die Tatsache, dass in
der angestammten Tätigkeit eine andauernde (Teil-) Arbeitsunfähigkeit
attestiert wurde, kann bei der Beurteilung des Adäquanz-Kriteriums der
Dauerschmerzen keine Beachtung finden, bildet die Frage der langandauernden
Arbeitsunfähigkeit doch ein eigenes Kriterium.

7. 

7.1. Das Kriterium des Grades und der Dauer der physisch bedingten
Arbeitsunfähigkeit bezieht sich nicht allein auf das Leistungsvermögen im
angestammten Beruf (SVR 2012 UV Nr. 23 S. 83 E. 4.2.6 [8C_435/2011]; RKUV 2011
Nr. U 422 S. 544 [U 56/00]; Urteil 8C_871/2014 E. 7.1). Es sind nur jene Zeiten
zu berücksichtigen, welche die versicherte Person aufgrund einer rein
physischen Betrachtungsweise arbeitsunfähig war.

7.2. Die Vorinstanz qualifiziert dieses Kriterium mit der Begründung als
erfüllt, die Versicherte könne ihrem angestammten Beruf als Zimmermädchen
dauerhaft nur noch zu 50 % nachgehen und eine angepasste Tätigkeit sei ihr nur
mit Einschränkungen möglich. Darin kann ihr nicht gefolgt werden. Das kantonale
Gericht hat nicht berücksichtigt, dass die Versicherte gemäss zusammenfassender
medizinischer Beurteilung der Medas in einer die Minderbelastbarkeit der
rechten Hand berücksichtigenden, körperlich leichten, nicht ständig repetitiven
und nicht ausgesprochen feinmotorischen Tätigkeit aus physischen Gründen in der
Arbeitsfähigkeit nicht eingeschränkt ist. Der vollumfänglichen Verwertung
dieser aus somatischer Sicht zumutbaren Arbeitsfähigkeit stehen gemäss
Gutachten nur psychiatrische Befunde entgegen. Diese sind indessen, wie
dargelegt, bei der Kausalitätsbeurteilung nach Massgabe der Rechtsprechung
gemäss BGE 115 V 133 nicht zu berücksichtigen. Auch dieses Kriterium ist daher
nicht erfüllt.

8. 
Sind diese beiden Kriterien zu verneinen, kann offen bleiben, ob mit der
Vorinstanz das Kriterium des schwierigen Heilungsverlaufs und der erheblichen
Komplikationen als gegeben zu betrachten ist. Denn es liegt sicherlich nicht in
besonders ausgeprägter Form vor. Damit ist maximal ein Kriterium - und dieses
nicht qualifiziert - erfüllt. Dies führt zur Verneinung der adäquaten
Unfallkausalität der psychischen Beschwerden und damit zur Gutheissung der
Beschwerde.

9. 
Das Gesuch um aufschiebende Wirkung der Beschwerde wird mit heutigem Urteil
gegenstandslos.

10. 
Die unterliegende Versicherte trägt die Verfahrenskosten (Art. 66 Abs. 1, Art.
68 Abs. 2 BGG).

Demnach erkennt das Bundesgericht:

1. 
Die Beschwerde wird gutgeheissen. Der Entscheid des Kantonsgerichts Wallis vom
10. Juli 2015 wird aufgehoben und der Einspracheentscheid der HOTELA
Versicherungen AG vom 16. Mai 2014 bestätigt.

2. 
Die Gerichtskosten von Fr. 800.- werden der Beschwerdegegnerin auferlegt.

3. 
Dieses Urteil wird den Parteien, dem Kantonsgericht Wallis und dem Bundesamt
für Gesundheit schriftlich mitgeteilt.

Luzern, 28. Januar 2016

Im Namen der I. sozialrechtlichen Abteilung
des Schweizerischen Bundesgerichts

Der Präsident: Maillard

Die Gerichtsschreiberin: Schüpfer

Navigation

Neue Suche

ähnliche Leitentscheide suchen
ähnliche Urteile ab 2000 suchen

Drucken nach oben