Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

I. Sozialrechtliche Abteilung, Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten 8C.647/2015
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Bundesgericht
Tribunal fédéral
Tribunale federale
Tribunal federal

[8frIR2ALAGK1]     
{T 0/2}
                   
8C_647/2015

Urteil vom 26. November 2015

I. sozialrechtliche Abteilung

Besetzung
Bundesrichterin Leuzinger, Präsidentin,
Bundesrichter Maillard, Bundesrichterin Heine,
Gerichtsschreiberin Weber Peter.

Verfahrensbeteiligte
 A.________,
vertreten durch Rechtsanwalt Daniel Altermatt,
Beschwerdeführer,

gegen

Schweizerische Unfallversicherungsanstalt (SUVA), Fluhmattstrasse 1, 6004
Luzern,
Beschwerdegegnerin.

Gegenstand
Unfallversicherung (Kausalzusammenhang),

Beschwerde gegen den Entscheid des Versicherungsgerichts des Kantons Solothurn
vom 13. Juli 2015.

Sachverhalt:

A. 
Der 1960 geborene A.________ war bei der Firma B.________ angestellt und
aufgrund dieses Arbeitsverhältnisses bei der Schweizerischen
Unfallversicherungsanstalt (SUVA) gegen die Folgen von Unfällen versichert, als
er am 30. Juni 2010 bei Dachdeckerarbeiten ausrutschte und sich beim
anschliessenden Sturz eine Schulterluxation rechts zuzog. Die SUVA erbrachte in
der Folge die gesetzlichen Leistungen. Ab 9. August 2010 war der Versicherte
wieder voll arbeitsfähig. Bereits im Oktober 2008 hatte sich A.________ beim
Heben eines schweren Gegenstandes an der rechten Schulter eine grosse
Unterflächenpartialläsion der Supraspinatussehne, eine Partialläsion des
Subscapularis sowie eine Bicepssehnenruptur zugezogen, wofür die SUVA mangels
Unfallereignis Leistungen ablehnte.
Am 24. Oktober 2011 wurde eine komplette Ruptur der Supraspinatussehne
festgestellt. Mit Verfügung vom 17. Januar 2013 verneinte die SUVA einen
Anspruch auf Versicherungsleistungen, da es an einem zumindest wahrscheinlichen
Kausalzusammenhang zwischen dem Unfall vom 30. Juni 2010 und den ab Oktober
2011 abgeklärten und behandelten rechtsseitigen Schulterbeschwerden fehle und
vielmehr Folgen des Schadenfalls vom 2. Oktober 2008 vorlägen. Die dagegen
erhobene Einsprache, in deren Folge u.a. ein Schreiben des Dr. med. C.________,
Chefarzt a.i. am Spital D.________, Klinik für Orthopädische Chirurgie und
Traumatologie des Bewegungsapparates, vom 25. November 2013 aufgelegt wurde,
wies die SUVA mit Einspracheentscheid vom 17. März 2014 ab, nachdem sie zuvor
eine Beurteilung des Kreisarztes Dr. med. E.________, Facharzt für Chirurgie,
vom 6. März 2014 eingeholt hatte.

B. 
Die dagegen erhobene Beschwerde, in deren Folge ein Bericht der PD Dr. med.
F.________, leitende Ärztin am Spital D.________, Orthopädie und Traumatologie
des Bewegungsapparates, vom 5. August 2014 und von Seiten der
Unfallversicherung eine Beurteilung des SUVA-Arztes Dr. med. G.________,
Facharzt für Chirurgie FMH sowie Orthopädische Chirurgie und Traumatologie des
Bewegungsapparates, vom 28. August 2014 eingereicht wurden, wies das
Versicherungsgericht des Kantons Solothurn mit Urteil vom 13. Juli 2015 ab.

C. 
Der Versicherte lässt Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten
führen mit den Rechtsbegehren, in Aufhebung des kantonalen Gerichtsentscheides
sei festzustellen, dass die Ruptur der Supraspinatussehne rechts Folge des
Unfallereignisses vom 30. Juni 2010 sei. Eventualiter sei ein medizinisches
Gutachten anzuordnen zur Beantwortung der Frage, ob das Unfallereignis vom 30.
Juni 2010 die (alleinige) Ursache oder zumindest eine Teilursache für die
Ruptur der Supraspinatussehne rechts sei.
Während die SUVA auf Abweisung der Beschwerde schliesst, verzichtet das
Bundesamt für Gesundheit auf eine Vernehmlassung.

Erwägungen:

1.

1.1. Die Beschwerde kann wegen Rechtsverletzung gemäss Art. 95 und Art. 96 BGG
erhoben werden. Das Bundesgericht wendet das Recht von Amtes wegen an (Art. 106
Abs. 1 BGG). Es ist somit weder an die in der Beschwerde geltend gemachten
Argumente noch an die Erwägungen der Vorinstanz gebunden; es kann eine
Beschwerde aus einem anderen als dem angerufenen Grund gutheissen und es kann
sie mit einer von der Argumentation der Vorinstanz abweichenden Begründung
abweisen (vgl. BGE 132 II 257 E. 2.5 S. 262; 130 III 136 E. 1.4 S. 140). Gemäss
Art. 42 Abs. 1 BGG ist die Beschwerde hinreichend zu begründen, andernfalls
wird darauf nicht eingetreten (Art. 108 Abs. 1 lit. b BGG). Das Bundesgericht
prüft grundsätzlich nur die geltend gemachten Rügen; es ist nicht gehalten, wie
eine erstinstanzliche Behörde alle sich stellenden rechtlichen Fragen zu
prüfen, wenn diese vor Bundesgericht nicht mehr vorgetragen wurden. Es kann die
Verletzung von Grundrechten und von kantonalem und interkantonalem Recht nur
insofern prüfen, als eine solche Rüge in der Beschwerde vorgebracht und
begründet worden ist (Art. 106 Abs. 2 BGG).

1.2. Im Beschwerdeverfahren um die Zusprechung oder Verweigerung von
Geldleistungen der Militär- oder Unfallversicherung ist das Bundesgericht nicht
an die vorinstanzliche Feststellung des rechtserheblichen Sachverhalts gebunden
(Art. 97 Abs. 2 und Art. 105 Abs. 3 BGG).

2.

2.1. Im angefochtenen Entscheid werden die für die Beurteilung der Streitsache
massgebenden rechtlichen Grundlagen, namentlich betreffend den für den
Leistungsanspruch nebst anderem vorausgesetzten natürlichen Kausalzusammenhang
zwischen dem Unfall und dem eingetretenen Gesundheitsschaden (BGE 129 V 177 E.
3.1 S. 181 mit Hinweisen), insbesondere auch bei Rückfällen und Spätfolgen
(RKUV 1997 Nr. U 275 S. 191, U 93/96, E. 1c in fine, 1994 Nr. U 206 S. 328, U
180/93, E. 3b) zutreffend dargelegt. Gleiches gilt in Bezug auf den im
Sozialversicherungsrecht üblichen Beweisgrad der überwiegenden
Wahrscheinlichkeit (BGE 129 V 177 E. 3.1 S. 181 mit Hinweisen) sowie die
Ausführungen zum Beweiswert und zur Beweiswürdigung medizinischer Berichte und
Gutachten (BGE 135 V 465 E. 4.3 S. 468 ff.; 125 V 351 E. 3 S. 352). Korrekt
sind auch die Hinweise zum Untersuchungsgrundsatz (Art. 61 lit. c ATSG) und zur
Beweislast im Sozialversicherungsprozess (BGE 117 V 261 E. 3b S. 264). Darauf
wird verwiesen.

2.2. Zu betonen ist, dass bei Entscheiden gestützt auf versicherungsinterne
ärztliche Beurteilungen, die im Wesentlichen oder ausschliesslich aus dem
Verfahren vor dem Sozialversicherungsträger stammen, an die Beweiswürdigung
strenge Anforderungen zu stellen sind. Bestehen auch nur geringe Zweifel an der
Zuverlässigkeit und Schlüssigkeit der ärztlichen Feststellungen, ist eine
versicherungsexterne medizinische Begutachtung im Verfahren nach Art. 44 ATSG
oder ein Gerichtsgutachten anzuordnen (BGE 139 V 225 E. 5.2 S. 229; 135 V 465
E. 4.4 S. 470).

3. 
Streitig und zu prüfen ist, ob die SUVA für die am 24. Oktober 2011
festgestellte Ruptur der Supraspinatussehne leistungspflichtig ist, bzw. ob die
Sehnenruptur mit überwiegender Wahrscheinlichkeit auf den Unfall vom 30. Juni
2010 zurückzuführen ist.

4.

4.1. Nach Würdigung der medizinischen Aktenlage gelangte die Vorinstanz zum
Schluss, es sei nicht überwiegend wahrscheinlich, dass der Unfall vom 30. Juni
2010 zur Sehnenruptur führte bzw. einen vorbestehenden Krankheitszustand
richtungsweisend verschlechterte. Es sei vielmehr davon auszugehen, dass kein
ursächlicher Zusammenhang zwischen dem Unfallereignis und der später
eingetretenen Gesundheitsschädigung bestehe. Sie stützte sich dabei in
Bestätigung der Verwaltung auf die Berichte der SUVA-Kreisärzte, insbesondere
die ausführliche Stellungnahme des SUVA-Arztes Dr. med. G.________ vom 28.
August 2014. Sie erwog, die SUVA-Ärzte würden nachvollziehbar und überzeugend
darlegen, dass diese Läsion (Ruptur der Supraspinatussehne) einerseits ohne
weiteres mit dem Fortschreiten der vorbestehenden, krankhaften
Degenerationserscheinungen an der rechten Schulter erklärt werden könne.
Anderseits werde festgehalten, dass zwei Wochen nach dem Unfall noch keine
Ruptur im Sinne einer unterbrochenen Sehnenkontinuität nachweisbar gewesen sei.
Die übrigen Arztberichte in den Akten seien nicht geeignet, Zweifel an dieser
Einschätzung zu wecken. Zum abweichenden Bericht des Dr. med. C.________ führte
die Vorinstanz aus, dieser halte es zwar für wahrscheinlicher, dass die
Reruptur auf die Schulterluxation zurückgehe als auf einen krankhaften Prozess.
Er räume aber zugleich ein, dass im Juli 2010 kein vollständiger Riss der Sehne
vorgelegen habe, und er könne nicht ausschliessen, dass die damals
ersichtlichen Veränderungen der Rotatorenmanschette im Gefolge der Operation
von 2008 entstanden seien. Der Standpunkt der SUVA-Ärzte werde deshalb durch
die abweichende Auffassung von Dr. med. C.________ nicht widerlegt. Verstehe
man ihn so, dass 2010 keine komplette Ruptur vorgelegen habe, sondern nur eine
weniger weitgehende Läsion der Sehne, so stehe dies sogar in Einklang mit dem
SUVA-Arzt Dr. med. G.________, der einen Defekt mit Austritt von Kontrastmittel
bejaht habe. Auch die Aussage von Dr. med. H.________, die Supraspinatussehne
sei "vorwiegend" intakt, sei in diesem Sinne zu deuten; von einer Totalruptur
sei bei ihm nicht die Rede.

4.2. Der Beschwerdeführer wendet dagegen ein, die Vorinstanz habe nicht
geprüft, ob der Unfall vom 30. Juni 2010 nicht zumindest eine Teilursache für
die Ruptur der Supraspinatussehne rechts darstelle, was genüge um die
Kausalität zu bejahen. Aus den Berichten der Dres. C.________ und F.________
ergäbe sich, dass der Unfall zumindest eine Teilursache für die Sehnenruptur
sei. Jedenfalls hätten diese Berichte die Vorinstanz veranlassen müssen, die
Kausalitätsfrage durch ein medizinisches Gutachten klären zu lassen.

5. 

5.1. Diese Auffassung des Beschwerdeführers ist nicht von der Hand zu weisen.
Der SUVA-Arzt Dr. med. G.________ hält in seiner Stellungnahme vom 28. August
2014, worin er sich mit den abweichenden Auffassungen der externen Fachärzte
auseinandersetzt und worauf das kantonale Gericht schlussendlich abstellt,
zusammenfassend fest, dass die Luxation nicht zu einer Ruptur der Sehne geführt
habe. Beim Abwägen der Argumente, die für oder gegen einen ursächlichen
Zusammenhang des Rezidivdefekts mit der Schulterluxation sprächen, seien von
besonderer Bedeutung der fehlende Nachweis eines strukturellen Defektes und der
fehlende Funktionsausfall in den zeitnah zur Luxation erfolgten körperlichen
und apparativen Untersuchungen. Wie Dr. med. G.________ gehen zwar auch die
versicherungsexternen Fachärzte Dres. C.________ und F.________ davon aus, dass
die refixierte Supraspinatussehne am 30. Juni 2010 nicht total gerissen ist,
eine Läsion als mögliche Teilursache wird aber nicht ausgeschlossen. So stellt
sich Dr. med. C.________ auf den Standpunkt, die Luxation habe mit
überwiegender Wahrscheinlichkeit zu einer nicht transmuralen Teilverletzung
geführt, welche sich während des folgenden Jahres zu einer vollständigen
transmuralen Ruptur entwickelt habe. Die Hypothese, der Beschwerdeführer habe
während der zwei Jahre bis zur Schulterluxation über eine gut funktionierende
operierte Rotatorenmanschette verfügt, und erst mit dem dritten postoperativen
Jahr sei es unabhängig vom Trauma zu einem grossen degenerativen Defekt der
Supraspinatussehne gekommen, erscheine ihm deutlich weniger wahrscheinlich.
Gemäss Dr. med. F.________ ist u.a. der Austritt von Kontrastmittel bei der
nach der Luxation durchgeführten MRI-Untersuchung vom 14. Juli 2010 ein klarer
Hinweis auf eine unterbrochene Kontinuität der Rotatorenmanschette. Der
Austritt von Kontrastmittel belege eine Läsion. Die Vorinstanz erwog dazu, Dr.
med. G.________ bestreite dies an sich nicht, differenziere aber klar zwischen
Defekten und einem vollständigen Riss der Sehne. Entgegen den Ausführungen des
Dr. med. G.________ bestätigt Dr. med. C.________ nicht, dass im MRI keine auf
die Schulterluxation zurückführende strukturelle Läsion dargestellt wird,
vielmehr bejaht er lediglich, dass keine vollständige transmurale
Rotatorenmanschettenläsion vorgelegen habe. Eine Teilkausalität ist mithin
nicht ohne weiteres ausgeschlossen.
Mit Blick auf die gezeigte Ausgangslage gilt festzustellen, dass die
versicherungsexternen fachärztlichen Stellungnahmen mit Bezug auf die relevante
Frage der Teilkausalität zumindest geringe Zweifel (vgl. E. 2.2) an der
Schlüssigkeit und Beweiskraft der versicherungsinternen Beurteilung des Dr.
med. G.________ zu begründen vermögen. Der Standpunkt der SUVA-Ärzte braucht
dabei nicht widerlegt zu werden.

5.2. Aufgrund der aktuellen Aktenlage lässt sich die Frage der Teilkausalität
mithin nicht schlüssig beantworten, womit es einer externen medizinischen
Abklärung bedarf.

6. 
Nach dem Gesagten ist die Sache an die Vorinstanz zurückzuweisen, damit sie zur
Beurteilung der Frage der Kausalität ein medizinisches Gerichtsgutachten
einhole und danach über die Beschwerde neu entscheide.

7. 
Die Rückweisung der Sache an den Versicherungsträger oder an das
vorinstanzliche Gericht zu erneuter Abklärung (mit noch offenem Ausgang) gilt
für die Frage der Auferlegung der Gerichtskosten wie auch der
Parteientschädigung als vollständiges Obsiegen im Sinne von Art. 66 Abs. 1
sowie Art. 68 Abs. 1 und 2 BGG, unabhängig davon, ob sie beantragt oder ob das
entsprechende Begehren im Haupt- oder im Eventualantrag gestellt wird (BGE 137
V 210 E. 7.1 S. 271 mit Hinweisen). Demgemäss sind die Gerichtskosten der
Beschwerdegegnerin zu überbinden. Ferner hat sie dem anwaltlich vertretenen
Beschwerdeführer eine Parteientschädigung auszurichten.

 Demnach erkennt das Bundesgericht:

1. 
Die Beschwerde wird teilweise gutgeheissen. Der Entscheid des
Versicherungsgerichts des Kantons Solothurn vom 13. Juli 2015 und der
Einspracheentscheid der Schweizerischen Unfallversicherungsanstalt (SUVA) vom
17. März 2014 werden aufgehoben. Die Sache wird zu neuer Entscheidung an die
Vorinstanz zurückgewiesen. Im Übrigen wird die Beschwerde abgewiesen.

2. 
Die Gerichtskosten von Fr. 800.- werden der Beschwerdegegnerin auferlegt.

3. 
Die Beschwerdegegnerin hat den Beschwerdeführer für das bundesgerichtliche
Verfahren mit Fr. 2800.- zu entschädigen.

4. 
Dieses Urteil wird den Parteien, dem Versicherungsgericht des Kantons Solothurn
und dem Bundesamt für Gesundheit schriftlich mitgeteilt.

Luzern, 26. November 2015

Im Namen der I. sozialrechtlichen Abteilung
des Schweizerischen Bundesgerichts

Die Präsidentin: Leuzinger

Die Gerichtsschreiberin: Weber Peter

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