Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

I. Sozialrechtliche Abteilung, Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten 8C.641/2015
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Bundesgericht
Tribunal fédéral
Tribunale federale
Tribunal federal

[8frIR2ALAGK1]          
8C_641/2015 {T 0/2}     

Urteil vom 12. Januar 2016

I. sozialrechtliche Abteilung

Besetzung
Bundesrichter Maillard, Präsident,
Bundesrichter Ursprung, Bundesrichterin Heine,
Gerichtsschreiber Jancar.

Verfahrensbeteiligte
A.________,
Beschwerdeführer,

gegen

IV-Stelle des Kantons Thurgau, Rechts- und Einsprachedienst, St. Gallerstrasse
11, 8500 Frauenfeld,
Beschwerdegegnerin.

Gegenstand
Invalidenversicherung (Massnahmen beruflicher Art),

Beschwerde gegen den Entscheid des Verwaltungsgerichts des Kantons Thurgau vom
5. August 2015.

Sachverhalt:

A.

A.a. Der 1963 geborene A.________ war Monteur bei der Firma B.________AG. Am
22. Mai 1997 erlitt er bei einem Unfall Frakturen der Metatarsaleköpfchen II-V
rechts, des Os cuneiforme rechts und des Os cuboideum links. Am 6. April 1999
meldete er sich bei der IV-Stelle des Kantons Thurgau zum Leistungsbezug an.
Diese gewährte ihm am 9. Juni 2000 eine Umschulung/BBT-Anlehre zum
Maschinenteil-Zeichner CAD, die er im 2002 erfolgreich abschloss; am 25. Januar
2001 übernahm sie die Kosten für einen Deutsch-Unterricht. Mit unangefochten in
Rechtskraft erwachsenem Entscheid vom 25. Januar 2006 sprach die AHV/
IV-Rekurskommission des Kantons Thurgau dem Versicherten ab 1. Mai 1998 eine
ganze Invalidenrente zu. Mit Verfügung vom 5. November 2013 hob die IV-Stelle
die Invalidenrente auf Ende des folgenden Monats nach Zustellung der Verfügung
auf. Die hiegegen geführte Beschwerde wies das Verwaltungsgericht des Kantons
Thurgau mit Entscheid vom 19. Februar 2014 ab, was das Bundesgericht mit Urteil
8C_238/2014 vom 1. Juni 2015 bestätigte.

A.b. Am 8. Mai 2013 stellte der Versicherte ein Gesuch um berufliche
Massnahmen. Mit Verfügung vom 26. Mai 2014 verneinte die IV-Stelle den Anspruch
auf Arbeitsvermittlung.

B. 
Die gegen die letztgenannte Verfügung erhobene Beschwerde wies das
Verwaltungsgericht des Kantons Thurgau mit Entscheid vom 5. August 2015 ab.

C. 
Mit Beschwerde beantragt der Versicherte, der kantonale Entscheid sei
aufzuheben und die Sache sei im Sinne der Erwägungen an die IV-Stelle,
eventuell an die Vorinstanz, zurückzuweisen; es sei ihm die unentgeltliche
Rechtspflege zu gewähren.

IV-Stelle und Vorinstanz schliessen auf Beschwerdeabweisung.

Erwägungen:

1. 
Mit der Beschwerde kann eine Rechtsverletzung nach Art. 95 f. BGG gerügt
werden. Das Bundesgericht wendet das Recht von Amtes wegen an (Art. 106 Abs. 1
BGG). Dennoch prüft es - offensichtliche Fehler vorbehalten - nur die in seinem
Verfahren beanstandeten Rechtsmängel (Art. 42 Abs. 1 f. BGG; BGE 135 II 384 E.
2.2.1 S. 389). Es legt seinem Urteil den Sachverhalt zugrunde, den die
Vorinstanz festgestellt hat (Art. 105 Abs. 1 BGG). Es kann ihre
Sachverhaltsfeststellung von Amtes wegen berichtigen oder ergänzen, wenn sie
offensichtlich unrichtig ist oder auf einer Rechtsverletzung im Sinne von Art.
95 BGG beruht und wenn die Behebung des Mangels für den Ausgang des Verfahrens
entscheidend sein kann (Art. 97 Abs. 1, Art. 105 Abs. 2 BGG).

2. 
Die Vorinstanz hat die Grundlagen über die Erwerbsunfähigkeit (Art. 7 ATSG),
die Invalidität (Art. 8 Abs. 1 ATSG) und den Anspruch auf Arbeitsvermittlung
(Art. 18 Abs. 1 lit. a IVG) richtig dargelegt. Gleiches gilt betreffend die
Rechtsprechung, dass der Anspruch auf Arbeitsvermittlung weder der Invalidität
noch eines Mindestinvaliditätsgrades bedarf (SVR 2010 IV Nr. 24 S. 73 E. 4
[9C_373/2009]). Zur Begründung dieses Anspruchs ist jedoch eine spezifische
Einschränkung gesundheitlicher Art notwendig, wenn die Arbeitsfähigkeit einzig
insoweit betroffen ist, als der versicherten Person nur leichte Tätigkeiten
voll zumutbar sind. Die leistungsspezifische Invalidität des Anspruchs liegt
vor, wenn die Behinderung Probleme bei der Stellensuche verursacht. Dies trifft
z. B. zu, wenn wegen Stummheit oder mangelnder Mobilität kein
Bewerbungsgespräch möglich ist oder dem potenziellen Arbeitgeber die besonderen
Möglichkeiten und Grenzen der versicherten Person erläutert werden müssen (z.B.
welche Tätigkeiten trotz Sehbehinderung erledigt werden können), damit sie
überhaupt eine Chance hat, den gewünschten Arbeitsplatz zu erhalten (SVR 2010
IV Nr. 48 S. 149 E. 2.2 und 5.2 [9C_416/2009]; AHI 2003 S. 268 [I 421/01];
Urteil 9C_142/2015 vom 5. Juni 2015 E. 4.3; MEYER/REICHMUTH, Bundesgesetz über
die Invalidenversicherung, Art. 18 N. 6). Darauf wird verwiesen.

3.

3.1. Die Vorinstanz erwog, der Beschwerdeführer sei in einer leidensangepassten
Tätigkeit wieder zu 100 % arbeitsfähig. Beim trotz Gesundheitsschadens
erzielbaren Invalideneinkommen sei das Bundesgericht im Urteil 8C_238/2014
(vgl. Sachverhalt lit. A.a) vom Anforderungsniveau 4 der Tabellenlöhne der vom
Bundesamt für Statistik herausgegebenen Schweizerischen Lohnstrukturerhebung
(LSE) ausgegangen. Laut Bundesgericht beschränkten sich die Möglichkeiten des
Versicherten somit auf einfache Hilfstätigkeiten. Dass seine Behinderung
Probleme bei einer entsprechenden Stellensuche verursachen würde, ergebe sich
aufgrund der Akten nicht, nachdem keine psychiatrisch relevanten
Einschränkungen mehr gegeben seien und auch kein sozialer Rückzug festzustellen
sei. Einem potentiellen Arbeitgeber müssten zudem auch nicht die besonderen
Möglichkeiten und Grenzen des Versicherten aufgezeigt werden, damit dieser
überhaupt eine Chance habe, den gewünschten Arbeitsplatz zu erhalten. Die
Voraussetzungen für den Anspruch auf eine Arbeitsvermittlung seien somit nicht
gegeben.

3.2. Der Versicherte reicht neu einen Flyer mit Referenzen vom 12. November
2013 ein. Er legt jedoch nicht dar, dass ihm dessen vorinstanzliche Beibringung
trotz hinreichender Sorgfalt prozessual unmöglich und objektiv unzumutbar war.
Er ist somit unbeachtlich (nicht publ. E. 1.3 des Urteils BGE 138 V 286, in SVR
2012 FZ Nr. 3 S. 7 [8C_690/2011]; Urteil 8C_695/2015 vom 19. November 2015 E.
3.2).

3.3. Im Urteil 8C_238/2014 E. 6.3.2 stellte das Bundesgericht fest, gemäss dem
rheumatologischen Teilgutachten des Dr. med. C.________, Gutachtenzentrum
D.________, vom 21. November 2011 - auf das sich der Versicherte beruft - sei
diesem eine maximal leichte, wechselbelastende, vorwiegend sitzende Tätigkeit
zumutbar; hierbei seien das Gehen, das Besteigen von Leitern, Gerüsten und
Podesten, das Knien und Kauern sowie das Bedienen von Pedalen beidfüssig
hochgradig eingeschränkt. Zumutbar seien dem Versicherten Arbeiten gemäss dem
bis 2010 gültig gewesenen Anforderungsniveau 4 (einfache und repetitive
Tätigkeiten) der vom Bundesamt für Statistik herausgegebenen Schweizerischen
Lohnstrukturerhebung (LSE).

Damit liegen beim Versicherten keine spezifischen Einschränkungen
gesundheitlicher Art im Sinne der Rechtsprechung vor (vgl. E. 2 hievor).
Vielmehr kann er eine seiner Restarbeitsfähigkeit entsprechende Arbeitsstelle
auf dem massgebenden ausgeglichenen Arbeitsmarkt (Art. 16 ATSG; BGE 138 V 457
E. 3.1 S. 459 f., 110 V 273 E. 4b S. 276) ohne Arbeitsvermittlung durch die
IV-Stelle finden. Zu denken ist etwa an einfache Überwachungs-, Prüf- und
Kontrollarbeiten, die Bedienung und Überwachung von (halb-) automatischen
Maschinen oder Produktionseinheiten sowie Sortierarbeiten, die mit keinerlei
körperlicher Anstrengung verbunden sind und auf dem ausgeglichenen Arbeitsmarkt
auch vorwiegend sitzend angeboten werden (vgl. z.B. in RKUV 2005 UV Nr. 11 S.
35 nicht publ. E. 3.2 des Urteils U 66/02 vom 2. November 2004; Urteile 8C_12/
2013 vom 13. Februar 2013 E. 3.1 f. und 8C_588/2007 vom 27. August 2008 E. 8.1
und 10.2). Die Suche nach einer solchen Tätigkeit bedarf keiner besonderen
Kenntnisse. Der angefochtene Entscheid ist demnach nicht zu beanstanden,

4. 
Soweit der Versicherte andere berufliche Massnahmen als Arbeitsvermittlung
sowie eine medizinische Therapie verlangt, ist darauf nicht einzutreten, da
diese nicht Gegenstand der strittigen Verfügung waren (BGE 131 V 164 E. 2.1).

5. 
Der unterliegende Versicherte trägt die Verfahrenskosten (Art. 66 Abs. 1, Art.
68 Abs. 2 BGG). Die unentgeltliche Rechtspflege kann ihm wegen
Aussichtslosigkeit der Beschwerde nicht gewährt werden (Art. 64 BGG). Damit
entfällt auch ein Anspruch auf Parteientschädigung.

 Demnach erkennt das Bundesgericht:

1. 
Die Beschwerde wird abgewiesen, soweit darauf einzutreten ist.

2. 
Das Gesuch um unentgeltliche Rechtspflege wird abgewiesen.

3. 
Die Gerichtskosten von Fr. 800.- werden dem Beschwerdeführer auferlegt.

4. 
Dieses Urteil wird den Parteien, dem Verwaltungsgericht des Kantons Thurgau und
dem Bundesamt für Sozialversicherungen schriftlich mitgeteilt.

Luzern, 12. Januar 2016

Im Namen der I. sozialrechtlichen Abteilung
des Schweizerischen Bundesgerichts

Der Präsident: Maillard

Der Gerichtsschreiber: Jancar

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