Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

I. Sozialrechtliche Abteilung, Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten 8C.640/2015
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Bundesgericht
Tribunal fédéral
Tribunale federale
Tribunal federal

[8frIR2ALAGK1]     
{T 0/2}
                   
8C_640/2015

Urteil vom 3. November 2015

I. sozialrechtliche Abteilung

Besetzung
Bundesrichterin Leuzinger, Präsidentin,
Bundesrichter Maillard, Bundesrichterin Heine,
Gerichtsschreiber Lanz.

Verfahrensbeteiligte
 A.________, vertreten durch Rechtsanwältin Barbara Laur,
Beschwerdeführerin,

gegen

 AXA Versicherungen AG, vertreten durch Rechtsanwältin Marianne I. Sieger,
Beschwerdegegnerin.

Gegenstand
Unfallversicherung (Invalidenrente),

Beschwerde gegen den Entscheid des Sozialversicherungsgerichts des Kantons
Zürich vom 14. Juli 2015.

Sachverhalt:

A. 
Die 1957 geborene A.________ war als Pflegefachfrau beim Universitätsspital
B.________ tätig und dadurch bei der AXA Winterthur Versicherungen AG
(nachfolgend: AXA) obligatorisch gegen Unfallfolgen versichert. Am 24. Dezember
2008 rutschte sie auf nassem Boden aus und erlitt eine distale intraartikuläre
Radiusfraktur links. Der Unfallversicherer gewährte Heilbehandlung und richtete
Taggeld aus. Mit Verfügung vom 6. September 2012 schloss er den Fall ab und
sprach A.________ für die verbleibenden Folgen des Unfalls eine ab 1. Juli 2012
laufende Invalidenrente entsprechend einer Erwerbsunfähigkeit von 31% und eine
Integritätsentschädigung für eine Integritätseinbusse von 20% zu. Daran hielt
die AXA auf die von der Versicherten erhobene Einsprache hin fest (Entscheid
vom 12. September 2013).

B. 
A.________ reichte hiegegen Beschwerde ein. Mit Entscheid vom 14. Juli 2015
wies das Sozialversicherungsgericht des Kantons Zürich diese ab.

C. 
A.________ führt Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten mit dem
Rechtsbegehren, es seien der vorinstanzliche Entscheid und der
Einspracheentscheid der AXA aufzuheben und die gesetzlichen Leistungen,
insbesondere ab 1. Juni 2012 eine Rente auf der Basis eines Invaliditätsgrades
von 60%, zuzusprechen.
Es wird kein Schriftenwechsel durchgeführt.

Erwägungen:

1. 
Die Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten kann wegen
Rechtsverletzungen gemäss Art. 95 und 96 BGG erhoben werden. Das Bundesgericht
wendet das Recht von Amtes wegen an (Art. 106 Abs. 1 BGG), doch prüft es, unter
Berücksichtigung der allgemeinen Rüge- und Begründungspflicht (Art. 42 Abs. 1
und 2 BGG), nur die geltend gemachten Vorbringen, falls allfällige weitere
rechtliche Mängel nicht geradezu offensichtlich sind (BGE 138 I 274 E. 1.6 S.
280; vgl. auch BGE 141 V 236 E. 1 S. 236; 140 V 136 E. 1.1 S. 137 f.).
Im Beschwerdeverfahren um die Zusprechung oder Verweigerung von Geldleistungen
der Militär- oder Unfallversicherung ist das Bundesgericht nicht an die
vorinstanzliche Feststellung des rechtserheblichen Sachverhalts gebunden (Art.
97 Abs. 2 und Art. 105 Abs. 3 BGG).

2. 
Wie bereits im kantonalen Verfahren ist einzig die Höhe der rentenbestimmenden
Erwerbsunfähigkeit streitig.
Im vorinstanzlichen Entscheid sind die Bestimmungen und Grundsätze zum Anspruch
auf eine Invalidenrente, zum Begriff der Invalidität und zur Bestimmung des
Invaliditätsgrades mittels Einkommensvergleich zutreffend dargelegt. Darauf
wird verwiesen.

3. 
Das kantonale Gericht hat erwogen, das ohne unfallbedingte
Gesundheitsschädigung mutmasslich erzielte Einkommen (Valideneinkommen) sei auf
Fr. 101'852.- festzusetzen. Bei der Bestimmung des trotz unfallbedingter
gesundheitlicher Beeinträchtigung zumutbarerweise noch erzielbaren Einkommens
(Invalideneinkommen) sei gestützt auf die medizinischen Akten davon auszugehen,
dass die Beschwerdeführerin aufgrund der verbleibenden linksseitigen
Handbeschwerden nicht mehr in der Lage sei, ihre angestammte Tätigkeit als
diplomierte Pflegefachfrau auszuüben. Jedoch sei sie in einer ihr
leidensangepassten Tätigkeit zu 100% arbeitsfähig. Bei einer solchen dürfe die
maximale Belastung der linken Hand lediglich 8 kg betragen; wiederholende
Bewegungen im linken Handgelenk und darauf wirkende Schläge oder Vibrationen
seien zu vermeiden. Davon ausgehend sei das Invalideneinkommen anhand der
Tabellenlöhne gemäss der Schweizerischen Lohnstrukturerhebung (LSE) zu
bestimmen. Abzustellen sei auf das statistische Durchschnittseinkommen für
weibliche Arbeitskräfte im Gesundheitswesen auf dem Anforderungsniveau 3 in
Höhe von monatlich Fr. 5'782.00 (inklusive Anteil 13. Monatslohn, basierend auf
einer wöchentlichen Arbeitszeit von 40 Stunden) gemäss LSE 2010, Tabelle TA 1,
Ziff. 86. Die Berücksichtigung der betriebsüblichen wöchentlichen Arbeitszeit,
der bis 2012 eingetretenen Nominallohnentwicklung und eines leidensbedingten
Abzugs von 5% führe zu einem Invaliditätseinkommen von Fr. 69'930.-. Die
Gegenüberstellung der Vergleichseinkommen ergebe einen Invaliditätsgrad von
31%.

4. 
Die Einwände der Beschwerdeführerin betreffen einzig das Invalideneinkommen.
Geltend gemacht wird, es sei vom Anforderungsniveau 4 auszugehen und der
leidensbedingte Abzug sei auf 25% festzusetzen. Die übrigen Erwägungen der
Vorinstanz zum Einkommensvergleich sind nicht bestritten und geben keinen
Anlass zu Bemerkungen.

5. 
Die LSE unterscheidet vier Anforderungsniveaus des Arbeitsplatzes. Niveau 3
setzt Berufs- und Fachkenntnisse voraus. Das Niveau 4 beinhaltet einfache und
repetitive Tätigkeiten. Zu prüfen ist, ob bei der Beschwerdeführerin das
Anforderungsniveau 3 oder 4 zur Anwendung kommen soll.

5.1. Die Versicherte macht geltend, ihre Deutschkenntnisse und
Computerfähigkeiten genügten nicht für eine Tätigkeit auf Anforderungsniveau 3.

5.2. Die Vorinstanz hat diese Einwände mit überzeugender Begründung entkräftet.
Die Versicherte verfügt über einen in ihrem Heimatland Philippinen erworbenen
Bachelor of Science in Nursing. Dieser ist gemäss Bestätigung des
Universitätsspitals B.________ vom 4. September 2012 einer hiesigen Ausbildung
zur Pflegefachfrau mindestens gleichzusetzen, wenn nicht gar als höherwertig
einzustufen. Nach ihrer Einreise in die Schweiz im Jahre 1990 arbeitete die
Beschwerdeführerin denn auch durchgehend bei verschiedenen Arbeitgebern,
zuletzt seit Juni 2002 als Pflegefachfrau im Universitätsspital B.________.
Ihre EDV-Kenntnisse reichten aus, um die diesbezüglichen, einer Pflegefachfrau
obliegenden Tätigkeiten vorzunehmen und darüber hinaus wiederholt Einsätze als
Stationssekretärin zu bestehen. Die Vorinstanz konnte sodann bei der
gerichtlichen Instruktionsverhandlung und aufgrund der Korrespondenz im
kantonalen Verfahren feststellen, dass sich die Versicherte in der deutschen
Sprache zwar nicht fehlerfrei, aber doch gut auszudrücken vermag. In ihrem
langjährigen Arbeitsalltag musste sie sich denn auch mündlich und schriftlich
auf deutsch gegenüber Ärzten und Patienten verständlich machen. Zudem wurde die
Beschwerdeführerin im Jahr 2008 offenbar im ordentlichen Verfahren in der
Schweiz eingebürgert. Dafür werden ebenfalls recht gute Sprachkenntnisse
benötigt. Wie die Vorinstanz weiter erkannt hat, verfügt die Versicherte
überdies - nebst der Beherrschung der Muttersprache Tagalog - über Kenntnisse
der englischen und der chinesischen Sprache.

5.3. Der ausgeglichene Arbeitsmarkt (Art. 16 ATSG) bietet vielfältige Stellen
im Gesundheitswesen auf dem Anforderungsniveau 3, welche die Versicherte trotz
ihren gesundheitlichen Beschwerden noch ausführen kann. Sie ist nicht auf
einfache und repetitive Tätigkeiten beschränkt. Ihre durch die qualifizierte
Berufsausbildung und langjährige Pflegeerfahrung erworbenen fachspezifischen,
sozialen und administrativen Fähigkeiten kann sie weiterhin für entsprechende
Tätigkeiten, welche die linke Hand nicht stark belasten, einsetzen. Hiefür
genügen auch ihre Kenntnisse der deutschen Sprache und der EDV, zumal sie
entgegen ihrer Auffassung nicht auf reine Büro- und administrative Tätigkeiten
beschränkt ist, welche allenfalls eine höhere Anforderung an Sprache und
Computerkenntnisse stellen würden und bei welchen sie ihre beruflichen
Fähigkeiten nicht einsetzen könnte. Trotz ihrer körperlichen Einschränkung wäre
beispielsweise eine Tätigkeit als Pflegefachfrau in Sprechstunden von
Arztpraxen oder Spitälern vorstellbar. Bei einer Verweistätigkeit können ihr
auch ihre Fremdsprachenkenntnisse zugute kommen. Die in der Beschwerde
erwähnten bundesgerichtlichen Urteile 8C_907/2011 vom 30. Juli 2012 und 8C_990/
2010 vom 16. März 2011 rechtfertigen keine andere Betrachtungsweise. Die
Rechtsprechung hat denn auch in mit dem vorliegenden etwa vergleichbaren Fällen
die Anwendung des Anforderungsniveaus 3 bejaht (Urteile 8C_515/2010 vom 20.
Oktober 2010 E. 2.4.2.6, 9C_235/2007 vom 8. Mai 2008 E. 3.4.1, I 14/05 vom 17.
Juni 2005 E. 2.2 f. und I 314/03 vom 17. November 2003 E. 5.2.3).

6. 
Ob und in welcher Höhe das anhand von LSE-Tabellenlöhnen ermittelte
Invalideneinkommen herabzusetzen ist (sog. Leidensabzug), hängt nach den
zutreffenden Erwägungen im angefochtenen Entscheid von sämtlichen persönlichen
und beruflichen Umständen des Einzelfalles ab, die nach pflichtgemässem
Ermessen gesamthaft zu schätzen sind. Relevante Merkmale sind leidensbedingte
Einschränkung, Alter, Dienstjahre, Nationalität/Aufenthaltskategorie und
Beschäftigungsgrad (vgl. BGE 126 V 75 E. 5b/bb S. 80). Der leidensbedingte
Abzug ist unter Berücksichtigung aller jeweils in Betracht fallenden Merkmale
auf insgesamt höchstens 25% zu begrenzen (BGE 126 V 75 E. 5b/cc S. 80).
Die Höhe des im konkreten Fall vorgenommenen Leidensabzugs kann das
Bundesgericht lediglich auf Überschreitung, Missbrauch und Unterschreitung des
vorinstanzlichen Ermessens überprüfen (vgl. BGE 137 V 71 E. 5.1 S. 72 f. mit
Hinweis). Der hier vorgenommene Abzug hält bei dieser Überprüfung stand, zumal
entgegen dem hiezu von der Versicherten erhobenen Einwand keine faktische
Einarmigkeit vorliegt. Die Beschwerde ist somit auch diesbezüglich unbegründet,
was zu ihrer Abweisung führt.

7. 
Die Kosten des Verfahrens sind von der unterliegenden Beschwerdeführerin zu
tragen (Art. 66 Abs. 1 BGG).

Demnach erkennt das Bundesgericht:

1. 
Die Beschwerde wird abgewiesen.

2. 
Die Gerichtskosten von Fr. 800.- werden der Beschwerdeführerin auferlegt.

3. 
Dieses Urteil wird den Parteien, dem Sozialversicherungsgericht des Kantons
Zürich und dem Bundesamt für Gesundheit schriftlich mitgeteilt.

Luzern, 3. November 2015

Im Namen der I. sozialrechtlichen Abteilung
des Schweizerischen Bundesgerichts

Die Präsidentin: Leuzinger

Der Gerichtsschreiber: Lanz

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