Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

I. Sozialrechtliche Abteilung, Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten 8C.639/2015
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Bundesgericht
Tribunal fédéral
Tribunale federale
Tribunal federal

[8frIR2ALAGK1]     
{T 0/2}
                   
8C_639/2015

Urteil vom 6. April 2016

I. sozialrechtliche Abteilung

Besetzung
Bundesrichter Maillard, Präsident,
Bundesrichter Ursprung, Frésard, Bundesrichterin Heine, Bundesrichter Wirthlin,
Gerichtsschreiberin Berger Götz.

Verfahrensbeteiligte
 A.________,
vertreten durch Rechtsanwältin Denise Galbier,
Beschwerdeführerin,

gegen

Kantonale Arbeitslosenkasse St. Gallen, Davidstrasse 21, 9000 St. Gallen,
Beschwerdegegnerin.

Gegenstand
Arbeitslosenversicherung (Arbeitslosenentschädigung),

Beschwerde gegen den Entscheid des Versicherungsgerichts des Kantons St. Gallen
vom 23. Juli 2015.

Sachverhalt:

A. 
Die 1960 geborene A.________ war ab 1. August 2011 als Sekretärin und
Stellvertreterin des Geschäftsleiters bei der Einzelunternehmung ihres
damaligen Ehemannes B.________ angestellt. Nachdem sie B.________ mit Schreiben
vom 5. Dezember 2013 aufgefordert hatte, eine Sicherheit für den zukünftigen
Lohn zu leisten, und er ihr mitgeteilt hatte, dass dies nicht möglich sei,
kündigte sie das Arbeitsverhältnis am 9. Dezember 2013 fristlos. Gleichentags
meldete sie sich auch zur Arbeitsvermittlung an und am 18. Dezember 2013
stellte sie Antrag auf Arbeitslosenentschädigung. Per 16. Februar 2014 meldete
das Regionale Arbeitsvermittlungszentrum (RAV) A.________ von der
Arbeitsvermittlung ab, da diese ab 17. Februar 2014 eine Stelle bei der
C.________ AG antreten konnte. Am 21. Februar 2014 wurde die Ehe von A.________
und B.________ geschieden (Entscheid des Kreisgerichts).

Mit Verfügung vom 8. April 2014 lehnte die Kantonale Arbeitslosenkasse St.
Gallen den Antrag auf Arbeitslosenentschädigung ab 9. Dezember 2013 ab und gab
zur Begründung an, der Ehemann von A.________ sei Inhaber mit
Einzelunterschrift der Einzelunternehmung, weshalb davon auszugehen sei, dass
es ihr als Ehefrau des Inhabers möglich sei, Entscheidungen mitzubestimmen oder
massgeblich zu beeinflussen; obwohl geltend gemacht werde, dass eine Trennung
erfolgt sei, werde die arbeitgeberähnliche Stellung gemäss den vom
Staatssekretariat für Wirtschaft (SECO) publizierten Vorgaben (AVIG-Praxis ALE
Rz. B23) erst ab dem Datum der Scheidung, der richterlichen Trennung oder der
vom Richter verfügten Eheschutzmassnahmen aufgehoben. Mittels Einsprache machte
A.________ geltend, dass sie sich im November 2008 von B.________ getrennt und
die Modalitäten am 21. April 2009 aussergerichtlich geregelt habe. Der
inzwischen geschiedene B.________ sei seit Längerem mit einer neuen
Lebenspartnerin zusammen und habe mit dieser ein gemeinsames Kind, welches im
September 2012 zur Welt gekommen sei. Demgemäss stehe fest, dass die Ehe
unwiderruflich zerbrochen sei. Die Arbeitslosenkasse lehnte die Einsprache ab
(Einspracheentscheid vom 25. August 2014).

B. 
Das Versicherungsgericht des Kantons St. Gallen wies die dagegen erhobene
Beschwerde ab (Entscheid vom 23. Juli 2015).

C. 
A.________ lässt Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten und
subsidiär Verfassungsbeschwerde führen mit dem Rechtsbegehren, die Streitsache
sei zur Neubeurteilung und neuen Entscheidung an das kantonale Gericht,
eventualiter an die Arbeitslosenkasse zurückzuweisen; (sub-) eventualiter sei
die Anspruchsberechtigung zum Bezug von Arbeitslosentaggeldern ab 9. Dezember
2013 bis 16. Februar (2014) zu bejahen und die Kasse sei anzuweisen,
entsprechende Arbeitslosentaggelder auszurichten.

Erwägungen:

1. 
Bei der Eingabe der Beschwerdeführerin sind die Voraussetzungen nach Art. 82
ff. BGG für die Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten an sich
erfüllt, weshalb sie als solche - und nicht als (subsidiäre)
Verfassungsbeschwerde - entgegenzunehmen ist (Art. 113 BGG).

2. 
Die Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten kann wegen
Rechtsverletzungen gemäss Art. 95 und 96 BGG erhoben werden. Das Bundesgericht
wendet das Recht von Amtes wegen an (Art. 106 Abs. 1 BGG), doch prüft es, unter
Berücksichtigung der allgemeinen Rüge- und Begründungspflicht (Art. 42 Abs. 1
und 2 BGG), nur die geltend gemachten Vorbringen, falls allfällige weitere
rechtliche Mängel nicht geradezu offensichtlich sind (BGE 138 I 274 E. 1.6 S.
280 mit Hinweis). Es legt seinem Urteil den Sachverhalt zugrunde, den die
Vorinstanz festgestellt hat (Art. 105 Abs. 1 BGG) und kann deren
Sachverhaltsfeststellung nur berichtigen oder ergänzen, wenn sie offensichtlich
unrichtig ist oder auf einer Rechtsverletzung im Sinne von Art. 95 BGG beruht
(Art. 105 Abs. 2 BGG).

3. 
Das kantonale Gericht hat für das Bundesgericht verbindlich (vgl. E. 2 hiervor)
festgestellt, dass für die Beschwerdeführerin im Zeitpunkt des Eintritts der
Arbeitslosigkeit eine "Wiederaufnahme der Ehe" nicht in Frage kam. Diese
Annahme stützt die Vorinstanz auf den Umstand, dass das Ehepaar im November
2008 die faktische Trennung aufgenommen und am 21. April 2009 eine
aussergerichtliche Trennungsvereinbarung abgeschlossen hatte, sowie am 14. Juli
2011 das Scheidungsverfahren eingeleitet worden war und im September 2012 das
Kind des Ehemannes und dessen neuer Lebenspartnerin geboren wurde.

Ausgehend von diesem Sachverhalt war es für die Vorinstanz trotzdem fraglich,
ob der Ehemann (nach Auflösung des Arbeitsverhältnisses) tatsächlich keine
Gefälligkeitsbescheinigungen mehr ausgestellt hätte. Über Jahre habe die
Beschwerdeführerin unentgeltlich im Betrieb ihres Ehemannes mitgearbeitet.
Wenige Tage vor Einreichung der Scheidungsklage soll am 9. Juli 2011 ein
Arbeitsvertrag unterzeichnet worden sein, welcher einen Monatslohn von Fr.
4'500.- festgehalten habe, wobei in der Scheidungsklage vom 14. Juli 2011 noch
behauptet worden sei, der Ehemann weigere sich, einen Arbeitsvertrag zu
unterzeichnen. Durch den Arbeitsvertrag seien sämtliche Unterhaltszahlungen
hinfällig geworden. Die fristlose Kündigung sei nicht verständlich und es
stelle sich die Frage, ob diese abgesprochen worden sei. So falle auf, dass der
Arbeitgeber schon am 2. Dezember 2013 eine Bestätigung "An die
Arbeitslosenversicherung" ausgestellt habe, wonach er ab sofort keine
Lohnzahlungen mehr leisten könne. Schliesslich sei fraglich, ob er im Zeitpunkt
der fristlosen Kündigung tatsächlich zahlungsunfähig gewesen sei. Zwar habe die
Bank im November 2013 eine saisonale Kontokorrentkredit-Limitenerhöhung wegen
Liquiditätsschwierigkeiten abgelehnt. Weitere Angaben, die für eine
Zahlungsunfähigkeit sprechen würden, seien aber nicht vorgelegen. Zudem seien
die Löhne der Beschwerdeführerin bis zur fristlosen Kündigung jeweils ohne
grosse Verspätung bezahlt worden und der Betrieb existiere bis heute. Gemäss
Scheidungsvereinbarung habe sich der Ehemann verpflichtet, der
Beschwerdeführerin gestützt auf Art. 165 ZGB eine Entschädigung von Fr.
120'000.- zu bezahlen und ihr eine güterrechtliche Ausgleichszahlung von Fr.
10'000.- zu leisten. Die Kollektivzeichnungsberechtigung der Ehefrau sei
schliesslich erst per 6. März 2014 im Handelsregister gelöscht worden. Damit
sei ein gemeinsames Zusammenwirken im Hinblick auf den Antrag von
Arbeitslosenentschädigung nicht auszuschliessen. Die Beschwerdeführerin könne
folglich nicht mit überwiegender Wahrscheinlichkeit dartun, dass eine
Einflussnahme auf den Betrieb des Ehemannes unmöglich gewesen sei, weshalb der
Anspruch auf Arbeitslosenentschädigung für den Zeitraum vom 9. Dezember 2013
bis 16. Februar 2014 abzulehnen sei.

4.

4.1. Nach dem Wortlaut von Art. 51 Abs. 2 AVIG sind die im Betrieb
mitarbeitenden Ehegatten arbeitgeberähnlicher Personen vom Anspruch auf
Insolvenzentschädigung ausgeschlossen, und zwar unabhängig davon, ob sie selber
ebenfalls eine arbeitgeberähnliche Stellung innehaben. Die Tatsache, dass sie
mit einer arbeitgeberähnlichen Person verheiratet sind und in deren Betrieb
mitarbeiten, genügt für den Ausschluss vom Anspruch auf Insolvenzentschädigung.
Wie die Rechtsprechung im Zusammenhang mit der Kurzarbeitsentschädigung, welche
in Art. 31 Abs. 3 lit. c AVIG eine analoge Regelung kennt, mehrmals betont hat,
ist dieser Ausschluss absolut zu verstehen (BGE 123 V 234 E. 7 S. 236; 122 V
270 E. 3 S. 272). Es ist somit nicht möglich, den betroffenen Personen unter
bestimmten Voraussetzungen im Einzelfall Leistungen zu gewähren (THOMAS
NUSSBAUMER, Arbeitslosenversicherung, in: Schweizerisches
Bundesverwaltungsrecht [SBVR], Soziale Sicherheit, 3. Aufl. 2016, S. 2405 Rz.
464). Art. 31 Abs. 3 lit. c AVIG bezweckt, dem Risiko eines Missbrauchs zu
begegnen, das der Ausrichtung von Arbeitslosenentschädigung an
arbeitgeberähnliche Personen und deren Ehegatten inhärent ist (ARV 2003 S. 240,
C 92/02). Dieses Risiko ist dasselbe, ob es nun um Arbeitslosen-, Kurzarbeits-
oder Insolvenzentschädigung geht. Daher rechtfertigt sich keine
unterschiedliche Behandlung von Ehegatten arbeitgeberähnlicher Personen in
Bezug auf diese drei Leistungsarten (SVR 2011 AlV Nr. 14 S. 42, 8C_74/2011 E.
5.1).

4.2. Im Urteil C 16/02 vom 16. September 2002 (ARV 2003 S. 120) hatte das
damalige Eidgenössische Versicherungsgericht (heute: Bundesgericht)
entschieden, dass aus Gründen der Rechtssicherheit bei im Betrieb
mitarbeitenden Ehegatten arbeitgeberähnlicher Personen der Anspruch auf
Insolvenzentschädigung auch dann nicht bejaht werden könne, falls sie getrennt
leben. Gemäss Urteil 8C_1032/2010 vom 7. März 2011 soll, was in ARV 2003 S. 120
zur Ausrichtung von Insolvenzentschädigung an den getrennt lebenden Ehegatten
einer arbeitgeberähnlichen Person gesagt wurde, analog auch für die
Arbeitslosenentschädigung gelten. Ob diese Rechtsprechung, wonach der in
Trennung lebende, ehemals im Betrieb mitarbeitende Ehepartner einer
arbeitgeberähnlichen Person keinen Anspruch auf Arbeitslosenentschädigung hat,
weitergeführt wird, liess das Bundesgericht im Urteil 8C_74/2011 vom 3. Juni
2011 (SVR 2011 AlV Nr. 14 S. 42) ausdrücklich offen. Immerhin hielt es fest,
dass eine faktische Trennung allein nicht zum Bezug von
Arbeitslosenentschädigung berechtigt und eine erst später vollzogene Scheidung,
eine gerichtliche Ehetrennung bzw. vom Gericht verfügte Eheschutzmassnahmen
jedenfalls keinen rückwirkenden Anspruch auf Arbeitslosentaggelder begründen
(SVR 2011 AlV Nr. 14 S. 42, 8C_74/2011 E. 5.3.2).

5.

5.1. Gemäss AVIG-Praxis ALE B23 besteht ab Datum einer Scheidung, richterlichen
Trennung oder vom Richter verfügten Eheschutzmassnahme Anspruch auf
Arbeitslosenentschädigung. Ob im Sinne dieser Weisung eine gerichtliche
Trennung oder eine richterlich verfügte Eheschutzmassnahme - bei Erfüllung der
übrigen Anspruchsvoraussetzungen - eine genügende Grundlage für die Ausrichtung
von Arbeitslosentaggeldern darstellt, musste das Bundesgericht bisher nicht
entscheiden (SVR 2011 AlV Nr. 14 S. 42, 8C_74/2011 E. 5.3.1).

Im vorliegenden Fall liess sich das Ehepaar nicht gerichtlich trennen und
richterliche Eheschutzmassnahmen wurden ebenfalls nicht getroffen. Die
Vorinstanz geht davon aus, dass für die Beschwerdeführerin eine Weiterführung
("Wiederaufnahme") der Ehe zum Zeitpunkt des Eintritts der Arbeitslosigkeit im
Dezember 2013 nicht mehr in Frage kam. Aus dieser Annahme kann jedoch entgegen
der Behauptung der Beschwerdeführerin nicht abgeleitet werden, dass das
kantonale Gericht damit auch ein Missbrauchsrisiko oder die Gefahr der Umgehung
der relevanten Bestimmungen ausgeschlossen hätte. Das Gegenteil trifft zu, denn
mit der beispielhaften Aufzählung von nicht klar einzuordnenden Fakten im
angefochtenen Entscheid (vgl. E. 3 hiervor) wurde vielmehr aufgezeigt, dass
trotz klaren Scheidungswillens (zumindest seitens der Ehefrau) durchaus
Missbrauchspotential vorhanden war. Die letztinstanzlich in diesem Zusammenhang
vorgebrachte Rüge der Verletzung des rechtlichen Gehörs ist schon deshalb
unbegründet.

5.2. Es ist der Beschwerdeführerin zwar beizupflichten, dass der "Beweis der
Unmöglichkeit der Einflussnahme" nicht gelingen kann (dieser ist aber auch
nicht gefordert) und beispielsweise auch bei langjährigen Arbeitsverhältnissen
zwischen Arbeitnehmer und Arbeitgeber Absprachen bezüglich
Anstellungsverhältnis, Kündigung und Bezug von Arbeitslosentaggeldern vorkommen
dürften. Mit ihrer Rüge, dass dieses Missbrauchsrisiko durch Art. 31 Abs. 3
lit. c AVIG nicht erfasst sei, weshalb insoweit eine Verletzung von Bundesrecht
vorliege, verkennt sie jedoch, dass das Gesetz (Art. 31 Abs. 3 lit. c und Art.
51 Abs. 2 AVIG) den mitarbeitenden Ehegatten per se - also unabhängig von einem
eventuellen Trennungs- oder Scheidungswillen - von der Anspruchsberechtigung
auf Kurzarbeits- bzw. Insolvenzentschädigung ausschliesst. Das Bundesgericht
hat in ständiger Rechtsprechung eine analoge Anwendung von Art. 31 Abs. 3 lit.
c AVIG auf arbeitgeberähnliche Personen und ihre Ehegatten, die
Arbeitslosenentschädigung verlangen, bejaht mit der Begründung, dass das
Missbrauchsrisiko dasselbe ist, unabhängig davon, ob es um Arbeitslosen-,
Kurzarbeits- oder Insolvenzentschädigung geht (vgl. E. 4.1 hiervor). Die
vorliegend zu beurteilende Konstellation illustriert beispielhaft, dass keine
Gründe auszumachen sind, Ehepartner, welche kurz vor der Scheidung stehen,
anders zu behandeln.

5.2.1. Die Vorinstanz zeigt unter Verweis auf die Unterlagen aus dem
Scheidungsverfahren namentlich auf, dass die Beschwerdeführerin während der Ehe
(Heirat im Jahr 19..) lange zu 50 bis 100 % im Betrieb des Ehemannes
mitarbeitete, ohne dafür einen Lohn erhalten zu haben. In der Scheidungsklage
wurde der fehlende Lohn mit "sozialversicherungsrechtlichen Überlegungen"
begründet. Erst seit 2001 war ihr ein Monatsgehalt von Fr. 1'000.- und seit
April 2009 von Fr. 1'700.- für ein Pensum zwischen 80 und 100 % ausbezahlt
worden. Gemäss Arbeitsvertrag vom 9. Juli 2011 wurde schliesslich ein
Monatslohn von Fr. 4'500.- vereinbart. Die Beschwerdeführerin stellte im
Scheidungsverfahren Antrag auf einen Unterhaltsbeitrag nach gerichtlichem
Ermessen, auf eine angemessene Entschädigung nach Art. 165 ZGB für
ausserordentliche Beiträge im Beruf oder Gewerbe des Ehegatten in der Höhe von
mindestens Fr. 474'397.-, auf Begleichung von Lohnausständen in der Höhe von
Fr. 11'800.- und auf eine güterrechtliche Ausgleichszahlung von Fr. 13'300.-.
Das kantonale Gericht stellt für das Bundesgericht verbindlich fest, dass am
Scheidungswillen der Beschwerdeführerin im Zeitpunkt des Eintritts der
Arbeitslosigkeit nicht zu zweifeln war. Dennoch waren zumindest die
finanziellen Verflechtungen im Dezember 2013 mannigfaltig. Nicht nur der
Anspruch auf Unterhaltszahlungen und der nach dem 9. Dezember 2013 wegfallende
Lohnanspruch standen damals in einem - zumindest aus dem Blickwinkel der
Arbeitslosenkasse - unauflösbaren Zusammenhang, wie die Scheidungsunterlagen
belegen. Diese Wechselwirkungen lassen sich nicht nur im vorliegenden Fall
feststellen. Erst mit dem Scheidungsurteil findet jeweils eine endgültige
Entflechtung der finanziellen Situation der Ehepartner statt. Während der
Trennung können bezüglich der Regelung der Verbindlichkeiten zwischen den
Ehepartnern gleichzeitig sowohl widerstreitende (so unter anderem bezüglich der
Unterhaltsregelung) als auch gleiche Interessen (beispielsweise
sozialversicherungsrechtliche oder steuerliche Auswirkungen von getroffenen
Vereinbarungen) bestehen. Für die Arbeitslosenkasse, welche die Voraussetzungen
für Taggelder prüfen soll, wäre es - abgesehen vom aufwändigen
Abklärungsaufwand - vor Abschluss des Scheidungsverfahrens gar nicht möglich,
die richtigen Wertungen vorzunehmen. So verhält es sich auch bei der
Beschwerdeführerin. Im angefochtenen Entscheid werden unter anderem Zweifel am
Motiv der fristlosen Kündigung, am Bestehen eines Liquidationsengpasses im
Betrieb des Ehemannes und an der Unbefangenheit des ehemaligen Arbeitgebers
beim Ausstellen einer Bestätigung zuhanden der Arbeitslosenversicherung
angebracht und es wird ein Zusammenwirken des Ehepaars im Hinblick auf die
Geltendmachung von Arbeitslosenentschädigung nicht ausgeschlossen.

5.2.2. Demgemäss muss die im Urteil 8C_74/2011 vom 3. Juni 2011 (SVR 2011 AlV
Nr. 14 S. 42) aufgeworfenen Frage, ob mit zunehmender Dauer des Getrenntlebens
das Missbrauchsrisiko überhaupt verringert wird oder wegfällt, verneint werden.
Es kann nicht Aufgabe der Arbeitslosenkasse sein, abzuklären, aus welchen
Gründen ein Ehepaar getrennt lebt, ob die Ehe allenfalls zerrüttet ist oder wie
die Chancen für eine Aufgabe des Getrenntlebens stehen (SVR 2011 AlV Nr. 14 S.
42, 8C_74/2011 E. 5.3.2). Vor allem aber lässt sich, wie vorliegend, ein
Missbrauchsrisiko selbst dann nicht ausschliessen, wenn von einem klaren
Scheidungswillen auszugehen ist. Da somit bis zum Scheidungsurteil eine
Umgehungsgefahr persistiert, sind vor diesem Zeitpunkt keine Leistungen der
Arbeitslosenversicherung geschuldet, unabhängig davon, ob und wie lange die
Ehepartner faktisch oder gerichtlich getrennt leben oder ob gerichtliche
Eheschutzmassnahmen angeordnet wurden. Es ist der Vorinstanz folglich
beizupflichten, dass Anspruch auf Arbeitslosenentschädigung bei andauernder Ehe
nicht einmal dann entstehen kann, wenn der Scheidungswille der schon lange
getrennt lebenden Ehepartner als unerschütterlich feststehend erscheint.

5.3. Ob im Einzelnen im Dezember 2013 im Betrieb des Ehemannes ein
Liquiditätsengpass bestanden hatte und ob die Ehepartner sich bezüglich der
Auflösung des Arbeitsverhältnisses abgesprochen hatten, ist entgegen der
Auffassung der Beschwerdeführerin für den Ausgang des vorliegenden Verfahrens
nicht relevant. Sie verkennt, dass hinter der Regelung in Art. 31 Abs. 3 lit. c
und Art. 51 Abs. 2 AVIG sowie der analogen Anwendung dieser Bestimmungen bei
der Arbeitslosenentschädigung nicht der tatsächliche und nachgewiesene
Missbrauch, sondern das Missbrauchsrisiko steht, welches der Konstellation bei
im Betrieb des Ehepartners angestellten Personen inhärent ist. Ob die fristlose
Kündigung der Beschwerdeführerin somit tatsächlich auf
Lohnzahlungsschwierigkeiten ihres Ehemannes zurückzuführen ist, kann offen
bleiben. Auf die entsprechenden Sachverhaltsrügen der Beschwerdeführerin muss
nicht weiter eingegangen werden. Die vorinstanzliche Ablehnung eines Anspruchs
auf Arbeitslosenentschädigung für die Zeit vom 9. Dezember 2013 bis 16. Februar
2014 ist rechtens.

6. 
Dem Prozessausgang entsprechend sind die Gerichtskosten der Beschwerdeführerin
aufzuerlegen (Art. 65 Abs. 4 lit. a und Art. 66 Abs. 1 BGG).

Demnach erkennt das Bundesgericht:

1. 
Die Beschwerde wird abgewiesen.

2. 
Die Gerichtskosten von Fr. 500.- werden der Beschwerdeführerin auferlegt.

3. 
Dieses Urteil wird den Parteien, dem Versicherungsgericht des Kantons St.
Gallen, dem Staatssekretariat für Wirtschaft (SECO) und dem Amt für Wirtschaft
und Arbeit schriftlich mitgeteilt.

Luzern, 6. April 2016

Im Namen der I. sozialrechtlichen Abteilung
des Schweizerischen Bundesgerichts

Der Präsident: Maillard

Die Gerichtsschreiberin: Berger Götz

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