Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

I. Sozialrechtliche Abteilung, Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten 8C.630/2015
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Bundesgericht
Tribunal fédéral
Tribunale federale
Tribunal federal

[8frIR2ALAGK1]     
{T 0/2}
                   
8C_630/2015

Urteil vom 17. März 2016

I. sozialrechtliche Abteilung

Besetzung
Bundesrichter Maillard, Präsident,
Bundesrichter Frésard, Bundesrichterin Heine,
Gerichtsschreiber Lanz.

Verfahrensbeteiligte
IV-Stelle Luzern, Landenbergstrasse 35, 6005 Luzern,
Beschwerdeführerin,

gegen

 A.________,
vertreten durch Rechtsanwalt Dr. Stephan Zimmerli,
Beschwerdegegner,

Ausgleichskasse Luzern, Würzenbachstrasse 8, 6006 Luzern.

Gegenstand
Invalidenversicherung,

Beschwerde gegen den Entscheid des Kantonsgerichts Luzern vom 20. Juli 2015.

Sachverhalt:

A. 
Die IV-Stelle des Kantons Luzern sprach dem 1969 geborenen A.________ mit
Verfügung vom 18. April 2008 (mit Berechnungs- und Auszahlverfügungen)
rückwirkend ab März 2005 eine Dreiviertelsrente der Invalidenversicherung zu.
Das Verwaltungsgericht des Kantons Luzern (seit 1. Juni 2013: Kantonsgericht
Luzern) hob die Verfügung vom 18. April 2008 mit Beschwerdeentscheid vom 17.
November 2009 auf und wies die Sache zur weiteren Abklärung und neuen Verfügung
an die Verwaltung zurück. Nach Einholung eines medizinischen Gutachtens vom 6.
September 2010 (mit Ergänzung vom 15. Februar 2011) sprach die IV-Stelle dem
Versicherten mit Verfügungen vom 3. Oktober 2012 ab November 2003 eine ganze
Invalidenrente und von September 2004 bis November 2011 eine Viertelsrente zu.
Zudem verlange sie von ihm die Rückerstattung von demnach für den Zeitraum März
2005 bis November 2011 zu viel entrichteten Rentenbetreffnissen im Gesamtbetrag
von Fr. 33'719.-, wovon ein Teil in Verrechnung gebracht werde. Mit
Beschwerdeentscheid vom 20. Dezember 2013 hob das Kantonsgericht Luzern diese
Verfügungen auf und sprach dem Versicherten von April bis Oktober 2002 eine
ganze Rente, von November 2002 bis Oktober 2003 eine Viertelsrente, von
November 2003 bis August 2004 eine ganze Rente und ab September 2004 eine halbe
Rente zu. In den Entscheidserwägungen erklärte es überdies die verfügte
Rückforderung für verwirkt. Die IV-Stelle berechnete hierauf die Rentenbeträge
gestützt auf die zugesprochenen Leistungen. Dabei verrechnete sie bereits
ausbezahlte mit noch zu erbringenden Rentenbetreffnissen (Verfügungen vom 10.
September 2014).

B. 
A.________ erhob hiegegen Beschwerde. Das Kantonsgericht Luzern vereinigte das
Verfahren mit zwei Beschwerdeverfahren betreffend Ergänzungsleistungen und
gewährte dem Versicherten die unentgeltliche Rechtspflege. Mit Entscheid vom
20. Juli 2015 hob es die Verfügungen vom 10. September 2014 auf und wies die
Sache an die IV-Stelle zurück, damit diese die Rentenbeträge unter
Berücksichtigung der im Entscheid vom 20. Dezember 2013 festgestellten
Verwirkung des Rückforderungsanspruchs neu berechne.

C. 
Mit Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten beantragt die
IV-Stelle, in Aufhebung des vorinstanzlichen Entscheides seien die Verfügungen
vom 10. September 2014 zu bestätigen; der Beschwerde sei die aufschiebende
Wirkung zuzusprechen.
 A.________ beantragt, auf die Beschwerde sei nicht einzutreten; eventuell sei
sie abzuweisen; zudem sei ihm die unentgeltliche Rechtspflege für das
letztinstanzliche Verfahren zu gewähren. Das Bundesamt für Sozialversicherungen
verzichtet auf eine Vernehmlassung.
Die Ausgleichskasse Luzern schliesst sich der Beschwerde der IV-Stelle an.

D. 
Mit Verfügung vom 23. November 2015 hat das Bundesgericht der Beschwerde die
aufschiebende Wirkung zuerkannt.

Erwägungen:

1. 
Die Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten kann wegen
Rechtsverletzungen gemäss Art. 95 und 96 BGG erhoben werden. Das Bundesgericht
wendet das Recht von Amtes wegen an (Art. 106 Abs. 1 BGG), doch prüft es, unter
Berücksichtigung der allgemeinen Rüge- und Begründungspflicht (Art. 42 Abs. 1
und 2 BGG), nur die geltend gemachten Vorbringen, falls allfällige weitere
rechtliche Mängel nicht geradezu offensichtlich sind (BGE 138 I 274 E. 1.6 S.
280; vgl. auch BGE 141 V 236 E. 1 S. 236; 140 V 136 E. 1.1 S. 137 f.).
Das Bundesgericht legt seinem Urteil den Sachverhalt zugrunde, den die
Vorinstanz festgestellt hat (Art. 105 Abs. 1 BGG). Es kann deren
Sachverhaltsfeststellung nur berichtigen oder ergänzen, wenn sie offensichtlich
unrichtig ist oder auf einer Rechtsverletzung im Sinne von Art. 95 BGG beruht
(Art. 105 Abs. 2 BGG).

2. 
Streitig ist, ob die Beschwerdeführerin in den Verfügungen vom 10. September
2014 ihre Rückforderung zu viel erbrachter IV-Rentenbetreffnisse mit noch zu
erbringenden Rentenleistungen verrechnen durfte.
Das kantonale Gericht hat dies im angefochtenen Entscheid mit der Begründung
verneint, es habe im Entscheid vom 20. Dezember 2013 festgehalten, die mit
(aufgehobener) Verfügung vom 3. Oktober 2012 angeordnete Rückforderung von
übermässig ausbezahlten Rentenleistungen im Zeitraum vom März 2005 bis November
2011 sei nach Art. 25 Abs. 2 ATSG verwirkt. Dieser Entscheid sei in Rechtskraft
erwachsen. Die Feststellung der Verwirkung gelte daher weiterhin und stehe
einer Verrechnung mit noch zu erbringenden Rentenleistungen entgegen.
Die Beschwerde führende IV-Stelle rügt, diese Beurteilung verstosse gegen die
Rechtsprechung zum Eintritt der materiellen Rechtskraft von Entscheiden sowie
zur Verwirkung des Rückerstattungsanspruchs und verletze Art. 25 Abs. 2 ATSG.
Der Entscheid vom 20. Dezember 2013 habe die Grundlage für die
Rentenberechnungen gebildet. Der Begründungsaspekt der Verwirkung habe nicht
angefochten werden können, zumal er nicht Bestandteil des Dispositivs gebildet
habe. Er sei somit für die IV-Stelle nicht verbindlich. Der Streitgegenstand
sei mit dem vorinstanzlichen Entscheid vom 20. Juli 2015 beurteilt worden und
könne einer Überprüfung durch das Bundesgericht zugeführt werden. Entgegen der
vorinstanzlichen Beurteilung sei der Rückforderungsanspruch nicht verwirkt.

3.

3.1. Das Dispositiv des kantonalen Entscheides vom 20. Dezember 2013 lautet,
soweit hier von Belang: "Die Verwaltungsgerichtsbeschwerden werden teilweise
gutgeheissen und die Verfügungen vom 3. Oktober 2012 aufgehoben. Dem
Beschwerdeführer wird von April 2002 bis und mit Oktober 2002 eine ganze Rente,
von November 2002 bis und mit Oktober 2003 eine Viertelsrente, von November
2003 bis und mit August 2004 eine ganze Rente und ab September 2004 eine halbe
Rente zugesprochen". In den Entscheidserwägungen wird sodann festgestellt, die
ebenfalls von der Verwaltung verfügte Rückforderung sei verwirkt.

3.2. Der Entscheid vom 20. Dezember 2013 ist in formelle Rechtskraft erwachsen.
Streitig und zu prüfen ist, ob er hinsichtlich der Verwirkungsfeststellung auch
materiell rechtskräftig ist.

3.2.1. Materielle Rechtskraft bedeutet Massgeblichkeit eines formell
rechtskräftigen Urteils in jedem späteren Verfahren unter denselben Parteien (
BGE 139 III 126 E. 3.1 S. 128 mit Hinweisen; vgl. auch zur Publikation in der
Amtlichen Sammlung bestimmtes Urteil 4A_571/ 2015 vom 29. Februar 2016 E. 2).
Nach der Rechtsprechung erwächst der Entscheid nur in jener Form in
Rechtskraft, wie er im Urteilsdispositiv zum Ausdruck kommt, doch ergibt sich
dessen Tragweite vielfach erst aus einem Beizug der Urteilserwägungen,
namentlich im Falle einer Klageabweisung. Nicht zur Urteilsformel gehören die
tatsächlichen Feststellungen und die rechtlichen Erwägungen des Entscheids. Sie
haben in einer anderen Streitsache keine bindende Wirkung. Gleiches gilt für
Feststellungen zu präjudiziellen Rechtsverhältnissen oder sonstigen Vorfragen
sowie für weitere Rechtsfolgen, die sich aus dem Inhalt des Urteils mit
logischer Notwendigkeit ergeben. Sie sind bloss Glieder des
Subsumtionsschlusses, die für sich allein nicht in materielle Rechtskraft
erwachsen (BGE 121 III 474 E. 4a S. 478; vgl. auch BGE 141 III 257 E. 3.2 S.
259; 139 III 126 E. 3.1 S. 128; 123 III 16 E. 2a S. 18 f).

3.2.2. Die Beschwerdeführerin verweist sodann auf die - noch unter der
Herrschaft des Ende 2006 aufgehobenen Bundesgesetzes vom 16. Dezember 1943 über
die Organisation der Bundesrechtspflege (OG) ergangene - Rechtsprechung gemäss
BGE 113 V 159. Danach ist die Anfechtung der Motive eines
Rückweisungsentscheides, auf die im Dispositiv verwiesen wird, zulässig (vgl.
auch BGE 126 V 5 E. 2c S. 10; 125 V 413 E. 2c S. 416; je mit Hinweisen). An der
Verbindlichkeit des auf die Erwägungen verweisenden kantonalen
Rückweisungsentscheides für die Verwaltung im Falle der Nichtanfechtung hat
sich mit dem Inkrafttreten des BGG am 1. Januar 2007 nichts geändert. Die
Verbindlichkeit des auf seine Motive verweisenden Rückweisungsentscheides für
die Verwaltung bedeutet umgekehrt auch unter der Herrschaft des BGG, dass die
Erwägungen eines Rückweisungsentscheides, dessen Dispositiv nicht auf die
Motive verweist, für die Verwaltung nicht verbindlich sind (Urteil 9C_703/2009
vom 30. September 2009 E. 2.2 mit Hinweisen; vgl. auch Urteil 8C_272/2011 vom
11. November 2011 E. 1.3, nicht publ. in: BGE 137 I 327, aber in: SVR 2012 IV
Nr. 26 S. 107).

3.2.3. Im vorliegenden Fall lautet das fragliche Dispositiv auf Zusprechung
einer abgestuften Invalidenrente. Die Feststellung, die Rückforderung sei
verwirkt, ist weder durch Verweis auf die Erwägungen noch durch ausdrückliche
Erwähnung (wie etwa in den Urteilen des Eidg. Versicherungsgerichts [heute:
sozialrechtliche Abteilungen des Bundesgerichts] I 62/02 vom 2. April 2004,
auszugsweise publ. in: SVR 2004 IV Nr. 41 S. 131, und I 678/00 vom 30. Mai
2001, auszugsweise publ. in: SVR 2002 IV Nr. 2 S. 5) Teil des Dispositivs. Es
kann überdies nicht gesagt werden, dessen Tragweite ergebe sich nur unter
Einbezug der Verwirkungsfeststellung. Letztere ist daher nicht in materielle
Rechtskraft erwachsen. Damit steht der bundesgerichtlichen Überprüfung der
Verwirkungsfrage nichts entgegen. Auf die Beschwerde ist einzutreten, da auch
die übrigen Voraussetzungen hiefür erfüllt sind.

4. 
Nach Art. 25 Abs. 2 ATSG, soweit hier von Interesse, erlischt der
Rückforderungsanspruch mit dem Ablauf eines Jahres, nachdem die
Versicherungseinrichtung davon Kenntnis erhalten hat, spätestens aber mit dem
Ablauf von fünf Jahren nach der Entrichtung der einzelnen Leistung.
Bei diesen Fristen handelt es sich zum Verwirkungsfristen (140 V 521 E. 2.1 S.
525 mit Hinweisen). Für ihre Wahrung ist der Erlass der
Rückerstattungsverfügung (und deren Zustellung an die rückerstattungspflichtige
Person) massgebend (BGE 138 V 74 E. 5.2 in fine S. 80 mit Hinweis; Urteil
8C_642/2014 vom 23. März 2015 E. 3 Ingress in fine).

4.1. Die Vorinstanz hat im Entscheid vom 20. Dezember 2013 erkannt, da
frühestens ab 18. April 2008 Leistungen ausgerichtet worden seien, sei die
absolute fünfjährige Verwirkungsfrist bei Erlass der Verfügungen vom 3. Oktober
2012 noch nicht abgelaufen gewesen. Das ist gemäss der Rechtsprechung, wonach
für den Beginn der absoluten fünfjährigen Verwirkungsfrist der tatsächliche
Bezug der einzelnen Leistung massgeblich ist (SVR 2010 ALV Nr. 4 S. 9, 8C_616/
2009 E. 3.2; Urteil 8C_387/2008 vom 30. Januar 2009 E. 4.2; vgl. auch, zur
Rechtslage vor Inkrafttreten des ATSG am 1. Januar 2003: BGE 127 V 484 E. 3b/cc
S. 489 mit Hinweisen), richtig und auch nicht umstritten.

4.2. Das kantonale Gericht hat im Weiteren erwogen, die IV-Stelle habe mit
Erhalt des medizinischen Gutachtens vom 6. September 2010 und dessen Ergänzung
vom 15. Februar 2011 umfassende Kenntnis des ihren Verfügungen zugrunde
liegenden Sachverhalts gehabt. Die Gutachtensergänzung sei am 25. Februar 2011
bei ihr eingetroffen. Die Rückerstattung sei jedoch erst am 3. Oktober 2012,
mithin nach Ablauf der relativen einjährigen Frist gemäss Art. 25 Abs. 2 ATSG
verfügt worden. Der Rückforderungsanspruch sei daher verwirkt.
Die IV-Stelle macht geltend, sie habe erst mit Rechtskraft des vorinstanzlichen
Entscheids vom 20. Dezember 2013 zuverlässige Kenntnis von der
Unrechtmässigkeit des Bezugs der Dreiviertelsrente erhalten. Damit sei die
einjährige Verwirkungsfrist im Zeitpunkt der Verfügungen vom 10. September 2014
nicht abgelaufen gewesen und der Rückforderungsanspruch nicht erloschen.

4.2.1. Unter der gemäss Art. 25 Abs. 2 ATSG für den Beginn der relativen
einjährigen Wirkungsfrist massgeblichen Wendung "nachdem die
Versicherungseinrichtung davon Kenntnis erhalten hat", ist der Zeitpunkt zu
verstehen, in dem die Verwaltung bei Beachtung der ihr zumutbaren
Aufmerksamkeit hätte erkennen müssen, dass die Voraussetzungen für eine
Rückerstattung bestehen, oder mit andern Worten, in welchem sich der
Versicherungsträger hätte Rechenschaft geben müssen über Grundsatz, Ausmass und
Adressat des Rückforderungsanspruchs (BGE 140 V 521 E. 2.1 S. 525 mit
Hinweisen). Die Voraussetzungen für eine Rückforderung müssen demnach gegeben
sein (erwähntes Urteil 8C_642/2014 E. 3.2 mit Hinweisen). Der
Rückforderungsanspruch muss als solcher und betragsmässig feststehen (BGE 139 V
570 E. 3.1 S. 572 mit Hinweis; erwähntes Urteil 8C_642/2014 E. 3.2). Das setzt
u.a. voraus, dass über die Unrechtmässigkeit des Leistungsbezugs rechtmässig
verfügt resp. - im Beschwerdefall - gerichtlich befunden worden ist. Das
Bundesgericht hat denn auch wiederholt entschieden, es sei nicht
bundesrechtswidrig, zuverlässige Kenntnis von der Rechtswidrigkeit des
Leistungsbezugs erst nach Eintritt der Rechtskraft der Rentenaufhebung
anzunehmen (SVR 2015 IV Nr. 4 S. 8, 8C_316/2014 E. 2.2; erwähntes Urteil 8C_642
/2014 E. 3.2 mit weiteren Hinweisen).

4.2.2. Das kantonale Gericht hat mit Entscheid vom 20. Dezember 2013 die
Rentenverfügungen vom 3. Oktober 2012 aufgehoben und die Rentenansprüche von
Beginn weg neu festgelegt. Es kann daher nicht gesagt werden, die IV-Stelle
habe bereits mit Erhalt der im Rückweisungsverfahren eingeholten medizinischen
Akten im Februar 2011 Kenntnis von der Rechtswidrigkeit eines Teils des bereits
erfolgten Leistungsbezugs gehabt. Die einjährige relative Frist begann vielmehr
erst mit Eintritt der Rechtskraft des Rentenentscheides der Vorinstanz vom 20.
Dezember 2013 zu laufen und war weder im Zeitpunkt der Rentenverfügungen vom 3.
Oktober 2012 noch bei Erlass der IV-Rentenverfügungen vom 10. September 2014
abgelaufen. Das kantonale Gericht hat daher den Rückforderungsanspruch zu
Unrecht als verwirkt beurteilt. Dies führt zur Gutheissung der Beschwerde.

5. 
Die Kosten des Verfahrens sind vom unterliegenden Beschwerdegegner zu tragen
(Art. 66 Abs. 1 BGG). Dessen Gesuch um unentgeltliche Rechtspflege (im Sinne
der vorläufigen Befreiung von den Gerichtskosten und der unentgeltlichen
Verbeiständung) kann entsprochen werden (Art. 64 Abs. 1 und 2 BGG). Es wird
indessen ausdrücklich auf Art. 64 Abs. 4 BGG aufmerksam gemacht, wonach die
begünstigte Partei der Bundesgerichtskasse Ersatz zu leisten haben wird, wenn
sie später dazu im Stande ist.

Demnach erkennt das Bundesgericht:

1. 
Die Beschwerde wird gutgeheissen. Der Entscheid des Kantonsgerichts Luzern, 3.
Abteilung, vom 20. Juli 2015 wird aufgehoben und die Verfügungen der IV-Stelle
Luzern vom 10. September 2014 werden bestätigt.

2. 
Dem Beschwerdegegner wird die unentgeltliche Rechtspflege gewährt und
Rechtsanwalt Dr. Stephan Zimmerli wird als unentgeltlicher Anwalt bestellt.

3. 
Die Gerichtskosten von Fr. 500.- werden dem Beschwerdegegner auferlegt, indes
vorläufig auf die Bundesgerichtskasse genommen.

4. 
Dem Rechtsvertreter des Beschwerdegegners wird aus der Bundesgerichtskasse eine
Entschädigung von Fr. 1000.- ausgerichtet.

5. 
Die Sache wird zur Neuverlegung der Kosten des vorangegangenen Verfahrens an
das Kantonsgericht Luzern, 3. Abteilung, zurückgewiesen.

6. 
Dieses Urteil wird den Parteien, der Ausgleichskasse Luzern, dem Kantonsgericht
Luzern, 3. Abteilung, und dem Bundesamt für Sozialversicherungen schriftlich
mitgeteilt.

Luzern, 17. März 2016

Im Namen der I. sozialrechtlichen Abteilung
des Schweizerischen Bundesgerichts

Der Präsident: Maillard

Der Gerichtsschreiber: Lanz

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