Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

I. Sozialrechtliche Abteilung, Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten 8C.601/2015
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Bundesgericht
Tribunal fédéral
Tribunale federale
Tribunal federal

[8frIR2ALAGK1]     
{T 0/2}
                   
8C_601/2015

Urteil vom 10. November 2015

I. sozialrechtliche Abteilung

Besetzung
Bundesrichterin Leuzinger, Präsidentin,
Bundesrichter Ursprung, Frésard,
Gerichtsschreiber Lanz.

Verfahrensbeteiligte
A.________,
vertreten durch Rechtsanwältin Cordula Spörri,
Beschwerdeführerin,

gegen

Schweizerische Mobiliar
Versicherungsgesellschaft AG,
Bundesgasse 35, 3011 Bern,
vertreten durch Fürsprecher René W. Schleifer,
Beschwerdegegnerin.

Gegenstand
Unfallversicherung,

Beschwerde gegen den Entscheid des Sozialversicherungsgerichts des Kantons
Zürich
vom 25. Juni 2015.

Sachverhalt:

A. 
Die 1965 geborene A.________ war als Verkäuferin tätig und dadurch bei der
Schweizerische Mobiliar Versicherungsgesellschaft AG (nachfolgend: Mobiliar)
obligatorisch gegen Unfallfolgen versichert. Am 3. Februar 2012 fuhr ein
nachfolgender Personenwagen ins Heck des von A.________ gelenkten und vor einem
Zebrastreifen angehaltenen Autos. Gemäss Bericht des gleichentags aufgesuchten
Hausarztes vom 1. April 2012 erlitt die Versicherte dabei ein kraniozervikales
Beschleunigungstrauma mit Distorsion der HWS. Die Mobiliar gewährte
Heilbehandlung und richtete Taggeld aus. Ab 3. Juli 2012 war A.________ u.a.
wegen Schmerzen an der linken Schulter zur ambulanten Abklärung und Behandlung
in der Klinik B.________ (Bericht vom 11. Juli 2012). Prof. Dr. med.
C.________, Klinik B.________, diagnostizierte mit Bericht vom 1. November 2012
eine gerissene Supraspinatussehne und partiell gerissene Subscapularissehne an
der linken Schulter. Er operierte die Schulter am 7. Dezember 2012. Die
Mobiliar stellte bereits vor dem Eingriff in Frage, ob es sich bei der
Schulterverletzung um eine Unfallfolge handle. Sie holte nebst weiteren
Abklärungen ein polydisziplinäres Gutachten der medizinischen Abklärungsstelle
D.________ vom 10. Juli 2013 ein. Mit Verfügung vom 30. Oktober 2013 schloss
die Mobiliar den Fall per 31. Juli 2013 folgenlos ab. Sie verneinte dabei
namentlich auch jegliche Leistungspflicht für die Beschwerden an der linken
Schulter, da diese nicht natürlich kausal auf den Unfall vom 3. Februar 2012
zurückzuführen seien. Daran hielt der Versicherer mit Einspracheentscheid vom
6. Februar 2014 fest.

B. 
A.________ reichte hiegegen Beschwerde ein. In diesem Verfahren legte sie das
von ihr eingeholte Aktengutachten des PD Dr. med. E.________, Facharzt für
Orthopädische Chirurgie und Traumatologie des Bewegungsapparates, Spital
F.________, vom 21. Mai 2014 auf. Mit Entscheid vom 25. Juni 2015 wies das
Sozialversicherungsgericht des Kantons Zürich die Beschwerde ab.

C. 
Mit Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten beantragt A.________,
in Aufhebung des vorinstanzlichen Entscheids seien Leistungen für die
Schulterverletzung zuzusprechen; eventuell sei ein medizinisches Obergutachten
einzuholen.
Die Mobiliar schliesst auf Abweisung der Beschwerde. Das Bundesamt für
Gesundheit (BAG) verzichtet auf eine Vernehmlassung.

Erwägungen:

1. 
Die Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten kann wegen
Rechtsverletzungen gemäss Art. 95 und 96 BGG erhoben werden. Das Bundesgericht
wendet das Recht von Amtes wegen an (Art. 106 Abs. 1 BGG), doch prüft es, unter
Berücksichtigung der allgemeinen Rüge- und Begründungspflicht (Art. 42 Abs. 1
und 2 BGG), nur die geltend gemachten Vorbringen, falls allfällige weitere
rechtliche Mängel nicht geradezu offensichtlich sind (BGE 138 I 274 E. 1.6 S.
280 mit Hinweisen).
Im Beschwerdeverfahren um die Zusprechung oder Verweigerung von Geldleistungen
der Militär- oder Unfallversicherung ist das Bundesgericht nicht an die
vorinstanzliche Feststellung des rechtserheblichen Sachverhalts gebunden (Art.
97 Abs. 2 und Art. 105 Abs. 3 BGG).

2. 
Streitig und zu prüfen ist, ob die Beschwerdeführerin aus dem Unfall vom 3.
Februar 2012 Anspruch auf UVG-Leistungen für die Verletzung an der linken
Schulter hat.
Die Vorinstanz hat die Grundlagen zum Anspruch auf Leistungen der
obligatorischen Unfallversicherung und zum hiefür nebst anderem erforderlichen
natürlichen Kausalzusammenhang zwischen dem Unfallereignis und dem
eingetretenen Gesundheitsschaden zutreffend dargelegt. Gleiches gilt für die zu
beachtenden beweisrechtlichen Grundlagen, insbesondere auch zu den
Anforderungen an beweiswertige ärztliche Berichte und Gutachten. Darauf wird
verwiesen. Hervorzuheben ist, dass der Versicherungsträger resp. im
Beschwerdefall das Gericht über die Frage, ob zwischen einem schädigenden
Ereignis und einer gesundheitlichen Störung ein natürlicher Kausalzusammenhang
besteht, im Rahmen der Beweiswürdigung nach dem im Sozialversicherungsrecht
üblichen Beweisgrad der überwiegenden Wahrscheinlichkeit zu befinden hat. Die
blosse Möglichkeit eines Zusammenhangs genügt für die Begründung eines
Leistungsanspruchs nicht (vgl. BGE 129 V 177 E. 3.1 S. 181; siehe auch BGE 138
V 218 E. 6 S. 221, je mit Hinweisen). Der Untersuchungsgrundsatz schliesst die
Beweislast im Sinne der Beweisführungslast begriffsnotwendig aus, da es Sache
des Sozialversicherungsgerichts (oder des verfügenden Versicherungsträgers)
ist, für die Zusammentragung des Beweismaterials besorgt zu sein. Im
Sozialversicherungsprozess tragen mithin die Parteien in der Regel eine
Beweislast nur insofern, als im Falle der Beweislosigkeit der Entscheid zu
Ungunsten jener Partei ausfällt, die aus dem unbewiesen gebliebenen Sachverhalt
Rechte ableiten wollte. Diese Beweisregel greift allerdings erst Platz, wenn es
sich als unmöglich erweist, im Rahmen des Untersuchungsgrundsatzes aufgrund
einer Beweiswürdigung einen Sachverhalt zu ermitteln, der zumindest die
Wahrscheinlichkeit für sich hat, der Wirklichkeit zu entsprechen (BGE 138 V 218
E. 6 S. 222 mit Hinweisen).

3. 
Das kantonale Gericht ist zum Ergebnis gelangt, die Verletzung an der linken
Schulter sei höchstens möglicherweise, nicht aber überwiegend wahrscheinlich
natürlich kausal auf das Unfallereignis vom 3. Februar 2012 zurückzuführen. Es
stützt sich dabei auf das von ihm als beweiswertig erachtete Gutachten der
medizinischen Abklärungsstelle D.________ vom 10. Juli 2013.

3.1. Die Beschwerdeführerin bestreitet den Beweiswert des Gutachtens der
medizinischen Abklärungsstelle D.________. Sie bemängelt dieses inhaltlich und
macht, namentlich gestützt auf die Berichte des operierenden Arztes Prof. Dr.
med. C.________ und das Aktengutachten E.________, geltend, die natürliche
Unfallkausalität der Schulterverletzung sei zu bejahen, zumindest aber weiter
abzuklären.

4. Die Vorinstanz hat sich mit den Einwänden einlässlich auseinandergesetzt und
sie für nicht stichhaltig erachtet. Was in der Beschwerde vorgebracht wird,
vermag diese Beurteilung nicht in Frage zu stellen. Im Gutachten der
medizinischen Abklärungsstelle D.________ vom 10. Juli 2013 wird die
linksseitige Schulterproblematik als überwiegend wahrscheinlich unfallfremd
beurteilt. Das wird überzeugend begründet, und zwar hauptsächlich mit dem
Umstand, dass entsprechende Beschwerden erst in den Akten ab Sommer 2012
erwähnt und davor nicht geklagt worden seien. Dazu passe auch der
Unfallmechanismus. In der Tat und entgegen der von der Versicherten vertretenen
Auffassung sind unfallnahe Beschwerden an der linken Schulter nicht
aktenkundig. Gemäss Polizeirapport vom 22. Februar 2012 und dem vom Hausarzt am
31. März 2012 ausgefüllten "Dokumentationsbogen für Erstkonsultation nach
kranio-zervikalem Beschleunigungstrauma" (nachfolgend: Dokumentationsbogen) hat
die Beschwerdeführerin die Schmerzen nicht an der linken Schulter lokalisiert.
Auch im hausärztlichen Bericht vom 1. April 2012 über die medizinische
Erstbehandlung am Unfalltag werden keine Beschwerden an der linken Schulter
erwähnt. Im Assessmentbericht G._________ vom 20. April 2012 finden sich
ebenfalls keine Hinweise auf solche Beschwerden. Es wird lediglich von nicht
näher spezifizierten und mit dem erlittenen HWS-Distorsionstrauma erklärbaren
Schmerzen im Schulter- und Nackenbereich gesprochen. Beschwerden an der linken
Schulter werden erstmals im Bericht der Klinik B.________ vom 11. Juli 2012
erwähnt, mehr als fünf Monate nach dem Unfallereignis vom 3. Februar 2012. Die
Versicherte macht zwar geltend, Hausärzte führten infolge Zeitmangels keine
umfassende Unfallanamnese durch. Zudem manifestierten sich bei Auffahrunfällen
die Schmerzen oft erst nach dem Nachlassen des Schockzustandes, weshalb deren
Fehlen im Polizeirapport und in den Arztberichten nichts zu beweisen vermöge.
Diese auf Mutmassungen beruhende Argumentation überzeugt aber nicht. Wären nach
dem Unfall linksseitige Schulterbeschwerden aufgetreten, hätte sie sicher
zumindest der Hausarzt aufgeführt. Er hat dies nicht getan, obschon
beispielsweise im Dokumentationsbogen ausdrücklich nach Schmerzen/
Funktionseinschränkung an anderer Lokalisation, d.h. ausserhalb des
HWS-Bereichs, gefragt wurde. Es bleibt damit dabei, dass Beschwerden an der
linken Schulter erst mehrere Monate nach dem Unfall bestätigt sind. Zwar mag
sein, dass bei derartigen Verletzungen, ob es nun Rupturen oder lediglich
Teilrupturen sind, Beschwerden nicht zwingend sogleich auftreten. Das lange
Intervall bis zum nachgewiesenen Auftreten der Beschwerden stellt aber ein
deutliches Indiz gegen eine kausale Bedeutung des Unfalles dar. Auch der im
Polizeirapport und im unfallanalytischen Gutachten vom 12. März 2012 gut
dokumentierte Unfallhergang bietet keine Anhaltspunkte für eine unfallbedingte
Entstehung der Schulterverletzung. Das Auto der Versicherten wurde von hinten
getroffen und ziemlich gerade nach vorne geschoben. Das war mit einer relativ
geringen unfallbedingten Geschwindigkeitsveränderung verbunden. Es finden sich
zudem keine Hinweise darauf, dass es zu einem Anprall der Schulter gekommen
ist. Die Berichte des Prof. Dr. med. C.________ und das Aktengutachten
E.________ rechtfertigen keine andere Betrachtungsweise. Bestätigt wird
letztlich nur, dass der bei der Operation angetroffene Zustand des
Schultergelenks mit einer Unfallfolge gut vereinbar ist und dass bildgebend
keine degenerativen Veränderungen nachgewiesen wurden, welche die Verletzung zu
erklären vermögen. Beides heisst noch nicht, dass die Verletzung tatsächlich
auf den mehrere Monate zurückliegenden Unfall vom 3. Februar 2012
zurückzuführen ist. Schon deswegen vermag auch der Umstand, dass die Gutachter
der medizinischen Abklärungsstelle D.________ das ab Sommer 2012 bildgebend
erhobene Material und das Operationsvideo nicht eingesehen haben, ihre
Einschätzung nicht in Frage zu stellen. Sodann setzen sich weder Prof. Dr. med.
C.________ noch PD Dr. med. E.________ mit dem erheblichen Zeitintervall
zwischen dem Unfall und dem durch die Akten ausgewiesenen Auftreten der
Beschwerden auseinander. PD Dr. med. E.________ geht überdies von Annahmen zum
Bewegungsablauf der Schulter beim Unfall aus, welche durch die Akten nicht
gestützt werden. Die Einwände der Versicherten vermögen den Beweiswert des
Gutachters der medizinischen Abklärungsstelle D.________ daher nicht in Frage
zu stellen. Es ist zudem in antizipierter Beweiswürdigung davon auszugehen,
dass weitere Abklärungen keinen entscheidrelevanten neuen Aufschluss bringen
würden. Mit der Vorinstanz ist daher von Beweisergänzungen abzusehen. Ein
Leistungsanspruch für die Verletzung an der linken Schulter wurde somit zu
Recht verneint. Die Beschwerde ist abzuweisen.

5. 
Die Kosten des Verfahrens sind von der unterliegenden Beschwerdeführerin zu
tragen (Art. 66 Abs. 1 BGG).

Demnach erkennt das Bundesgericht:

1. 
Die Beschwerde wird abgewiesen.

2. 
Die Gerichtskosten von Fr. 800.- werden der Beschwerdeführerin auferlegt.

3. 
Dieses Urteil wird den Parteien, dem Sozialversicherungsgericht des Kantons
Zürich und dem Bundesamt für Gesundheit schriftlich mitgeteilt.

Luzern, 10. November 2015
Im Namen der I. sozialrechtlichen Abteilung
des Schweizerischen Bundesgerichts

Die Präsidentin: Leuzinger

Der Gerichtsschreiber: Lanz

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