Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

I. Sozialrechtliche Abteilung, Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten 8C.575/2015
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Bundesgericht
Tribunal fédéral
Tribunale federale
Tribunal federal

[8frIR2ALAGK1]          
8C_575/2015 {T 0/2}     

Urteil vom 17. Dezember 2015

I. sozialrechtliche Abteilung

Besetzung
Bundesrichterin Leuzinger, Präsidentin,
Bundesrichter Ursprung, Bundesrichterin Heine,
Gerichtsschreiberin Durizzo.

Verfahrensbeteiligte
A.________,
vertreten durch Advokat Dr. Dieter Thommen,
Beschwerdeführer,

gegen

Schweizerische Unfallversicherungsanstalt (SUVA), Fluhmattstrasse 1, 6004
Luzern,
Beschwerdegegnerin.

Gegenstand
Unfallversicherung (Taggeld),

Beschwerde gegen den Entscheid des Sozialversicherungsgerichts des Kantons
Basel-Stadt vom 30. März 2015.

Sachverhalt:

A. 
A.________, geboren 1977, hatte seit 2003 mehrere Unfälle erlitten. Am 19.
Januar 2003 stolperte er über einen Werkzeugkasten und verletzte sich am linken
Knie. Am 26. Juli 2010 stürzte er von einer Leiter und zog sich eine
Rückenverletzung zu. Bei einer Auffahrkollision erlitt er am 24. August 2010
eine Distorsion der Halswirbelsäule. Schliesslich musste er sich am 11.
November 2010 bei Arbeiten auf einer Leiter reflexartig an der Wand festhalten
und verletzte sich dabei an der rechten Schulter. Die Schweizerische
Unfallversicherungsanstalt (SUVA) erbrachte die gesetzlichen Leistungen. Mit
Verfügung vom 17. Juni 2013 und Einspracheentscheid vom 14. Mai 2014 sprach sie
ihm für die am 19. Januar 2003 und am 11. November 2010 erlittenen Unfälle mit
Verletzung am linken Knie beziehungsweise an der rechten Schulter ab dem 1.
Juni 2013 eine Invalidenrente bei einem Invaliditätsgrad von 14 Prozent zu.

B. 
A.________ liess dagegen Beschwerde erheben. Er beantragte insbesondere die
Ausrichtung des Taggeldes auch über den 31. Mai 2013 hinaus sowie die Einholung
eines ärztlichen Gutachtens, des Weiteren die Zusprechung einer
Integritätsentschädigung. Das Sozialversicherungsgericht des Kantons
Basel-Stadt hiess die Beschwerde mit Entscheid vom 30. März 2015 teilweise gut.
Es hob den Einspracheentscheid vom 14. Mai 2014 insoweit auf, als er sich zur
Frage der Integritätsentschädigung aussprach, und wies die Sache zur erneuten
Prüfung des Anspruchs auf eine Integritätsentschädigung im Sinne der Erwägungen
an die SUVA zurück. Im Übrigen wies es die Beschwerde ab.

C. 
A.________ lässt Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten führen
mit dem Antrag, es sei ihm auch über den 31. Mai 2013 hinaus bis zum Abschluss
der ärztlichen Behandlung insbesondere des linken Knies ein volles Taggeld
zuzusprechen; eventualiter sei die Angelegenheit an die Beschwerdegegnerin oder
an die Vorinstanz zurückzuweisen zur Einholung eines Gutachtens zur Frage, was
in Bezug auf die Arbeitsfähigkeit von einer allfälligen weiteren medizinischen
Behandlung erwartet werden könne, und zur anschliessenden Neubeurteilung der
ihm zustehenden Ansprüche. Zudem ersucht er um Gewährung der unentgeltlichen
Rechtspflege.
Das Bundesgericht hat die vorinstanzlichen Akten eingeholt und verzichtet auf
einen Schriftenwechsel.

Erwägungen:

1. 
Das kantonale Gericht hat am 30. März 2015 bezüglich der
Integritätsentschädigung einen grundsätzlich nicht anfechtbaren
Teil-Zwischenentscheid gefällt. Über alle anderen vom Beschwerdeführer geltend
gemachten Ansprüche hingegen hat es abschliessend befunden. Insoweit handelt es
sich beim angefochtenen Entscheid um einen (Teil-) Endentscheid, und nur
dagegen richtet sich die Beschwerde. Es ist deshalb darauf einzutreten (Art. 90
ff. BGG).

2.

2.1. Die Beschwerde kann wegen Rechtsverletzung gemäss Art. 95 und Art. 96 BGG
erhoben werden. Das Bundesgericht wendet das Recht von Amtes wegen an (Art. 106
Abs. 1 BGG). Es ist somit weder an die in der Beschwerde geltend gemachten
Argumente noch an die Erwägungen der Vorinstanz gebunden; es kann eine
Beschwerde aus einem anderen als dem angerufenen Grund gutheissen und es kann
sie mit einer von der Argumentation der Vorinstanz abweichenden Begründung
abweisen (vgl. BGE 130 III 136 E. 1.4 S. 140). Gemäss Art. 42 Abs. 1 BGG ist
die Beschwerde hinreichend zu begründen, andernfalls wird darauf nicht
eingetreten (Art. 108 Abs. 1 lit. b BGG). Das Bundesgericht prüft grundsätzlich
nur die geltend gemachten Rügen; es ist nicht gehalten, wie eine
erstinstanzliche Behörde alle sich stellenden rechtlichen Fragen zu prüfen,
wenn diese vor Bundesgericht nicht mehr vorgetragen wurden. Es kann die
Verletzung von Grundrechten und von kantonalem und interkantonalem Recht nur
insofern prüfen, als eine solche Rüge in der Beschwerde vorgebracht und
begründet worden ist (Art. 106 Abs. 2 BGG).

2.2. Im Beschwerdeverfahren um die Zusprechung oder Verweigerung von
Geldleistungen der Militär- oder Unfallversicherung ist das Bundesgericht nicht
an die vorinstanzliche Feststellung des rechtserheblichen Sachverhalts gebunden
(Art. 97 Abs. 2 und Art. 105 Abs. 3 BGG).

3. 
Streitig ist vor- und letztinstanzlich nur die Leistungspflicht der SUVA ab dem
1. Juni 2013 und aus den am 19. Januar 2003 und am 11. November 2010 erlittenen
Unfällen; hinsichtlich der Arbeitsfähigkeit beruft sich der Versicherte dabei
auf die im Vordergrund stehenden Beschwerden am linken Knie.

4. 
Nach den Erwägungen des kantonalen Gerichts hat die SUVA ihre Taggeldleistungen
zu Recht auf den 31. Mai 2013 eingestellt, denn gestützt auf die ärztlichen
Unterlagen sei insbesondere auch bezüglich des linken Knies von weiteren
medizinischen Massnahmen keine namhafte Besserung des Gesundheitszustandes mehr
zu erwarten gewesen. Dagegen richtet sich die Beschwerde. Es wird geltend
gemacht, dass eine operative Stabilisierung medizinisch indiziert gewesen sei.

5. 
Die Vorinstanz hat bezüglich der Beschwerden am linken Knie festgestellt, dass
der SUVA-Kreisarzt wie auch die behandelnden Ärzte übereinstimmend von einem
Endzustand ausgingen und von weiteren medizinischen Massnahmen keine namhafte
Besserung im Sinne des Gesetzes erwarteten. Sie stützte sich dabei auf den
kreisärztlichen Bericht vom 3. April 2013, wonach das vordere Kreuzband,
welches bei der Distorsion des linken Knies am 19. Januar 2003 verletzt worden
war, am 19. Februar 2003 mittels Ersatzplastik rekonstruiert worden sei und am
2. November 2011 eine Innenmeniskusteilresektion erfolgt sei. Aus objektiver
Sicht habe sich bei der Untersuchung ein instabiles linkes Knie ohne festen
vorderen Anschlag bei jedoch deutlich verlängertem Weg und mit hoher
Wahrscheinlichkeit insuffizienter Kreuzbandplastik gezeigt. Die Vorinstanz
folgte der kreisärztlichen Einschätzung, wonach der Versicherte gemäss
subjektiven Angaben dennoch in der Lage sei, gut zu belasten und 45 Minuten zu
gehen, und dass die geklagte Schmerzsymptomatik nur zu einem sehr geringen Teil
durch diese Instabilität erklärbar und verursacht sei. Ebenso wie der Kreisarzt
gehe auch der behandelnde Arzt Dr. med. B.________, Schmerzklinik C.________,
nach einem orthopädischen Konsil in seinem Bericht vom 30. Januar 2013 von
einem Endzustand aus; er ziehe dabei in Betracht, dass der Versicherte schon
lange keinen Muskelaufbau mehr mache, dessen Nutzen nicht einsehe, dass er in
seinen Ausführungen und in seiner Denkweise springend sei und dass es deshalb
an der für einen operativen Eingriff erforderlichen positiven Compliance fehle.
Nach seiner Schlussfolgerung sei eine weitere Operation daher nicht zu
empfehlen. Dieselben Zweifel hinsichtlich orthopädischer Operationen äusserten
auch Dr. med. D.________ und Dr. med E.________ in einem weiteren Bericht der
Schmerzklinik vom 18. März 2013.

Der vorinstanzlichen Beurteilung ist angesichts der geschilderten ärztlichen
Stellungnahmen in allen Teilen beizupflichten. Im Übrigen beurteilt sich das
Kriterium der zu erwartenden namhaften Besserung des Gesundheitszustandes als
Voraussetzung für den vom Beschwerdeführer geltend gemachten Taggeldanspruch
nach der Rechtsprechung namentlich nach Massgabe der zu erwartenden Steigerung
oder Wiederherstellung der Arbeitsfähigkeit, soweit diese unfallbedingt
beeinträchtigt ist (BGE 134 V 109 E. 4.3 S. 115). Entscheidwesentlich ist hier,
dass das Knieleiden am 31. Mai 2013 eine volle Arbeitsfähigkeit zuliess, soweit
die SUVA dafür einzustehen hat. Nach den vorinstanzlichen Feststellungen sind
dem Beschwerdeführer gestützt auf die Einschätzung des SUVA-Kreisarztes auch
mit Rücksicht auf die unfallkausalen Restbeschwerden leichte bis mittelschwere
wechselbelastende Tätigkeiten ganztags zuzumuten. Dabei sind nach den
Erwägungen im angefochtenen Entscheid allein die verbleibenden somatischen
Beschwerden zu berücksichtigen. Hinsichtlich allfälliger psychischer
Unfallfolgen fehlt es an der für die Leistungspflicht vorausgesetzten adäquaten
Kausalität. Dies wird letztinstanzlich nicht bestritten. Sowohl vor dem
kantonalen wie auch vor Bundesgericht war und ist aber auch nicht streitig,
dass dem Beschwerdeführer eine dem Knieleiden (und den Schulterbeschwerden)
angepasste Tätigkeit aus rein somatischer Sicht voll zumutbar war. Es besteht
aus diesem Grund kein Anlass zu weiteren Abklärungen, ob entgegen den oben
geschilderten übereinstimmenden Stellungnahmen des SUVA-Kreisarztes und der
behandelnden Ärzte namentlich ein weiterer operativer Eingriff angezeigt
gewesen wäre, welcher die SUVA am Fallabschluss hätte hindern müssen (dies
unter Vorbehalt von Art. 21 UVG; BGE 134 V 109 E. 4.2 S. 114 f.). Auf die
Zulässigkeit der neu eingereichten Beweismittel ist bei diesem Ergebnis nicht
weiter einzugehen (Art. 99 Abs. 1 BGG).

6. 
Was die ihm zugesprochene Invalidenrente betrifft, macht der Beschwerdeführer
geltend, es sei beim Einkommensvergleich auf Seiten des von Verwaltung und
Vorinstanz ermittelten Invalideneinkommens von 59'746 Franken mit Rücksicht auf
seine gesundheitsbedingten Einschränkungen ein leidensbedingter Abzug von 10
Prozent zu gewähren, somit von einem Invalideneinkommen von 53'771 Franken
auszugehen, was im Vergleich zum Valideneinkommen von 69'364 Franken zu einem
Invaliditätsgrad von 23 Prozent führe statt der von Verwaltung und Vorinstanz
angenommenen Erwerbseinbusse von 14 Prozent. Die SUVA hat das
Invalideneinkommen anhand ihrer Dokumentation über Arbeitsplätze (DAP) bemessen
(BGE 129 V 472; 139 V 592) und als Grundlage die von der Vorinstanz
geschilderten körperlich leichten Verweistätigkeiten ausgesucht. Es bestehen
keine Anhaltspunkte dafür und wird auch beschwerdeweise nicht näher ausgeführt,
dass sie den Beschwerden des Versicherten nicht angepasst wären oder inwiefern
er aus anderen Gründen nicht in der Lage wäre, den daraus ermittelten
Durchschnittslohn zu erzielen. Der Vorteil der DAP-Methode besteht gerade
darin, dass dem konkreten Einzelfall besser Rechnung getragen werden kann, als
wenn auf die Tabellenlöhne der Lohnstrukturerhebung des Bundesamts für
Statistik (LSE) abgestellt wird, denn sie ermöglicht eine differenzierte
Zuweisung von zumutbaren Tätigkeiten unter Berücksichtigung der
behinderungsbedingten Einschränkungen wie auch der weiteren persönlichen und
beruflichen Umstände (BGE 139 V 592 E. 7.1 S. 596; 129 V 472 E. 4.2.1 S. 476
und 477). Es rechtfertigt sich daher nicht, den von der SUVA ermittelten
Invalidenlohn zusätzlich zu reduzieren.

7. 
Das Verfahren ist kostenpflichtig (Art. 65 BGG). Die Gerichtskosten werden dem
unterliegenden Beschwerdeführer auferlegt (Art. 65 Abs. 4 lit. a in Verbindung
mit Art. 66 Abs. 1 BGG). Die unentgeltliche Rechtspflege (im Sinne der
vorläufigen Befreiung von den Gerichtskosten und der unentgeltlichen
Verbeiständung, Art. 64 Abs. 1 und Abs. 2 BGG) kann gewährt werden, weil die
Bedürftigkeit aktenkundig ist. Es wird indessen ausdrücklich auf Art. 64 Abs. 4
BGG aufmerksam gemacht, wonach die begünstigte Partei der Gerichtskasse Ersatz
zu leisten haben wird, wenn sie später dazu im Stande ist.

 Demnach erkennt das Bundesgericht:

1. 
Die Beschwerde wird abgewiesen.

2. 
Dem Beschwerdeführer wird die unentgeltliche Rechtspflege gewährt und Advokat
Dr. Dieter Thommen wird als unentgeltlicher Anwalt bestellt.

3. 
Die Gerichtskosten von Fr. 800.- werden dem Beschwerdeführer auferlegt, indes
vorläufig auf die Bundesgerichtskasse genommen.

4. 
Dem Rechtsvertreter des Beschwerdeführers wird aus der Bundesgerichtskasse eine
Entschädigung von Fr. 2'800.- ausgerichtet.

5. 
Dieses Urteil wird den Parteien, dem Sozialversicherungsgericht des Kantons
Basel-Stadt und dem Bundesamt für Gesundheit schriftlich mitgeteilt.

Luzern, 17. Dezember 2015

Im Namen der I. sozialrechtlichen Abteilung
des Schweizerischen Bundesgerichts

Die Präsidentin: Leuzinger

Die Gerichtsschreiberin: Durizzo

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