Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

I. Sozialrechtliche Abteilung, Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten 8C.571/2015
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Bundesgericht
Tribunal fédéral
Tribunale federale
Tribunal federal

[8frIR2ALAGK1]          
8C_571/2015 {T 0/2}     

Urteil vom 14. Oktober 2015

I. sozialrechtliche Abteilung

Besetzung
Bundesrichterin Leuzinger, Präsidentin,
Bundesrichter Frésard,
Bundesrichterin Heine,
Gerichtsschreiber Grunder.

Verfahrensbeteiligte
 A.________,
vertreten durch Rechtsanwalt Dr. Markus Wick,
Beschwerdeführerin,

gegen

 Allianz Suisse Versicherungs-Gesellschaft AG, Richtiplatz 1, 8304 Wallisellen,
Beschwerdegegnerin.

Gegenstand
Unfallversicherung (Kausalzusammenhang),

Beschwerde gegen den Entscheid des Versicherungsgerichts des Kantons Aargau
vom 4. Juni 2015.

Sachverhalt:

A. 
Die bei der B.________ AG als diplomierte Pflegefachfrau angestellte A.________
(geboren 1964) war bei der Allianz Suisse Versicherungs-Gesellschaft AG (im
Folgenden: Allianz) obligatorisch gegen die Folgen von Unfällen versichert. Am
2. November 2012 rutschte sie beim Auffangen einer stürzenden Patientin aus
(vgl. Unfallmeldungen UVG sowie Frageblatt Unfallhergang vom 28. November
2012). In der Notfallstation des Spitals E.________ wurde am gleichen Tag ein
lumbospondylogenes Schmerzsyndrom nach Verhebetrauma diagnostiziert (Berichte
vom 15. November 2012 sowie 28. Januar 2013). Am 19. Dezember 2012 prallte ein
von hinten herannahender Personenwagen in das Heck des von der Versicherten
gelenkten, wegen eines beabsichtigten Linksabbiegemanövers zum Stillstand
gebrachten Autos (vgl. Verkehrsunfallanzeige vom 19. Dezember 2012). Die Ärzte
der Klinik C.________, wohin sie eingeliefert wurde, diagnostizierten einen
zervikalen Bandscheibenmassenvorfall auf Höhe der Halswirbelkörper (HWK) C5/6
(ICD-10: M50.2), eine Distorsion der Halswirbelsäule (HWS; ICD-10: S13.4), eine
Commotio cerebri (ICD-10: S06.0), Bewusstlosigkeit bei Schädelhirntrauma
(S06.70) sowie eine Spinalkanalstenose (ICD-10: M48.02). Sie entliessen die
Patientin auf deren Wunsch am 23. Dezember 2012 bei nach wie vor bestehenden
starken Kopf- und leichten Nackenschmerzen sowie leichtem Schwindel (Bericht
vom 23. Dezember 2012; vgl. Unfallmeldung UVG der B.________ AG vom 27.
Dezember 2012). Die Allianz erbrachte die gesetzlichen Leistungen
(Heilbehandlung; Taggeld). Nach weiteren Abklärungen teilte sie der
Versicherten mit, dass spätestens ab 17. September 2013 der rechtserhebliche
Kausalzusammenhang zwischen den weiterhin geklagten gesundheitlichen
Beeinträchtigungen und den Unfällen vom 2. November sowie 19. Dezember 2012 zu
verneinen war (Verfügung vom 11. Februar 2014). Eine Einsprache lehnte sie ab
(Einspracheentscheid vom 11. September 2014). Zur Begründung führte sie zum
einen aus, das Ereignis vom 2. November 2012 erfülle mangels eines
ungewöhnlichen äusseren Faktors den Unfallbegriff nicht; hinsichtlich der
Auffahrkollision vom 19. Dezember 2012 hielt sie fest, es könne letztlich offen
bleiben, ob der natürliche Kausalzusammenhang mit den geltend gemachten Nacken-
und Kopfbeschwerden mit Ausstrahlung in Arme und Beine gegeben sei, zumal es an
dessen Adäquanz fehle.

B. 
Die hiegegen eingereichte Beschwerde wies das Versicherungsgericht des Kantons
Aargau ab (Entscheid vom 4. Juni 2015.

C. 
Mit Beschwerde lässt A.________ beantragen, unter Aufhebung des
vorinstanzlichen Entscheids sei die Allianz zu verpflichten, die gesetzlich und
vertraglich geschuldeten Leistungen auch ab 17. September 2013 zu erbringen; es
sei ein interdisziplinäres Gutachten in den Fachbereichen Rheumatologie,
Orthopädie, Neurologie, Neuropsychologie, Psychiatrie und allenfalls weiterer
Fachbereiche einzuholen; eventualiter sei die Sache an die Vorinstanz
zurückzuweisen, insbesondere zwecks Erlasses eines Entscheids im Sinne der
vorstehenden Begehren und zwecks anderweitiger Abklärungen. Ferner wird um
Bewilligung der unentgeltlichen Rechtspflege für das bundesgerichtliche
Verfahren ersucht.
Das Bundesgericht führt keinen Schriftenwechsel durch.

Erwägungen:

1.

1.1. Das Bundesgericht wendet das Recht von Amtes wegen an (Art. 106 Abs. 1
BGG), doch prüft es, unter Berücksichtigung der allgemeinen Rüge- und
Begründungspflicht (Art. 42 Abs. 1 und 2 BGG), nur die geltend gemachten
Vorbringen, falls allfällige weitere rechtliche Mängel nicht geradezu
offensichtlich sind. Hinsichtlich der Verletzung von Grundrechten gilt eine
qualifizierte Rügepflicht (Art. 106 Abs. 2 BGG; BGE 138 I 274 E. 1.6 S. 280 f.
mit Hinweisen).

1.2. Im Beschwerdeverfahren um die Zusprechung oder Verweigerung von
Geldleistungen der Militär- oder Unfallversicherung ist das Bundesgericht nicht
an die vorinstanzliche Feststellung des rechtserheblichen Sachverhalts gebunden
(Art. 97 Abs. 2 und Art. 105 Abs. 3 BGG).

2.

2.1. Streitig und zu prüfen ist, ob das kantonale Gericht zu Recht in
Bestätigung des Einspracheentscheids der Allianz vom 11. September 2014 ab 17.
September 2013 einen Anspruch auf weitere Leistungen der obligatorischen
Unfallversicherung verneint hat. Prozessthema bildet dabei hauptsächlich die
Frage, ob die Beschwerdeführerin an organisch objektiv ausgewiesenen
Unfallfolgen in Form richtunggebender Verschlimmerungen von Diskushernien im
Bereich der Lendenwirbelsäule (LWS) und der HWS litt.

2.2.

2.2.1. Die Vorinstanz hat die Rechtsgrundlagen zur Beurteilung der Streitsache
zutreffend dargelegt, worauf verwiesen wird. Zu wiederholen ist, dass die
Leistungspflicht des Unfallversicherers einen natürlichen und adäquaten
Kausalzusammenhang zwischen dem Unfall und dem eingetretenen Schaden
voraussetzt (BGE 129 V 177 E. 3.1 und 3.2 S. 181). Dabei spielt im
Sozialversicherungsrecht die Adäquanz als rechtliche Eingrenzung der sich aus
dem natürlichen Kausalzusammenhang ergebenden Haftung des Unfallversicherers im
Bereich organisch objektiv ausgewiesener Unfallfolgen praktisch keine Rolle, da
sich hier die adäquate weitgehend mit der natürlichen Kausalität deckt.

2.2.2. Gemäss den weiteren zutreffenden Erwägungen der Vorinstanz entspricht es
im Bereich des Unfallversicherungsrechts einer medizinischen
Erfahrungstatsache, dass praktisch alle Diskushernien bei Vorliegen
degenerativer Bandscheibenveränderungen entstehen, und ein Unfallereignis nur
ausnahmsweise, unter besonderen Voraussetzungen, als eigentliche Ursache in
Betracht fällt (RKUV 2000 Nr. U 379 S. 192, U 138/99 E. 2a; vgl. auch Urteil
8C_681/2011 vom 27. Juni 2012 E. 3.2 mit Hinweisen).

2.2.3. Die Leistungspflicht des Unfallversicherers umfasst auch die
Beeinträchtigung durch Beschwerden, welche aus einer unfallbedingten
(vorübergehenden oder richtunggebenden) Verschlimmerung einer vorbestandenen
Diskushernie herrühren (SVR 2008 UV Nr. 36 S. 137, 8C_637/2007 E. 2.2 mit
Hinweisen; vgl. auch SVR 2009 UV Nr. 1 S. 1, 8C_677/2007 E. 2.3.1). Ist die
Diskushernie allerdings bei degenerativem Vorzustand durch den Unfall nur
aktiviert, nicht aber verursacht worden, so hat die Unfallversicherung nur
Leistungen für das unmittelbar im Zusammenhang mit dem Unfall stehende
Schmerzsyndrom zu erbringen. Nach derzeitigem medizinischem Wissensstand kann
das Erreichen des Status quo sine bei posttraumatischen Lumbalgien und
Lumboischialgien nach drei bis vier Monaten erwartet werden, wogegen eine
allfällige richtunggebende Verschlimmerung röntgenologisch ausgewiesen sein und
sich von der altersüblichen Progression abheben muss; eine traumatische
Verschlimmerung eines klinisch stummen degenerativen Vorzustandes an der
Wirbelsäule ist in der Regel nach sechs bis neun Monaten, spätestens aber nach
einem Jahr als abgeschlossen zu betrachten (Urteil 8C_601/2011 vom 9. Januar
2012 E. 3.2.2; vgl. auch SVR 2009 UV Nr. 1 S. 1, 8C_677/2007 E. 2.3 und 2.3.2
mit Hinweisen).

2.2.4. Rechtsprechungsgemäss kann von organisch objektiv ausgewiesenen
Unfallfolgen erst dann gesprochen werden, wenn die erhobenen Befunde mit
apparativen/bildgebenden Abklärungen bestätigt wurden und die hiebei
angewendeten Untersuchungsmethoden wissenschaftlich anerkannt sind (Urteil
8C_216/2009 vom 28. Oktober 2009 E. 2 mit Hinweis, nicht publ. in: BGE 135 V
465, aber in: SVR 2010 UV Nr. 6 S. 25). Ob eine organisch objektiv ausgewiesene
Unfallfolge vorliegt, beurteilt sich nach dem im Sozialversicherungsrecht
üblichen Beweisgrad der überwiegenden Wahrscheinlichkeit (BGE 129 V 177 E. 3.1
S. 181).

2.2.5. Nach der Rechtsprechung ist es zulässig, eine Leistungspflicht des
Unfallversicherers zu verneinen und die Frage, ob ein natürlicher
Kausalzusammenhang zwischen dem Unfall und den nicht objektivierbaren
Beschwerden besteht, offen zu lassen mit der Begründung, ein allfälliger
natürlicher Kausalzusammenhang wäre nicht adäquat und damit nicht
rechtsgenüglich. Anders ist lediglich in jenen Fällen zu entscheiden, in denen
der Sachverhalt für eine einwandfreie Adäquanzprüfung nicht hinreichend geklärt
ist (BGE 135 V 465 E. 5.1 S. 472).

3.

3.1.

3.1.1. Das kantonale Gericht hat erkannt, dass offen bleiben könne, ob das
Ereignis vom 2. November 2012 die Voraussetzungen des Unfallbegriffs erfülle,
weil ohnehin der natürliche Kausalzusammenhang mit den geltend gemachten
lumbalen Beschwerden bezogen auf den Zeitpunkt der Leistungseinstellung am 17.
September 2013 zu verneinen sei. Es hat anhand der medizinischen Akten
einlässlich dargelegt, dass die Versicherte vor dem 2. November 2012 während
Jahren immer wieder an radiologisch und klinisch nachweisbaren, massiven
lumbalen Beschwerden mit Ausstrahlung in die Beine litt. Damit sei erstellt,
dass das Ereignis vom 2. November 2012 nicht geeignet gewesen war, die vom
Radiologen des Röntgeninstituts F.________ am 26. November 2012 erhobenen
Befunde zu verursachen. Vielmehr sei davon auszugehen, dass die Diskushernie
aktiviert wurde und der Status quo sine spätestens im September 2013 erreicht
gewesen sei.

3.1.2. Die Beschwerdeführerin räumt ein, dass sie an den vom kantonalen Gericht
erwähnten erheblichen Beeinträchtigungen im Bereich der LWS bereits vor dem
Unfall vom 2. November 2012 litt. Sie macht aber geltend, es habe übersehen,
dass nach der Rechtsprechung traumatische Verschlimmerungen eines klinisch
stummen degenerativen Vorzustands an der Wirbelsäule nur "in der Regel" innert
sechs bis neun Monaten bzw. innert eines Jahres ausheilten. Es habe sich
aktenwidrig nicht mit dem Umstand befasst, dass die LWS beim Verkehrsunfall vom
19. Dezember 2012 erneut traumatisiert worden sei und die am 2. November 2012
erlittenen, noch nicht abgeheilt gewesenen Verletzungen massiv verstärkt worden
seien.

3.2. Die Beschwerdeführerin benennt kein medizinisches Aktenstück, mit dem ihr
Vorbringen untermauert werden könnte. Zudem übersieht sie, dass nach der in E.
2.2.3 in fine in Verbindung mit E. 2.2.4 hievor zitierten Rechtsprechung eine
richtunggebende Verschlimmerung radiologisch ausgewiesen sein muss. Dies ist
hier unbestritten und ausweislich der Akten nicht der Fall, weshalb der
angefochtene Entscheid in diesem Punkt nicht zu beanstanden ist.

4.

4.1.

4.1.1. Das kantonale Gericht hat nach umfassender Darstellung der medizinischen
Akten erkannt, dass die nach dem Verkehrsunfall vom 19. Dezember 2012
angegebenen Beschwerden im Bereich der HWS, soweit sie auf ein organisches
Substrat zurückzuführen waren, nicht unfallbedingt sein konnten. Auch das von
Dr. med. D.________, FMH Neurologie (Konsilium vom 19. Mai 2014), vermutete
Thoracic-outlet-Syndrom (TOS) stelle rechtsprechungsgemäss keinen objektiven
Befund dar.

4.1.2. Die Beschwerdeführerin bringt vor, sie habe beim Auffahrunfall vom 19.
Dezember 2012 organisch nachweisbare Verletzungen erlitten, welche die am 17.
September 2013 vorgenommene Diskektomie auf Höhe der HWK C5/6 notwendig
machten. Dieser Umstand sei der Vorinstanz zwar nicht entgangen, sie habe aber
zu Unrecht einen Vorzustand angenommen. Auch in diesem Punkt verkennt die
Beschwerdeführerin, dass die Ärzte ausweislich der medizinischen Akten die
angegebenen Beschwerden weder klinisch noch radiologisch nachvollziehen
konnten. Die von ihr angesprochene und aus medizinischer Sicht erfolgreich
verlaufene Versteifung der HWS brachte subjektiv keine Verbesserung der
gesundheitlichen Beeinträchtigungen (vgl. Berichte des Spitals G.________ vom
26. September und 31. Oktober 2013 sowie 20. Januar und 21. Februar 2014),
weshalb ohne Weiteres davon ausgegangen werden kann, dass der zervikale
Bandscheibenmassenvorfall für die auch nach der am 17. September 2013
durchgeführten Diskektomie weiterhin geklagten Beschwerden nicht mehr in einem
natürlichen Kausalzusammenhang mit der Auffahrkollision vom 19. Dezember 2012
standen. Dr. med. D.________ enthielt sich hiezu denn auch - trotz spezifischer
Nachfrage - explizit jeglichen Kommentars. Unter diesen Umständen ist mit der
Vorinstanz anzunehmen, dass die Beschwerdeführerin am 19. Dezember 2012 einen
objektivierbaren Gesundheitsschaden im Bereich der HWS im Sinne einer
vorübergehenden Verschlimmerung vorbestandender degenerativer Veränderungen
erlitt, der aber nach dem operativen Eingriff vom 17. September 2013 klinisch
und radiologisch nicht mehr verifizierbar war.

4.2.

4.2.1. Das kantonale Gericht hat zutreffend auf die Rechtsprechung hingewiesen,
wonach einfache Auffahrkollisionen in der Regel als mittelschwere Unfälle im
Grenzbereich zu den leichten Ereignissen zu qualifizieren sind (RKUV 2005 Nr. U
549 S. 236 E. 5.1.2, U 380/04). Es hat erkannt, dass vorliegend keine Umstände
ersichtlich waren, von dieser Praxis abzuweichen. Was die Beschwerdeführerin
vorbringt, dringt nicht durch. Zunächst ist nicht ersichtlich, inwiefern eine
neue biomechanische Expertise relevante Erkenntnisse zu der zu diskutierenden
Frage ergeben würde. Die Vorinstanz hat zutreffend darauf hingewiesen, dass
unfallanalytische oder biomechanische Auskünfte bei der Beurteilung der
Unfallschwere einbezogen werden können, die Einstufung eines Unfalles
allerdings nicht allein gestützt darauf vorgenommen werden darf. In diesem
Kontext hat sie weiter richtig aufgezeigt, dass die Ärzte den natürlichen
Kausalzusammenhang zwischen dem Unfall vom 19. Dezember 2012 und den danach
geklagten Beschwerden nicht darzulegen vermochten.

4.2.2. Das kantonale Gericht hat von den zu prüfenden, objektiv fassbaren und
unmittelbar mit dem Unfall in Zusammenhang stehenden oder als Folge davon
erscheinenden Umständen, welche als massgebende Kriterien in die
Gesamtwürdigung einzubeziehen sind (vgl. BGE 134 V 109 E. 10.3 S. 130),
diejenigen der Schwere oder besonderen Art der erlittenen Verletzung sowie der
erheblichen Beschwerden in der einfachen Form als erfüllt betrachtet, was für
die Annahme des adäquaten Kausalzusammenhangs nicht genügte.

4.2.2.1. Die Beschwerdeführerin bringt vor, sie habe beim Unfall das
Bewusstsein verloren, leide zumindest aber an einer Amnesie, weshalb das
Kriterium der besonders dramatischen Begleitumstände oder besonderen
Eindrücklichkeit erfüllt sei. Das Bundesgericht hielt im Urteil 8C_15/2013 vom
24. Mai 2013 E. 7.3.2 fest, dass dem zur Diskussion stehenden Kriterium nicht
die gleiche Bedeutung beigemessen werden kann, wie wenn eine ungetrübte
Erinnerung an den Unfall und die damit verbundenen Begleitumstände gegeben
wäre. Zudem ist mit dem kantonalen Gericht darauf hinzuweisen, dass jedem
mittelschweren Unfall eine gewisse Eindrücklichkeit eigen ist, die somit nicht
für die Bejahung des Kriteriums ausreichen kann. Damit bleibt es bei der
vorinstanzlichen Feststellung, es habe sich objektiv betrachtet um eine
gewöhnliche Auffahrkollision gehandelt, ohne dass die Versicherte durch
Schleudern des Fahrzeugs bewirkten Scherkräften ausgesetzt gewesen war.

4.2.2.2. Das Vorbringen, das Kriterium der Schwere oder besonderen Art der
erlittenen Verletzung sei in ausgeprägter Weise erfüllt, begründet die
Beschwerdeführerin damit, dass sie gemäss Auskünften des Dr. med. D.________
auch an einem TOS litt, welches die Folgen des zervikalen
Bandscheibenmassenvorfalls sowie des HWS-Schleudertraumas verstärkt hätten.
Hiezu ist zum einen auf die im angefochtenen Entscheid zitierte Rechtsprechung
hinzuweisen, wonach ein TOS nicht auf objektivierbaren Befunden beruht und im
Übrigen - wie aus dem neurologischen Konsilium des Dr. med. D.________ vom 19.
Mai 2014 zu schliessen ist - zumindest fraglich ist, ob es aus ärztlicher Sicht
überhaupt vorlag. Zum anderen hat das kantonale Gericht zutreffend erkannt,
dass die Versicherte auch nach der am 17. September 2013 erfolgreich
durchgeführten Diskektomie im Bereich der HWK C5/6 nach wie vor an denselben
multiplen Beschwerden litt, welche die Ärzte weiterhin weder klinisch noch
radiologisch verifizieren konnten.

4.2.2.3. Zur Beurteilung der Kriterien der fortgesetzt spezifischen,
belastenden ärztlichen Behandlung, der erheblichen Beschwerden sowie der
ärztlichen Fehlbehandlung, welche die Unfallfolgen erheblich verschlimmerte,
wird auf die nicht zu beanstandenden Erwägungen im angefochtenen Entscheid
verwiesen, welchen nichts beizufügen ist.

4.2.2.4. Der anzunehmende Umstand, dass die Beschwerdeführerin an den Folgen
des beim Unfall vom 19. Dezember 2012 ausgelösten Bandscheibenmassenvorfalls
auf Höhe der HWK C5/6 litt, bildet einen zum Schleudertrauma der HWS hinzu
getretenen besonderen Grund im Sinne der Rechtsprechung (vgl. BGE 134 V 109 E.
10.2.6 S. 129), welcher die Heilung zu beeinträchtigen vermochte. Allerdings
ist erneut darauf hinzuweisen, dass die im September 2013 klinisch und
radiologisch nachweisbar erfolgreich durchgeführte Diskektomie keine Linderung
der subjektiv empfundenen Beschwerden brachte, weshalb das Kriterium des
schwierigen Heilverlaufs oder der erheblichen Komplikationen nicht in
ausgeprägter Weise vorliegt. Daran ändert entgegen der Auffassung der
Beschwerdeführerin das aufgrund ihrer Angaben von Dr. med. D.________ vermutete
TOS nichts, zumal der den Adäquanzkriterien zugrunde zu legende Sachverhalt
objektiviert zu betrachten ist.

4.2.2.5. Schliesslich bringt die Beschwerdeführerin vor, seit dem
Verkehrsunfall vom 19. Dezember 2012 sei sie trotz der zahlreichen medizinisch
indizierten Therapien dauernd und vollständig arbeitsunfähig gewesen. Daher sei
nicht nachzuvollziehen, dass das kantonale Gericht ihr vorwerfe, zu wenig
Anstrengungen unternommen zu haben, sich in den Arbeitsprozess wieder
einzugliedern.
Die Beschwerdeführerin übersieht, dass sich nach der Rechtsprechung bei
fehlenden organisch objektiv ausgewiesenen Beschwerden die Anstrengungen, die
Arbeitsunfähigkeit zu überwinden, in erster Linie in ernsthaften
Arbeitsversuchen - die auch alternative, der gesundheitlichen Einschränkung
besser Rechnung tragende Tätigkeiten beinhalten - manifestieren müssen (BGE 134
V 109 E. 10.2.7 S. 130). Daran fehlt es vorliegend, wie sich ohne Weiteres aus
dem nicht belegten Vorbringen der Beschwerdeführerin ergibt, trotz ärztlich
attestierter Arbeitsunfähigkeit zu arbeiten, hätte ihre Gesundheit gefährdet.
Das Kriterium der erheblichen Arbeitsunfähigkeit trotz ausgewiesener
Anstrengungen ist daher nicht erfüllt.

4.3. Zusammenfassend ist festzustellen, dass von den sieben relevanten
Kriterien höchstens drei erfüllt sind (Schwere oder besondere Art der
erlittenen Verletzung; erhebliche Beschwerden; schwieriger Heilverlauf und
erhebliche Komplikationen), keines davon jedoch in ausgeprägter Weise. Zur
Bejahung der Adäquanz allfälliger noch vorhandener unfallbedingter Beschwerden
genügt dies bei einem mittelschweren Unfall im Grenzbereich zu den leichten
Ereignissen nicht. Es kann offen bleiben, ob der natürliche Kausalzusammenhang
gegeben, bzw. ob und wann der Status quo sine vel ante eingetreten war, weshalb
von den beantragten weiteren medizinischen und anderen Abklärungen abzusehen
ist.

5. 
Die Gerichtskosten sind der Beschwerdeführerin als unterliegender Partei
aufzuerlegen (Art. 66 Abs. 1 BGG).

6. 
Dem Gesuch um Gewährung der unentgeltlichen Rechtspflege ist zum einen
stattzugeben, weil keine Anhaltspunkte bestehen, von der vom kantonalen Gericht
angenommenen Bedürftigkeit der Versicherten abzuweichen. Zum anderen ist die
Beschwerde an das Bundesgericht inhaltlich nicht als aussichtslos zu
bezeichnen, weshalb die anwaltliche Vertretung geboten war (Art. 64 Abs. 1 und
2 BGG). Der Beschwerdeführerin wird daher eine angemessene Entschädigung
zugesprochen (Art. 64 Abs. 2 Satz 2 BGG). Sie wird indessen darauf hingewiesen,
dass sie der Bundesgerichtskasse Ersatz zu leisten hat, wenn sie später dazu in
der Lage ist (Art. 64 Abs. 4 BGG).

Demnach erkennt das Bundesgericht:

1. 
Die Beschwerde wird abgewiesen.

2. 
Der Beschwerdeführerin wird die unentgeltliche Rechtspflege gewährt und
Rechtsanwalt Dr. Markus Wick wird als unentgeltlicher Anwalt bestellt.

3. 
Die Gerichtskosten von Fr. 800.- werden der Beschwerdeführerin auferlegt, indes
vorläufig auf die Bundesgerichtskasse genommen.

4. 
Dem Rechtsvertreter der Beschwerdeführerin wird aus der Bundesgerichtskasse
eine Entschädigung von Fr. 2'800.- ausgerichtet.

5. 
Dieses Urteil wird den Parteien, dem Versicherungsgericht des Kantons Aargau
und dem Bundesamt für Gesundheit schriftlich mitgeteilt.

Luzern, 14. Oktober 2015

Im Namen der I. sozialrechtlichen Abteilung
des Schweizerischen Bundesgerichts

Die Präsidentin: Leuzinger

Der Gerichtsschreiber: Grunder

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