Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

I. Sozialrechtliche Abteilung, Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten 8C.569/2015
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Bundesgericht
Tribunal fédéral
Tribunale federale
Tribunal federal

[8frIR2ALAGK1]     
{T 0/2}
                   
8C_569/2015

Urteil vom 17. Februar 2016

I. sozialrechtliche Abteilung

Besetzung
Bundesrichter Maillard, Präsident,
Bundesrichter Ursprung, Wirthlin,
Gerichtsschreiberin Berger Götz.

Verfahrensbeteiligte
A.________,
vertreten durch Rechtsanwalt Eric Schuler,
Beschwerdeführer,

gegen

IV-Stelle Nidwalden, Stansstaderstrasse 88, 6371 Stans,
Beschwerdegegnerin.

Gegenstand
Invalidenversicherung (Invalidenrente, berufliche Massnahmen),

Beschwerde gegen den Entscheid des Verwaltungsgerichts des Kantons Nidwalden
vom 19. Januar 2015.

Sachverhalt:

A. 
Der 1968 geborene ausgebildete Schmied und Hufschmied A.________ war seit 1.
Oktober 2004 als Produktionsmitarbeiter in der Metallverarbeitung und
Teamleiter bei der B.________ AG tätig. Beim Entladen eines Fahrzeugs zog er
sich am 8. März 2011 eine distale Bizepssehnenruptur beidseits zu. Am 19.
August 2011 meldete er sich bei der Invalidenversicherung zum Leistungsbezug
an. Die IV-Stelle Nidwalden zog die Akten der Schweizerischen
Unfallversicherungsanstalt (SUVA) bei, veranlasste eine berufliche Abklärung
bei der BEFAS vom 13. Mai bis 12. Juni 2013 und holte unter anderem ein
Gutachten der Medizinischen Abklärungsstelle Bern (nachfolgend: MEDAS) vom 25.
März 2014 ein. Nach Durchführung des Vorbescheidverfahrens lehnte sie weitere
berufliche Massnahmen und einen Rentenanspruch, unter Hinweis auf einen
Invaliditätsgrad von 18 %, ab (Verfügung vom 18. Juli 2014).

B. 
Das Verwaltungsgericht des Kantons Nidwalden wies die dagegen erhobene
Beschwerde ab (Entscheid vom 19. Januar 2015).

C. 
A.________ lässt Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten führen
mit dem Antrag, die IV-Stelle sei zur Ausrichtung einer ganzen Rente ab 1. März
2012 und zur Gewährung weitergehender beruflicher Massnahmen zu verpflichten;
eventualiter sei die Sache zur ergänzenden Abklärung bzw. zur Durchführung
eines ergebnisoffenen Beweisverfahrens und zum anschliessenden Neuentscheid an
die IV-Stelle zurückzuweisen. Ferner sei ihm die unentgeltliche Rechtspflege
und Verbeiständung zu bewilligen

Die IV-Stelle schliesst auf Abweisung der Beschwerde. Das kantonale Gericht und
das Bundesamt für Sozialversicherungen verzichten auf eine Stellungnahme.

Mit Eingabe vom 29. Oktober 2015 lässt A.________ an seinen Anträgen
festhalten.
Erwägungen:

1. 
Die Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten kann wegen
Rechtsverletzungen gemäss Art. 95 und 96 BGG erhoben werden. Das Bundesgericht
legt seinem Urteil den Sachverhalt zugrunde, den die Vorinstanz festgestellt
hat (Art. 105 Abs. 1 BGG). Es kann deren Sachverhaltsfeststellung auf Rüge hin
oder von Amtes wegen berichtigen oder ergänzen, wenn sie offensichtlich
unrichtig ist oder auf einer Rechtsverletzung im Sinne von Art. 95 BGG beruht,
und wenn die Behebung des Mangels für den Ausgang des Verfahrens entscheidend
sein kann (Art. 105 Abs. 2 BGG und Art. 97 Abs. 1 BGG). Als "offensichtlich
unrichtig" gelten die vorinstanzlichen Feststellungen, wenn sie willkürlich
erhoben worden sind (Art. 9 BV; BGE 140 III 115 E. 2 S. 117; allgemein zur
Willkür in der Rechtsanwendung BGE 140 III 16 E. 2.1 S. 18 f.; 138 I 49 E. 7.1
S. 51; 138 III 378 E. 6.1 S. 379 f.; insbesondere zu jener in der
Beweiswürdigung BGE 137 I 58 E. 4.1.2 S. 62; 135 III 127 E. 1.5 S. 129 f.;
Urteil 2C_1143/2013 vom 28. Juli 2014 E. 1.3.4). Das Bundesgericht wendet das
Recht von Amtes wegen an (Art. 106 Abs. 1 BGG) und ist folglich weder an die in
der Beschwerde geltend gemachten Argumente noch an die Erwägungen der
Vorinstanz gebunden (BGE 134 I 65 E. 1.3 S. 67 f.; 134 V 250 E. 1.2 S. 252, je
mit Hinweisen).

2.

2.1. Das kantonale Gericht hat die Bestimmungen und die von der Rechtsprechung
entwickelten Grundsätze zum Begriff der Invalidität (Art. 4 Abs. 1 IVG in
Verbindung mit Art. 8 Abs. 1 ATSG), zum Umfang des Rentenanspruchs (Art. 28
Abs. 2 IVG), zur anwendbaren Invaliditätsbemessungsmethode bei erwerbstätigen
Versicherten nach der Einkommensvergleichsmethode (Art. 28a Abs. 1 IVG in
Verbindung mit Art. 16 ATSG), zur Aufgabe des Arztes oder der Ärztin bei der
Invaliditätsbemessung (BGE 132 V 93 E. 4 S. 99) und zu den Anforderungen an
beweiskräftige medizinische Berichte und Gutachten (BGE 137 V 210 E. 6.2.2 S.
269; 134 V 231 E. 5.1 S. 232; 125 V 351 E. 3a S. 352) zutreffend dargelegt.
Darauf wird verwiesen.

2.2. Mit BGE 141 V 281 hat das Bundesgericht die Überwindbarkeitsvermutung
aufgegeben und das bisherige Regel/Ausnahme-Modell durch einen strukturierten
normativen Prüfungsraster ersetzt. An der Rechtsprechung zu Art. 7 Abs. 2 ATSG
- ausschliessliche Berücksichtigung der Folgen der gesundheitlichen
Beeinträchtigung und objektivierte Zumutbarkeitsprüfung bei materieller
Beweislast der rentenansprechenden Person (Art. 7 Abs. 2 ATSG) - ändert sich
dadurch nichts (BGE 141 V 281 E. 3.7 S. 295 f.). Die Anerkennung eines
rentenbegründenden Invaliditätsgrades ist nur zulässig, wenn die funktionellen
Auswirkungen der medizinisch festgestellten gesundheitlichen Anspruchsgrundlage
im Einzelfall anhand der Standardindikatoren schlüssig und widerspruchsfrei mit
(zumindest) überwiegender Wahrscheinlichkeit nachgewiesen sind (BGE 141 V 281
E. 6 i.f. S. 308).

3. 
Im angefochtenen Gerichtsentscheid wird namentlich gestützt auf die Ergebnisse
des MEDAS-Gutachtens vom 25. März 2014 festgestellt, dass die bisherige
Tätigkeit als Aufstecker nicht mehr zumutbar sei, jedoch in einer angepassten,
körperlich leichten bis mittelschweren Beschäftigung eine 100%ige
Arbeitsfähigkeit bestehe. Auf dieser Grundlage nimmt die Vorinstanz die
Invaliditätsbemessung vor, woraus ein rentenausschliessender Invaliditätsgrad
von 18 % resultiert.

4.

4.1. Der Beschwerdeführer wendet dagegen ein, der MEDAS-Psychiater, welcher von
einer somatoformen Entwicklung ausgehe, stütze sich für seine Einschätzung
einer fehlenden Einschränkung der Arbeitsfähigkeit auf die Foerster-Kriterien
ab, obwohl diese Beurteilung den Rechtsanwendern obliege, in erster Linie also
der IV-Stelle und im Beschwerdefall dem Gericht. Die Vorinstanz habe aber die
psychiatrische MEDAS-Einschätzung einfach übernommen und der somatoformen
Störung stillschweigend jegliche Relevanz bezüglich Arbeitsfähigkeit
abgesprochen. Zudem habe sie nicht berücksichtigt, dass mit BGE 141 V 281 die
bisherige Überwindbarkeitsvermutung in Bezug auf solche Leiden aufgegeben
worden sei. Mit dieser Unterlassung habe sie den Untersuchungsgrundsatz sowie
den Grundsatz der freien Beweiswürdigung verletzt, was im Ergebnis zu einer
unrichtigen, zumindest aber zu einer unvollständigen Feststellung des
rechtserheblichen Sachverhalts geführt habe. Mit den - früheren - Auswirkungen
der im Rahmen der MEDAS-Begutachtung nicht mehr festgestellten depressiven
Störung habe sich der psychiatrische Fachexperte zudem nicht
auseinandergesetzt, weshalb nicht nachvollziehbar sei, dass er auch
retrospektiv keine Einschränkung der Arbeitsfähigkeit attestiere. Insgesamt sei
das Verhalten des Versicherten entgegen der Ansicht der Vorinstanz konsistent,
weil er sowohl in seiner Arbeitsfähigkeit als auch in seiner Freizeitgestaltung
und in der Mitarbeit im Haushalt gleichermassen eingeschränkt sei.

4.1.1. Nach BGE 141 V 281 hat die Invaliditätsbemessung bei psychosomatischen
Störungen stärker als bisher den Aspekt der funktionellen Auswirkungen zu
berücksichtigen, was sich schon in den diagnostischen Anforderungen
niederschlagen muss. Auch nach der Praxisänderung durch kann somit eine
Einschränkung der Leistungsfähigkeit nur relevant sein, wenn sie Folge einer
fachärztlich einwandfrei diagnostizierten Gesundheitsbeeinträchtigung ist (vgl.
BGE 130 V 396). Bei somatoformen Störungen (ICD-10: F45) im Besonderen ist dem
diagnoseinhärenten Schweregrad vermehrt Rechnung zu tragen (BGE 141 V 281 E.
2.1.1 S. 286; vgl. auch Urteil 9C_125/2015 vom 18. November 2015 E. 5.3).

4.1.2. Gestützt auf die psychiatrischen Diagnosen kann ein linearer
Zusammenhang mit dem Schweregrad der funktionellen Beeinträchtigung anhand der
Standardindikatoren nach BGE 141 V 281 E. 4.3 S. 300 ff. hergestellt werden.
Dies lässt sich aufgrund der medizinischen Akten, insbesondere des
psychiatrischen MEDAS-Teilgutachtens, verlässlich beurteilen. Darin kann keine
Diagnose mit Einschränkung der Arbeitsfähigkeit genannt werden. Ohne
Auswirkungen auf die Arbeitsfähigkeit bestehe eine sonstige somatoforme
Schmerzstörung (ICD-10: F45.8) und eine Persönlichkeitsakzentuierung (ICD-10:
Z73.1). Bei einer sonstigen somatoformen Störung beschränken sich die
Beschwerden auf bestimmte Systeme oder Teile des Körpers. Hier sind gemäss
ICD-10 alle anderen Störungen der Empfindung zu klassifizieren, die nicht auf
körperliche Störungen zurückzuführen sind, wenn sie mit belastenden Ereignissen
oder Problemen in enger Verbindung stehen oder wenn sie zu beträchtlicher
persönlicher oder medizinischer Aufmerksamkeit für den Patienten führen.
Hinweise auf eine relevante depressive Störung bzw. eine psychotische
Erkrankung werden vom psychiatrischen Experten - ohne zeitliche Einschränkung -
ausdrücklich verneint. Die Diagnosestellung im Gutachten vermag zu überzeugen.
Als Rechtsfrage frei überprüfbar ist hingegen, ob und in welchem Umfang die
ärztlichen Feststellungen anhand der rechtserheblichen Indikatoren auf
Arbeitsunfähigkeit schliessen lassen (BGE 141 V 281 E. 6 S. 308).

4.1.3. In der Kategorie "funktioneller Schweregrad" sind zum Komplex
"Gesundheitsschädigung" im MEDAS-Gutachten insgesamt kaum relevante
Einschränkungen auszumachen. Massgeblich sind dabei die Ausprägung
diagnoserelevanter Befunde, der Behandlungs- und Eingliederungserfolg resp. die
Behandlungs- und Eingliederungsresistenz und allfällige Komorbiditäten (BGE 141
V 281 E. 4.3.1 S. 298 ff.). Die Experten sind sich einig, dass es sich um eine
ungewöhnliche Erkrankung mit ungewöhnlichem Verlauf handle. Dies allerdings
nur, weil zunächst nach dem Vorfall vom 8. März 2011 (lange) von einer
körperlichen Ursache des Leidens ausgegangen und versucht worden sei, dieses
durch umfangreiche Ausschlussdiagnostik einzugrenzen. Erst durch diesen
langwierigen diagnostischen Klärungsprozess sei offensichtlich geworden, dass
auch psychische Aspekte zu berücksichtigen seien. Zusammenfassend wird bei
Status nach Ruptur der kurzen Bizepssehnen an beiden Armen am 8. März 2011 im
Rahmen eines Arbeitsunfalls und nach operativer Versorgung (vom 18. März 2011)
eine verminderte Belastbarkeit bei körperlich schweren Tätigkeiten festgestellt
und die Vermeidung von Tätigkeiten, welche schnelle Reaktionen mit den oberen
Extremitäten verlangen, empfohlen. Auch Beschäftigungen mit erhöhter
Unfallgefahr am Arbeitsplatz seien ausgeschlossen. In der Heilungsphase nach
der Operation bestand eine komplette Gebrauchsunfähigkeit beider Arme. Nach
einer Besserung kam es im August 2011 zu einer Schmerzzunahme durch die
Arbeitsbelastung in der ab 1. Juli 2011 versuchsweise in Teilzeit wieder
aufgenommenen und schliesslich am 1. April 2012 beendeten Erwerbstätigkeit.
Seitdem beklagt der Versicherte eine weitestgehende Gebrauchsminderung beider
Arme. Allerdings konnten die Gutachter keine Muskelabbauerscheinungen an
Oberarmen, Unterarmen und Händen feststellen und es fand sich keinerlei
medizinische Erklärung für den in den Untersuchungen gezeigten hochgradigen
Mindergebrauch beider Arme. Dass die Bizepssehnenverletzung nach erfolgreicher
Refixation über das Jahr 2011 hinaus zu einer länger dauernden, deutlichen
Beeinträchtigung im Alltag geführt hat, ist gestützt auf die insoweit
schlüssigen gutachtlichen Feststellungen kaum nachvollziehbar, weshalb die
Schwere des während der Untersuchungen - allerdings nicht durchwegs - gezeigten
Krankheitsgeschehens mit weitgehender Gebrauchsunfähigkeit der Arme aus der
diagnoserelevanten Ätiologie und Pathogenese kaum zu plausibilisieren ist.
Demnach ist die Ausprägung der diagnoserelevanten Befunde und Symptome zu
gering (BGE 141 V 281 E. 4.3.1.1 S. 298 f.).

Bezüglich des Indikators "Behandlungserfolg oder -resistenz" ist zu
berücksichtigen, dass der Beschwerdeführer die im Herbst 2012 begonnene
Psychotherapie aus finanziellen Gründen wieder einstellte, die weitergeführte
Psychopharmaka-Einnahme das Beschwerdebild aus seiner Sicht nicht wesentlich zu
verändern vermochte und die Einnahme von Schmerzmedikamenten (einschliesslich
Opiaten) ohne jede Wirkung geblieben war. Die bisherigen Behandlungsergebnisse
waren trotz in somatischer Hinsicht konsequent durchgeführten ambulanten und
stationären Behandlungsbemühungen unbefriedigend, die Rehabilitationsmassnahmen
scheiterten. Aus dem Scheitern dieser wegen anfänglicher diagnostischer
Schwierigkeiten weitgehend auf die Armproblematik beschränkten ärztlichen
Bemühungen lässt sich allerdings nicht auf eine invalidisierende schwere
psychische Störung, welche therapeutisch nicht angehbar wäre, schliessen (BGE
141 V 281 E. 4.3.1.2 S. 299 f.).

Bezüglich des Komplexes "Persönlichkeit" und "Soziales" (vgl. BGE 141 V 281 E.
4.3.2 und 4.3.3 S. 302 f.) ist dem Gutachten ein zuverlässiges Bild des
Versicherten zu entnehmen. Während gemäss psychiatrischer Einschätzung
lediglich leichte Einschränkungen im Bereich der geistigen Flexibilität und
Umstellungsfähigkeit sowie der Ausdauer bestehen, beeinflussen die guten
sozialen Kontakte zur Familie und zu den Kollegen sowie das Tuba- und
Horn-Spielen in einem Musikverein das Geschehen positiv. Jedenfalls lässt sich
hieraus ableiten, dass Ressourcen, einer Arbeit nachgehen zu können, bestehen.
Beweisrechtlich entscheidend und vorliegend zielführend ist der Aspekt in der
Kategorie "Konsistenz", insbesondere in Bezug auf den Indikator einer
gleichmässigen Einschränkung des Aktivitätenniveaus in allen vergleichbaren
Lebensbereichen (BGE 141 V 281 E. 4.4.1 S. 303 f.). Gemäss psychiatrischem
Teilgutachten steht der Beschwerdeführer am Morgen zwischen 6.00 und 6.45 Uhr
auf (seine Frau ist jeweils schon ab 6.00 Uhr bei der Arbeit), kümmert sich um
seine zwei schulpflichtigen Kinder, nimmt mit ihnen das Morgenessen ein, macht
ihnen Pausenbrote, unternimmt anschliessend einen Spaziergang oder erledigt
kleine Haushaltsarbeiten oder Botengänge zur Post oder zur Bank. Am Nachmittag,
nachdem seine Frau um 13.00 Uhr von der Arbeit nach Hause gekommen ist, trinkt
er mit ihr einen Kaffee, begleitet sie dann bei grösseren Einkäufen oder es
kommt Besuch vorbei. Nach Rückkehr der Kinder von der Schule steht er ihnen zur
Verfügung und betreut sie bei den Hausaufgaben. Am Abend ist er meistens zu
Hause, sieht fern und geht gegen 21.30 Uhr zu Bett oder (gemäss internistischem
Teilgutachten) in den Musikverein. Es besteht nach seiner Auskunft anlässlich
der internistischen Untersuchung reger Kontakt mit Nachbarn und Freunden.
Ausserdem ist er in verschiedenen örtlichen Vereinen präsent. Autofahren ist im
Umkreis von fünf Kilometern möglich. Den MEDAS-Gutachtern war in den
Untersuchungssituationen verschiedentlich widersprüchliches Verhalten
aufgefallen. Während der Untersuchungen zeigte der Versicherte einen erheblich
eingeschränkten Gebrauch der Arme. Demgegenüber beobachtete beispielsweise der
MEDAS-Orthopäde einen entspannten und normalen Einsatz der Arme nach der
Exploration. Der neurologische Fachexperte konnte seinerseits eine geschickte
Benutzung des Handys beim Hervorholen, Bedienen und Verstauen feststellen, was
mit der ansonsten unbeweglichen Haltung der Arme in Beugestellung
kontrastierte. Das Aktivitätenniveau des Beschwerdeführers vermag eine
rechtliche Beeinträchtigung der Arbeitsfähigkeit nicht zu begründen. Infolge
der minimen Beeinträchtigung im Komplex "Gesundheitsschädigung" und des guten
Aktivitätenniveaus in der Kategorie "Konsistenz" ist ein rechtsgenüglicher
Bezug zwischen der psychiatrischen Diagnosestellung und deren funktioneller
Auswirkung im Sinne einer eingeschränkten Arbeitsfähigkeit nicht gegeben. Dies
gilt entgegen der Ansicht des Beschwerdeführers auch retrospektiv hinsichtlich
der Auswirkungen der vor der MEDAS-Begutachtung vereinzelt diagnostizierten
depressiven Störung. Bei gesamthafter Betrachtung über alle massgeblichen
Indikatoren hinweg ist jedenfalls eine medizinisch-gesundheitliche
Anspruchsgrundlage, welche zur Anerkennung einer Arbeitsunfähigkeit in
körperlich leichten bis mittelschweren Tätigkeiten führt, nicht mit
überwiegender Wahrscheinlichkeit nachgewiesen. Die Folgen der Beweislosigkeit
hat die materiell beweisbelastete versicherte Person zu tragen (BGE 141 V 281
E. 6 S. 308 f.).

4.2. Der Beschwerdeführer verkennt demzufolge, dass eine Beurteilung anhand von
BGE 141 V 281 in casu nicht zu einer Besserstellung führt. Die Vorinstanz
durfte nach dem Gesagten auf die Einschätzung der Arbeitsfähigkeit im
MEDAS-Gutachten abstellen. Daran vermag auch der Hinweis auf die Berichte des
Dr. med. C.________, Oberarzt, Klinik D.________, vom 8. (recte: 13.) August
2012 (vgl. auch dessen Stellungnahme vom 30. August 2012), des Dr. med.
E.________, Facharzt FMH für Allgemeinmedizin, vom 21. August 2014 und des
Spitals F.________ vom 21. November 2014, wonach ein Complex Regional Pain
Syndrome (CRPS) bzw. ein - hochgradiger - Verdacht auf eine Algodystrophie oder
ein CRPS bestehe, nichts zu ändern. Es ist dem Versicherten zwar
beizupflichten, dass (neu aufgelegte) medizinische Berichte nicht allein
deswegen von der gerichtlichen Prüfung ausgenommen werden dürfen, weil sie von
einem späteren Zeitpunkt als dem Tag des Verfügungserlasses datieren.
Entscheidend ist vielmehr, ob solche Berichte geeignet sind, die Beurteilung
der (medizinischen) Verhältnisse im massgeblichen Verfügungszeitpunkt zu
modifizieren (vgl. BGE 131 V 242 E. 2.1 S. 243). Im vorliegenden Fall hat das
kantonale Gericht die genannten Berichte unter diesem Blickwinkel allerdings
durchaus gewürdigt. Es hat zu Recht darauf hingewiesen, dass die von den
behandelnden Ärzten geäusserte Verdachtsdiagnose eines CRPS in die Beurteilung
der MEDAS-Gutachter eingeflossen ist und ihnen auch die zeitweise
bläulich-livide Verfärbung der Haut (bei Adipositas permagna) bekannt war,
welche nicht erst von Dr. med. E.________ im August 2014, sondern auch schon
von Dr. med. C.________ am 30. August 2012 beobachtet worden war.

Abschliessend ist festzuhalten, dass die Vorinstanz willkürfrei auf die
Schlussfolgerungen in der Expertise abstellen durfte, wonach die Einschränkung
der Arbeitsfähigkeit in körperlich schweren Beschäftigungen auf den Zustand
nach operativer Versorgung des beidseitigen Bizepssehnenrisses zurückzuführen
sei und abgesehen davon keine weiteren gesundheitlichen Beeinträchtigungen
bestehen würden, welche Auswirkungen auf die Leistungsfähigkeit hätten. Weil
von zusätzlichen medizinischen Abklärungsmassnahmen keine neuen
entscheidwesentlichen Aufschlüsse zu erwarten sind, kann und konnte auf
weitergehende medizinische Erhebungen und Gutachten verzichtet werden
(antizipierte Beweiswürdigung; BGE 136 I 229 E. 5.3 S. 236).
Gegen die vorinstanzliche Ermittlung des Invaliditätsgrades erhebt der
Versicherte keine weiteren Einwände.

5. 
Schliesslich macht der Beschwerdeführer geltend, die Vorinstanz habe einen
Anspruch auf berufliche Massnahmen zu Unrecht verneint. Sie habe übersehen,
dass die IV-Stelle ihn schriftlich hätte mahnen und ihm eine angemessene
Bedenkzeit hätte einräumen müssen.

5.1. Nach Art. 8 Abs. 1 IVG haben invalide und von einer Invalidität bedrohte
Versicherte (Art. 8 ATSG) unter bestimmten Voraussetzungen Anspruch auf
Eingliederungsmassnahmen. Zu letzteren zählen auch die beruflichen Massnahmen
nach Art. 15 ff. IVG. Anspruch auf Eingliederungsmassnahmen setzen einen
Eingliederungswillen bzw. eine subjektive Eingliederungsfähigkeit voraus. Fehlt
es daran, so entfällt der Anspruch auf Eingliederungsmassnahmen, ohne dass
zunächst ein Mahn- und Bedenkzeitverfahren durchgeführt werden müsste (vgl.
Urteile 8C_726/2015 vom 19. Januar 2016 E. 3.3 und 9C_559/2012 vom 27. November
2012 E. 5).

5.2. Gemäss den unbestritten gebliebenen Feststellungen der Vorinstanz hat der
Versicherte seine Überzeugung, aus gesundheitlichen Gründen nicht arbeitsfähig
zu sein, im Rahmen des Verwaltungsverfahrens - insbesondere auch während der
BEFAS-Abklärung vom 13. Mai bis 12. Juni 2013 (vgl. auch den Bericht des
IV-Berufsberaters vom 25. Juni 2013 über den Abschluss der beruflichen
Eingliederung) - durchgängig vertreten. Dass sich an seiner diesbezüglichen
Einstellung bis zum massgebenden Zeitpunkt des Verfügungserlasses am 18. Juli
2014 (BGE 132 V 215 E. 3.1.1 S. 320) etwas geändert hätte, ist nicht
ersichtlich und wird auch nicht substanziiert geltend gemacht. Demnach ist es
nicht zu beanstanden, dass die Vorinstanz seinen Anspruch auf berufliche
Eingliederungsmassnahmen mit Blick auf seinen fehlenden Eingliederungswillen
verneint hat. Sollte der Versicherte seine Haltung geändert haben und an einer
Eingliederungsmassnahme teilnehmen wollen, kann er sich bei der IV-Stelle
wieder anmelden, welche darüber neu zu verfügen hätte (BGE 130 V 64 E. 2 S.
66).

6.

6.1. Das Verfahren ist kostenpflichtig (Art. 65 Abs. 4 lit. a BGG). Die
Gerichtskosten werden dem unterliegenden Beschwerdeführer auferlegt (Art. 66
Abs. 1 Satz 1 BGG). Seinem Gesuch um unentgeltliche Rechtspflege kann jedoch
entsprochen werden, weil die Bedürftigkeit ausgewiesen und die Beschwerde nicht
als aussichtslos zu bezeichnen ist; ferner war die Vertretung durch einen
Rechtsanwalt oder eine Rechtsanwältin geboten (Art. 64 Abs. 1 und 2 BGG). Es
wird indessen ausdrücklich auf Art. 64 Abs. 4 BGG aufmerksam gemacht, wonach
die begünstigte Partei der Gerichtskasse Ersatz zu leisten haben wird, wenn sie
später dazu in der Lage ist.

6.2. Der Rechtsvertreter des Beschwerdeführers macht mit Kostennote vom 4.
Dezember 2015 ein Honorar von Fr. 4'520.- sowie Auslagen und Ersatz der
Mehrwertsteuer von zusammen Fr. 698.-, insgesamt also Fr. 5'218.- geltend. Nach
Art. 64 Abs. 2 BGG und Art. 10 des Reglements über die Parteientschädigung und
die Entschädigung für die amtliche Vertretung im Verfahren vor dem
Bundesgericht vom 31. März 2006 (SR 173.110.210.3) hat der amtlich bestellte
Anwalt oder die amtlich bestellte Anwältin Anspruch auf eine angemessene
Entschädigung aus der Gerichtskasse, soweit der Aufwand für die Vertretung
nicht aus einer zugesprochenen Parteientschädigung gedeckt werden kann.
Praxisgemäss wird für einen Normalfall Fr. 2'800.- zugesprochen, Auslagen und
Mehrwertsteuer inbegriffen. Der in der Kostennote geltend gemachte
Arbeitsaufwand von 18.08 Stunden (Fr. 4'520.-) ist mit Blick darauf, dass die
Streitsache nicht als überaus schwierig einzustufen ist, als unangemessen zu
qualifizieren. Die Entschädigung wird deshalb auf den Normalansatz von Fr.
2'800.- reduziert.
 Demnach erkennt das Bundesgericht:

1. 
Die Beschwerde wird abgewiesen.

2. 
Dem Beschwerdeführer wird die unentgeltliche Rechtspflege gewährt und
Rechtsanwalt Eric Schuler wird als unentgeltlicher Anwalt bestellt.

3. 
Die Gerichtskosten von Fr. 800.- werden dem Beschwerdeführer auferlegt, indes
vorläufig auf die Bundesgerichtskasse genommen.

4. 
Dem Rechtsvertreter des Beschwerdeführers wird aus der Bundesgerichtskasse eine
Entschädigung von Fr. 2'800.- ausgerichtet.

5. 
Dieses Urteil wird den Parteien, dem Verwaltungsgericht des Kantons Nidwalden,
Sozialversicherungsrechtliche Abteilung, und dem Bundesamt für
Sozialversicherungen schriftlich mitgeteilt.

Luzern, 17. Februar 2016

Im Namen der I. sozialrechtlichen Abteilung
des Schweizerischen Bundesgerichts

Der Präsident: Maillard

Die Gerichtsschreiberin: Berger Götz

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