Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

I. Sozialrechtliche Abteilung, Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten 8C.554/2015
Zurück zum Index I. Sozialrechtliche Abteilung, Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten 2015
Retour à l'indice I. Sozialrechtliche Abteilung, Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten 2015


Wichtiger Hinweis:
Diese Website wird in älteren Versionen von Netscape ohne graphische Elemente
dargestellt. Die Funktionalität der Website ist aber trotzdem gewährleistet.
Wenn Sie diese Website regelmässig benutzen, empfehlen wir Ihnen, auf Ihrem
Computer einen aktuellen Browser zu installieren.
Zurück zur Einstiegsseite Drucken
                                                               Grössere Schrift

Bundesgericht
Tribunal fédéral
Tribunale federale
Tribunal federal

[8frIR2ALAGK1]          
8C_554/2015 {T 0/2}     

Urteil vom 19. Oktober 2015

I. sozialrechtliche Abteilung

Besetzung
Bundesrichterin Leuzinger, Präsidentin,
Bundesrichter Frésard, Bundesrichterin Heine,
Gerichtsschreiberin Polla.

Verfahrensbeteiligte
A.________,
Beschwerdeführer,

gegen

Amt für Arbeit und Migration Uri,
Klausenstrasse 4, 6460 Altdorf,
Beschwerdegegner.

Gegenstand
Arbeitslosenversicherung,

Beschwerde gegen den Entscheid des Obergerichts des Kantons Uri,
Verwaltungsrechtliche Abteilung, vom 12. Juni 2015.

Sachverhalt:

A. 
Der 1979 geborene A.________ meldete sich am 7. Mai 2007 zum Leistungsbezug bei
der Arbeitslosenversicherung an. Vom 17. bis 25. Juni 2007 sowie vom 9. bis 26.
Juli 2007 leistete er Zivildienst. Die Arbeitslosenkasse des Kantons Uri hielt
auf ihren Taggeldabrechnungen vom 2. Juli und 2. August 2007 (für die Monate
Juni und Juli 2007) jeweils fest, für die definitive Taggeldabrechnung seien
die Abrechnungen für den geleisteten Zivildienst gemäss Erwerbsersatzordnung
(EO) einzureichen. Die Arbeitslosenkasse machte A.________ zudem bei beiden
Abrechnungen darauf aufmerksam, innert 90-tägiger Frist eine Verfügung
verlangen zu können, sofern er mit den Abrechnungen nicht einverstanden wäre,
ansonsten würden diese rechtskräftig.
Am 21. September 2012 machte A.________ gegenüber der Ausgleichskasse einen
Anspruch auf Entschädigung gestützt auf die EO für die geleisteten
Zivildiensttage geltend. Diese verneinte einen Entschädigungsanspruch wegen
Verjährung desselben (Verfügung vom 30. November 2012 und Einspracheentscheid
vom 4. Februar 2013). Die dagegen erhobene Verwaltungsgerichtsbeschwerde wies
das Obergericht des Kantons Uri mit Entscheid vom 27. September 2013 ab. Wegen
unzureichender Begründung trat das Bundesgericht mit Urteil 9C_774/2013 vom 11.
November 2013 auf die hiergegen eingereichte Beschwerde nicht ein.
Mit Verfügung vom 10. Januar 2014 lehnte die Arbeitslosenkasse des Kantons Uri
das von A.________ gestellte Begehren um Nachzahlung von
Arbeitslosenentschädigung wegen unvollständiger Akten ab. Mit
Einspracheentscheid vom 28. März 2014 hiess das kantonale Amt für Arbeit und
Migration Uri die dagegen erfolgte Einsprache insofern teilweise gut, als es
die Abrechnungen über die Arbeitslosenentschädigung für die Monate Juni und
Juli 2007 aufgrund der verwirkten Ansprüche auf EO-Entschädigung als definitiv
erklärte.

B. 
Die dagegen beim Obergericht des Kantons Uri eingereichte Beschwerde wies
dieses mit Entscheid vom 12. Juni 2015 ab.

C. 
A.________ erhebt dagegen Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten
mit dem Antrag "Der Entscheid OG V 14 31 und vorangehende (wie OG V 13 9) ist
so zu korrigieren oder anzupassen/aufzuheben, dass gemäss mündlicher Begründung
die rechtsverpflichtende Zusage von Frau B.________ auch umgesetzt wird.".
Auf die Durchführung eines Schriftenwechsels wurde verzichtet.

Erwägungen:

1. 
Die Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten (Art. 82 ff. BGG) kann
wegen Rechtsverletzung gemäss Art. 95 f. BGG erhoben werden. Das Bundesgericht
legt seinem Urteil den Sachverhalt zugrunde, den die Vorinstanz festgestellt
hat (Art. 105 Abs. 1 BGG), und kann deren Sachverhaltsfeststellung von Amtes
wegen nur berichtigen oder ergänzen, wenn sie offensichtlich unrichtig ist oder
auf einer Rechtsverletzung im Sinne von Art. 95 BGG beruht (Art. 105 Abs. 2
BGG).

2. 
Leistet ein Arbeitsloser schweizerischen Militärdienst, ausgenommen die
Rekrutenschule und Beförderungsdienste, oder schweizerischen Zivildienst von
nicht mehr als 30 Tagen oder Schutzdienst und ist seine
Erwerbsausfallentschädigung geringer als die Arbeitslosenentschädigung, die er
ohne die Dienstleistung beziehen könnte, so zahlt ihm die Versicherung die
Differenz, solange er nicht alle Taggelder, die er nach Artikel 27 beanspruchen
kann, bezogen hat (Art. 26 AVIG).
Eine versicherte Person hat nach Art. 29 Abs. 2 AVIV zur Geltendmachung ihres
Anspruchs für die weiteren Kontrollperioden der Arbeitslosenkasse den Ausdruck
des Datensatzes "Kontrolldaten" oder das Formular "Angaben der versicherten
Person" (lit. a), die Arbeitsbescheinigungen für Zwischenverdienste (lit. b)
sowie weitere Unterlagen, welche die Arbeitslosenkasse zur Beurteilung ihres
Anspruchs verlangt (lit. c), einzureichen. Nötigenfalls setzt die
Arbeitslosenkasse der versicherten Person eine angemessene Frist für die
Vervollständigung der Unterlagen und macht sie auf die Folgen der Unterlassung
aufmerksam (Art. 29 Abs. 3 AVIV). Die mit der Beibringung der erforderlichen
Unterlagen säumige versicherte Person ist von der Arbeitslosenkasse
vorschriftsgemäss auf die Säumnisfolge des Erlöschens des Anspruchs
hinzuweisen; wird dies unterlassen oder eine andere, weniger einschneidende
Säumnisfolge angedroht, kann die Verwirkungsfolge trotz versäumter Frist für
die Geltendmachung nicht eintreten (ARV 1993/94 Nr. 33 S. 231).

3. 
Streitig und zu prüfen ist, ob der Beschwerdeführer für die Zeit des
geleisteten Zivilschutzes Leistungen der Arbeitslosenversicherung nach Art. 26
AVIG beanspruchen kann.

3.1. Die Vorinstanz erwog, es stehe aufgrund des Entscheids des Obergerichts
des Kantons Uri vom 27. September 2013 fest, dass der Anspruch auf nicht
bezogene EO-Entschädigung für die vom 17. bis 25. Juni 2007 sowie vom 9. bis
26. Juli 2007 erfolgten Zivildiensteinsätze verwirkt sei. Der Anspruch auf
Arbeitslosenentschädigung erlösche ferner, wenn er nicht innert dreier Monate
nach dem Ende der Kontrollperiode, auf den er sich bezieht, geltend gemacht
werde (Art. 20 Abs. 3 AVIG), was der Beschwerdeführer versäumt habe. Wenn die
Arbeitslosenkasse einen Anspruch auf Differenzzahlung nach Art. 26 AVIG
verneint habe, sei dies weder willkürlich noch habe sie gegen das Gebot von
Treu und Glauben verstossen.

3.2. Der Beschwerdeführer beruft sich erneut auf das Willkürverbot und auf den
Grundsatz von Treu und Glauben (Art. 9 BV).

3.3. Um den Anspruch auf Differenzleistungen nach Art. 26 AVIG prüfen und
allfällige Differenzzahlungen leisten zu können, ist die Arbeitslosenkasse auf
die entsprechenden Abrechnungen gemäss Erwerbsersatzordnung angewiesen. Hierauf
wies sie den Versicherten bei beiden Abrechnungen vom 2. Juli und 2. August
2007 hin. Dass die zuständige Beraterin des Regionalen
Arbeitsvermittlungszentrums (RAV) ihn dahingehend informierte, dass eine
Differenzleistung seitens der Arbeitslosenkasse auch ohne Einreichung der
hierzu notwendigen EO-Abrechnungen erfolge, wird nicht eingewendet und ergibt
sich aus den Akten auch nicht. Der geltend gemachte Anspruch des
Beschwerdeführers lässt sich damit nicht auf den in Art. 9 BV verankerten
Grundsatz von Treu und Glauben und die basierend darauf ergangene
Rechtsprechung zum Anspruch auf Schutz des berechtigten Vertrauens in
behördliche Zusicherungen oder sonstiges, bestimmte Erwartungen begründendes
Verhalten der Behörden (BGE 131 V 472 E. 5 S. 480) stützen. Inwiefern
Verwaltung oder Vorinstanz willkürlich gehandelt hätten, ist im Weiteren nicht
ersichtlich.

3.4. Insoweit der Beschwerdeführer weiter davon ausgeht, einer provisorischen
Taggeldabrechnung gehe der Verfügungscharakter ab und sie könne nicht in
Rechtskraft erwachsen, irrt er. Die Abrechnungen über den Taggeldanspruch vom
2. Juli und 2. August 2007 sind zwar nicht als Verfügungen bezeichnet und
enthalten keine Rechtsmittelbelehrung. Nach ständiger Rechtsprechung des
Bundesgerichts kommt aber einer Leistungsabrechnung der Arbeitslosenkasse trotz
Fehlens formeller Verfügungsmerkmale materiell Verfügungscharakter zu, weil sie
eine behördliche Anordnung darstellt, durch welche die dem Versicherten
zustehenden Arbeitslosentagegelder verbindlich festgelegt werden (BGE 129 V 110
E. 1.2 S. 111, 125 V 475 E. 1 S. 476). Eine solche "formlose Verfügung" oder
"faktische Verfügung" wird - besondere Umstände vorbehalten - rechtsbeständig,
wenn sie nicht innert 90 Tagen vom Adressaten gerügt wird (SVR 2004 ALV Nr. 1
S. 1, C 7/02).

3.5. Zusammenfassend steht fest, dass der Beschwerdeführer die
Erwerbsausfallentschädigung nicht innert der dafür vorgesehenen fünfjährigen
Frist nach Art. 20 Abs. 1 EOG geltend machte, was zur Anspruchsverwirkung
derselben führte (Entscheid des Obergerichts des Kantons Uri vom 27. September
2013). Mit den Taggeldabrechnungen der Monate Juni und Juli 2007 informierte
die Arbeitslosenkasse den Versicherten zudem über die zur definitiven
Berechnung der zustehenden Arbeitslosentaggelder notwendige Einreichung der
EO-Abrechnungen und hielt gleichzeitig die eintretende Rechtskraft der
provisorischen Bezügerabrechnungen nach Ablauf von jeweils 90 Tagen fest, ohne
dass der Versicherte hierauf in irgend einer Form reagierte (vgl. Urteil C 7/03
vom 31. August 2004 E. 5.3.2 mit Hinweisen zur Schutznorm von Art. 29 Abs. 3
AVIV in Verbindung mit Art. 20 Abs. 3 AVIG). Nachdem der Beschwerdeführer die
für die Leistungsbeurteilung nach Art. 26 AVIG notwendigen Unterlagen
demzufolge bei der Kasse nicht fristgerecht bzw. überhaupt nicht einreichte und
auch keine Fristwiederherstellungsgründe anführte, konnte die Arbeitslosenkasse
keine definitive Leistungsabrechnung vornehmen, weshalb ein allfälliger
Anspruch auf Differenzzahlungen verwirkt ist und die Rechtsbeständigkeit der
Taggeldabrechnungen feststeht. Überdies ist ein Taggeldanspruch auch gestützt
auf Art. 20 Abs. 3 AVIG verwirkt, der vorsieht, dass ein Anspruch erlischt,
wenn er nicht innert dreier Monate nach dem Ende der Kontrollperiode, auf die
er sich bezieht, geltend gemacht wird. Dies hat der Versicherte selbst zu
verantworten. Damit hat es beim vorinstanzlichen Entscheid sein Bewenden.

4. 
Der unterliegende Beschwerdeführer trägt die Gerichtskosten (Art. 66 Abs. 1
BGG).

Demnach erkennt das Bundesgericht:

1. 
Die Beschwerde wird abgewiesen.

2. 
Die Gerichtskosten von Fr. 500.- werden dem Beschwerdeführer auferlegt.

3. 
Dieses Urteil wird den Parteien, dem Obergericht des Kantons Uri,
Verwaltungsrechtliche Abteilung, und dem Staatssekretariat für Wirtschaft
(SECO) schriftlich mitgeteilt.

Luzern, 19. Oktober 2015

Im Namen der I. sozialrechtlichen Abteilung
des Schweizerischen Bundesgerichts

Die Präsidentin: Leuzinger

Die Gerichtsschreiberin: Polla

Navigation

Neue Suche

ähnliche Leitentscheide suchen
ähnliche Urteile ab 2000 suchen

Drucken nach oben