Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

I. Sozialrechtliche Abteilung, Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten 8C.537/2015
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Bundesgericht
Tribunal fédéral
Tribunale federale
Tribunal federal

[8frIR2ALAGK1]     
{T 0/2}
                   
8C_537/2015

Urteil vom 7. Dezember 2015

I. sozialrechtliche Abteilung

Besetzung
Bundesrichterin Leuzinger, Präsidentin,
Bundesrichter Maillard, Bundesrichterin Heine,
Gerichtsschreiber Grunder.

Verfahrensbeteiligte
A.________,
vertreten durch Rechtsanwalt Marcel Furrer,
Beschwerdeführer,

gegen

Schweizerische Unfallversicherungsanstalt (SUVA), Fluhmattstrasse 1, 6004
Luzern,
Beschwerdegegnerin.

Gegenstand
Unfallversicherung (Invalidenrente;
Valideneinkommen; Integritätsentschädigung),

Beschwerde gegen den Entscheid des Verwaltungsgerichts des Kantons Zug
vom 10. Juni 2015.

Sachverhalt:

A. 
Der 1980 geborene A.________ war bei der Personal B.________ AG angestellt und
wurde als Vorarbeiter im Hochbau eingesetzt. Am 15. Januar 2012 rutschte er auf
einer Treppe aus (Schadenmeldung UVG vom 21. März 2012). Vom 16. Januar bis 2.
Februar 2012 befand er sich im Spital C.________, wo eine bimalleoläre
Subluxationsfraktur (Bruch des Aussenknöchels) des OSG (oberes Sprunggelenk)
sowie eine Talusfraktur (Bruch des Sprungbeins) rechts diagnostiziert und
versorgt wurden (Bericht vom 1. Februar 2012). Die Schweizerische
Unfallversicherungsanstalt (SUVA), bei der A.________ obligatorisch gegen die
Folgen von Unfällen versichert war, erbrachte die gesetzlichen Leistungen
(Heilbehandlung; Taggeld). Laut Bericht der kreisärztlichen
Abschlussuntersuchung des Dr. med. D.________, Facharzt für Orthopädie, SUVA,
vom 22. Oktober 2013 litt der Versicherte an einer fortgeschrittenen schweren
Arthrose des rechten OSG sowie einer beginnenden, lateral-posterior
lokalisierten leichten Arthrose des unteren Sprunggelenks (USG) mit insgesamt
erheblicher Funktionseinschränkung des rechten Fusses in der Beweglichkeit und
Belastungsfähigkeit; gleichzeitig resultierte durch die Weichteilkontraktur im
periartikulären Weichteilgewebe und im dorsalen Gewebekompartiment mit
Verkürzung der Achillessehne eine leichte Spitzfussstellung, die das
plantigrade Auftreten unmöglich machte und ständig den Gebrauch einer
Schuhzurichtung zum Beinlängenausgleich sowie als Abrollhilfe erforderte. Dem
Versicherten waren Arbeiten, die mit Verrichtungen in unebenem Gelände, mit
statischen Belastungen, mit Heben und Tragen von Gewichten über 15 kg sowie mit
kniend oder auf Leitern durchzuführende Tätigkeiten verbunden waren, nicht mehr
zuzumuten; hingegen vermochte der Versicherte sitzend oder wechselbelastend
ausübbare Tätigkeiten vollschichtig und ohne zeitliche Einschränkung zu
erfüllen. Den Integritätsschaden schätzte Dr. med. D.________ auf 15 %
(separater Bericht vom 22. Oktober 2013). Mit Verfügung vom 29. April 2014
verneinte die SUVA einen Anspruch auf Invalidenrente mangels eines die
Erheblichkeitsschwelle von 10 % erreichenden Invaliditätsgrades, hingegen
sprach sie dem Versicherten eine Integritätsentschädigung aufgrund einer
Einbusse von 15 % zu. Eine Einsprache lehnte sie ab (Einspracheentscheid vom 4.
Februar 2015).

B. 
Die hiegegen eingereichte Beschwerde wies das Verwaltungsgericht des Kantons
Zug ab (Entscheid vom 10. Juni 2015).

C. 
Mit Beschwerde lässt A.________ beantragen, unter Aufhebung des
vorinstanzlichen Entscheids sei ihm eine Invalidenrente gestützt auf einen
Invaliditätsgrad von mindestens 27 % sowie eine Integritätsentschädigung auf
Basis einer Einbusse von 20 % zuzusprechen; eventualiter sei die Sache zur
Neubeurteilung im Sinne der Erwägungen an die Vorinstanz zurückzuweisen. Ferner
wird um Gewährung der unentgeltlichen Rechtspflege ersucht.
Das SUVA schliesst auf Abweisung der Beschwerde. Das Bundesamt für Gesundheit
verzichtet auf eine Vernehmlassung.

Erwägungen:

1.

1.1. Die Beschwerde kann wegen Rechtsverletzung gemäss Art. 95 und Art. 96 BGG
erhoben werden. Das Bundesgericht wendet das Recht von Amtes wegen an (Art. 106
Abs. 1 BGG). Es ist somit weder an die in der Beschwerde geltend gemachten
Argumente noch an die Erwägungen der Vorinstanz gebunden; es kann eine
Beschwerde aus einem anderen als dem angerufenen Grund gutheissen und es kann
sie mit einer von der Argumentation der Vorinstanz abweichenden Begründung
abweisen (vgl. BGE 132 II 257E. 2.5 S. 262; 130 III 136E. 1.4 S. 140). Gemäss
Art. 42 Abs. 1 BGG ist die Beschwerde hinreichend zu begründen, andernfalls
wird darauf nicht eingetreten (Art. 108 Abs. 1 lit. b BGG). Das Bundesgericht
prüft grundsätzlich nur die geltend gemachten Rügen; es ist nicht gehalten, wie
eine erstinstanzliche Behörde alle sich stellenden rechtlichen Fragen zu
prüfen, wenn diese vor Bundesgericht nicht mehr vorgetragen werden (BGE 133 II
249 E. 1.4.1 S. 254).

1.2. Im Beschwerdeverfahren um die Zusprechung oder Verweigerung von
Geldleistungen der Militär- oder Unfallversicherung ist das Bundesgericht nicht
an die vorinstanzliche Feststellung des rechtserheblichen Sachverhalts gebunden
(Art. 97 Abs. 2 und Art. 105 Abs. 3 BGG).

2.

2.1. Streitig und zu prüfen ist das der Bestimmung des Invaliditätsgrades
gemäss Art. 16 ATSG zugrunde zu legende, vom kantonalen Gericht in Bestätigung
des Einspracheentscheids vom 4. Februar 2015 anhand der standardisierten
Bruttolöhne der Schweizerischen Lohnstrukturerhebung des Bundesamtes für
Statistik (LSE) des Jahres 2010 festgelegte Erwerbseinkommen, das der
Versicherte erzielen könnte, wenn er nicht invalid geworden wäre. Der
Beschwerdeführer erneuert den im vorinstanzlichen Verfahren geltend gemachten
Einwand, das Valideneinkommen sei gestützt auf die Lohnangaben der Personal
B.________ AG festzusetzen.

2.2. Bei der Ermittlung des Valideneinkommens ist in der Regel am zuletzt
erzielten, nötigenfalls der Teuerung und der realen Einkommensentwicklung
angepassten Lohn anzuknüpfen, da es empirischer Erfahrung entspricht, dass die
bisherige Tätigkeit ohne Gesundheitsschaden fortgesetzt worden wäre; Ausnahmen
müssen mit überwiegender Wahrscheinlichkeit erstellt sein. Auf Erfahrungs- und
Durchschnittswerte darf nur unter Mitberücksichtigung der für die Entlöhnung im
Einzelfall relevanten persönlichen und beruflichen Faktoren abgestellt werden (
BGE 139 V 28 E. 3.3.2 S. 30 mit Hinweisen). Zu präzisieren ist, dass entgegen
dem Wortlaut von Art. 16 ATSG als Valideneinkommen dasjenige Einkommen gilt,
das die versicherte Person überwiegend wahrscheinlich ohne Unfall tatsächlich
erzielen würde (RUMO-JUNGO/HOLZER, Rechtsprechung zum Bundesgesetz über die
Unfallversicherung [UVG], 4. Aufl., Zürich/Basel/Genf 2012, S. 126 unten f. mit
Hinweis auf BGE 134 V 322 E. 4.1 S. 325 f.). Ist der zuletzt bezogene Verdienst
markant überdurchschnittlich hoch, ist er nur dann als Validenlohn
heranzuziehen, wenn mit überwiegender Wahrscheinlichkeit feststeht, dass er
weiterhin erzielt worden wäre (vgl. MEYER/REICHMUTH, Rechtsprechung zum
Bundesgesetz über die Invalidenversicherung [IVG], 3. Aufl., Zürich/Basel/Genf
2014, Rz. 51 zu Art. 28a mit Hinweisen).

2.3.

2.3.1. Die Vorinstanz hat unbestritten erkannt, dass der Versicherte vom 2.
Juli bis 4. Oktober 2012 - bei weiterhin bestehendem Arbeitsverhältnis mit der
Personal B.________ AG - über die E.________ AG als Bauarbeiter vollzeitlich
erwerbstätig gewesen war und in diesem Zeitraum von der SUVA weiterhin und
später zurückgeforderte Taggeldleistungen erbracht wurden. Nachdem der
Versicherte das Angebot der Personal B.________ AG, ihn ab November 2012
weiterhin zu beschäftigen, ausschlug, war ohne Weiteres anzunehmen, dass der
Versicherte auch ohne Unfall nicht mehr für dieses Unternehmen tätig gewesen
wäre. Unter diesen Umständen konnte zur Bestimmung des Valideneinkommens nicht
an den vor dem Unfall vom 15. Januar 2012 bei der Personal B.________ AG
erzielten Lohn angeknüpft werden.

2.3.2. Die vorinstanzlichen Erwägungen sind mit Blick auf die in vorstehender
E. 2.2 zitierte Rechtslage nicht zu beanstanden. Zu verdeutlichen ist, dass
nicht einzusehen ist, weshalb der Beschwerdeführer, nachdem er nach dem Unfall
vom 15. Januar 2012 vorübergehend im angestammten Beruf als Bauarbeiter wieder
vollständig arbeitsfähig war, nicht erneut für die Personal B.________ AG tätig
wurde, bei welcher er im Jahre 2011 gemäss Taggeldberechnung der SUVA einen
markant überdurchschnittlichen Lohn von Fr. 107'136.15 erzielte (vgl. auch
Auszug aus dem Individuellen Konto). Daran ändert auch das invaliditätsfremde
Vorbringen nichts, die damalige Arbeitgeberin habe die von der SUVA erbrachten
Taggeldleistungen jeweils verspätet abgerechnet, wie das kantonale Gericht
zutreffend dargelegt hat.

2.3.3. Selbst wenn zur Festlegung des Valideneinkommens an den im Jahre 2011
erzielten Verdienst angeknüpft würde, müsste von einem branchenüblichen Ansatz
ausgegangen werden (vgl. SVR 2008 IV Nr. 28 S. 89, I 433/06 E. 4.1.2 mit
Hinweisen). Der Beschwerdeführer hatte mit der Personal B.________ AG einen
Verleihvertrag nach Art. 19 des Bundesgesetzes über die Arbeitsvermittlung und
den Personalverleih vom 6. Oktober 1989 (Arbeitsvermittlungsgesetz, AVG; SR
823.11) abgeschlossen. Er wurde im Jahre 2011 bei der Bauunternehmung
F.________ AG unbefristet eingesetzt. Aus den Akten ergeben sich indessen keine
Anhaltspunkte, dass diese Firma mit dem Beschwerdeführer für die Zukunft einen
Arbeitsvertrag eingehen wollte, was rechtlich zulässig gewesen wäre (vgl. Art.
19 Abs. 4 in Verbindung mit Art. 22 Abs. 2 AVG). Im Lichte des Gesagten
betrachtet ist die Feststellung des kantonalen Gerichts, dass - bezogen auf den
Einsatz bei der Bauunternehmung F.________ AG - kein stabiles Arbeitsverhältnis
vorlag, nicht zu beanstanden. Es war, entgegen der Auffassung des
Beschwerdeführers, prospektiv betrachtet wenig wahrscheinlich, dass er den im
Jahre 2011 erzielten Lohn auch künftig hätte erwirtschaften können (vgl. E. 2.2
hievor).

2.4. Nach dem Gesagten hat das kantonale Gericht das hypothetische
Valideneinkommen zu Recht in Bestätigung des Einspracheentscheids anhand der
standardisierten Bruttolöhne der LSE 2010, TA1_b, Total, Rz. 41-42
(Baugewerbe), Anforderungsniveau 4 (einfache und repetitive Tätigkeiten),
Männer - angepasst an die betriebsübliche wöchentliche Arbeitszeit und die
Nominallohnentwicklung bis zum Jahr 2014 - ermittelt (Fr. 66'876.20).
Verglichen mit dem ausdrücklich anerkannten, gestützt auf die Lohnangaben der
Dokumentation von Arbeitsplätzen (DAP) der SUVA (vgl. dazu BGE 129 V 472)
festgelegten Invalideneinkommen (Fr. 60'947.-) ergibt sich ein unter dem
Schwellenwert von 10 % (vgl. Art. 18 Abs. 1 UVG) liegender Invaliditätsgrad von
9 %, weshalb der Beschwerdeführer keinen Anspruch auf Invalidenrente hat.

3. 
Zu prüfen bleibt der Anspruch auf Integritätsentschädigung. Das kantonale
Gericht hat sich einlässlich mit den letztinstanzlich wiederholten Einwänden
des Beschwerdeführers auseinandergesetzt. Den in allen Teilen zutreffenden
Erwägungen im angefochtenen Entscheid hat das Bundesgericht nichts beizufügen.

4.

4.1. Das Bundesgericht befreit eine Partei, die nicht über die erforderlichen
Mittel verfügt, auf Antrag von der Bezahlung der Gerichtskosten und von der
Sicherstellung der Parteientschädigung, sofern ihr Rechtsbegehren nicht
aussichtslos erscheint (Art. 64 Abs. 1 BGG). Wenn es zur Wahrung ihrer Rechte
notwendig ist, bestellt das Bundesgericht der Partei einen Anwalt oder eine
Anwältin. Der Anwalt oder die Anwältin hat Anspruch auf eine angemessene
Entschädigung aus der Gerichtskasse, soweit der Aufwand für die Vertretung
nicht aus einer zugesprochenen Parteientschädigung gedeckt werden kann (Art. 64
Abs. 2 BGG).

4.2. Werden die Kosten durch eine Rechtsschutzversicherung getragen, fehlt die
prozessuale Bedürftigkeit (SVR 2014 UV Nr. 9 S. 29, 8C_607/2013 E. 6.3 in
Verbindung mit E. 6.2 ab initio mit Hinweisen). Der Beschwerdeführer ist bei
der Fortuna Rechtsschutz-Versicherungs-Gesellschaft AG versichert, die laut
letztinstanzlich aufgelegtem Schreiben vom 18. Juni 2015 gestützt auf Art. 9
lit. b der Allgemeinen Versicherungsbedingungen eine Leistungspflicht mit der
Begründung ablehnte, der kantonale Entscheid vom 10. Juni 2015 sei sorgfältig
und nachvollziehbar begründet und eine allfällige Beschwerde an das
Bundesgericht werde keine Chance auf Erfolg haben und sei damit als
aussichtslos zu bezeichnen. Praxisgemäss ist der Begriff der Aussichtslosigkeit
in Rechtsschutzversicherungsverträgen nach denselben objektiven Massstäben zu
beurteilen, die bei der Gewährung der unentgeltlichen Rechtspflege gelten (BGE
119 II 368 E. 4b S. 373). Die zu prüfende Beschwerde kann nicht als
aussichtslos bezeichnet werden, weshalb die Fortuna ihre Leistungspflicht bei
Vorlegen dieses Urteils zu bejahen haben wird. Unter diesen Umständen ist das
Gesuch um Bewilligung der unentgeltlichen Rechtspflege mangels prozessualer
Bedürftigkeit abzuweisen.

Demnach erkennt das Bundesgericht:

1. 
Die Beschwerde wird abgewiesen.

2. 
Das Gesuch um unentgeltliche Rechtspflege wird abgewiesen.

3. 
Die Gerichtskosten von Fr. 800.- werden dem Beschwerdeführer auferlegt.

4. 
Dieses Urteil wird den Parteien, dem Verwaltungsgericht des Kantons Zug und dem
Bundesamt für Gesundheit schriftlich mitgeteilt.

Luzern, 7. Dezember 2015
Im Namen der I. sozialrechtlichen Abteilung
des Schweizerischen Bundesgerichts

Die Präsidentin: Leuzinger

Der Gerichtsschreiber: Grunder

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