Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

I. Sozialrechtliche Abteilung, Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten 8C.519/2015
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Bundesgericht
Tribunal fédéral
Tribunale federale
Tribunal federal

[8frIR2ALAGK1]     
{T 0/2}
                   
8C_519/2015

Urteil vom 16. November 2015

I. sozialrechtliche Abteilung

Besetzung
Bundesrichterin Leuzinger, Präsidentin,
Bundesrichter Frésard, Maillard,
Gerichtsschreiberin Kopp Käch.

Verfahrensbeteiligte
A.________,
vertreten durch Rechtsanwalt Philip Stolkin,
Beschwerdeführerin,

gegen

IV-Stelle des Kantons Zürich, Röntgenstrasse 17, 8005 Zürich,
Beschwerdegegnerin.

Gegenstand
Invalidenversicherung (Invalidenrente),

Beschwerde gegen den Entscheid des Sozialversicherungsgerichts des Kantons
Zürich vom 30. April 2015.

Sachverhalt:

A.

A.a. Die 1973 geborene A.________, gelernte Augenoptikerin, meldete sich am 22.
April 2002 erstmals unter Hinweis auf eine hereditäre spastische Parese mit
Lähmungserscheinungen und Ausfällen der unteren Extremitäten bei der
Invalidenversicherung zum Leistungsbezug (Hilfsmittel, Rente) an. Die IV-Stelle
des Kantons Zürich verneinte nach erwerblichen und medizinischen Abklärungen
mit Verfügung vom 6. Dezember 2002 einen Rentenanspruch. Mit Verfügung vom 30.
Mai 2005 übernahm sie die Kosten für die leihweise Abgabe eines Rollstuhls und
mit einer weiteren Verfügung vom 12. Dezember 2005 die Kosten für eine
Umschulung (Bürofachdiplom BZZ). Nach Abschluss der Ausbildung war A.________
vom 18. Oktober 2006 bis Ende Juni 2007 und vom 1. September bis 30. November
2007 an zwei verschiedenen Stellen im Bereich Sekretariat/Empfang tätig. Am 16.
November 2007 erlitt sie einen Verkehrsunfall. Seit Januar 2008 arbeitet
A.________ in einem Pensum von 60 % als Telefonistin und Rezeptionistin bei der
B.________ AG.

A.b. Ende September 2007 hatte sich A.________ erneut bei der
Invalidenversicherung zum Bezug einer Rente angemeldet. Die IV-Stelle verneinte
mit Verfügung vom 8. Oktober 2008 einen Rentenanspruch unter Hinweis auf einen
Invaliditätsgrad von 37 %. Die hiegegen erhobene Beschwerde wies das
Sozialversicherungsgericht des Kantons Zürich mit Entscheid vom 30. Juni 2010
ab. In Gutheissung einer dagegen eingereichten Beschwerde stellte das
Bundesgericht mit Urteil vom 24. November 2010 fest, die Versicherte habe bei
einem Invaliditätsgrad von 51 % mit Wirkung ab 1. Juli 2008 Anspruch auf eine
halbe Rente der Invalidenversicherung.

A.c. Am 19. August 2010 hatte A.________ der IV-Stelle eine Verschlechterung
ihres Gesundheitszustandes mitgeteilt. Nach weiteren Abklärungen in
medizinischer und erwerblicher Hinsicht, namentlich einer
Arbeitsplatzbesichtigung durch Dr. med. C.________, Facharzt für Arbeitsmedizin
des Regionalen Ärztlichen Dienstes (RAD) sowie die zuständige
Eingliederungsberaterin der IV-Stelle (Bericht vom 19. Januar 2012), und
durchgeführtem Vorbescheidverfahren wies die IV-Stelle das
Rentenerhöhungsgesuch mit Verfügung vom 17. Mai 2013 ab.

B. 
Die hiegegen erhobene Beschwerde wies das Sozialversicherungsgericht des
Kantons Zürich mit Entscheid vom 30. April 2015 ab.

C. 
Mit Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten lässt A.________
beantragen, es sei ihr in Aufhebung von Ziffer 1 des angefochtenen Entscheids
eine Rente auf der Basis von mindestens 70 % zuzusprechen, eventualiter sei die
Sache zur weiteren Behandlung an die Vorinstanz zurückzuweisen. Prozessual wird
der Antrag auf Durchführung eines zweiten Schriftenwechsels gestellt.
Mit Verfügung vom 25. August 2015 setzte das Bundesgericht dem Rechtsvertreter
der Versicherten wegen übermässiger Weitschweifigkeit der Rechtsschrift eine
Frist zur Behebung eines Mangels gemäss Art. 42 Abs. 6 BGG an, woraufhin eine
leicht gekürzte Beschwerde eingereicht wurde.

Die IV-Stelle schliesst auf Abweisung der Beschwerde. Das Bundesamt für
Sozialversicherungen hat sich nicht vernehmen lassen.

Erwägungen:

1.

1.1. Die Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten kann wegen
Rechtsverletzungen gemäss Art. 95 und 96 BGG erhoben werden. Das Bundesgericht
wendet das Recht von Amtes wegen an (Art. 106 Abs. 1 BGG), doch prüft es, unter
Berücksichtigung der allgemeinen Rüge- und Begründungspflicht (Art. 42 Abs. 1
und 2 BGG), nur die geltend gemachten Vorbringen, falls allfällige weitere
rechtliche Mängel nicht geradezu offensichtlich sind (BGE 138 I 274 E. 1.6 S.
280; vgl. auch BGE 141 V 236 E. 1 S. 236; 140 V 136 E. 1.1 S. 137 f.).

1.2. Das Bundesgericht legt seinem Urteil den Sachverhalt zugrunde, den die
Vorinstanz festgestellt hat (Art. 105 Abs. 1 BGG). Es kann deren
Sachverhaltsfeststellung nur berichtigen oder ergänzen, wenn sie offensichtlich
unrichtig ist oder auf einer Rechtsverletzung im Sinne von Art. 95 BGG beruht
(Art. 105 Abs. 2 BGG).

1.3. Bei den gerichtlichen Feststellungen zum Gesundheitszustand und zur
Arbeitsfähigkeit bzw. deren Veränderung in einem bestimmten Zeitraum handelt es
sich grundsätzlich um eine Tatfrage (BGE 132 V 393 E. 3.2 S. 397 ff.). Ebenso
stellt die konkrete Beweiswürdigung eine Tatfrage dar. Dagegen sind die
unvollständige Feststellung rechtserheblicher Tatsachen sowie die Missachtung
des Untersuchungsgrundsatzes (Art. 43 Abs. 1, Art. 61 lit. c ATSG) und der
Anforderungen an den Beweiswert ärztlicher Berichte und Gutachten Rechtsfragen
(BGE 134 V 231 E. 5.1 S. 232).

2. 
Von der Durchführung des beantragten zweiten Schriftenwechsels ist abzusehen,
da die IV-Stelle mit Eingabe vom 28. September 2015 keine einlässliche
Stellungnahme einreichte, sondern unter blossem Verweis auf den
vorinstanzlichen Entscheid die Abweisung der Beschwerde beantragte, so dass
weder prozessual zulässige, für den Verfahrensausgang wesentliche neue Aspekte,
zu denen die Versicherte vor der Entscheidfällung angehört werden müsste,
vorliegen, noch ein zweiter Schriftenwechsel dazu dient, Anträge und Rügen
vorzubringen, die bereits in der Beschwerde selbst hätten gestellt oder
vorgebracht werden können und müssen (Art. 102 BGG; vgl. Urteil 8C_167/2015 vom
11. Juni 2015 E. 2 mit Hinweis). Im Übrigen wäre es der Versicherten
freigestellt gewesen, im Rahmen des rechtlichen Gehörs auf die Eingabe der
IV-Stelle vom 28. September 2015 zu reagieren, worauf sie jedoch verzichtete.

3. 
Streitig und - im Rahmen der dargelegten Kognition - zu prüfen ist, ob die
Vorinstanz durch die Verneinung einer revisionsweisen Erhöhung der
Invalidenrente Bundesrecht verletzt hat.

3.1. Das kantonale Gericht hat die Bestimmungen und Grundsätze zur Ermittlung
des Invaliditätsgrades bei Erwerbstätigen nach der Einkommensvergleichsmethode
(Art. 16 ATSG), zum Anspruch auf eine Invalidenrente (Art. 28 IVG) sowie zur
Rentenrevision (Art. 17 ATSG; BGE 133 V 108; 130 V 343; 130 V 71 E. 3.2.3 S. 75
f.) zutreffend dargelegt. Darauf wird verwiesen.

3.2. Anlass zur Revision von Invalidenrenten gibt - wie das kantonale Gericht
ausgeführt hat - jede Änderung in den tatsächlichen Verhältnissen, die geeignet
ist, den Invaliditätsgrad und damit den Rentenanspruch zu beeinflussen. Die
Invalidenrente ist daher nicht nur bei einer wesentlichen Veränderung des
Gesundheitszustandes, sondern auch dann revidierbar, wenn sich die erwerblichen
Auswirkungen des an sich gleich gebliebenen Gesundheitszustandes erheblich
verändert haben oder eine andere Art der Bemessung der Invalidität zur
Anwendung gelangt (BGE 130 V 343 E. 3.5 S. 349). Als Vergleichsbasis für die
Beurteilung der Frage, ob bis zum Abschluss des aktuellen Verwaltungsverfahrens
eine anspruchserhebliche Änderung des Invaliditätsgrades eingetreten ist, dient
die letzte rechtskräftige Verfügung, welche auf einer materiellen Prüfung des
Rentenanspruchs mit rechtskonformer Sachverhaltsabklärung, Beweiswürdigung und
Durchführung eines Einkommensvergleichs beruht (BGE 133 V 108; vgl. auch SVR
2010 IV Nr. 54 S. 167 E. 2.1, 9C_899/2009). Ist eine anspruchserhebliche
Änderung des Sachverhalts nicht mit überwiegender Wahrscheinlichkeit erstellt,
bleibt es nach dem Grundsatz der materiellen Beweislast beim bisherigen
Rechtszustand (vgl. SVR 2010 IV Nr. 30 S. 94, 9C_961/2008 E. 6.3).

4.

4.1. Das kantonale Gericht hat in umfassender Würdigung der medizinischen
Aktenlage, insbesondere gestützt auf die arbeitsmedizinische Abklärung vom 17./
19. Januar 2012, mit einlässlicher und nachvollziehbarer Begründung erkannt,
dass im Vergleich zur Beurteilung im Jahre 2008 eine dem Krankheitsbild der
hereditären spastischen Parese entsprechende schleichende Verschlechterung des
Gesundheitszustandes stattgefunden habe. Die von der Versicherten bei der
B.________ AG ausgeübte Tätigkeit - so die Vorinstanz - sei optimal angepasst
und der Beschwerdeführerin noch zu 50 % zumutbar.

4.2. Die durch das kantonale Gericht getroffenen Tatsachenfeststellungen,
namentlich die aus den medizinischen Unterlagen gewonnenen Erkenntnisse, sind
im letztinstanzlichen Prozess grundsätzlich verbindlich (vgl. E. 1 hiervor). Im
Rahmen der eingeschränkten Sachverhaltskontrolle (Art. 97 Abs. 1 BGG) ist es
nicht Aufgabe des Bundesgerichts, die schon im vorangehenden Verfahren im Recht
gelegenen ärztlichen Berichte neu zu beurteilen und die rechtsfehlerfreie
Sachverhaltsfeststellung der Vorinstanz hinsichtlich der medizinisch
begründeten Verminderung des Leistungsvermögens und des Ausmasses der trotz
gesundheitlicher Beeinträchtigungen verbleibenden Arbeitsfähigkeit zu
korrigieren.

4.3. Die Vorbringen der Beschwerdeführerin zeigen keine offensichtliche
Unrichtigkeit der vorinstanzlichen Schlussfolgerungen auf. Mit dem kantonalen
Gericht kann auf den Bericht über die arbeitsmedizinische Abklärung vom 19.
Januar 2012 abgestellt werden, gegen welche die Beschwerdeführerin keine
Einwendungen erhebt. Eine höhere, seit dem Unfall bestehende Arbeitsunfähigkeit
von 60-70 % attestiert denn auch nur der Hausarzt Dr. med. D.________, im
Bericht vom 25. März 2011, ohne dies jedoch näher zu begründen und insbesondere
ohne auf eine angepasste Tätigkeit einzugehen. Entgegen der Auffassung der
Beschwerdeführerin hat die Vorinstanz sodann nicht auf das Gutachten des
Universitätsklinikums Erlangen vom 15. Mai 2013 abgestellt, sondern lediglich
dargelegt, dass diesem keine Angaben zur Arbeitsunfähigkeit in einer
angepassten Tätigkeit entnommen werden können. Die beschwerdeweise über mehrere
Seiten vorgebrachten Einwendungen gegen dieses Gutachten sind vorliegend daher
nicht relevant. Schliesslich substanziert die Beschwerdeführerin in keiner
Weise, wie hoch die Arbeitsunfähigkeit sein soll. Die vorinstanzliche
Beweiswürdigung ist mithin nicht bundesrechtswidrig. Da von weiteren
medizinischen Abklärungen keine entscheidrelevanten Ergebnisse mehr zu erwarten
sind, ist davon abzusehen (antizipierte Beweiswürdigung; BGE 136 I 229 E. 5.3
S. 236).

5. 
Streitig und zu prüfen sind im Weiteren die erwerblichen Auswirkungen der
Verschlechterung des Gesundheitszustandes.

5.1. Die IV-Stelle hat ihrer Verfügung vom 17. Mai 2013 die vom Bundesgericht
im Urteil vom 24. November 2010 (9C_757/2010) verwendeten Vergleichseinkommen
zu Grunde gelegt. So hat sie das Valideneinkommen mit Fr. 70'426.70
(entsprechend dem Jahr 2008) beziffert. Als Invalideneinkommen hat die
IV-Stelle den vom Bundesgericht beigezogenen, auf eine betriebsübliche
Arbeitszeit angepassten, für ein Pensum von 60 % berechneten und um einen
Leidensabzug von 10 % gekürzten Tabellenlohn 2008 für Frauen im privaten
Sektor, Anforderungsniveau 3, von Fr. 34'336.20 auf ein der Verschlechterung
des Gesundheitszustandes angepasstes Pensum von 50 % umgerechnet, was ein
Invalideneinkommen von Fr. 28'613.50 und in Gegenüberstellung mit dem
Valideneinkommen einen Invaliditätsgrad von 59,37 % ergab. Das kantonale
Gericht hat dieses Vorgehen bestätigt und dargelegt, die IV-Stelle sei zu Recht
davon ausgegangen, dass sich das Invalideneinkommen im gleichen Verhältnis wie
die Arbeitsfähigkeit von 60 % auf 50 % verändert habe. Durch die Aufrechnung
sämtlicher Faktoren auf den Verfügungszeitpunkt - so die Vorinstanz - ändere
sich nichts am prozentualen Verhältnis und die Erhöhung des Soziallohnanteils
sei in der Berechnung berücksichtigt worden.

5.2. Das Invalideneinkommen wird nicht bestritten. Soweit die
Beschwerdeführerin rügt, das kantonale Gericht habe das Valideneinkommen zu
tief bemessen und damit Bundesrecht verletzt, ist ihr entgegenzuhalten, dass
das Bundesgericht über das Valideneinkommen im Urteil vom 24. November 2010
entschieden und dieses für das Jahr 2008 auf Fr. 70'426.70 festgesetzt hat.
Darauf haben die IV-Stelle und das kantonale Gericht zu Recht abgestellt.

5.3. Zusammenfassend ist die vorinstanzliche Schlussfolgerung nicht zu
beanstanden, wonach bei einem gerundeten Invaliditätsgrad von 59 % weiterhin
Anspruch auf eine halbe Rente bestehe. Beim angefochtenen Entscheid hat es
somit sein Bewenden.

6. 
Das Verfahren ist kostenpflichtig (Art. 65 BGG). Die Gerichtskosten werden der
Beschwerdeführerin als unterliegender Partei auferlegt (Art. 66 Abs. 1 BGG).

Demnach erkennt das Bundesgericht:

1. 
Die Beschwerde wird abgewiesen.

2. 
Die Gerichtskosten von Fr. 800.- werden der Beschwerdeführerin auferlegt.

3. 
Dieses Urteil wird den Parteien, dem Sozialversicherungsgericht des Kantons
Zürich und dem Bundesamt für Sozialversicherungen schriftlich mitgeteilt.

Luzern, 16. November 2015

Im Namen der I. sozialrechtlichen Abteilung
des Schweizerischen Bundesgerichts

Die Präsidentin: Leuzinger

Die Gerichtsschreiberin: Kopp Käch

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