Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

I. Sozialrechtliche Abteilung, Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten 8C.507/2015
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Bundesgericht
Tribunal fédéral
Tribunale federale
Tribunal federal

[8frIR2ALAGK1]     
{T 0/2}
                   
8C_507/2015

Urteil vom 6. Januar 2016

I. sozialrechtliche Abteilung

Besetzung
Bundesrichter Maillard, Präsident,
Bundesrichter Frésard, Bundesrichterin Heine,
Gerichtsschreiberin Kopp Käch.

Verfahrensbeteiligte
Unfallversicherung Stadt Zürich, Stadelhoferstrasse 33, 8001 Zürich,
Beschwerdeführerin,

gegen

A._________,
vertreten durch Rechtsanwalt Silvan Meier Rhein,
Beschwerdegegner.

Gegenstand
Unfallversicherung (Berufskrankheit),

Beschwerde gegen den Entscheid des Verwaltungsgerichts des Kantons Schwyz
vom 11. Juni 2015.

Sachverhalt:

A. 
A._________ ist seit... als Polizist bei der Stadtpolizei Zürich tätig und
damit bei der Unfallversicherung Stadt Zürich gegen Unfall und
Berufskrankheiten versichert. Ab ca. 2002 reduzierte er sein Arbeitspensum
infolge Erkrankung an Cluster-Kopfschmerz auf 50 %. In diesem Pensum war er ab
2004 als Sachbearbeiter der Fachgruppe Kinderschutz tätig. Am 22. Juni 2011
reichte die Arbeitgeberin der Unfallversicherung Stadt Zürich eine
Unfallmeldung UVG Berufskrankheit ein und meldete, bei A._________ sei es als
Folge fortwährender Visionierungen und Auswertungen von Kinderpornographie und
Gewaltdarstellungen zu einem komplexen posttraumatischen Belastungssyndrom
gekommen. Die Unfallversicherung Stadt Zürich ersuchte die Schweizerische
Unfallversicherungsanstalt (SUVA) mit der Abklärung der Frage, ob beim
Versicherten eine Berufskrankheit vorliege (Gutachten vom 20. Juni 2012). Mit
Verfügung vom 13. September 2012 hielt sie fest, die gemeldete
Gesundheitsschädigung könne nicht als Berufskrankheit anerkannt werden und es
liege auch kein Unfallereignis vor. Die hiegegen erhobene Einsprache wies die
Unfallversicherung Stadt Zürich nach Einholung eines weiteren Gutachtens der
SUVA vom 3. Juli 2014 mit Entscheid vom 10. November 2014 ab.

B. 
Beschwerdeweise liess A._________ unter Berufung auf ein von ihm eingeholtes
Gutachten des PD Dr. med. B.________, Leitender Arzt, Stv Chefarzt der Kliniken
für Psychiatrie, Psychotherapie und Psychosomatik der Psychiatrischen Dienste,
vom 4. Dezember 2014 die Zusprechung der gesetzlichen Leistungen gemäss UVG
beantragen. Das Verwaltungsgericht des Kantons Schwyz hiess die Beschwerde mit
Entscheid vom 11. Juni 2015 gut, hob den Einspracheentscheid vom 10. November
2014 auf und wies die Sache zur Prüfung allfälliger Leistungsansprüche an die
Unfallversicherung zurück.

C. 
Mit Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten beantragt die
Unfallversicherung Stadt Zürich, es sei in Aufhebung des vorinstanzlichen
Entscheids ihr Einspracheentscheid vom 10. November 2014 zu bestätigen,
eventualiter sei die Sache zur Einholung eines Obergutachtens an die Vorinstanz
zurückzuweisen.

Das Verwaltungsgericht des Kantons Schwyz und A._________ schliessen auf
Abweisung der Beschwerde. Das Bundesamt für Gesundheit verzichtet auf eine
Vernehmlassung.

Erwägungen:

1. 
Die Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten kann wegen
Rechtsverletzungen gemäss Art. 95 und 96 BGG erhoben werden. Das Bundesgericht
wendet das Recht von Amtes wegen an (Art. 106 Abs. 1 BGG), doch prüft es, unter
Berücksichtigung der allgemeinen Rüge- und Begründungspflicht (Art. 42 Abs. 1
und 2 BGG), nur die geltend gemachten Vorbringen, falls allfällige weitere
rechtliche Mängel nicht geradezu offensichtlich sind (BGE 138 I 274 E. 1.6 S.
280 mit Hinweisen).
Im Beschwerdeverfahren um die Zusprechung oder Verweigerung von Geldleistungen
der Militär- oder Unfallversicherung ist das Bundesgericht nicht an die
vorinstanzliche Feststellung des rechtserheblichen Sachverhalts gebunden (Art.
97 Abs. 2 und Art. 105 Abs. 3 BGG).

2.
Streitig und zu prüfen ist, ob es sich bei den vom Versicherten geltend
gemachten psychischen Beschwerden um eine Berufskrankheit handelt, welche zu
einer Leistungspflicht der obligatorischen Unfallversicherung führt.

2.1. Die Rechtsgrundlagen zur Beurteilung der Streitsache, namentlich die
gesetzlichen Bestimmungen und Grundsätze zur Berufskrankheit (Art. 9 UVG in
Verbindung mit Art. 14 UVV und Anhang I zur UVV), sind im angefochtenen
Entscheid zutreffend dargelegt worden. Darauf kann verwiesen werden. Wie die
Vorinstanz mit Recht erkannt hat, scheidet eine Leistungspflicht gestützt auf
Art. 9 Abs. 1 UVG von vornherein aus, weil der Beschwerdegegner kein Leiden
aufweist, das durch schädigende Stoffe oder bestimmte Arbeiten verursacht
worden wäre, welche in Ziff. 1 der vom Bundesrat erstellten Liste im Anhang I
zur UVV aufgeführt sind; auch liegt keine der in Ziff. 2 dieser Liste genannten
arbeitsbedingten Erkrankungen vor (vgl. Art. 9 Abs. 1 Satz 2 UVG und Art. 14
UVV). Zu prüfen ist daher das Vorliegen einer Berufskrankheit im Sinne von Art.
9 Abs. 2 UVG.

2.2. Gemäss Art. 9 Abs. 2 UVG gelten als Berufskrankheiten auch andere
Krankheiten, von denen nachgewiesen wird, dass sie ausschliesslich oder stark
überwiegend durch berufliche Tätigkeit verursacht worden sind. Die
Voraussetzung des ausschliesslichen oder stark überwiegenden Zusammenhangs
gemäss Art. 9 Abs. 2 UVG ist - wie das kantonale Gericht dargelegt hat - nach
ständiger Rechtsprechung erfüllt, wenn die Berufskrankheit mindestens zu 75 %
durch die berufliche Tätigkeit verursacht worden ist. Die Anerkennung von
Beschwerden im Rahmen dieser von der Gerichtspraxis als "Generalklausel"
bezeichneten Anspruchsgrundlage ist - entsprechend der in BGE 114 V 109 (E. 3c
S. 111 f.) aufgrund der Materialien eingehend dargelegten legislatorischen
Absicht, die Grenze zwischen krankenversicherungsrechtlicher Krankheit und
unfallversicherungsrechtlicher Berufskrankheit nicht zu verwässern - an relativ
strenge Beweisanforderungen gebunden. Verlangt wird, dass die versicherte
Person für eine gewisse Dauer einem typischen Berufsrisiko ausgesetzt ist (zum
Ganzen: BGE 126 V 183 E. 2b S. 186). Im Rahmen von Art. 9 Abs. 2 UVG ist
grundsätzlich in jedem Einzelfall darüber Beweis zu führen, ob die geforderte
stark überwiegende (mehr als 75%ige) bis ausschliessliche berufliche
Verursachung vorliegt (BGE 126 V 183 E. 4b S. 189). Angesichts des empirischen
Charakters der medizinischen Wissenschaft (BGE 126 V 183 E. 4c S. 189) spielt
es indessen für den Beweis im Einzelfall eine entscheidende Rolle, ob und
inwieweit die Medizin, je nach ihrem Wissensstand in der fraglichen Disziplin,
über die Genese einer Krankheit im Allgemeinen Auskunft zu geben oder (noch)
nicht zu geben vermag. Wenn aufgrund medizinischer Forschungsergebnisse ein
Erfahrungswert dafür besteht, dass eine berufsbedingte Entstehung eines
bestimmten Leidens von seiner Natur her nicht nachgewiesen werden kann, dann
schliesst dies den (positiven) Beweis auf qualifizierte Ursächlichkeit im
Einzelfall aus. Oder mit andern Worten: Sofern der Nachweis eines
qualifizierten (zumindest stark überwiegenden [Anteil von mindestens 75 %])
Kausalzusammenhanges nach der medizinischen Empirie allgemein nicht geleistet
werden kann (z.B. wegen der weiten Verbreitung einer Krankheit in der
Gesamtbevölkerung, welche es ausschliesst, dass eine eine bestimmte versicherte
Berufstätigkeit ausübende Person zumindest vier Mal häufiger von einem Leiden
betroffen ist als die Bevölkerung im Durchschnitt), scheidet die Anerkennung im
Einzelfall aus. Sind anderseits die allgemeinen medizinischen Erkenntnisse mit
dem gesetzlichen Erfordernis einer stark überwiegenden (bis ausschliesslichen)
Verursachung des Leidens durch eine (bestimmte) berufliche Tätigkeit vereinbar,
besteht Raum für nähere Abklärungen zwecks Nachweises des qualifizierten
Kausalzusammenhanges im Einzelfall (BGE 126 V 183 E. 4c S. 189 f.; Urteil
8C_746/2012 vom 29. Oktober 2012 E. 5).

3.

3.1. Gestützt auf die Gutachten der SUVA vom 20. Juni 2012 und 3. Juli 2014 hat
die Unfallversicherung Stadt Zürich das Vorliegen einer Berufskrankheit
verneint (Verfügung vom 13. September 2012 und Einspracheentscheid vom 10.
November 2014). Die vom Versicherten berichteten Symptome - so die
Unfallversicherung - liessen sich nach Meinung der SUVA-Gutachterinnen durchaus
als posttraumatische Belastungsstörung (PTBS) einordnen, obschon er nicht
selbst Opfer einer (sexuellen) Gewalt, sondern Zeuge davon gewesen sei. Der
Beschwerdegegner habe die Stelle als Fahnder im Bereich der Kinderpornographie
mit einer deutlichen gesundheitlichen Einschränkung und einer Reihe von
vorbestehenden, belastenden Erfahrungen angetreten. Die PTBS sei gemäss
Gutachten der SUVA eindeutig der Arbeitstätigkeit zuzuordnen, weshalb das
Bestehen einer natürlichen Kausalität insofern bestätigt werden könne. Es sei
jedoch eine Reihe von weiteren Faktoren vorhanden gewesen, welche die Störung
ebenfalls mitbedingt und unterhalten hätten, was bedeute, dass die psychische
Störung nicht stark überwiegend, also nicht zu mindestens 75 % durch die
berufliche Tätigkeit als Fahnder im Bereich der Kinderpornographie der
Fachgruppe Kinderschutz verursacht worden sei.

3.2. Das kantonale Gericht geht ebenfalls vom Vorliegen einer PTBS aus und
ordnet die entsprechende Symptomatik inhaltlich klar der Berufstätigkeit bzw.
dem im Rahmen der Berufstätigkeit Erlebten zu. Ein inhaltlicher Zusammenhang
zwischen der bereits lange vorbestehenden Kopfschmerzproblematik oder den vor
Jahrzehnten in der Kindheit erlebten Problemen mit den der PTBS zugerechneten
Symptomen - so die Vorinstanz - sei nicht evident. Massgeblich sei, dass die
jahrelang ausgeübte, besonders belastende berufliche Tätigkeit nach dem
gewöhnlichen Lauf der Dinge und der allgemeinen Lebenserfahrung unabhängig vom
Vorhandensein von die Vulnerabilitätsschwelle allenfalls herabsetzenden
Faktoren geeignet sei, die psychische Störung zu verursachen, und dass andere
in genügendem zeitlichen Zusammenhang stehende Ursachen nicht vorhanden seien.
Die berufliche Tätigkeit stelle die einzige anzuerkennende Ursache für die
Erkrankung dar, weshalb der Nachweis eines zumindest stark überwiegenden
Kausalzusammenhangs zwischen der beruflichen Tätigkeit und der Erkrankung des
Versicherten erbracht sei und daher die diagnostizierte PTBS eine
Berufskrankheit darstelle. Das kantonale Gericht stützt sich im angefochtenen
Entscheid namentlich auf das vom Beschwerdegegner eingeholte Gutachten des PD
Dr. med. B.________ vom 4. Dezember 2014.

4.

4.1. Zur Beurteilung sozialversicherungsrechtlicher Leistungsansprüche bedarf
es verlässlicher medizinischer Entscheidungsgrundlagen. Wie die einzelnen
Beweismittel zu würdigen sind, ist in BGE 125 V 351 E. 3 S. 352 ff. festgelegt.
Hinsichtlich des Beweiswertes eines Arztberichtes ist demnach entscheidend, ob
dieser für die streitigen Belange umfassend ist, auf allseitigen Untersuchungen
beruht, auch die geklagten Beschwerden berücksichtigt, in Kenntnis der Vorakten
(Anamnese) abgegeben worden ist, in der Beurteilung der medizinischen
Zusammenhänge und in der Beurteilung der medizinischen Situation einleuchtet
und ob die Schlussfolgerungen des Experten begründet sind (BGE 134 V 231 E. 5.1
S. 232 mit Hinweis).
Dennoch hat es die Rechtsprechung mit dem Grundsatz der freien Beweiswürdigung
als vereinbar erachtet, in Bezug auf bestimmte Formen medizinischer Berichte
und Gutachten Richtlinien für die Beweiswürdigung aufzustellen. So weicht das
Gericht bei Gerichtsgutachten nach der Praxis nicht ohne zwingende Gründe von
der Einschätzung der medizinischen Fachperson ab (BGE 125 V 351 E. 3b/aa S. 352
mit Hinweisen). Hinsichtlich von Versicherungsträgern eingeholter, den
Anforderungen der Rechtsprechung entsprechender, Gutachten externer
Spezialärzte wurde festgehalten, das Gericht dürfe diesen Gutachten vollen
Beweiswert zuerkennen, solange "nicht konkrete Indizien gegen die
Zuverlässigkeit" der Expertise sprechen (BGE 137 V 210 E. 2.2.2 S. 232; 135 V
465 E. 4.4 S. 470). Ein Parteigutachten besitzt nicht den gleichen Rang wie ein
vom Gericht oder vom Versicherungsträger nach dem vorgegebenen Verfahrensrecht
eingeholtes Gutachten. Es verpflichtet indessen das Gericht, den von der
Rechtsprechung aufgestellten Richtlinien für die Beweiswürdigung folgend, zu
prüfen, ob es in rechtserheblichen Fragen die Auffassung und Schlussfolgerungen
des vom Gericht oder vom Versicherungsträger förmlich bestellten Gutachters
derart zu erschüttern vermag, dass davon abzuweichen ist (vgl. BGE 125 V 351).

4.2. Es stehen sich vorliegend unterschiedliche ärztliche Einschätzungen zur
Frage gegenüber, ob die psychischen Beschwerden des Versicherten, welche als
PTBS diagnostiziert wurden, mindestens stark überwiegend durch die berufliche
Tätigkeit verursacht worden sind.

4.2.1. Frau Dr. med. C.________, Fachärztin für Psychiatrie und Psychotherapie
sowie Leiterin des Versicherungspsychiatrischen Dienstes der SUVA, und Frau
Dipl. Psych. D.________, Klinische Psychologin, haben diese Frage in ihren
ausführlichen Gutachten vom 20. Juni 2012 und 3. Juli 2014 verneint. Sie legen
dar, dass der Versicherte eine Reihe von Vorbelastungen mitbringe. Hierzu
zählten das Aufwachsen in aversiven Verhältnissen (Alkoholabhängigkeit der
Eltern und später auch der Brüder, körperlicher Missbrauch durch die Eltern,
vermutlich auch emotionale Vernachlässigung), der eigene frühere
Alkoholmissbrauch, der immerhin einmalig mit einer Suizidabsicht einhergegangen
sei, der Suizid des Bruders sowie insbesondere die Problematik des
Cluster-Kopfschmerzes, aufgrund welcher der Versicherte seit 2004 eine 50%ige
Invalidenrente beziehe und die aufgrund von Einbussen der Leistungsfähigkeit
das berufliche Fortkommen erheblich behindert habe. Hinzu komme ein
Persönlichkeitsstil, der sich vor allem durch ein überhöhtes Selbstkonzept von
undurchdringbarer Widerstandsfähigkeit auszeichne, was dem Beschwerdegegner
einerseits Schutz und Sicherheit biete bzw. geboten habe, gleichzeitig aber mit
der starken Tendenz einhergehe, Belastungen abzuwehren, über deren Grenze
hinauszugehen und sich somit letztlich zu überfordern. In den Gutachten der
SUVA wird sodann einlässlich dargelegt, dass es sich vorliegend nicht um ein
"klassisches" Psychotrauma handle, sondern um eine sogenannte
Sekundärtraumatisierung, da der Versicherte nicht selber Opfer sexueller Gewalt
gewesen sei, sondern quasi ein Zeuge davon. Hinsichtlich diesbezüglicher
Sekundärtraumatisierungen - so die SUVA-Gutachterinnen - gebe es im Rahmen der
neuartigen beruflichen Tätigkeiten im Zusammenhang mit dem Internet keine
wissenschaftlichen Untersuchungen. Sie hätten sich daher auch nicht auf
medizinische Erfahrungswerte stützen können, sondern die vorliegenden Umstände
gewürdigt. Zusammenfassend falle der Arbeitstätigkeit des Versicherten eine
klar prominente Rolle bei der Entstehung der psychischen Störung zu. Es seien
jedoch eine Reihe von weiteren Faktoren vorhanden, welche die Störung ebenfalls
mitbedingt und unterhalten hätten, die daneben nicht gänzlich verblassten, auch
wenn sie ihrerseits alleine nicht zur Störung geführt hätten. Das bedeute - so
die Gutachterinnen - dass die vorliegende psychische Störung nicht stark
überwiegend, also nicht zu mindestens 75 %, durch die berufliche Tätigkeit als
Fahnder im Bereich der Kinderpornographie der Fachgruppe Kinderschutz
verursacht worden sei.

4.2.2. Im vom Versicherten eingeholten Privatgutachten vom 4. Dezember 2014,
auf welches sich die Vorinstanz im Wesentlichen stützt, kommt PD Dr. med.
B.________ zum Schluss, es liege eine PTBS vor, welche unbestrittenermassen in
einem natürlichen Kausalzusammenhang mit der beruflichen Tätigkeit stehe. Beim
Exploranden bestehe einerseits eine psychische Vulnerabilität, wobei die Arbeit
im Kinderschutzprogramm, die Alkoholabhängigkeit der Eltern und möglicherweise
auch der Brüder, der eigene schädliche Alkoholkonsum, der Suizid des Bruders,
die Kopfschmerzproblematik (Cluster-Kopfschmerz) sowie eine diagnostisch
unklare Hyperaktivität im Kindesalter zusammengewirkt hätten. Zudem habe der
Beschwerdegegner während seiner Tätigkeit als Detektiv und als verdeckter
Ermittler viele Straftaten erlebt. Andererseits sei der Explorand psychisch
stabil gewesen und es habe zu keinem Zeitpunkt eine psychische Störung von
Krankheitswert vorgelegen. Wissenschaftlich betrachtet habe eine nahezu
unübersehbare Anzahl von Einflussfaktoren einen signifikanten Zusammenhang mit
der PTBS, die Effekte auf das klinische Bild seien jedoch oft sehr klein. Der
gesamte Aufklärungsgrad der Beteiligung verschiedener Vulnerabilitätsfaktoren
an der Entwicklung einer PTBS sei sehr gering und individuell unterschiedlich.
Die Gründe für die Entwicklung einer PTBS seien wenig bekannt und eine
Vorhersage oder nachträgliche Aufdeckung der Bedeutung der verschiedensten
Einflussfaktoren sei kaum möglich, auf individueller Ebene im Grunde unmöglich.
Eine gutachterliche Bewertung des numerischen Anteils der individuellen
Vulnerabilitäts- und Risikofaktoren an der Entstehung der PTBS beim Exploranden
sei daher intuitiv, nicht objektiv und nicht reliabel. Aus
ärztlich-psychiatrischer Sicht sei die beim Versicherten diagnostizierte PTBS
mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit durch seine berufliche
Tätigkeit und die damit verbundenen traumatischen Erlebnisse verursacht.

4.3. Aus den medizinischen Akten geht - wie die Vorinstanz dargelegt hat -
hervor, dass die berufliche Tätigkeit eine grosse Rolle bei der Entwicklung und
Unterhaltung der PTBS dargestellt hat, dass daneben aber auch noch andere
gewichtige Verursachungen mitbeteiligt waren. Wie in E. 2.2 hievor ausgeführt,
ist die für das Vorliegen einer Berufskrankheit erforderliche Voraussetzung des
ausschliesslichen oder stark überwiegenden Zusammenhangs zwischen der
beruflichen Tätigkeit und der Krankheit an strenge Beweisanforderungen
gebunden; dies zu Recht, da die Grenze zwischen unfallversicherungsrechtlicher
Berufskrankheit und krankenversicherungsrechtlicher Krankheit nicht verwässert
werden soll. Eine Krankheit kann nur dann als Berufskrankheit im Sinne von Art.
9 Abs. 2 UVG gelten, wenn nachgewiesen ist, dass sie zu mindestens 75 % durch
die berufliche Tätigkeit verursacht worden ist. Dieser Nachweis ist
insbesondere bei psychischen Beschwerdebildern, welche in der Regel
multifaktoriell bedingt sind, äusserst schwierig zu erbringen. Entsprechend
wurde in den SUVA-Gutachten vom 20. Juni 2012 und 3. Juli 2014 nach eigener
psychiatrisch-psychologischer Untersuchung und unter Auseinandersetzung mit den
Vorakten schlüssig und einlässlich dargelegt, dass beim Versicherten in
Anbetracht der Vorbelastungen nicht davon ausgegangen werden könne, dass die
PTBS zu mindestens 75 % durch die berufliche Tätigkeit verursacht worden sei.
Im vom Beschwerdegegner eingeholten Gutachten weist PD Dr. med. B.________ zwar
ebenfalls darauf hin, dass eine nahezu unübersehbare Anzahl von
Einflussfaktoren einen signifikanten Zusammenhang mit der PTBS habe und der
gesamte Aufklärungsgrad der Beteiligung verschiedener Vulnerabilitätsfaktoren
an der Entwicklung einer PTBS sehr gering und individuell unterschiedlich sei,
weshalb eine Vorhersage oder nachträgliche Aufdeckung der Bedeutung der
verschiedensten Einflussfaktoren kaum möglich, auf individueller Ebene im
Grunde unmöglich sei. Trotzdem hält der Gutachter - ohne nähere Begründung -
die beim Versicherten diagnostizierte PTBS mit an Sicherheit grenzender
Wahrscheinlichkeit als durch seine berufliche Tätigkeit und die damit
verbundenen traumatischen Erlebnisse verursacht. Das Argument des PD Dr. med.
B.________, es habe beim Exploranden vor der beruflichen Tätigkeit im Bereich
der Kinderpornographie keine psychische Störung von Krankheitswert vorgelegen,
beruht sodann im Wesentlichen auf der unzulässigen Beweisregel "post hoc ergo
propter hoc" (vgl. SVR 2012 UV Nr. 8 S. 27, 8C_380/2011 E. 6.2.1, und Nr. 5 S.
17, 8C_310/2011 E. 4.5.1, je mit Hinweisen). Das Privatgutachten, welches - wie
aufgezeigt - in sich nicht völlig schlüssig und widerspruchsfrei ist, enthält
keine konkreten Indizien, welche gegen die Zuverlässigkeit der SUVA-Gutachten
sprechen und vermag keinesfalls den Nachweis zu erbringen, dass die psychische
Störung des Versicherten zu mindestens 75 % durch die berufliche Tätigkeit
verursacht worden sei. Indem das kantonale Gericht durch Abstellen auf dieses
Gutachten das Vorliegen einer Berufskrankheit bejaht hat, hat es die
Beweiswürdigungsregeln und damit Bundesrecht verletzt. Der vorinstanzliche
Entscheid ist daher aufzuheben. Von weiteren Beweismassnahmen ist abzusehen, da
sie in Anbetracht der von sämtlichen Gutachtern erwähnten Problematik der
Gewichtung der verschiedenen Einflussfaktoren auf die psychische Erkrankung des
Versicherten keine verlässlichen neuen Erkenntnisse erwarten lassen.

5. 
Das Verfahren ist kostenpflichtig (Art. 65 BGG). Die Gerichtskosten sind dem
Beschwerdegegner als unterliegender Partei aufzuerlegen (Art. 66 Abs. 1 BGG).

Demnach erkennt das Bundesgericht:

1. 
Die Beschwerde wird gutgeheissen. Der Entscheid des Verwaltungsgerichts des
Kantons Schwyz vom 11. Juni 2015 wird aufgehoben und der Einspracheentscheid
der Unfallversicherung Stadt Zürich vom 10. November 2014 bestätigt.

2. 
Die Gerichtskosten von Fr. 800.- werden dem Beschwerdegegner auferlegt.

3. 
Dieses Urteil wird den Parteien, dem Verwaltungsgericht des Kantons Schwyz und
dem Bundesamt für Gesundheit schriftlich mitgeteilt.

Luzern, 6. Januar 2016
Im Namen der I. sozialrechtlichen Abteilung
des Schweizerischen Bundesgerichts

Der Präsident: Maillard

Die Gerichtsschreiberin: Kopp Käch

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