Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

I. Sozialrechtliche Abteilung, Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten 8C.463/2015
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Bundesgericht
Tribunal fédéral
Tribunale federale
Tribunal federal

[8frIR2ALAGK1]     
{T 0/2}
                   
8C_463/2015

Urteil vom 24. September 2015

I. sozialrechtliche Abteilung

Besetzung
Bundesrichterin Leuzinger, Präsidentin,
Bundesrichter Ursprung, Frésard,
Gerichtsschreiberin Weber Peter.

Verfahrensbeteiligte
A.________,
vertreten durch Rechtsanwalt Elias Moussa,
Beschwerdeführer,

gegen

IV-Stelle Bern, Scheibenstrasse 70, 3014 Bern,
Beschwerdegegnerin.

Gegenstand
Invalidenversicherung,

Beschwerde gegen den Entscheid des Verwaltungsgerichts des Kantons Bern vom 21.
Mai 2015.

Sachverhalt:

A. 
Der 1964 geborene A.________ meldete sich am 27. Februar 2007 unter Hinweis auf
einen operierten Gleitwirbel, Hyperlaxität und zunehmende Allergien bei der
Invalidenversicherung zum Leistungsbezug an. Nach diversen Abklärungen und der
Einholung eines interdisziplinären Gutachtens beim Institut B.________ in
C.________ vom 21. November 2007 wies die IV-Stelle Bern mit Verfügung vom 19.
Februar 2008 ausgehend von einem IV-Grad von 29 % einen Rentenanspruch ab. Am
17. März 2009 verfügte sie alsdann den Abschluss der beruflichen Massnahmen,
welche sie mit Mitteilung vom 28. Januar 2008 gewährt hatte. Die hiegegen
erhobene Beschwerde hiess das Verwaltungsgericht des Kantons Bern mit Entscheid
vom 9. September 2009 in dem Sinne gut, als es die Verfügung vom 17. März 2009
aufhob und die Sache an die Verwaltung zurückwies, damit diese die
Voraussetzungen für die einzelnen beruflichen Massnahmen abkläre und den
Einwand des Versicherten vom 30. Januar 2009, mit welchem er die erneute
Prüfung des Rentenanspruchs beantragte, als Neuanmeldung entgegennehme.

In der Folge führte die IV-Stelle weitere berufliche und medizinische
Abklärungen durch, gewährte Eingliederungsmassnahmen und beauftragte das
Institut B.________ schliesslich erneut mit einer medizinischen Beurteilung
(Gutachten vom 5. Mai 2014). Mit Verfügung vom 17. September 2014 wies sie nach
Durchführung des Vorbescheidverfahrens gestützt auf das Gutachten des Instituts
B.________ einen Anspruch des Versicherten auf berufliche
Eingliederungsmassnahme ab. Sodann verneinte sie mit Verfügung vom 29.
September 2014 einen Anspruch auf eine Invalidenrente

B. 
Die gegen beide Verfügungen erhobenen Beschwerden wies das Verwaltungsgericht
des Kantons Bern nach Vereinigung der Verfahren mit Entscheid vom 21. Mai 2015
ab.

C. 
Der Versicherte lässt Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten
führen mit den Rechtsbegehren, in Aufhebung des kantonalen Gerichtsentscheides
sei ihm eine halbe Invalidenrente zuzusprechen. Subsidiär sei die Angelegenheit
an die Vorinstanz zurückzuweisen. In einer separaten Eingabe wird zudem um
Gewährung der unentgeltlichen Rechtspflege ersucht.
Während die IV-Stelle unter Verzicht auf eine ausführliche Vernehmlassung auf
Abweisung der Beschwerde schliesst, verzichtet das Bundesamt für
Sozialversicherungen auf eine Stellungnahme.

Erwägungen:

1. 
Die Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten kann wegen
Rechtsverletzungen gemäss Art. 95 und Art. 96 BGG erhoben werden. Das
Bundesgericht legt seinem Urteil den von der Vorinstanz festgestellten
Sachverhalt zugrunde (Art. 105 Abs. 1 BGG). Von diesen tatsächlichen
Feststellungen kann es nur abweichen, wenn sie offensichtlich unrichtig sind
oder auf einer Rechtsverletzung im Sinne von Art. 95 BGG beruhen (Art. 105 Abs.
2 BGG) und wenn die Behebung des Mangels für den Ausgang des Verfahrens
entscheidend sein kann (Art. 97 Abs. 1 BGG).

2.

2.1. Streitig und zu prüfen ist vor Bundesgericht nur mehr einzig die
Rechtsfrage, ob im Rahmen der Bemessung des Invaliditätsgrades der
vorinstanzliche Verzicht auf einen Tabellenlohnabzug Bundesrecht verletzt.

2.2. Ob und in welcher Höhe statistische Tabellenlöhne herabzusetzen sind,
hängt nach den zutreffenden Erwägungen im angefochtenen Entscheid von
sämtlichen persönlichen und beruflichen Umständen des Einzelfalles ab, die nach
pflichtgemässem Ermessen gesamthaft zu schätzen sind. Relevante Merkmale sind
leidensbedingte Einschränkung, Alter, Dienstjahre, Nationalität/
Aufenthaltskategorie und Beschäftigungsgrad (BGE 126 V 75 E. 5b/bb S. 80). Ob
ein (behinderungsbedingt oder anderweitig begründeter) Abzug vom hypothetischen
Invalideneinkommen vorzunehmen sei, ist eine Rechtsfrage. Demgegenüber stellt
die Höhe des Abzuges eine typische Ermessensfrage dar, deren Beantwortung
letztinstanzlicher Korrektur nur mehr dort zugänglich ist, wo das kantonale
Gericht das Ermessen rechtsfehlerhaft ausgeübt hat, d.h. bei
Ermessensüberschreitung, -missbrauch oder -unterschreitung (BGE 137 V 71 E. 5.1
S. 72 f. mit Hinweis auf BGE 132 V 393 E. 3.3 S. 399).

2.3. Im angefochtenen Entscheid wird zur Nichtgewährung eines Abzugs von den
Tabellenlöhnen erwogen, die leidensbedingten Einschränkungen seien im
Zumutbarkeitsprofil bereits berücksichtigt worden. Im Weitern rechtfertigten
auch die übrigen Faktoren (Alter, Dienstjahre, Nationalität/
Aufenthaltskategorie, Beschäftigungsgrad) keinen Abzug, sei doch der
Versicherte erst 50 Jahre alt, Schweizer Staatsbürger und könnte in einem
vollschichtigen Pensum (mit erhöhtem Pausenbedarf) arbeiten.

2.4. Der Beschwerdeführer ist im Gegensatz dazu der Ansicht, dass sich
angesichts der leidensbedingten Arbeitsplatzeinschränkung, des
fortgeschrittenen Alters und des reduzierten Beschäftigungsgrades ein maximaler
Abzug von 25 % rechtfertige.

3.

3.1. Der vorinstanzlichen Beurteilung ist insofern zuzustimmen, als die
leidensbedingten Einschränkungen im Zumutbarkeitsprofil gemäss Gutachten des
Instituts B.________ vom 7. Mai 2014 bereits enthalten sind und mit der
festgestellten 75%-igen Arbeitsfähigkeit aufgefangen werden. Die Einwendungen
des Beschwerdeführers vermögen daran nichts zu ändern. Insbesondere lässt sich
aus dem Umstand, dass die IV-Stelle bereits in der Verfügung vom 19. Februar
2008 einen Abzug von 15 % gewährte, nichts für den konkreten Fall ableiten, so
ist mit der Vorinstanz über einen allfälligen Abzug bei jeder Rentenbeurteilung
neu zu befinden. Auch bezüglich des Alters des Versicherten und seiner
Nationalität besteht offensichtlich kein Abzugsgrund, fällt doch bei
Versicherten anfangs Fünfzig das Merkmal "Lebensalter" noch kaum ins Gewicht
(Urteil 9C_268/2014 vom 29. April 2014 E.2.2). Ob ein Abzug für die Abwesenheit
vom Arbeitsmarkt seit bald 15 Jahren gewährt werden könnte, kann dahinstehen.
Jedenfalls ist ein solcher mit Blick auf die Teilzeiterwerbstätigkeit des
Beschwerdeführers vorzunehmen. So ist dem Versicherten beizupflichten, dass
teilzeitbeschäftigte Männer im Vergleich zu Vollzeitangestellten
erfahrungsgemäss überproportional tiefer entlöhnt werden (vgl. BGE 126 V 472 E.
4.2.3 S. 481; nebst vielen Urteil 8C_668/2010 vom 15. März 2011 E. 7.2.2).

3.2. Unter Berücksichtigung aller Umstände scheint auch in Anbetracht ähnlich
gelagerter Fälle ein Abzug von insgesamt 10 % als angezeigt. Dies führt zu
einem Invalideneinkommen von Fr. 42'460.-, was in Gegenüberstellung mit dem von
der Vorinstanz festgestellten unbestrittenen Valideneinkommen von Fr. 77'662.-
einem Invaliditätsgrad von gerundet 44 % entspricht. Der Beschwerdeführer hat
damit Anspruch auf eine Viertelsrente. Angesichts der Neuanmeldung im Januar
2009 und einer aufgrund des Gutachtens des Instituts B.________ ausgewiesenen
Leistungseinschränkung von 25 % ab Anfang 2013 ist der Rentenbeginn in
Anwendung von Art. 28 Abs. 1 in Verbindung mit Art. 29 Abs. 1 IVG auf Januar
2014 festzusetzen. Die Beschwerde ist mithin teilweise gutzuheissen.

4.

4.1. Dem Ausgang des Verfahrens entsprechend haben die Parteien die
Gerichtskosten je zur Hälfte zu tragen (Art. 66 Abs. 1 BGG). Die
Beschwerdegegnerin hat dem Beschwerdeführer eine reduzierte Parteientschädigung
zu bezahlen (Art. 68 Abs. 2 BGG).

4.2. Dem Gesuch des Beschwerdeführers um unentgeltliche Rechtspflege kann
jedoch entsprochen werden (Art. 64 BGG; BGE 125 V 201 E. 4a S. 202). Es wird
indessen ausdrücklich auf Art. 64 Abs. 4 BGG hingewiesen, wonach die
begünstigte Partei der Gerichtskasse Ersatz zu leisten hat, wenn sie später
dazu in der Lage ist.
 Demnach erkennt das Bundesgericht:

1. 
Die Beschwerde wird teilweise gutgeheissen. Der Entscheid des
Verwaltungsgerichts des Kantons Bern, Sozialversicherungsrechtliche Abteilung,
vom 21. Mai 2015 und die Verfügung der IV-Stelle Bern vom 17. September 2014
werden aufgehoben und es wird festgestellt, dass der Beschwerdeführer Anspruch
auf eine Viertelsrente ab 1. Januar 2014 hat. Im Übrigen wird die Beschwerde
abgewiesen.

2. 
Dem Beschwerdeführer wir die unentgeltliche Rechtspflege gewährt und
Rechtsanwalt Elias Moussa wird als unentgeltlicher Anwalt bestellt.

3. 
Die Gerichtskosten von Fr. 800.- werden den Parteien je zur Hälfte auferlegt,
wobei die Fr. 400.- des Beschwerdeführers vorläufig auf die Gerichtskasse
genommen werden.

4. 
Die Beschwerdegegnerin hat den Beschwerdeführer für das bundesgerichtliche
Verfahren mit Fr. 1'400.--zu entschädigen.

5. 
Dem Rechtsvertreter des Beschwerdeführers wird aus der Gerichtskasse eine
Entschädigung von Fr. 1'400.- ausgerichtet.

6. 
Dieses Urteil wird den Parteien, dem Verwaltungsgericht des Kantons Bern,
Sozialversicherungsrechtliche Abteilung, und dem Bundesamt für
Sozialversicherungen schriftlich mitgeteilt.

Luzern, 24. September 2015

Im Namen der I. sozialrechtlichen Abteilung
des Schweizerischen Bundesgerichts

Die Präsidentin: Leuzinger

Die Gerichtsschreiberin: Weber Peter

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