Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

I. Sozialrechtliche Abteilung, Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten 8C.455/2015
Zurück zum Index I. Sozialrechtliche Abteilung, Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten 2015
Retour à l'indice I. Sozialrechtliche Abteilung, Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten 2015


Wichtiger Hinweis:
Diese Website wird in älteren Versionen von Netscape ohne graphische Elemente
dargestellt. Die Funktionalität der Website ist aber trotzdem gewährleistet.
Wenn Sie diese Website regelmässig benutzen, empfehlen wir Ihnen, auf Ihrem
Computer einen aktuellen Browser zu installieren.
Zurück zur Einstiegsseite Drucken
                                                               Grössere Schrift

Bundesgericht
Tribunal fédéral
Tribunale federale
Tribunal federal

[8frIR2ALAGK1]     
{T 0/2}
                   
8C_455/2015

Urteil vom 8. März 2016

I. sozialrechtliche Abteilung

Besetzung
Bundesrichter Maillard, Präsident,
Bundesrichter Ursprung, Frésard,
Bundesrichterin Heine, Bundesrichter Wirthlin,
Gerichtsschreiber Lanz.

Verfahrensbeteiligte
A.________,
vertreten durch Rechtsanwalt Sandor Horvath,
Beschwerdeführer,

gegen

Gemeinde B.________,
Beschwerdegegnerin.

Gegenstand
Sozialhilfe,

Beschwerde gegen den Entscheid des Verwaltungsgerichts des Kantons Zürich vom
23. April 2015.

Sachverhalt:

A. 
Die Gemeinde B.________ richtete dem 1958 geborenen A.________ ab 2007
wirtschaftliche Sozialhilfe aus. Mit Beschluss vom 6. Juni 2013 kürzte sie
diese mit der Begründung, A.________ habe sich im Rahmen eines zugewiesenen
Beschäftigungsprogramms nicht ernsthaft um die Behebung seiner Notlage bemüht,
für die Dauer von sechs Monaten um 15 %. Sie drohte ihm überdies die
Einstellung der Sozialhilfeleistungen u.a. für den Fall an, dass er die
Teilnahme an einem erneuten Beschäftigungsprogramm verweigere. Am 1. November
2013 wies die Gemeinde A.________ an, ab 3. November 2013 halbtags in einem
Beschäftigungsprogramm bei der Stiftung C.________ zu arbeiten. Bei
Nichtbefolgung werde die Sozialhilfe eingestellt. A.________ kam der Weisung
nicht nach. Mit Beschluss vom 14. November 2013 stellte die Gemeinde die
Sozialhilfe wegen Nichteinhaltens von Weisungen und Leistungsverweigerung
(Verweigern der zumutbaren Arbeitsleistung) per 30. November 2013 ein. Den von
A.________ hiegegen erhobenen Rekurs wie auch das mit diesem gestellte Gesuch
um Gewährung der unentgeltlichen Verbeiständung für das Rekursverfahren wies
der Bezirksrat E.________ mit Entscheid vom 27. November 2014 ab.

B. 
A.________ reichte dagegen Beschwerde ein. Er beantragte, der Gemeindebeschluss
vom 14. November 2013 und der Rekursentscheid vom 27. November 2014 seien
aufzuheben, soweit auf Einstellung der Sozialhilfe und auf Verweigerung der
unentgeltlichen Verbeiständung lautend, und es sei ein ärztliches Gutachten
einzuholen resp. der Bezirksrat oder die Gemeinde hiezu zu verhalten. Eventuell
sei die Gemeinde zu verpflichten, die Sozialhilfe lediglich um 15 % des
Grundbetrags zu kürzen. Subeventuell sei zumindest Nothilfe im Sinne von Art.
12 BV zu gewähren. Zudem sei die unentgeltliche Verbeiständung für das
Rekursverfahren und die unentgeltliche Rechtspflege für das Gerichtsverfahren
zu bewilligen. Das Verwaltungsgericht des Kantons Zürich erteilte A.________
die unentgeltliche Rechtspflege für das kantonale Verfahren und hiess die
Beschwerde teilweise gut, indem es die unentgeltliche Verbeiständung für das
Rekursverfahren zusprach; im Übrigen wies es die Beschwerde ab (Entscheid vom
23. April 2015).

C. 
Mit Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten, eventuell subsidiärer
Verfassungsbeschwerde, beantragt A.________, der vorinstanzliche Entscheid sei,
soweit auf Abweisung der kantonalen Beschwerde lautend, aufzuheben. Es sei
Sozialhilfe, eventuell eine um 15 % gekürzte Sozialhilfe, subeventuell Nothilfe
zuzusprechen. Subsubeventuell sei die Sache mit Anweisungen zur Neubeurteilung
an die Vorinstanz zurückzuweisen. Weiter wird um Gewährung der unentgeltlichen
Rechtspflege für das bundesgerichtliche Verfahren ersucht.
Die Gemeinde schliesst auf Abweisung der Beschwerde. Mit Eingabe vom 3.
September 2015 lässt sich A.________ nochmals vernehmen.

D. 
Mit Verfügung vom 21. Oktober 2015 hat das Bundesgericht der Beschwerde die
aufschiebende Wirkung zuerkannt.

Erwägungen:

1. 
Gestützt auf Art. 82 lit. a BGG beurteilt das Bundesgericht Beschwerden gegen
Entscheide in Angelegenheiten des öffentlichen Rechts. Dieses Rechtsmittel
steht somit grundsätzlich auch auf dem Gebiet der kantonalen Sozialhilfe zur
Verfügung. Das Bundesgerichtsgesetz enthält dazu in Art. 83 keinen
Ausschlussgrund. Da auch alle übrigen Sachurteilsvoraussetzungen vorliegen, ist
auf die Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten einzutreten.
Insofern bleibt kein Raum für die - hier eventualiter eingereichte - subsidiäre
Verfassungsbeschwerde (Art. 113 BGG).

2.

2.1. Mit der Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten kann u.a. die
Verletzung von Bundesrecht und von kantonalen verfassungsmässigen Rechten
geltend gemacht werden (Art. 95 lit. a und c BGG). Die Verletzung des übrigen
kantonalen Rechts kann abgesehen von hier nicht relevanten Ausnahmen vor
Bundesgericht nicht gerügt werden. Zulässig ist jedoch die im vorliegenden
Verfahren erhobene Rüge, die Anwendung dieses Rechts führe zu einer Verletzung
von Bundesrecht und von kantonalen verfassungsmässigen Rechten.

2.2. Das Bundesgericht wendet das Recht von Amtes wegen an (Art. 106 Abs. 1
BGG). Es prüft jedoch die Verletzung von Grundrechten und von kantonalem und
interkantonalem Recht nur insofern, als eine solche Rüge in der Beschwerde
vorgebracht und begründet worden ist (Art. 106 Abs. 2 BGG). Das Bundesgericht
legt seinem Urteil den Sachverhalt zugrunde, den die Vorinstanz festgestellt
hat (Art. 105 Abs. 1 BGG). Sachverhaltsfeststellungen können nur berichtigt
werden, wenn sie offensichtlich unrichtig sind oder auf einer Rechtsverletzung
im Sinne von Art. 95 BGG beruhen (Art. 105 Abs. 2 BGG).

3. 
Der mit der Beschwerde aufgelegte Arztbericht vom 26. Juni 2015 kann keine
Beachtung finden, da nicht erst der Entscheid der Vorinstanz Anlass zu seiner
Einreichung gegeben hat. Abgesehen davon handelt es sich ohnehin um ein
unzulässiges echtes Novum (vgl. Art. 99 Abs. 1 BGG; Urteil 8C_412/2015 vom 5.
November 2015 E. 4 mit Hinweis).

4. 
Der Beschwerdeführer ist unbestrittenermassen der Weisung, halbtags in einem
Beschäftigungsprogramm zu arbeiten, nicht gefolgt, nachdem ihm die Sozialhilfe
kurz zuvor wegen ungenügender Beteiligung an einem Beschäftigungsprogramm
gekürzt worden war. Die Beschwerdegegnerin hat wegen der Nichtbefolgung der
erneuten Weisung die Sozialhilfe gänzlich eingestellt. Die Vorinstanz hat dies
gestützt auf § 24a Abs. 1 des kantonalzürcherischen Sozialhilfegesetzes vom 14.
Juni 1981 (LS 851.1; nachfolgend: SHG) bestätigt. Dagegen richtet sich die
Beschwerde.

5. 
§ 24a Abs. 1 SHG sieht vor, dass unter bestimmten Voraussetzungen und unter
Berücksichtigung von Art. 12 BV die Sozialhilfeleistungen ausnahmsweise ganz
oder teilweise einzustellen sind. Sodann besteht gemäss § 24 Abs. 1 SHG die
Möglichkeit, die Sozialhilfe unter bestimmten Voraussetzungen angemessen zu
kürzen.
Die Vorinstanz erachtet die Voraussetzungen einer vollständigen Einstellung der
Sozialhilfe nach § 24a SHG als erfüllt. Es bestehe auch kein Anspruch auf
Nothilfe gemäss Art. 12 BV. Bei Missachtung von Anordnungen, die geeignet
seien, die Lage des Hilfeempfängers zu verbessern, sei eine vollständige
Einstellung der Sozialhilfe grundsätzlich zulässig. Das gelte, wenn der
Hilfeempfänger sich beharrlich weigere, eine ihm zumutbare Arbeitsstelle
anzutreten oder auszuführen. Darunter falle beispielsweise auch die hier
angewiesene Stelle. Daher rechtfertige sich der Schluss, es liege keine Notlage
gemäss SHG, jedenfalls keine Notlage im Sinne von Art. 12 BV vor.
In der Beschwerde wird gerügt, mit der vollständigen Einstellung der
Sozialhilfe und damit auch der Nothilfe sei das zürcherische Sozialhilferecht
mehrfach verfassungswidrig angewendet worden.

6. 
Geltend gemacht wird als erstes, der Beschwerdeführer habe aus gesundheitlichen
Gründen nicht am Beschäftigungsprogramm teilnehmen können. Das kantonale
Gericht hat diesen Einwand mit einlässlicher Begründung verworfen und erkannt,
der Beschwerdeführer sei gesundheitlich in der Lage gewesen, der Weisung der
Beschwerdegegnerin zu folgen. Diese Sachverhaltsfeststellung ist für das
Bundesgericht grundsätzlich verbindlich. Die ihr zugrunde liegende Würdigung
der medizinischen Akten ist nicht offensichtlich unrichtig oder in anderer
Weise rechtswidrig im Sinne von Art. 95 BGG. Es liegt namentlich weder eine
willkürliche Beweiswürdigung noch eine Verletzung von Ausstandsbestimmungen
oder des Anspruchs auf rechtliches Gehör vor. Auf weitere Abklärungen wurde in
rechtmässiger antizipierter Beweiswürdigung verzichtet. Da die Berichte der
behandelnden Medizinalpersonen keine Zweifel an der Richtigkeit der
Arbeitsfähigkeitsschätzung des Regionalen Ärztlichen Dienstes der
Invalidenversicherung (RAD) zu wecken vermögen, erübrigen sich weitere
Ausführungen zur Frage, ob RAD-Berichte, die im Auftrag von Sozialhilfebehörden
erstellt werden, eine grössere Beweiskraft haben als in Verfahren der
Invalidenversicherung, wo sie als versicherungsinterne Arztberichte gelten. Die
Teilnahme am Beschäftigungsprogramm war dem Beschwerdeführer somit
gesundheitlich zumutbar. Ein anderer Hinderungsgrund wird nicht geltend
gemacht.

7. 
Der Beschwerdeführer bringt sodann vor, da die zugewiesene Tätigkeit nicht
entlöhnt worden wäre, dürfe die Sozialhilfe nicht vollständig eingestellt,
sondern allenfalls um 15 % gekürzt werden. Mindestens müsse aber die Nothilfe
gewährt werden. Die gegenteilige Auffassung der Vorinstanz verletze Art. 12 in
Verbindung mit Art. 7 BV und die entsprechenden Garantien der Verfassung des
Kantons Zürich vom 27. Februar 2005 (LS 101).

7.1. In tatsächlicher Hinsicht ist davon auszugehen, dass der Beschwerdeführer
im zugewiesenen Beschäftigungsprogramm kein Einkommen hätte erzielen können.
Ein solches Einkommen hat weder die Vorinstanz festgestellt noch ergibt es sich
aus den Akten. Gegenteils werden, wie sich aus der Aktennotiz des Sozialamtes
B.________ vom 24. September 2013 ergibt, der Gemeinde die Kosten belastet.

7.2. Art. 12 BV bestimmt, dass wer in Not gerät und nicht in der Lage ist, für
sich zu sorgen, Anspruch hat auf Hilfe und Betreuung und auf die Mittel, die
für ein menschenwürdiges Dasein unerlässlich sind. Dieser Anspruch ist eng mit
der in Art. 7 BV garantierten Achtung der Menschenwürde verbunden (BGE 139 I
272 E. 3.2 S. 277 f.; 135 I 119 E. 7.3 S. 126; 131 I 166 E. 3.1 S. 172). Auf
die in diesem Zusammenhang angerufenen kantonalen Verfassungsgarantien ist
nicht weiter einzugehen, da nicht geltend gemacht wird, sie gingen über
diejenigen der Bundesverfassung hinaus.

7.2.1. Die Umsetzung von Art. 12 BV obliegt den Kantonen. Diese sind in der Art
und Weise der Leistungserbringung unter dem Titel der Nothilfe frei (BGE 139 I
272 E. 3.2 S. 276; 135 I 119 E. 5.3 S. 123; 131 I 166 E. 8.5 S. 164; vgl. auch
BGE 134 I 65 E. 3.1 S. 70). Das Grundrecht gemäss Art. 12 BV garantiert aber
nicht ein Mindesteinkommen; verfassungsrechtlich geboten ist nur, was für ein
menschenwürdiges Dasein unabdingbar ist und vor einer unwürdigen Bettelexistenz
zu bewahren vermag. Der Anspruch umfasst einzig die in einer Notlage im Sinne
einer Überbrückungshilfe unerlässlichen Mittel (in Form von Nahrung, Kleidung,
Obdach und medizinischer Grundversorgung), um überleben zu können (BGE 139 I
272 E. 3.2 S. 276; 138 V 310 E. 2.1 S. 313; 135 I 119 E. 5.3 S. 123; 131 I 166
E. 3.1 S. 172; 130 I 71 E. 4.1 S. 75).
Art. 12 BV umfasst eine auf die konkreten Umstände zugeschnittene, minimale
individuelle Nothilfe. Sie beschränkt sich auf das absolut Notwendige und soll
die vorhandene Notlage beheben. Insofern unterscheidet sich der
verfassungsmässige Anspruch auf Hilfe in Notlagen vom kantonalen Anspruch auf
Sozialhilfe, die umfassender ist (BGE 138 V 310 E. 2.1 S. 313).

7.2.2. Nach Art. 12 BV hat der in Not Geratene nur Anspruch auf
Unterstützungsleistungen des Staates, wenn er nicht in der Lage ist, selbst für
sich zu sorgen (Subsidiaritätsprinzip). Keinen Anspruch hat, wer solche
Leistungen beansprucht, obwohl er objektiv in der Lage wäre, sich aus eigener
Kraft die für das Überleben erforderlichen Mittel selbst zu verschaffen; denn
solche Personen stehen nicht in jener Notsituation, auf die das Grundrecht auf
Hilfe in Notlagen zugeschnitten ist. Bei ihnen fehlt es bereits an den
Anspruchsvoraussetzungen (BGE 131 I 166 E. 4.1 S. 173; 130 I 71 E. 4.3 S. 75
f.; vgl. auch BGE 139 I 218 E. 3.4 S. 221 f., E. 5.2 S. 227, E. 5.3 S. 227 f.
und E. 5.5 S. 229; 138 V 310 E. 2.1 S. 313; 135 I 19 E. 7.4 S. 127; 134 I 65 E.
3.1 S. 69 f.). In diesem Sinne hat das Bundesgericht entschieden, dass eine
Person, die eine konkret zur Verfügung stehende Erwerbsmöglichkeit ausschlägt,
nicht in jener spezifischen Notlage steht, auf die Art. 12 BV zugeschnitten
ist, weshalb der Schutzbereich des Grundrechts durch die Einstellung von
Hilfeleistungen in einem solchen Fall gar nicht betroffen ist. Wem es faktisch
und rechtlich möglich ist, die erforderlichen Mittel für ein menschenwürdiges
Dasein selbst zu beschaffen, ist nicht bedürftig und damit nicht auf
Unterstützung angewiesen (BGE 139 I 218 E. 5.3 S. 227 f.). Konkret ging es in
diesem Fall um eine zugewiesene, entlöhnte Arbeit bei der Citypflege der
Stiftung D.________. Das Bundesgericht hat erkannt, dass auch der Teilnahme an
einem solchen Arbeitsprogramm für Sozialhilfeempfänger der Vorrang gegenüber
dem Bezug von öffentlichen Unterstützungsleistungen zukommt, da mit der
Teilnahme Erwerbseinkommen erzielt wird, welches zur Überwindung der Notlage
dient (BGE 139 I 218 E. 5.3 S. 228 mit Hinweis auf BGE 130 I 71 und Urteil
2P.275/2003 vom 8. November 2003; vgl. auch BGE 135 I 119 E. 7.4 S. 127;
Urteile 2P.147/2002 vom 4. März 2003; 2P.7/2003 vom 14. Januar 2003).

7.2.3. Im vorliegenden Fall wäre die zugewiesene Arbeit im
Beschäftigungsprogramm nicht entlöhnt. Die Subsidiärität der Nothilfe gegenüber
selbst erzielbaren Einkünften kommt daher nicht zum Tragen. Da
unbestrittenermassen eine wirtschaftliche Notlage im Sinne von Art. 12 BV
besteht, ist zu prüfen, ob die Verweigerung der Nothilfe dieses Grundrecht
verletzt.

7.2.4. Bei Grundrechten, die wie das Recht auf Hilfe in Notlagen Ansprüche auf
positive Leistungen des Staates begründen, nennt die Rechtsordnung - anstelle
der bei den Freiheitsrechten üblichen Schranken - die Voraussetzungen, unter
denen das Recht ausgeübt werden kann. Die Zulässigkeit von allfälligen durch
den Gesetzgeber erlassenen einschränkenden Konkretisierungen sind in
sinngemässer (Teil-) Anwendung von Art. 36 BV daran zu messen, ob sie mit dem
verfassungsrechtlich garantierten Minimalgehalt noch zu vereinbaren sind (BGE
131 I 166 E. 5.2 S. 176 mit Hinweis auf BGE 129 I 12 E. 6-9 S. 19 ff.). Nach
konstanter Rechtsprechung fallen bei Art. 12 BV Schutzbereich und Kerngehalt
zusammen (BGE 138 V 310 E. 2.1 S. 313; 131 I 166 E. 3.1 S. 172; 130 I 71 E. 4.1
S. 75; vgl. auch BGE 139 I 218 E. 5.2 S. 227). Gemäss Art. 36 Abs. 4 BV ist der
Kerngehalt der Grundrechte unantastbar. Damit entfällt die Möglichkeit, die
verfassungsrechtlich für ein menschenwürdiges Dasein erforderlichen Mittel über
die Herleitung von Grundrechtsschranken zu kürzen oder zu verweigern, darf doch
der Kerngehalt von Grundrechten auch nicht beschränkt werden, wenn die
Voraussetzungen von Grundrechtseingriffen nach Art. 36 Abs. 1-3 BV an sich
erfüllt wären. Im von Art. 12 BV garantierten Schutzbereich sind daher
Eingriffe wegen dessen Kongruenz mit dem Kerngehalt des Grundrechts nicht
zulässig (BGE 131 I 166 E. 5.3 S. 177; vgl. auch BGE 134 I 65 E. 3.3 S. 70 f.).
Es besteht kein Anlass, von dieser Rechtsprechung abzuweichen.

7.2.5. Ob allenfalls ein rechtsmissbräuchliches Verhalten der ersuchenden
Person eine Kürzung oder Verweigerung der Nothilfe rechtfertigen könnte, hat
die Rechtsprechung bislang offen gelassen (vgl. BGE 134 I 65 E. 5.1 f. S. 73;
131 I 166 E. 6.2 S. 178; 130 I 71 E. 4.3 S. 76; in Pra 2009 Nr. 84 S. 573
publiziertes Urteil 8C_927/2008 vom 11. Februar 2009 E. 5.2; je mit Hinweisen
auf die Literatur). Dies braucht auch vorliegend nicht beantwortet zu werden,
da keine Anhaltspunkte für ein rechtsmissbräuchliches Verhalten (vgl. hiezu:
BGE 134 I 65 E. 5.2 S. 73; 131 I 166 E. 6.4 S. 177; erwähntes Urteil 8C_927/
2008 E. 5.3) des Beschwerdeführers vorliegen.
Denkbar wäre nach der Lehre immerhin, renitentes Verhalten der Nothilfe
beanspruchenden Person bei genügender kantonaler Rechtsgrundlage mittels
verschiedener Massnahmen zu sanktionieren, welche den Schutzbereich und
Kerngehalt von Art. 12 BV nicht tangieren. Erwähnt wird etwa die Erbringung in
Form von Naturalleistungen oder die Verbindung von Auflagen/Weisungen mit einer
Strafandrohung nach Art. 292 StGB (vgl. etwa: MÜLLER/SCHEFER, Grundrechte in
der Schweiz, 4. Aufl. 2008, S. 780; PETER MÖSCH PAYOT, Sozialhilfemissbrauch?!,
in: Schweizerisches Sozialhilferecht, 2008, S. 294 und 315; GABRIELA
RIEMER-KAFKA, Das Verhältnis zwischen Grundrecht auf Hilfe in Notlagen und
Eigenverantwortung, in: Grundrecht auf Hilfe in Notlagen, 2005, S. 157; siehe
auch: LUCIEN MÜLLER, in: Die Schweizerische Bundesverfassung, St. Galler
Kommentar, 3. Aufl. 2014, N. 34 zu Art. 12 BV; GUIDO WIZENT, Die
sozialhilferechtliche Bedürftigkeit, 2014, S. 228; PETER UEBERSAX, Die
bundesgerichtliche Rechtsprechung zum Recht auf Hilfe in Notlagen im Überblick,
in: Grundrecht auf Hilfe in Notlagen, 2005, S. 55; CARLO TSCHUDI, Die
Auswirkungen des Grundrechts auf Hilfe in Notlagen auf sozialhilferechtliche
Sanktionen, in: Das Grundrecht auf Hilfe in Notlagen;  derselbe [Hrsg.], 2005,
S. 128; KATHRIN AMSTUTZ, Das Grundrecht auf Existenzsicherung, 2002, S. 313).
Im Rahmen der zu erlassenden neuen Verfügung wird die Beschwerdegegnerin
anhaltender ungenügender Mitwirkung durch entsprechende Ausgestaltung der
Nothilfegewährung Rechnung tragen können.

7.2.6. Nach dem Gesagten verstösst die erfolgte Verweigerung der Nothilfe, ohne
dass das Subsidiaritätsprinzip zum Tragen käme, gegen Art. 12 BV. Die
Beschwerde ist daher diesbezüglich begründet. Daran ändert das von der
Vorinstanz hiezu angeführte Urteil 2P.147/2002 vom 4. März 2003 nichts, ging es
doch dort um die Nichtannahme einer entlöhnten Tätigkeit, weshalb ein
Nothilfeanspruch nach dem Subsidiaritätsgrundsatz verneint werden konnte.
Immerhin stünde es der Beschwerdegegnerin offen, ihr Beschäftigungsprogramm im
Umfang der Sozialhilfe oder zumindest der Nothilfe zu entgelten. Diesfalls
könnte sie sich auf die obgenannte Rechtsprechung stützen und bei ungenügender
Mitwirkung am Programm die Sozialhilfe streichen.

7.3. Was hingegen den die Nothilfe gemäss Art. 12 BV übersteigenden Anspruch
auf (kantonalrechtliche) Sozialhilfe betrifft, vermögen die erhobenen Rügen der
Verletzung von Bundesverfassungsrecht - das kantonale Verfassungsrecht geht
auch hier unstreitig nicht weiter als dieses - den vorinstanzlichen Entscheid
nicht in Frage zu stellen. Das kantonale Gericht hat willkürfrei (Art. 9 BV)
erkannt, dass die Voraussetzungen für die Einstellung dieser Sozialhilfe nach
Art. 24a Abs. 1 SHG erfüllt sind, zumal davor bereits aufgrund ungenügender
Mitwirkung an einem Beschäftigungsprogramm eine Kürzung erfolgt und mit der
Androhung der Einstellung bei erneuter Nichtbefolgung verbunden worden war.
Dass nicht lediglich auf eine teilweise Einstellung nach Art. 24a Abs. 1 SHG
oder auf eine Kürzung im Sinne von Art. 24 Abs. 1 SHG erkannt wurde, ist
willkürfrei und verstösst weder gegen das Legalitätsprinzip (Art. 5 Abs. 1 BV)
noch gegen die Grundsätze der Verhältnismässigkeit (Art. 5 Abs. 2 BV) oder der
gerechten Behandlung vor Gerichts- und Verwaltungsinstanzen (Art. 29 Abs. 1
BV). Die Beschwerde ist daher diesbezüglich abzuweisen. Es bleibt beim
Minimalansatz für Nothilfe nach Art. 12 BV.

8.

8.1. Das teilweise Obsiegen des Beschwerdeführers in minimem Umfang
rechtfertigt, die Gerichtskosten ihm aufzuerlegen und keine Parteientschädigung
zuzusprechen (Art. 66 Abs. 1, Art. 68 Abs. 1 und 2 BGG). Dem Gesuch um
unentgeltliche Rechtspflege (im Sinne der vorläufigen Befreiung von den
Gerichtskosten und der unentgeltlichen Verbeiständung) kann entsprochen werden,
da die Bedürftigkeit ausgewiesen ist, die Beschwerde nicht als aussichtslos zu
bezeichnen und die Vertretung durch einen Rechtsanwalt geboten war (Art. 64
Abs. 1 und 2 BGG). Es wird indessen ausdrücklich auf Art. 64 Abs. 4 BGG
aufmerksam gemacht, wonach die begünstigte Partei der Bundesgerichtskasse
Ersatz zu leisten haben wird, wenn sie später dazu im Stande ist.

8.2. Die vom Beschwerdeführer geltend gemachte Parteientschädigung ist
überhöht. Nach den Grundsätzen gemäss dem Reglement über die
Parteientschädigung und die Entschädigung für die amtliche Vertretung im
Verfahren vor dem Bundesgericht vom 31. März 2006 (SR 173.110.210.3) besteht
aufgrund der gegebenen Verhältnisse kein Anlass, von der in solchen üblichen
Fällen üblicherweise zugesprochenen Entschädigung an unentgeltliche
Rechtsbeistände abzuweichen.

 Demnach erkennt das Bundesgericht:

1. 
Die Beschwerde wird teilweise gutgeheissen. Der Entscheid des
Verwaltungsgerichts des Kantons Zürich vom 23. April 2015 wird, soweit auf
Verneinung eines Anspruchs auf Nothilfe nach Art. 12 BV lautend, aufgehoben und
es wird festgestellt, dass ein solcher Anspruch besteht. Die Sache wird zur
Festlegung der Nothilfe an die Gemeinde B.________ zurückgewiesen. Im Übrigen
wird die Beschwerde abgewiesen.

2. 
Dem Beschwerdeführer wird die unentgeltliche Rechtspflege gewährt und
Rechtsanwalt Sandor Horvath wird als unentgeltlicher Anwalt bestellt.

3. 
Die Gerichtskosten von Fr. 500.- werden dem Beschwerdeführer auferlegt, indes
vorläufig auf die Bundesgerichtskasse genommen.

4. 
Es wird keine Parteientschädigung zugesprochen.

5. 
Dem Rechtsvertreter des Beschwerdeführers wird aus der Bundesgerichtskasse eine
Entschädigung von Fr. 2800.- ausgerichtet.

6. 
Die Sache wird zur Neuverlegung der Kosten und der Parteientschädigung des
vorangegangenen Verfahrens an das Verwaltungsgericht des Kantons Zürich
zurückgewiesen.

7. 
Dieses Urteil wird den Parteien, dem Verwaltungsgericht des Kantons Zürich und
dem Bezirksrat E.________ schriftlich mitgeteilt.

Luzern, 8. März 2016
Im Namen der I. sozialrechtlichen Abteilung
des Schweizerischen Bundesgerichts

Der Präsident: Maillard

Der Gerichtsschreiber: Lanz

Navigation

Neue Suche

ähnliche Leitentscheide suchen
ähnliche Urteile ab 2000 suchen

Drucken nach oben