Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

I. Sozialrechtliche Abteilung, Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten 8C.448/2015
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Bundesgericht
Tribunal fédéral
Tribunale federale
Tribunal federal

[8frIR2ALAGK1]     
{T 0/2}
                   
8C_448/2015

Urteil vom 17. Dezember 2015

I. sozialrechtliche Abteilung

Besetzung
Bundesrichterin Leuzinger, Präsidentin,
Bundesrichter Ursprung, Bundesrichterin Heine,
Gerichtsschreiberin Riedi Hunold.

Verfahrensbeteiligte
A.________,
vertreten durch Rechtsanwalt Dr. Volker Pribnow,
Beschwerdeführerin,

gegen

SWICA Versicherungen AG,
Römerstrasse 38, 8400 Winterthur,
Beschwerdegegnerin.

Gegenstand
Unfallversicherung,

Beschwerde gegen den Entscheid des Versicherungsgerichts des Kantons Aargau
vom 20. Mai 2015.

Sachverhalt:

A. 
A.________, geboren 1965, war ab 1. März 2008 bei der B.________ AG zu einem
Teilzeitpensum angestellt und in dieser Eigenschaft bei der SWICA
Versicherungen AG (nachfolgend: Swica) für die Folgen von Unfällen versichert.
Am 9. Februar 2012 stürzte sie beim Skifahren und verletzte sich an der
Schulter. Ab 23. März 2012 war sie infolge anhaltender Schmerzen arbeitsunfähig
und musste sich am 20. April 2012 einer Operation unterziehen. Zusätzlich
weilte sie vom 23. Juni bis 13. Juli 2012 in der stationären Rehabilitation. Ab
1. November 2012 nahm sie ihre Arbeit wieder auf, anfänglich zu zwei Stunden
täglich, ab Januar 2013 zu drei Stunden täglich. Die Arbeitgeberin kündigte die
Arbeitsstelle Ende Februar 2013 auf den 31. Mai 2013, woraufhin A.________
erneut voll arbeitsunfähig geschrieben wurde. Am 2. Mai 2013 fand ein Arthro
MRT und am 9. Juli 2013 ein weiterer operativer Eingriff statt, gefolgt von
einer stationären Rehabilitation vom 15. Juli bis 10. August 2013. Die Swica
holte bei Dr. med. C.________, Facharzt für orthopädische Chirurgie, ein
Gutachten vom 2. Dezember 2013 ein. Gestützt darauf verneinte die Swica am 15.
April 2014 einen Leistungsanspruch ab 21. April 2013 und verzichtete auf die
Rückforderung zu viel erbrachter Leistungen. An diesem Standpunkt hielt sie mit
Einspracheentscheid vom 12. Juni 2014 fest.

B. 
Die dagegen erhobene Beschwerde wies das Versicherungsgericht des Kantons
Aargau mit Entscheid vom 20. Mai 2015 ab.

C. 
A.________ lässt Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten führen
mit dem Antrag, unter Aufhebung des vorinstanzlichen Entscheids seien ihr die
gesetzlichen Leistungen, namentlich Heilbehandlungskosten und Taggelder, über
den 21. April 2013 hinaus auszurichten; eventualiter sei die Sache an die
Vorinstanz zur Vornahme weiterer Abklärungen zurückzuweisen.
Das Versicherungsgericht verzichtet unter Hinweis auf die Begründung in seinem
Entscheid auf eine Stellungnahme. Die Swica schliesst auf Abweisung der
Beschwerde. Das Bundesamt für Gesundheit verzichtet auf eine Vernehmlassung.

Erwägungen:

1.

1.1. Die Beschwerde kann wegen Rechtsverletzung gemäss Art. 95 und Art. 96 BGG
erhoben werden. Das Bundesgericht wendet das Recht von Amtes wegen an (Art. 106
Abs. 1 BGG). Es ist somit weder an die in der Beschwerde geltend gemachten
Argumente noch an die Erwägungen der Vorinstanz gebunden; es kann eine
Beschwerde aus einem anderen als dem angerufenen Grund gutheissen und es kann
sie mit einer von der Argumentation der Vorinstanz abweichenden Begründung
abweisen (vgl. BGE 130 III 136 E. 1.4 S. 140). Gemäss Art. 42 Abs. 1 BGG ist
die Beschwerde hinreichend zu begründen, andernfalls wird darauf nicht
eingetreten (Art. 108 Abs. 1 lit. b BGG). Das Bundesgericht prüft grundsätzlich
nur die geltend gemachten Rügen; es ist nicht gehalten, wie eine
erstinstanzliche Behörde alle sich stellenden rechtlichen Fragen zu prüfen,
wenn diese vor Bundesgericht nicht mehr vorgetragen wurden. Es kann die
Verletzung von Grundrechten und von kantonalem und interkantonalem Recht nur
insofern prüfen, als eine solche Rüge in der Beschwerde vorgebracht und
begründet worden ist (Art. 106 Abs. 2 BGG).

1.2. Im Beschwerdeverfahren um die Zusprechung oder Verweigerung von
Geldleistungen der Militär- oder Unfallversicherung ist das Bundesgericht nicht
an die vorinstanzliche Feststellung des rechtserheblichen Sachverhalts gebunden
(Art. 97 Abs. 2 und Art. 105 Abs. 3 BGG).

2. 
Streitig ist, ob das Gutachten des Dr. med. C.________ vom 2. Dezember 2013
ausreichende Grundlage zur Leistungseinstellung per 21. April 2013 ist.

3. 
Die Vorinstanz hat die Bestimmungen und Grundsätze über die
Leistungsvoraussetzungen des natürlichen Kausalzusammenhangs (BGE 129 V 177 E.
3.1 S. 181 mit Hinweis) sowie das Ende des Leistungsanspruchs infolge
Dahinfallens der Kausalität, deren Nachweis der Unfallversicherer zu erbringen
hat (SVR 2009 UV Nr. 3 S. 9 E. 2.2, 8C_354/2007), zutreffend dargelegt.
Dasselbe gilt für die Anforderungen an einen ärztlichen Bericht (BGE 134 V 231
E. 5.1 S. 232; 125 V 351 E. 3a S. 352), die Einholung eines
versicherungsexternen Gutachtens (Art. 44 ATSG; BGE 135 V 465 E. 4 S. 467)
sowie die Anforderungen an die Unparteilichkeit eines Gutachters (BGE 132 V 93
E. 7.1 S. 109). Darauf wird verwiesen.

4.

4.1. Die fachliche Qualifikation von Dr. med. C.________ zur Erstattung des
Gutachtens vom 2. Dezember 2013 ist unbestritten. Hingegen macht die
Versicherte geltend, durch die Kennzeichnung verschiedener Passagen des
Gutachtens durch Fettdruck, Kursivschrift und Unterstreichung werde bereits im
Rahmen der Wiedergabe der vorliegenden Akten eine Wertung vorgenommen, an
welcher sich die Befangenheit des Gutachters zeige. Es kann jedoch nicht Sache
des Gerichts sein, Vorgaben bezüglich der Verwendung von grafischen
Gestaltungsmitteln in einem Gutachten zu machen. Jedenfalls ergibt sich
vorliegend keine Befangenheit des Dr. med. C.________, auch wenn die gewählte
grafische Gestaltung der Leserlichkeit und Nachvollziehbarkeit eher hinderlich
ist. So ist das Gutachten nicht klar gegliedert, indem bereits bei der
Zusammenfassung der bisherigen Akten sowie der Wiedergabe der Angaben der
versicherten Person kommentiert wird und daher nicht immer ganz klar ist, was
Grundlage des Gutachtens und was Bewertung durch den Gutachter ist.

4.2. Soweit die Versicherte rügt, Dr. med. C.________ nehme in seinem Gutachten
unzulässige juristische Ausführungen vor, ist ihr Einwand zutreffend. Die
Vornahme der juristischen Beurteilung eines Falles ist nicht Sache des
medizinischen Sachverständigen. Entgegen der Ansicht der Vorinstanz vermögen
entsprechende Ausführungen des medizinischen Gutachters den Beweiswert seiner
Aussagen zu schmälern, sind sie doch Zeichen dafür, dass der zur
Unparteilichkeit verpflichtete Sachverständige seine Kompetenzen überschreitet
und den Anschein erweckt, er wisse nicht um die Grenzen seines Auftrags (vgl.
zu juristischen Bewertungen im ärztlichen Berichten etwa Urteile 8C_671/2014
vom 19. März 2015 E. 4.2.3 und U 9/01 vom 20. November 2001 E. 2b sowie SVR
2009 UV Nr. 31 S. 109 E. 6.2, 8C_552/2008, je mit Hinweisen). Weiter
hinterlässt das Gutachten objektiv den Eindruck, dass Dr. med. C.________ sich
nicht nur in seiner Funktion als sachlicher und unabhängiger Gutachter äussert,
sondern den Fall in seinem Sinne erledigt sehen will, nimmt er mit seinen
Äusserungen im Gutachten doch gleich auch die juristische Beurteilung vorweg.
So verfällt er denn auch in die Wortwahl eines Parteivertreters (z.B. S. 24:
"Zusammengefasst wird meinerseits nach dem oben Gesagten vollumfänglich
bestritten und belegt, dass der Unfall angeblich 'die einzige Ursache der
Störung von Frau A.________ sein soll'." Hervorhebung im Original).

4.3. Ebenfalls zutreffend ist der Hinweis, dass Dr. med. C.________ von
falschen Tatsachen ausgehe. So äussert er sich explizit dahingehend, dass die
Versicherte nach dem Unfall trotz laufender Arbeitsunfähigkeit in die Ferien
gefahren sei, was nicht den Tatsachen entspricht, hält er doch selbst an
anderer Stelle eine erstmalige Arbeitsunfähigkeit ab 23. März 2012 fest. Seine
diesbezüglichen Bemerkungen sind zudem grenzwertig und tendenziös, jedenfalls
aber unsachlich und unangebracht. Ebenfalls übersieht er, dass die nach Erhalt
der Kündigung attestierte Arbeitsunfähigkeit nicht vollständig auf
unfallkausale Faktoren zurückgeführt wurde, sondern zu 50 % als
krankheitsbedingt galt (vgl. dazu etwa Aktennotiz der Swica zum Gespräch vom
11. April 2013). Auch zeigt sich die Oberflächlichkeit darin, dass Dr. med.
C.________ in seinem Gutachten festhält, eine zweite Operation sei nicht
aktenkundig, er sich aber in keiner Weise darum bemüht, die entsprechenden
Unterlagen zu beschaffen. Das Arthro MRT vom 2. Mai 2013 sowie der operative
Eingriff vom 9. Juli 2013 waren bekannt und in den Akten der Swica entsprechend
dokumentiert; das Fehlen dieser Berichte darf sich nicht zu Lasten der
Versicherten auswirken, da es grundsätzlich Sache des Versicherers und des
Gutachters ist, (sich) die notwendigen Unterlagen für die medizinische
Beurteilung zu beschaffen.

4.4. Schliesslich fällt auf, dass der inhaltlich nicht bekannte Begleitbrief
von Dr. med. C.________ zum Gutachten, mit welchem er wohl die Swica für die
Fallführung kritisiert (vgl. dazu das Antwortschreiben der Swica vom 12.
Dezember 2013), aus den Akten entfernt wurde.

5. 
Nach dem Gesagten ist das Gutachten des Dr. med. C.________ infolge objektiv
begründeter Befangenheit nicht geeignet für die Beurteilung des
Leistungsanspruchs der Versicherten über den 21. April 2013 hinaus. Da jedoch
Hinweise bestehen, dass auch unfallfremde Faktoren bei der Arbeitsunfähigkeit
eine Rolle spielen könnten (vgl. dazu etwa die Umstände der Kündigung, die zu
einer hälftigen krankheitsbedingten Arbeitsunfähigkeit führte), ist die Sache
an die Vorinstanz zurückzuweisen, damit diese ein Gerichtsgutachten einhole und
hernach über den Anspruch auf Leistungen nach dem 21. April 2013 neu
entscheide.

6. 
Das Verfahren ist kostenpflichtig. Dem Ausgang des Verfahrens entsprechend hat
die Swica die Gerichtskosten zu tragen (Art. 66 Abs. 1 BGG). Die Versicherte
hat Anspruch auf eine Parteientschädigung zu Lasten der Swica (Art. 68 Abs. 1
und 2 BGG).

Demnach erkennt das Bundesgericht:

1. 
Die Beschwerde wird teilweise gutgeheissen und der Entscheid des
Versicherungsgerichts des Kantons Aargau vom 20. Mai 2015 aufgehoben. Die Sache
wird zu neuer Entscheidung an die Vorinstanz zurückgewiesen. Im Übrigen wird
die Beschwerde abgewiesen.

2. 
Die Gerichtskosten von Fr. 800.- werden der Beschwerdegegnerin auferlegt.

3. 
Die Beschwerdegegnerin hat die Beschwerdeführerin für das bundesgerichtliche
Verfahren mit Fr. 2'800.- zu entschädigen.

4. 
Dieses Urteil wird den Parteien, dem Versicherungsgericht des Kantons Aargau
und dem Bundesamt für Gesundheit schriftlich mitgeteilt.

Luzern, 17. Dezember 2015
Im Namen der I. sozialrechtlichen Abteilung
des Schweizerischen Bundesgerichts

Die Präsidentin: Leuzinger

Die Gerichtsschreiberin: Riedi Hunold

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