Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

I. Sozialrechtliche Abteilung, Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten 8C.435/2015
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Bundesgericht
Tribunal fédéral
Tribunale federale
Tribunal federal

[8frIR2ALAGK1]     
{T 0/2}
                   
8C_435/2015

Urteil vom 31. August 2015

I. sozialrechtliche Abteilung

Besetzung
Bundesrichterin Leuzinger, Präsidentin,
Bundesrichter Maillard, Bundesrichterin Heine,
Gerichtsschreiber Hochuli.

Verfahrensbeteiligte
A.________,
vertreten durch Rechtsanwalt Daniel Ehrenzeller,
Beschwerdeführer,

gegen

Schweizerische Unfallversicherungsanstalt (SUVA), Fluhmattstrasse 1, 6004
Luzern,
Beschwerdegegnerin.

Gegenstand
Unfallversicherung (Kausalzusammenhang),

Beschwerde gegen den Entscheid des Versicherungsgerichts des Kantons St. Gallen
vom 6. Mai 2015.

Sachverhalt:

A. 
A.________, geboren 1951, war seit Oktober 1992 als Schlosser für die Firma
"B.________ AG" tätig und in dieser Eigenschaft bei der Schweizerischen
Unfallversicherungsanstalt (SUVA) gegen Unfälle und Berufskrankheiten
versichert. Am 10. April 1993 fiel ihm bei Umbauarbeiten während der Freizeit
ein Holzbalken auf die Stirne. Nach der ärztlichen Erstbehandlung noch am
Unfalltag erfolgte die operative Sanierung der erlittenen Nasenbeinfraktur am
14. April 1993 im Spital C.________. In der Folge wurde ein posttraumatischer
Diabetes insipidus diagnostiziert, welche seither medikamentös durch Minirin
substituiert wird. Bei einer kernspintomographischen Untersuchung des Schädels
vom 25. Juni 1993 fand man keine Anhaltspunkte für weitere unfallbedingte
Beeinträchtigungen. Nach Wiederaufnahme der angestammten Tätigkeit anfangs Mai
1993 begann sich der Versicherte gemäss Bericht des SUVA-Arztes Dr. med.
D.________ vom 9. August 1993 erstmals über angeblich posttraumatische
Kreuzschmerzen zu beklagen, weshalb er die Arbeit ab Ende Juni 1993 wieder
niederlegte. Eine bildgebende Untersuchung der Lendenwirbelsäule vom 30. Juni
1993 zeigte keine Unfallfolgen, jedoch einen massiven Vorzustand
(Osteochondrose). Der SUVA-Arzt attestierte dem Versicherten hinsichtlich der
Unfallfolgen ab 11. August 1993 wieder eine 50%ige und ab 30. August 1993 eine
volle Arbeitsfähigkeit. Die SUVA lehnte am 6. Oktober 1994 nach weiteren
Abklärungen mangels Unfallkausalität eine Leistungspflicht in Bezug auf die
geklagten Rückenschmerzen und die vom Versicherten angestrebte Psychotherapie
ab. Von der Invalidenversicherung bezieht A.________ bei einem Invaliditätsgrad
von 57 % seit 1. Mai 1995 eine halbe Invalidenrente.

Auf Anfrage des Versicherten hielt die SUVA mit Schreiben vom 4. November 2008
an der bereits mitgeteilten Ablehnung einer Leistungspflicht für die
Rückenbeschwerden mangels eines Kausalzusammenhanges zum Unfall vom 10. April
1993 fest. Mit zwei Schreiben vom 19. Juli und 12. September 2012 informierte
der Rechtsvertreter des Versicherten die SUVA, dass A.________ anlässlich einer
allein in einem Personenwagen absolvierten Reise von der Schweiz nach
Montenegro vermutlich am 7. November 2010 unter unklaren Umständen bei einem
Selbstunfall in Kroatien von der Strasse abgekommen und erst Stunden oder Tage
später im Rahmen einer Suchaktion im Auto sitzend aufgefunden worden sei. Zudem
sei er am 24. Mai 2011 in seinem Badezimmer gestürzt. Diese Ereignisse und die
dabei zugezogenen Gesundheitsschädigungen seien Folgen "komaähnlicher
Absenzen", welche auf die jahrelange unfallbedingte Minirin-Behandlung
zurückzuführen seien. Die SUVA habe hiefür die gesetzlichen Leistungen nach UVG
zu erbringen. Nach weiteren Abklärungen verwies die SUVA auf die von ihr
bereits am 6. Oktober 1994 verneinte Unfallkausalität in Bezug auf die
Rückenbeschwerden sowie allfällige psychische Beschwerden; zudem lehnte sie aus
Adäquanzgründen eine Haftung für die Folgen der beiden Ereignisse vom 7.
November 2010 und 24. Mai 2011 ab (Verfügung vom 16. Januar 2013). Die dagegen
vom Versicherten und dem zuständigen Krankenversicherer erhobenen Einsprachen
wies die SUVA nach der - mit ausdrücklichem Einverständnis des Versicherten
erfolgten - Einholung eines endokrinologischen Gutachtens des Prof. Dr. med.
E.________, vom 6. November 2013 ab (Einspracheentscheid vom 21. Januar 2014).

B. 
Die hiegegen erhobene Beschwerde des A.________ wies das Versicherungsgericht
des Kantons St. Gallen mit Entscheid vom 6. Mai 2015 ab.

C. 
Mit Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten lässt A.________
beantragen, die SUVA habe ihm unter Aufhebung des angefochtenen Gerichts- und
des Einspracheentscheides für die Unfälle vom 7. November 2010 und 24. Mai 2011
die gesetzlichen Leistungen zu erbringen; eventualiter sei die Sache im Sinne
der Erwägungen an die Beschwerdegegnerin zurückzuweisen. Zudem lässt er um
Gewährung der unentgeltlichen Rechtspflege und Verbeiständung ersuchen.

Die vorinstanzlichen Akten wurden eingeholt. Ein Schriftenwechsel wird nicht
durchgeführt.

Erwägungen:

1. 
Mit der Beschwerde kann eine Rechtsverletzung nach Art. 95 f. BGG gerügt
werden. Das Bundesgericht wendet das Recht von Amtes wegen an (Art. 106 Abs. 1
BGG). Dennoch prüft es - offensichtliche Fehler vorbehalten - nur die in seinem
Verfahren beanstandeten Rechtsmängel (Art. 42 Abs. 1 und 2 BGG; BGE 135 II 384
E. 2.2.1    S. 389).
Im Beschwerdeverfahren um die Zusprechung oder Verweigerung von Geldleistungen
der Unfallversicherung ist das Bundesgericht nicht an die vorinstanzliche
Feststellung des rechtserheblichen Sachverhalts gebunden (Art. 97 Abs. 2 und
Art. 105 Abs. 3 BGG).

2. 
Nicht Gegenstand dieses Verfahrens bilden die unmittelbaren Folgen des Unfalles
vom 10. April 1993 und die von der SUVA bereits formlos mit Schreiben vom 6.
Oktober 1994 rechtskräftig (BGE 134 V 145) verneinte Unfallkausalität in Bezug
auf die Rückenbeschwerden sowie allfällige psychische Beschwerden. Wie die
Vorinstanz unbestritten und zutreffend erkannt hat, ist hienach einzig zu
prüfen, ob die SUVA - im Rahmen der sich auf mittelbare Folgen des Unfalles vom
10. April 1993 erstreckenden Haftung - auch hinsichtlich der allenfalls durch
die Ereignisse vom 7. November 2010 und 24. Mai 2011 verursachten
Gesundheitsschäden die gesetzlichen Leistungen nach UVG zu erbringen hat.

3. 

3.1. Die Zusprechung von Leistungen der obligatorischen Unfallversicherung
setzt grundsätzlich das Vorliegen eines Berufsunfalles, eines
Nichtberufsunfalles oder einer Berufskrankheit voraus (Art. 6 Abs. 1 UVG). Der
Unfallversicherer haftet jedoch für einen Gesundheitsschaden nur insoweit, als
dieser nicht nur in einem natürlichen, sondern auch in einem adäquaten
Kausalzusammenhang zum versicherten Ereignis steht (BGE 129 V 177 E. 3 S. 181).

3.2. Zur Bejahung des natürlichen Kausalzusammenhanges ist nicht erforderlich,
dass der Unfall die unmittelbare Ursache der gesundheitlichen Störung ist (vgl.
BGE 129 V 177 E. 3.1 S. 181; Urteil 8C_629/2013 vom 29. Januar 2014 E. 4). Die
Leistungspflicht des obligatorischen Unfallversicherers erstreckt sich vielmehr
auch auf mittelbare bzw. indirekte Unfallfolgen (nicht publ. E. 3a des Urteils
BGE 127 V 491; Urteil 8C_335/2012 vom 27. September 2012 E. 6.2), wobei eine
Teilursächlichkeit genügt (BGE 134 V 109 E. 9.5 S. 125 mit Hinweisen).

3.3. Nach Art. 6 Abs. 3 UVG hat der Unfallversicherer seine Leistungen auch für
Schädigungen zu erbringen, die dem Verunfallten bei einer Heilbehandlung (Art.
10 UVG) zugefügt werden. Art. 10 UVV bestimmt, dass er seine Leistungen auch
für Körperschädigungen erbringt, die der Versicherte durch von ihm angeordnete
oder sonst wie notwendig gewordene medizinische Abklärungsmassnahmen erleidet.
Diese Haftung erstreckt sich auch auf Gesundheitsschädigungen, die auf
Behandlungsmassnahmen im Anschluss an einen Unfall zurückzuführen sind. Es muss
weder ein Behandlungsfehler vorliegen noch der Unfallbegriff erfüllt noch ein
Kunstfehler oder auch nur objektiv eine Verletzung der ärztlichen
Sorgfaltspflicht gegeben sein. Damit ist die medizinische Komplikation im Sinne
einer mittelbaren Unfallfolge mitversichert, und zwar selbst im Falle
seltenster, schwerwiegendster Komplikationen. Der Unfallversicherer hat aber
nur für Schädigungen aufzukommen, die in natürlichem und adäquatem
Kausalzusammenhang mit den durch den versicherten Unfall erfolgten
Heilbehandlungen und medizinischen Abklärungsuntersuchungen stehen (BGE 128 V
169 E. 1c S. 172; SVR 2009 UV Nr. 9 S. 35, 8C_510/2007 E. 4.2.1).

3.4. Für die Feststellung natürlicher Kausalzusammenhänge im Bereich der
Medizin sind Verwaltung und das Gericht auf diesbezügliche Angaben ärztlicher
Experten angewiesen (BGE 118 V 286 E. 1b S. 290; Urteil 8C_492/2013 vom 10.
Februar 2014 E. 6.2 mit Hinweis). Die Prüfung der Unfalladäquanz richtet sich
hier nach der allgemeinen Adäquanzformel (vgl. BGE 129 V 177 E. 3.2 S. 181;
Urteil 8C_444/2008 vom 23. Dezember 2008 E. 2.2 mit Hinweis); es ist demnach zu
prüfen, ob die schädigende Behandlung oder Abklärung nach dem gewöhnlichen Lauf
der Dinge und nach der allgemeinen Lebenserfahrung an sich geeignet ist, einen
Erfolg von der Art des eingetretenen herbeizuführen, der Eintritt dieses
Erfolges also durch das Ereignis allgemein als begünstigt erscheint (Urteil
8C_756/2010 vom 15. Dezember 2010 E. 4; vgl. auch SVR 2007 UV Nr. 37 S. 125, U
292/05 E. 3.1).

4. 
Der Vorinstanz ist beizupflichten, soweit sie zutreffend erkannt hat, dass sich
die nachträglich vom Beschwerdeführer geltend gemachten Ereignisse vom 7.
November 2010 und 24. Mai 2011 nach Aktenlage unter unklaren Umständen und ohne
Zeugen zugetragen haben. Gemäss anamnestischen Angaben des Versicherten hat
sich im November 2010 laut Bericht der Klinik F.________ vom 7. März 2011 kein
Unfall ereignet; das Auto des Beschwerdeführers sei unbeschädigt gewesen, er
habe auch keine weiteren Verletzungen wie Hämatome oder Schmerzen bemerkt. Ob
daraus mit dem kantonalen Gericht zu schliessen ist, dass sich an den beiden
Daten - entgegen der zeitlich verzögerten Anmeldung des Versicherten -
überhaupt keine Unfälle im Sinne von Art. 4 ATSG ereignet haben, kann mit Blick
auf die nachfolgenden Ausführungen offen bleiben. Denn selbst wenn es sich bei
diesen Ereignissen um Unfälle im Rechtssinne handeln würde, steht fest und ist
unbestritten, dass dafür in zeitlicher Hinsicht keine unmittelbare
Versicherungsdeckung nach UVG bei der SUVA bestand. Letztere wäre vielmehr nur
dann unter Umständen für die Folgen haftbar, wenn diese Unfälle mit dem
Beweisgrad der überwiegenden Wahrscheinlichkeit eine natürliche sowie adäquat
kausale Folge des nach ärztlicher Verordnung eingenommenen Minirins wären,
wobei nach Aktenlage für den Zeitpunkt der beiden Ereignisse in tatsächlicher
Hinsicht nicht erwiesen ist, ob und gegebenenfalls in welcher Dosierung der
Beschwerdeführer damals effektiv unter dem Einfluss des Arzneimittels Minirin
stand.

5. 

5.1. Das kantonale Gericht hat - wie bereits zuvor die SUVA im
Einspracheverfahren - der fachärztlichen Expertise des Prof. Dr. med.
E.________, vom 6. November 2013 im Rahmen der bundesrechtskonformen
Beweiswürdigung und nach eingehender Auseinandersetzung mit den vom
Beschwerdeführer hiegegen erhobenen Einwänden vollen Beweiswert zuerkannt.
Gestützt darauf hat es festgestellt, dass nach Auffassung des medizinischen
Gutachters eine konkrete Minirin-Überdosierung im Zeitpunkt der fraglichen
Ereignisse weder zu beweisen noch auszuschliessen sei. Es seien jedoch sicher
auch andere Ursachen für diese Ereignisse in Betracht zu ziehen. Eine
"Zwangsläufigkeit" von der regelmässigen Minirin-Einnahme zur Überdosierung bis
hin zur schweren Hyponatriämie bestehe jedenfalls nicht, ein mittelbarer
Zusammenhang sei jedoch möglich. Die Vorinstanz verneinte in der Folge einen
überwiegend wahrscheinlichen natürlichen Kausalzusammenhang zwischen der
Minirin-Einnahme und einer allfälligen Bewusstseinsbeeinträchtigung im
Zeitpunkt der fraglichen Ereignisse.

5.2. Was der Versicherte gegen den angefochtenen Entscheid vorbringt, ist
offensichtlich unbegründet. Soweit er sich überhaupt sachbezüglich mit der
vorinstanzlichen Begründung auseinander setzt, legt er nicht dar, weshalb hier
von der im kantonalen Entscheid korrekt wiedergegebenen Rechtsprechung (Urteil
8C_2013 vom 3. August 2010 E. 2 mit Hinweisen) abzuweichen wäre. Welche
Missverständnisse der Beschwerdeführer angesichts der aktenkundigen
Unklarheiten und Widersprüchlichkeiten im Nachhinein zwecks objektiver
Sachverhaltsfeststellung hätte aufklären und berichtigen können, wenn er im
Rahmen der Exploration nicht nur vom Assistenzarzt, sondern auch vom
Hauptgutachter zur Sache angehört worden wäre, zeigt er nicht auf und ist nicht
ersichtlich. Die beschwerdeweise geltend gemachten Umstände waren im Zeitpunkt
der Begutachtung in den Akten dokumentiert, lagen als solche dem Gutachter vor
und waren ihm folglich bekannt. Soweit der Versicherte eine Verletzung des
Willkürverbotes beanstandet, genügen seine Vorbringen der qualifizierten
Rügepflicht (BGE 136 I 49 E. 1.4.1 S. 53 mit Hinweisen) nicht.

6. 
Da die Beschwerde offensichtlich unbegründet ist, wird sie im Verfahren nach
Art. 109 Abs. 2 lit. a BGG erledigt. Das Gesuch um unentgeltliche
Prozessführung im bundesgerichtlichen Verfahren ist wegen Aussichtslosigkeit
abzuweisen (Art. 64 Abs. 1 BGG). Dem Beschwerdeführer sind demnach die
Gerichtskosten aufzuerlegen (Art. 66 Abs. 1 BGG).

Demnach erkennt das Bundesgericht:

1. 
Die Beschwerde wird abgewiesen.

2. 
Das Gesuch um unentgeltliche Rechtspflege wird abgewiesen.

3. 
Die Gerichtskosten von Fr. 800.- werden dem Beschwerdeführer auferlegt.

4. 
Dieses Urteil wird den Parteien, dem Versicherungsgericht des Kantons St.
Gallen und dem Bundesamt für Gesundheit schriftlich mitgeteilt.

Luzern, 31. August 2015

Im Namen der I. sozialrechtlichen Abteilung
des Schweizerischen Bundesgerichts

Die Präsidentin: Leuzinger

Der Gerichtsschreiber: Hochuli

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