Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

I. Sozialrechtliche Abteilung, Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten 8C.431/2015
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Bundesgericht
Tribunal fédéral
Tribunale federale
Tribunal federal

[8frIR2ALAGK1]     
{T 0/2}
                   
8C_431/2015

Urteil vom 22. September 2015

I. sozialrechtliche Abteilung

Besetzung
Bundesrichterin Leuzinger, Präsidentin,
Bundesrichter Ursprung, Bundesrichterin Heine,
Gerichtsschreiber Nabold.

Verfahrensbeteiligte
A.________,
vertreten durch Rechtsanwalt Dr. Ronald Pedergnana,
Beschwerdeführerin,

gegen

Allianz Suisse Versicherungs-Gesellschaft AG, Richtiplatz 1, 8304 Wallisellen,
Beschwerdegegnerin.

Gegenstand
Unfallversicherung (Invalidenrente, Revision),

Beschwerde gegen den Entscheid des Sozialversicherungsgerichts des Kantons
Zürich vom 30. April 2015.

Sachverhalt:

A. 
Die 1969 geborene A.________ war als kaufmännische Angestellte der B.________,
bei der Continentale Allgemeine Versicherungs-AG (nachstehend: Continentale)
gegen die Folgen von Unfällen versichert, als sie sich am 9. Mai 1996 bei einer
Kollision im Strassenverkehr eine Distorsion der Halswirbelsäule (HWS) zuzog.
Für die bleibenden Folgen dieses Unfalles sprach die Allianz Suisse
Versicherungs-Gesellschaft (nachstehend: Allianz) als Rechtsnachfolgerin der
Continentale der Versicherten mit Verfügung vom 24. März 2005 ab Januar 2005
unter anderem eine Invalidenrente bei einem Invaliditätsgrad von 65 % zu.

Nachdem die Allianz Kenntnis vom Resultat einer Observation der Versicherten
durch ein vom Haftpflichtversicherer des Unfallverursachers beauftragtes
Überwachungsunternehmen erhalten hatte, hob die Allianz diese Rente mit
Verfügung vom 30. November 2010 per Verfügungsdatum auf. Aufgrund der von der
Versicherten gegen diese Verfügung erhobenen Einsprache ordnete die Allianz
eine polydisziplinäre Begutachtung der Versicherten durch das Medizinische
Zentrum C.________ an. Eine von der Versicherten hiegegen erhobene Beschwerde
wies das Sozialversicherungsgericht des Kantons Zürich mit Entscheid vom 7. Mai
2012 ab. Da sich die Versicherte der angeordneten Expertise trotz förmlicher
Aufforderung zur Mitwirkung nicht unterzog, erstellte das Medizinische Zentrum
C.________ am 26. Juni 2013 ein Aktengutachten. Daraufhin wies die Allianz die
Einsprache mit Entscheid vom 4. September 2013 ab.

B. 
Die von A.________ hiegegen erhobene Beschwerde wies das
Sozialversicherungsgericht des Kantons Zürich mit Entscheid vom 30. April 2015
ab.

C. 
Mit Beschwerde beantragt A.________ sinngemäss, es sei die Sache unter
Aufhebung des kantonalen Gerichtsentscheides an die Vorinstanz zurückzuweisen,
damit diese nach Einholen eines Gerichtsgutachtens bei einer neutralen
Gutachterstelle über die Ansprüche der Versicherte ab 30. November 2010 neu
entscheide.
Erwägungen:

1.

1.1. Die Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten kann wegen
Rechtsverletzung gemäss Art. 95 und Art. 96 BGG erhoben werden. Das
Bundesgericht wendet das Recht von Amtes wegen an (Art. 106 Abs. 1 BGG). Es ist
somit weder an die in der Beschwerde geltend gemachten Argumente noch an die
Erwägungen der Vorinstanz gebunden; es kann eine Beschwerde aus einem anderen
als dem angerufenen Grund gutheissen oder es kann sie mit einer von der
Argumentation der Vorinstanz abweichenden Begründung abweisen (BGE 140 V 136 E.
1.1 S. 137 f.). Das Bundesgericht prüft indessen, unter Berücksichtigung der
allgemeinen Rüge- und Begründungspflicht (Art. 42 Abs. 1 und 2 BGG), nur die
geltend gemachten Vorbringen, falls allfällige weitere rechtliche Mängel nicht
geradezu offensichtlich sind (BGE 138 I 274 E. 1.6 S. 280; vgl. auch BGE 140 V
136 E. 1.1 S. 138).

1.2. Im Beschwerdeverfahren um die Zusprechung oder Verweigerung von
Geldleistungen der Militär- oder Unfallversicherung ist das Bundesgericht nicht
an die vorinstanzliche Feststellung des rechtserheblichen Sachverhalts gebunden
(Art. 97 Abs. 2 und Art. 105 Abs. 3 BGG).

2. 
Streitig und zu prüfen ist, ob die Beschwerdegegnerin zu Recht ihre Leistungen
per 30. November 2010 eingestellt hat.

3.

3.1. Ist eine versicherte Person infolge des Unfalles mindestens zu 10 Prozent
invalid, so hat sie gemäss Art. 18 Abs. 1 UVG Anspruch auf eine Invalidenrente.
Ändert sich der Invaliditätsgrad einer Rentenbezügerin oder eines
Rentenbezügers erheblich, so wird gemäss Art. 17 Abs. 1 ATSG die Rente von
Amtes wegen oder auf Gesuch hin für die Zukunft entsprechend erhöht,
herabgesetzt oder aufgehoben.

3.2. Der Sozialversicherungsprozess ist vom Untersuchungsgrundsatz beherrscht.
Danach hat das Gericht von Amtes wegen für die richtige und vollständige
Feststellung des rechtserheblichen Sachverhaltes zu sorgen. Die Verwaltung als
verfügende Instanz und - im Beschwerdefall - das Gericht dürfen eine Tatsache
nur dann als bewiesen annehmen, wenn sie von ihrem Bestehen überzeugt sind. Im
Sozialversicherungsrecht hat das Gericht seinen Entscheid, sofern das Gesetz
nicht etwas Abweichendes vorsieht, nach dem Beweisgrad der überwiegenden
Wahrscheinlichkeit zu fällen. Die blosse Möglichkeit eines bestimmten
Sachverhalts genügt den Beweisanforderungen nicht. Der Richter und die
Richterin haben vielmehr jener Sachverhaltsdarstellung zu folgen, die sie von
allen möglichen Geschehensabläufen als die wahrscheinlichste würdigen (BGE 126
V 353 E. 5b S. 360; 125 V 193 E. 2 S. 195; vgl. BGE 130 III 321 E. 3.2 und 3.3
S. 324 f.). Der Untersuchungsgrundsatz schliesst die Beweislast im Sinne der
Beweisführungslast begriffsnotwendig aus, da es Sache des
Sozialversicherungsgerichts (oder der verfügenden Verwaltungsstelle) ist, für
die Zusammentragung des Beweismaterials besorgt zu sein. Im
Sozialversicherungsprozess tragen mithin die Parteien in der Regel eine
Beweislast nur insofern, als im Falle der Beweislosigkeit der Entscheid zu
Ungunsten jener Partei ausfällt, die aus dem unbewiesen gebliebenen Sachverhalt
Rechte ableiten wollte. Diese Beweisregel greift allerdings erst Platz, wenn es
sich als unmöglich erweist, im Rahmen des Untersuchungsgrundsatzes aufgrund
einer Beweiswürdigung einen Sachverhalt zu ermitteln, der zumindest die
Wahrscheinlichkeit für sich hat, der Wirklichkeit zu entsprechen (BGE 138 V 218
E. 6 S. 221).
Nach diesen allgemeinen Regeln obliegt es somit grundsätzlich dem
Versicherungsträger, eine erhebliche Änderung des Invaliditätsgrades
nachzuweisen, wenn er eine Rente reduzieren oder aufheben will (vgl. SVR 2013
UV Nr. 6 S. 21, 8C_110/2012 E. 2 mit weiteren Hinweisen).

3.3. Ausnahmen von diesem Grundsatz ergeben sich dort, wo die versicherte
Person ihre Mitwirkung verweigert. Art. 28 Abs. 2 ATSG verpflichtet diese,
unentgeltlich Auskünfte zu erteilen, die zur Abklärung des Anspruchs und zur
Festsetzung der Versicherungsleistungen erforderlich sind. Für den Bereich der
Unfallversicherung wird diese Mitwirkungspflicht in Art. 55 Abs. 1 UVV (SR
832.202) dahingehend präzisiert, dass die versicherte Person alle
erforderlichen Auskünfte erteilen und ausserdem die Unterlagen zur Verfügung
halten muss, die für die Klärung des Unfallsachverhaltes und die Unfallfolgen
sowie für die Festsetzung der Versicherungsleistungen benötigt werden,
insbesondere medizinische Berichte, Gutachten, Röntgenbilder und Belege über
die Verdienstverhältnisse; sie muss Dritte ermächtigen, solche Unterlagen
herauszugeben und Auskunft zu erteilen. Art. 43 Abs. 3 ATSG sieht sodann vor,
dass wenn die versicherte Person oder andere Personen, die Leistungen
beanspruchen, den Auskunfts- oder Mitwirkungspflichten in unentschuldbarer
Weise nicht nachkommen, der Versicherungsträger aufgrund der Akten verfügen
oder die Erhebungen einstellen und Nichteintreten beschliessen kann. Er muss
die Personen vorher schriftlich mahnen und auf die Rechtsfolgen hinweisen;
ihnen ist eine angemessene Bedenkzeit einzuräumen. Verweigert die versicherte
Person in unentschuldbarer Weise ihre Auskunfts- und Mitwirkungspflicht, indem
sie den Unfallversicherer bei laufenden Rentenleistungen daran hindert, den
rechtserheblichen Sachverhalt festzustellen, wird die Beweislast umgekehrt,
indem die versicherte Person nachzuweisen hat, dass sich entscheidwesentliche
Umstände nicht in einem den Invaliditätsgrad beeinflussenden Ausmass verändert
haben (SVR 2013 UV Nr. 6 S. 21, 8C_110/2012 E. 2; SVR 2010 IV Nr. 30 S. 94,
9C_961/2008 E. 6.3.3).

4. 
Das kantonale Gericht hat erwogen, aufgrund der durch die Observation der
Versicherten erzielten Erkenntnisse gebe es begründeten Anlass zur Annahme,
dass sich der Gesundheitszustand der Versicherten in der Zeit zwischen der
rentenzusprechenden Verfügung vom 24. März 2005 und der rentenaufhebenden
Verfügung vom 30. November 2010 erheblich verbessert haben und damit ein
Revisionsgrund im Sinne von Art. 17 ATSG vorliegen könnte. Alleine aufgrund der
vorliegenden Akten lasse sich ein solcher Revisionsgrund aber weder schlüssig
bejahen noch schlüssig verneinen. Die Beschwerdeführerin bringt nichts vor, was
zu einer abweichenden Würdigung der Akten führen würde.

5. 
Gemäss den vorinstanzlichen Erwägungen hat die Beschwerdeführerin vorliegend
die Beweislosigkeit zu vertreten und in Umkehr der Beweislast deren Folgen zu
tragen, da sie sich trotz Aufforderung geweigert habe, an der von der
Beschwerdegegnerin angeordneten Abklärungsmassnahme beim Medizinischen Zentrum
C.________ mitzuwirken.

5.1. Entgegen den Vorbringen der Beschwerdeführerin sind keine Gründe
ersichtlich, weshalb ihr die Mitwirkung an der Begutachtung durch das
Medizinische Zentrum C.________ unzumutbar gewesen wäre. Insbesondere kann aus
dem Umstand, dass das Medizinische Zentrum C.________ sich bereit erklärt hat,
ein Aktengutachten zu erstellen, keinen Anschein der Befangenheit der
Gutachterstelle abgeleitet werden.

5.2. Nachdem das kantonale Gericht mit Entscheid vom 7. Mai 2012 eine
Beschwerde der Versicherten gegen die Anordnung der Begutachtung durch das
Medizinische Zentrum C.________ abgewiesen hatte, teilte das Medizinische
Zentrum C.________ der Versicherten am 21. September 2012 mit, die persönliche
Exploration sei für den Spätherbst (vorgesehene Termine: 30. Oktober, 7.
November und 26. November 2012) geplant. Daraufhin antwortete die
Beschwerdeführerin am 28. September 2012 die Gutachtenstermine in jenem Jahr
nicht wahrnehmen, sich aber allenfalls zu einem späteren Zeitpunkt einer
Begutachtung durch das Medizinische Zentrum C.________ "wohl oder übel" stellen
zu wollen. Auf die förmliche Eröffnung des Mahn- und Bedenkzeitverfahrens durch
die Allianz am 8. Oktober 2012 antwortete die Versicherte am 25. Oktober 2012
per Fax mit einem blossen "z.H. Medizinisches Zentrum C.________ -> Termine
absagen, bitte". Aus diesem Schriftenwechsel schloss die Vorinstanz zu Recht,
die Beschwerdeführerin habe die Mitwirkung an einer ihr zumutbaren
Abklärungsmassnahme verweigert. An diesem Schluss ändert auch der Umstand
nichts, dass die Versicherte in Aussicht stellte, ihre Widersetzlichkeit
allenfalls zu einem späteren Zeitpunkt aufgeben zu wollen.

5.3. Hat die Beschwerdeführerin demnach ihre Mitwirkung an einer zumutbaren
Abklärungsmassnahme verweigert, so ist die gestützt auf eine Umkehr der
Beweislast erfolgte Bestätigung der Rentenaufhebung durch die Vorinstanz nicht
zu beanstanden; die Beschwerde der Versicherten ist abzuweisen. Zur Befürchtung
der Beschwerdeführerin, die Leistungen seien unwiderruflich weggefallen, ist
indessen an die Rechtsprechung zu erinnern, wonach der Leistungsanspruch neu
geprüft wird, wenn die versicherte Person ihre Widersetzlichkeit aufgibt und
sich die Sanktion (Umkehr der Beweislast) somit nur während jener Zeitspanne
auswirkt, in der sich die versicherte Person einer Zusammenarbeit mit der von
der Beschwerdegegnerin bezeichneten Gutachterstelle verweigert (vgl. Urteil
8C_733/2010 vom 10. Dezember 2010 E. 5.6 mit weiteren Hinweisen).

6. 
Dem Ausgang des Verfahrens entsprechend sind die Gerichtskosten der
Beschwerdeführerin aufzuerlegen (Art. 66 Abs. 1 BGG).
 Demnach erkennt das Bundesgericht:

1. 
Die Beschwerde wird abgewiesen.

2. 
Die Gerichtskosten von Fr. 800.- werden der Beschwerdeführerin auferlegt.

3. 
Dieses Urteil wird den Parteien, dem Sozialversicherungsgericht des Kantons
Zürich, der IV-Stelle des Kantons Zürich und dem Bundesamt für Gesundheit
schriftlich mitgeteilt.

Luzern, 22. September 2015

Im Namen der I. sozialrechtlichen Abteilung
des Schweizerischen Bundesgerichts

Die Präsidentin: Leuzinger

Der Gerichtsschreiber: Nabold

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