Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

I. Sozialrechtliche Abteilung, Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten 8C.41/2015
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Bundesgericht
Tribunal fédéral
Tribunale federale
Tribunal federal

[8frIR2ALAGK1]     
8C_41/2015         
{T 0/2}

Urteil vom 24. April 2015

I. sozialrechtliche Abteilung

Besetzung
Bundesrichterin Leuzinger, Präsidentin,
Bundesrichter Ursprung, Bundesrichterin Heine,
Gerichtsschreiber Lanz.

Verfahrensbeteiligte
A.________,
vertreten durch Advokatin Sarah Brutschin,
Beschwerdeführer,

gegen

Schweizerische Unfallversicherungsanstalt (SUVA), Fluhmattstrasse 1, 6004
Luzern,
Beschwerdegegnerin.

Gegenstand
Unfallversicherung (Invalidenrente; Valideneinkommen),

Beschwerde gegen den Entscheid des Sozialversicherungsgerichts des Kantons
Basel-Stadt vom 24. November 2014.

Sachverhalt:

A. 
Der 1963 geborene A.________ arbeitete ab 1990 zunächst als Bauarbeiter und
danach als Vorarbeiter für die B.________ AG. In dieser Eigenschaft war er bei
der Schweizerischen Unfallversicherungsanstalt (SUVA) obligatorisch gegen die
Folgen von Unfällen und Berufskrankheiten versichert. Am 14. Oktober 2005 zog
er sich bei einem Unfall am Arbeitsplatz am linken Knie eine Kreuzband- und
eine Innenbandruptur zu. Die SUVA anerkannte ihre Leistungspflicht. A.________
konnte die Arbeit im Januar 2006 wieder aufnehmen. Am 15. März 2012 verletzte
er sich bei einem Sturz an der linken Schulter. Die medizinischen Abklärungen
ergaben eine Teilruptur der Supraspinatussehne. Die SUVA gewährte erneut
Heilbehandlung und richtete Taggeld aus. Mit Verfügung vom 25. Juli 2013 sprach
sie dem Versicherten für die verbleibenden Folgen der beiden Unfälle ab 1.
August 2013 eine Invalidenrente auf der Basis einer Erwerbsunfähigkeit von 12 %
sowie eine Integritätsentschädigung bei einer Integritätseinbusse von 10 % zu.
Die Erwerbsunfähigkeit bestimmte die SUVA mittels Einkommensvergleich. Das
Valideneinkommen setzte sie mit der Begründung, der Versicherte könnte auch
ohne Unfall, aus Krankheitsgründen, die Tätigkeit eines Vorarbeiters nicht mehr
ausüben, gestützt auf die Tabellenlöhne der Schweizerischen
Lohnstrukturerhebung (LSE) fest. Einspracheweise machte A.________ namentlich
geltend, das Valideneinkommen sei nicht anhand von Tabellenlöhnen, sondern nach
Massgabe seines als Vorarbeiter erzielten Einkommens zu berechnen. Mit
Entscheid vom 12. März 2014 wies die SUVA die Einsprache ab.

B. 
Die dagegen erhobene Beschwerde, mit welcher A.________ den Einwand betreffend
das Valideneinkommen erneuerte und beantragte, es sei mit Wirkung ab 1. August
2013 eine Invalidenrente entsprechend einem Invaliditätsgrad von mindestens 33
% zuzusprechen, wies das Sozialversicherungsgericht des Kantons Basel-Stadt ab
(Entscheid vom 24. November 2014).

C. 
Mit Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten beantragt A.________,
in Aufhebung des vorinstanzlichen Entscheids sei die im kantonalen Verfahren
beantragte Rente zuzusprechen.
Es wird kein Schriftenwechsel durchgeführt.

Erwägungen:

1.

1.1. Die Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten kann wegen
Rechtsverletzung gemäss Art. 95 und Art. 96 BGG erhoben werden. Das
Bundesgericht wendet das Recht von Amtes wegen an (Art. 106 Abs. 1 BGG). Es ist
somit weder an die in der Beschwerde geltend gemachten Argumente noch an die
Erwägungen der Vorinstanz gebunden; es kann eine Beschwerde aus einem anderen
als dem angerufenen Grund gutheissen oder es kann sie mit einer von der
Argumentation der Vorinstanz abweichenden Begründung abweisen (BGE 140 V 136 E.
1.1 S. 137 f.). Das Bundesgericht prüft indessen, unter Berücksichtigung der
allgemeinen Rüge- und Begründungspflicht (Art. 42 Abs. 1 und 2 BGG), nur die
geltend gemachten Vorbringen, falls allfällige weitere rechtliche Mängel nicht
geradezu offensichtlich sind (BGE 138 I 274 E. 1.6 S. 280; vgl. auch BGE 140 V
136 E. 1.1 S. 138).

1.2. Im Beschwerdeverfahren um die Zusprechung oder Verweigerung von
Geldleistungen der Militär- oder Unfallversicherung ist das Bundesgericht nicht
an die vorinstanzliche Feststellung des rechtserheblichen Sachverhalts gebunden
(Art. 97 Abs. 2 und Art. 105 Abs. 3 BGG).

2.

2.1. Der Beschwerdeführer hat unbestrittenermassen für die Folgen der Unfälle
vom 14. Oktober 2005 und 15. März 2012 ab 1. August 2013 Anspruch auf eine
Invalidenrente. Streitig und zu prüfen ist der Grad der Erwerbsunfähigkeit und
hiebei das ohne unfallbedingte Gesundheitsschädigung mutmasslich erzielte
Einkommen (Valideneinkommen), welches dem Einkommensvergleich nach Art. 16 ATSG
zugrunde zu legen ist.

2.2. Die SUVA setzte das Valideneinkommen gestützt auf LSE-Tabellenlöhne fest.
Sie begründete dies damit, der Versicherte könnte die angestammte Tätigkeit
aufgrund von unfallfremden gesundheitlichen Beschwerden ohnehin nicht mehr
ausüben. Diese Beschwerden seien krankheitsbedingt, ohne dass aber eine
Berufskrankheit vorliege. Das kantonale Gericht hat dies bestätigt.
Der Beschwerdeführer wendet ein, die 100 %ige Arbeitsunfähigkeit als
Bauarbeiter sei Folge unfallkausaler Knie- und Schulterbeschwerden. Zumindest
habe er auch wegen unfallbedingter Beschwerden am linken Knie zu Beginn des
Jahres 2011 aus dem Arbeitsprozess ausscheiden müssen. Das Valideneinkommen
müsse daher gestützt auf das zuletzt erzielte Einkommen berechnet werden.

2.3. Für die Ermittlung des Valideneinkommens ist rechtsprechungsgemäss
entscheidend, was die versicherte Person im Zeitpunkt des frühestmöglichen
Rentenbeginns nach dem Beweisgrad der überwiegenden Wahrscheinlichkeit als
Gesunde tatsächlich verdient hätte. Dabei wird in der Regel am zuletzt
erzielten, nötigenfalls der Teuerung und der realen Einkommensentwicklung
angepassten Verdienst angeknüpft, da erfahrungsgemäss die bisherige Tätigkeit
ohne Gesundheitsschaden fortgesetzt worden wäre. Ausnahmen müssen mit
überwiegender Wahrscheinlichkeit erstellt sein (BGE 135 V 297 E. 5.1 S. 300;
134 V 322 E. 4.1 S. 325 mit Hinweisen; vgl. auch BGE 139 V 28 E. 3.3.2 S. 30;
135 V 58 E. 3.1 S. 59).

Ist mit überwiegender Wahrscheinlichkeit davon auszugehen, dass die versicherte
Person die bisherige Tätigkeit unabhängig vom Eintritt des versicherten Risikos
(Invalidität in der Invalidenversicherung; unfallkausale Erwerbsunfähigkeit in
der Unfallversicherung) nicht mehr ausgeübt hätte, kann der daraus erzielte
Lohn nicht zur Bestimmung des Valideneinkommens dienen. Das trifft etwa zu,
wenn die vor Eintritt des Gesundheitsschadens innegehabte Arbeitsstelle im für
die Invaliditätsbemessung massgeblichen Zeitpunkt nicht mehr besteht (Urteile
9C_501/2013 vom 28. November 2013 E. 4.2; 9C_416/2011 vom 26. Januar 2011 E.
3.2 mit Hinweis auf Urteil B 80/01 vom 17. Oktober 2003 E. 5.2.2) oder bei
einem auch ohne Gesundheitsschaden überwiegend wahrscheinlich eingetretenen
Stellenverlust (Urteil 9C_882/2010 vom 25. Januar 2011 E. 7.2.2). Gleich
entschieden wurde in der Unfallversicherung bei einem vor dem Unfall erfolgten
Stellenverlust aus unfallfremden Gründen (Urteil U 3/03 vom 4. September 2003
E. 6.2). Nichts anderes kann gelten, wenn die unfallversicherte Person im
Zeitpunkt des frühestmöglichen Rentenbeginns ihre angestammte Tätigkeit aus
unfallfremden  gesundheitlichen Gründen nicht mehr ausüben könnte. Ob dies
überwiegend wahrscheinlich zutrifft, ist im vorliegenden Fall umstritten.

2.4. Das kantonale Gericht ist zum Ergebnis gelangt, der Versicherte sei im
Zeitpunkt des Unfalles vom 15. März 2012 bereits wegen (unfallfremden) Rücken-
und Hüftbeschwerden in der angestammten Tätigkeit auf dem Bau vollumfänglich
arbeitsunfähig gewesen. Der Versicherte bestreitet dies. Zumindest wären auch
unfallkausale Kniebeschwerden mit verantwortlich zu machen.

2.4.1. Die B.________ AG hat das Arbeitsverhältnis mit dem Beschwerdeführer am
25. Januar 2012 per 31. März 2012 gekündigt hat. Sie verwies dabei auf
gesundheitliche Gründe, welche dem Versicherten nicht mehr gestatteten, wieder
auf dem Bau resp. in diesem Unternehmen zu arbeiten. Die Berichte des
behandelnden Arztes Dr. med. C.________, Facharzt Chirurgie FMH, aus den Jahren
2009 bis 2012 zeigen, dass in diesem Zeitraum unfallfremde Hüft- und
Rückenprobleme im Vordergrund standen. Ab 10. Februar 2011 bestand eine volle
Arbeitsunfähigkeit. Das wurde gemäss den besagten ärztlichen Stellungnahmen und
den medizinischen Berichten des Universitätsspitals aus der Zeit zwischen
November 2011 und Juni 2012 namentlich mit den Hüft- und Rückenproblemen
begründet. Die B.________ AG bestätigte im Zwischenzeugnis vom 12. Januar 2012,
dass der Versicherte seit 10. Februar 2011 krankheits bedingt arbeitsunfähig
sei und die Arbeit nicht wieder aufgenommen habe. Wegen der Rückenbeschwerden
wurden am 20. Dezember 2011 und 2. Februar 2012 diagnostische
Facettengelenksinfiltrationen durchgeführt. Die Hüftproblematik führte dazu,
dass nach im Jahr 2007 bereits erfolgter Implantation einer Totalendoprothese
(TEP) am linken Hüftgelenk am 20. Mai 2011 der gleiche Eingriff am rechten
Hüftgelenk durchgeführt wurde. Dr. med. D.________, Fachärztin für
Physikalische Medizin und Rehabilitation FMH, gelangte im
physikalisch-medizinischen Gutachten vom 13. März 2012 zum Ergebnis, für die
zuletzt ausgeübte Tätigkeit als Bauarbeiter/Vorarbeiter bestehe keine
Arbeitsfähigkeit mehr. Sie begründete dies mit der eingeschränkten
Belastbarkeit beider unterer Extremitäten bei Status nach den beiden
Hüftoperationen und bei medialer/lateraler Instabilität bei Status nach
vorderer Kreuzband- und Innenbandruptur links am 14. Oktober 2005. Aus ihren
Ausführungen geht aber hervor, dass sie hiebei der Instabilität des linken
Knies - bei verneinter längerfristiger Schonung insbesondere des linken Beines
- keine wesentliche Bedeutung beimass. Diese Instabilität oder andere
Beschwerden am linken Knie hatte den Versicherten denn auch nach dem Unfall von
2005 nicht daran gehindert, die Arbeit auf dem Bau wieder aufzunehmen und
konstant auszuüben. Dass unfallfremde Beschwerden der Ausübung der angestammten
Tätigkeit entgegenstanden, wird auch durch den Austrittsbericht der Klinik
E.________ vom 14. November 2011 bestätigt. Darin sind die Anforderungen
aufgeführt, welche eine zumutbare Tätigkeit zu erfüllen hat. Die
Einschränkungen, welche sich demnach aus unfallfremden Leiden ergeben, lassen
die Wiederaufnahme der körperlich anspruchsvollen Arbeit auf dem Bau auch
rückblickend, für die Zeit vor dem Unfall vom 15. März 2012, als illusorisch
erscheinen. Dieser Schluss lässt sich sowohl aufgrund der Rückenbeschwerden als
auch eigenständig aufgrund der Hüftproblematik ziehen. Bei dieser Aktenlage ist
mit überwiegender Wahrscheinlichkeit erstellt, dass der Versicherte die
angestammte Arbeit aus unfallfremden gesundheitlichen Gründen nicht mehr hätte
ausüben können.

2.4.2. Was der Beschwerdeführer vorbringt, rechtfertigt keine andere
Betrachtungsweise. Dass er nach der ersten Hüftoperation im Jahr 2007 die
Arbeit wieder aufgenommen hat und dass nach der zweiten Hüftoperation zunächst
eine optimistische Prognose geäussert wurde, lässt die medizinischen Akten
nicht als widersprüchlich erscheinen. Die späteren ärztlichen Einschätzungen
zeigen, dass der Verlauf weniger günstig war als erhofft. Geltend gemacht wird
sodann, die medizinische Gutachterin Dr. med. D.________ habe den unfallfremden
Rückenbeschwerden keine Bedeutung für die Arbeitsfähigkeit beigemessen. Zudem
habe entgegen der vorinstanzlichen Beurteilung auch aufgrund der
unfallbedingten Knieverletzung eine Arbeitsunfähigkeit bestanden. Ob auch die
Rückenbeschwerden zur Arbeitsfähigkeit beitrugen, kann indessen offen bleiben,
da auf jeden Fall schon die - ebenfalls unfallfremde - Hüftproblematik die
weitere Ausübung der angestammten Tätigkeit nicht gestattete. Aus dem gleichen
Grund muss nicht abschliessend beantwortet werden, ob sich schlussendlich auch
die Unfallfolgen am linken Knie auf die Arbeitsfähigkeit auswirkten. Aufgrund
des sich aus den medizinischen Akten ergebenden Verlaufs kann immerhin
festgehalten werden, dass solchen Kniebeschwerden jedenfalls deutlich weniger
Bedeutung zukam, als der Hüftproblematik. Entgegen der in der Beschwerde weiter
vertretenen Auffassung enthalten weder die medizinischen Akten noch die
vorinstanzlichen Erwägungen Widersprüche, welche zu einer anderen Beurteilung
führen könnten. Auch die Rüge, das kantonale Gericht habe den Sachverhalt
unvollständig und unrichtig festgestellt, ist nicht begründet.

2.5. Nach dem Gesagten wurde das Valideneinkommen zu Recht nicht gestützt auf
den als Vorarbeiter erzielten Lohn, sondern mittels Tabellenlöhnen festgesetzt.
Der entsprechend vorgenommene Einkommensvergleich wird nicht beanstandet. Damit
ist die Beschwerde abzuweisen.

3. 
Die Kosten des Verfahrens sind vom unterliegenden Beschwerdeführer zu tragen
(Art. 66 Abs. 1 BGG).

Demnach erkennt das Bundesgericht:

1. 
Die Beschwerde wird abgewiesen.

2. 
Die Gerichtskosten von Fr. 800.- werden dem Beschwerdeführer auferlegt.

3. 
Dieses Urteil wird den Parteien, dem Sozialversicherungsgericht des Kantons
Basel-Stadt und dem Bundesamt für Gesundheit schriftlich mitgeteilt.

Luzern, 24. April 2015

Im Namen der I. sozialrechtlichen Abteilung
des Schweizerischen Bundesgerichts

Die Präsidentin: Leuzinger

Der Gerichtsschreiber: Lanz

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