Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

I. Sozialrechtliche Abteilung, Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten 8C.40/2015
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Bundesgericht
Tribunal fédéral
Tribunale federale
Tribunal federal

[8frIR2ALAGK1]     
8C_40/2015         
{T 0/2}

Urteil vom 6. Mai 2015

I. sozialrechtliche Abteilung

Besetzung
Bundesrichterin Leuzinger, Präsidentin,
Bundesrichter Ursprung, Maillard,
Gerichtsschreiber Jancar.

Verfahrensbeteiligte
A.________,
vertreten durch Rechtsanwältin Bettina Surber,
Beschwerdeführerin,

gegen

IV-Stelle des Kantons St. Gallen,
Brauerstrasse 54, 9016 St. Gallen,
Beschwerdegegnerin.

Gegenstand
Invalidenversicherung
(Arbeitsunfähigkeit, Invalidenrente),

Beschwerde gegen den Entscheid des Versicherungsgerichts des Kantons St. Gallen
vom 12. November 2014.

Sachverhalt:

A. 
Die 1961 geborene A.________ war vom 3. Juni 2002 bis 30. Juni 2007
Produktionsmitarbeiterin bei der Firma B.________ AG. Im April 2009 meldete sie
sich bei der IV-Stelle des Kantons St. Gallen zum Leistungsbezug an. Diese
holte diverse Arztberichte und ein interdisziplinäres (psychiatrisches,
orthopädisches, internistisches) Gutachten des Begutachtungsinstituts
C.________ vom 9. Februar 2010 ein. Hierin wurden folgende Diagnosen mit
Einfluss auf die Arbeitsfähigkeit gestellt: 1. Leichtgradiges subakromiales
Impingement Schulter links (ICD-10 M75.4); 2. Chronisches zervikal und lumbal
betontes panvertebrales Schmerzsyndrom ohne radikuläre Symptomatik (ICD-10
M54.80). Ohne Einfluss auf die Arbeitsfähigkeit seien folgende Diagnosen: 1.
Leichte depressive Episode (ICD-10 F32.9); 2. Schmerzverarbeitungsstörung
(ICD-10 F54); 3. Adipositas mit Body Mass Index 35.5 kg/m2 (ICD-10 E66.0); 4.
Leichtgradige Anämie unklarer Ätiologie (ICD-10 D64.9). Mit Verfügung vom 3.
Mai 2010 verneinte die IV-Stelle den Rentenanspruch, da der Versicherten die
angestammte Tätigkeit weiterhin vollumfänglich zumutbar sei. Hiegegen erhob die
Versicherte beim Versicherungsgericht des Kantons St. Gallen Beschwerde und
reichte einen Bericht des behandelnden Psychiaters Dr. med. D.________,
Chefarzt, Klinik E.________, vom 26. Mai 2010 ein. Dieser diagnostizierte eine
mittelgradige bis schwere depressive Episode mit somatischen Symptomen (ICD-10
F32.11/2) und eine ausgeprägte psychophysische Erschöpfung (ICD-10 Z73.0). Mit
Verfügung vom 12. Oktober 2010 widerrief die IV-Stelle diejenige vom 3. Mai
2010 zwecks weiterer Abklärungen. Mit Entscheid vom 25. Oktober 2010 schrieb
die Vorinstanz das Verfahren ab. Die IV-Stelle holte ein psychiatrisches
Gutachten des Instituts C.________ vom 17. Dezember 2010 ein. Hierin wurde eine
leichte bis mittelgradige depressive Episode (ICD-10 F32.0/32.1) mit Einfluss
auf die Arbeitsfähigkeit gestellt; ohne Einfluss auf diese sei eine
Schmerzverarbeitungsstörung (ICD-10 F54). Die Versicherte reichte zu diesem
Gutachten eine Stellungnahme des Dr. med. D.________ vom 24. März 2011 ein. Vom
4. bis 20. April 2011 war sie in der psychiatrischen Klinik F.________
hospitalisiert. Diese diagnostizierte am 3. Mai 2011 eine rezidivierende
depressive Störung, gegenwärtig schwere Episode ohne psychotische Symptome
(ICD-10 F33.2), eine essenzielle (primäre) Hypertonie Bluthochdruck (ICD-10
I10), eine nicht näher bezeichnete Eisenmangelanämie und klinisch
rezidivierende Rückenschmerzen. Die IV-Stelle zog einen Verlaufsbericht des Dr.
med. D.________ vom 22. Februar 2012 und eine Aktenstellungnahme des Dr. med.
G.________, Regionaler Ärztlicher Dienst (RAD) der IV-Stelle, St. Gallen, vom
14. März 2012 ein. Mit Verfügung vom 26. Juli 2012 verneinte die IV-Stelle den
Rentenanspruch, da die psychiatrischen Diagnosen nicht invalidisierend seien.

B. 
Die hiegegen geführte Beschwerde wies das Versicherungsgericht des Kantons St.
Gallen mit Entscheid vom 12. November 2014 ab.

C. 
Mit Beschwerde beantragt die Versicherte, in Aufhebung des kantonalen
Entscheides sei die IV-Stelle anzuweisen, ihren Gesundheitszustand mit einem
Obergutachten umfassend abzuklären und nach Vorliegen der Ergebnisse über den
Rentenanspruch zu entscheiden.

Ein Schriftenwechsel wurde nicht angeordnet.

Erwägungen:

1. 
Mit der Beschwerde kann eine Rechtsverletzung nach Art. 95 f. BGG gerügt
werden. Das Bundesgericht wendet das Recht von Amtes wegen an (Art. 106 Abs. 1
BGG). Dennoch prüft es - offensichtliche Fehler vorbehalten - nur die in seinem
Verfahren beanstandeten Rechtsmängel (Art. 42 Abs. 1 f. BGG; BGE 135 II 384 E.
2.2.1 S. 389). Es legt seinem Urteil den Sachverhalt zugrunde, den die
Vorinstanz festgestellt hat (Art. 105 Abs. 1 BGG). Es kann ihre
Sachverhaltsfeststellung von Amtes wegen berichtigen oder ergänzen, wenn sie
offensichtlich unrichtig ist oder auf einer Rechtsverletzung im Sinne von Art.
95 BGG beruht und wenn die Behebung des Mangels für den Ausgang des Verfahrens
entscheidend sein kann (Art. 97 Abs. 1 BGG in Verbindung mit Art. 105 Abs. 2
BGG). Rechtsfragen sind die vollständige Feststellung erheblicher Tatsachen
sowie die Beachtung des Untersuchungsgrundsatzes bzw. der
Beweiswürdigungsregeln nach Art. 61 lit. c ATSG und der Anforderungen an den
Beweiswert von Arztberichten (BGE 134 V 231 E. 5.1 S. 232). Die aufgrund dieser
Berichte gerichtlich festgestellte Gesundheitslage bzw. Arbeitsfähigkeit und
die konkrete Beweiswürdigung sind Sachverhaltsfragen (BGE 132 V 393 E. 3.2 S.
397; nicht publ. E. 4.1 des Urteils BGE 135 V 254, veröffentlicht in SVR 2009
IV Nr. 53 S. 164 [9C_204/2009]). Eine Sachverhaltsfeststellung ist nicht schon
dann offensichtlich unrichtig, wenn sich Zweifel anmelden, sondern erst, wenn
sie eindeutig und augenfällig unzutreffend ist (BGE 132 I 42 E. 3.1 S. 44). Es
liegt noch keine offensichtliche Unrichtigkeit vor, nur weil eine andere Lösung
ebenfalls in Betracht fällt, selbst wenn diese als die plausiblere erschiene (
BGE 129 I 8 E. 2.1 S. 9). Diese Grundsätze gelten auch bei der konkreten
Beweiswürdigung, bei der dem vorinstanzlichen Gericht ein erheblicher
Ermessensspielraum zusteht (BGE 132 III 209 E. 2.1 S. 211, 130 I 258 E. 1.3 S.
261; SVR 2013 BVG Nr. 40 S. 174 E. 1.2 [9C_592/2012]; nicht publ. E. 1.2. f.
des Urteils BGE 140 V 405).

2. 
Die Vorinstanz hat die Grundlagen über die Erwerbsunfähigkeit (Art. 7 ATSG),
die Invalidität (Art. 8 ATSG), den Rentenanspruch (Art. 28 Abs. 2 IVG), den
Untersuchungsgrundsatz und den Beweiswert von Arztberichten (E. 1 hievor; vgl.
auch BGE 125 V 351 E. 3a S. 352) sowie die Invaliditätsbemessung nach dem
Einkommensvergleich (Art. 16 ATSG; Art. 28a Abs. 1 IVG) richtig dargelegt.
Darauf wird verwiesen.

3. 
Unbestritten ist die vorinstanzliche Feststellung, dass die Versicherte
somatischerseits in geeigneten Tätigkeiten in der Arbeitsfähigkeit nicht
eingeschränkt ist.

4. 
Streitig und zu prüfen ist die psychische Problematik.

4.1. Im interdisziplinären Gutachten des Instituts C._______ vom 9. Februar
2010 wurde festgehalten, aus psychiatrischer Sicht bestünden keine
Einschränkungen der Arbeitsfähigkeit. Im psychiatrischen Gutachten des
Instituts C._______ vom 17. Dezember 2010 wurde ausgeführt, aufgrund der
leichten bis mittelgradigen depressiven Störung sei die Versicherte wegen einer
leichtgradigen Verschlechterung der depressiven Störung seit März 2010 zu 30 %
arbeitsunfähig.

Die Vorinstanz hat in Würdigung der medizinischen Akten mit einlässlicher
Begründung - auf die verwiesen wird - erwogen, dass diese beiden Gutachten die
praxisgemässen Anforderungen an eine medizinische Beurteilungsrundlage
erfüllten, weshalb darauf abzustellen sei. Diesem vorinstanzlichen Ergebnis ist
beizupflichten.

4.2. Die Rügen der Versicherten vermögen hieran nichts zu ändern. Festzuhalten
ist insbesondere Folgendes:

4.2.1. Die Versicherte macht im Wesentlichen geltend, der behandelnde
Psychiater Dr. med. D.________ sei in den Berichten vom 26. Mai 2010 und 24.
März 2011 von einer mittelgradigen bis schweren depressiven Episode
ausgegangen. Die Klinik F.________ habe im Bericht vom 3. Mai 2011 eine
rezidivierende depressive Störung, gegenwärtig schwere Episode diagnostiziert.
Es lägen somit zwei Arztberichte von zwei unterschiedlichen Seiten vor, die im
Widerspruch zu den vom Institut C.________ erhobenen Befunden stünden. Sie
befinde sich in regelmässiger Psychotherapie und ständiger
Medikamententherapie, was auf eine schwere psychische Beeinträchtigung
hinweise. Zudem habe Dr. med. D.________ am 24. März 2011 festgehalten, es gebe
keine Blutanalyse, welche die Aussage im psychiatrischen Gutachten des
Instituts C.________ vom 17. Dezember 2010 bestätige, die Versicherte sei durch
Schlafmittel übersediert gewesen. Aufgrund der vorliegenden Berichte könne
zudem nicht ausgeschlossen werden, dass sich ihr Gesundheitszustand seit der
Begutachtung verschlechtert habe, was in den RAD-Berichten vom 29. Juni 2011
und 14. März 2012 nicht ausgeschlossen worden sei. Dr. med. D.________ habe am
22. Februar 2012 festgehalten, dass eine Verbesserung ihres
Gesundheitszustandes nach Austritt aus der Klinik F.________ am 20. April 2011
trotz intensiver Therapie nicht habe erreicht werden können. Demnach könnten
ihr Gesundheitszustand und die Ausprägung ihrer depressiven Symptomatik nicht
abschliessend beurteilt werden, weshalb eine Oberbegutachtung anzuordnen sei.

4.2.2. Soweit sich die Versicherte auf den Bericht der Klinik F.________ vom 3.
Mai 2011 beruft, ist dem - wie die Vorinstanz richtig erkannte -
entgegenzuhalten, dass darin nur für die Zeit des Klinikaufenthalts vom 4. bis
20. April 2011 eine Arbeitsfähigkeit verneint wurde. Eine über diesen Zeitraum
hinaus gehende Arbeitsfähigkeitsschätzung ist in diesem Bericht nicht
enthalten. Aus diesem Bericht kann die Versicherte somit nichts zu ihren
Gunsten ableiten. Denn für die Bestimmung des Rentenanspruchs ist -
grundsätzlich unabhängig von der Diagnose und der Ätiologie - massgebend, ob
und in welchem Ausmass eine Beeinträchtigung der Arbeits- bzw. Erwerbsfähigkeit
vorliegt (BGE 136 V 279 E. 3.2.1 S. 281; Urteil 8C_662/2014 vom 12. November
2014 E. 5). Zudem führte der RAD-Arzt in der Aktenstellungnahme vom 14. März
2012 aus, bei Betrachtung des in diesem Bericht angegebenen Psychostatus sei
höchstens von einer temporären Verschlechterung auszugehen; es bestehen keine
Anhaltspunkte, die auch nur geringe Zweifel an der Zuverlässigkeit und
Schlüssigkeit dieser Beurteilung wecken (vgl. Art. 59 Abs. 2bis IVG; Art. 49
IVV; BGE 139 V 225 E. 5.2 S. 229 zum Beweiswert von Berichten
versicherungsinterner Arztpersonen; SVR 2010 UV Nr. 17 S. 63 E. 7.2 [8C_239/
2008] zum Beweiswert von Aktenberichten).

4.2.3. Der psychiatrische Gutachter des Instituts C._______ hat am 17. Dezember
2010 dargetan, weshalb entgegen dem Bericht des behandelnden Psychiaters Dr.
D.________ vom 26. Mai 2010 seit März 2010 nicht von einer schweren, sondern
von einer leichten bis mittelgradigen depressiven Störung und nicht von einer
100%igen, sondern von einer 30%igen Arbeitsunfähigkeit auszugehen sei. Soweit
Dr. med. D.________ im Bericht vom 22. Februar 2012 von einem stationären
Gesundheitszustand und von einer unveränderten Diagnose sowie weiterhin von
einer 100%igen Arbeitsunfähigkeit der Versicherten ausging, legte der RAD-Arzt
in der Aktenstellungnahme vom 14. März 2012 dar, dass an der Einschätzung im
Gutachten vom 17. Dezember 2010 festzuhalten sei und keine schwere depressive
Störung vorliege. Auch in dieser Hinsicht ist diese Aktenstellungnahme nicht in
Zweifel zu ziehen (vgl. E. 4.2.2 hievor).

4.2.4. Insgesamt zeigt die Beschwerdeführerin nicht auf und es ist auch nicht
ersichtlich, inwiefern die vorinstanzliche Sachverhaltsfeststellung und
Beweiswürdigung im Lichte der in E. 1 hievor dargelegten Grundsätze mangelhaft
seien oder eine Bundesrechtsverletzung vorliege. Da von weiteren medizinischen
Abklärungen keine entscheidrelevanten Ergebnisse mehr zu erwarten sind, ist
darauf zu verzichten (antizipierte Beweiswürdigung; BGE 136 I 229 E. 5.3 S.
236).

5. 
Der von der Vorinstanz ermittelte rentenausschliessende Invaliditätsgrad von 37
% (vgl. Art. 16 ATSG; Art. 28 Abs. 2 IVG) ist hinsichtlich des
Einkommensvergleichs unbestritten und nicht zu beanstanden, weshalb sich
diesbezüglich Weiterungen erübrigen.

6. 
Die unterliegende Versicherte trägt die Gerichtskosten (Art. 66 Abs. 1 BGG).

Demnach erkennt das Bundesgericht:

1. 
Die Beschwerde wird abgewiesen.

2. 
Die Gerichtskosten von Fr. 800.- werden der Beschwerdeführerin auferlegt.

3. 
Dieses Urteil wird den Parteien, dem Versicherungsgericht des Kantons St.
Gallen und dem Bundesamt für Sozialversicherungen schriftlich mitgeteilt.

Luzern, 6. Mai 2015

Im Namen der I. sozialrechtlichen Abteilung
des Schweizerischen Bundesgerichts

Die Präsidentin: Leuzinger

Der Gerichtsschreiber: Jancar

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