Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

I. Sozialrechtliche Abteilung, Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten 8C.340/2015
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Bundesgericht
Tribunal fédéral
Tribunale federale
Tribunal federal

[8frIR2ALAGK1]     
{T 0/2}
                   
8C_340/2015

Urteil vom 1. September 2015

I. sozialrechtliche Abteilung

Besetzung
Bundesrichterin Leuzinger, Präsidentin,
Bundesrichter Ursprung, Bundesrichterin Heine,
Gerichtsschreiberin Durizzo.

Verfahrensbeteiligte
A.________, vertreten durch
Rechtsanwalt Stephan Kübler,
Beschwerdeführer,

gegen

IV-Stelle des Kantons Zürich,
Röntgenstrasse 17, 8005 Zürich,
Beschwerdegegnerin.

Gegenstand
Invalidenversicherung (Invalidenrente),

Beschwerde gegen den Entscheid des Sozialversicherungsgerichts des Kantons
Zürich vom 28. März 2015.

Sachverhalt:

A. 
A.________, geboren 1978, meldete sich am 10. April 2013 unter Hinweis auf eine
psychische Beeinträchtigung bei der Invalidenversicherung zum Leistungsbezug
an. Gestützt auf ein psychiatrisches Gutachten des Prof. Dr. med. B.________
vom 24. Januar 2014 lehnte die IV-Stelle des Kantons Zürich den Anspruch auf
eine Invalidenrente sowie auf berufliche Massnahmen mit Verfügung vom 31.
Oktober 2014 ab.

B. 
Die dagegen erhobene Beschwerde hiess das Sozialversicherungsgericht des
Kantons Zürich mit Entscheid vom 28. März 2015 teilweise gut und wies die Sache
an die IV-Stelle zurück zu neuer Verfügung über den Anspruch auf berufliche
Massnahmen. Im Übrigen wurde die Beschwerde abgewiesen.

C. 
A.________ lässt Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten führen
mit dem Antrag auf Zusprechung einer ganzen Invalidenrente, eventualiter sei
die Sache zu weiteren Abklärungen an die IV-Stelle zurückzuweisen. Mit einer
weiteren Eingabe nimmt er Stellung zum zwischenzeitlich ergangenen Urteil
9C_492/2014 vom 3. Juni 2015 zu den anhaltenden somatoformen Schmerzstörungen
und vergleichbaren psychosomatischen Leiden.

Das Bundesgericht hat die vorinstanzlichen Akten eingeholt und auf einen
Schriftenwechsel verzichtet.

Erwägungen:

1. 
Die Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten kann wegen
Rechtsverletzungen gemäss den Art. 95 f. BGG erhoben werden. Das Bundesgericht
legt seinem Urteil den Sachverhalt zugrunde, den die Vorinstanz festgestellt
hat (Art. 105 Abs. 1 BGG), und kann deren Sachverhaltsfeststellung nur
berichtigen oder ergänzen, wenn sie offensichtlich unrichtig ist oder auf einer
Rechtsverletzung im Sinne von Art. 95 BGG beruht und die Behebung des Mangels
für den Ausgang des Verfahrens entscheidend sein kann (Art. 97 Abs. 1 und Art.
105 Abs. 2 BGG). Es wendet das Recht von Amtes wegen an (Art. 106 Abs. 1 BGG)
und ist folglich weder an die in der Beschwerde geltend gemachten Argumente
noch an die Erwägungen der Vorinstanz gebunden (BGE 134 I 65 E. 1.3 S. 67 f.,
134 V 250 E. 1.2 S. 252, je mit Hinweisen). Unter Berücksichtigung der
Begründungspflicht (Art. 42 Abs. 1 und 2 BGG) prüft es indessen nur die geltend
gemachten Rügen, sofern die rechtlichen Mängel nicht geradezu offensichtlich
sind, und ist jedenfalls nicht gehalten, wie eine erstinstanzliche Behörde alle
sich stellenden rechtlichen Fragen zu untersuchen, wenn diese vor Bundesgericht
nicht mehr aufgegriffen werden (BGE 134 I 313 E. 2 S. 315, 65 E. 1.3 S. 67 f.,
je mit Hinweisen).

2. 
Das kantonale Gericht hat die für den Rentenanspruch massgeblichen Bestimmungen
und Grundsätze zutreffend dargelegt. Es wird darauf verwiesen.

3. 
Der Beschwerdeführer beruft sich auf die Stellungnahme seines behandelnden
Psychiaters Dr. med. C.________, welcher ihm in seiner Stellungnahme vom 31.
Mai 2013 eine vollständige Arbeitsunfähigkeit bescheinigt hatte. Des Weiteren
macht er sinngemäss geltend, dass ihm die Verwertung seiner
Restarbeitsfähigkeit nicht zuzumuten sei.

4.

4.1. Die bundesgerichtliche Überprüfung der vorinstanzlichen Beweiswürdigung
hat sich darauf zu beschränken, ob mit Blick auf die vorgebrachten Rügen die
Sachverhaltsfeststellung im angefochtenen Entscheid offensichtlich unrichtig
ist oder eine Rechtsverletzung, namentlich hinsichtlich der Regeln über den
Beweiswert von ärztlichen Berichten, vorliegt (vgl. E. 1). Zu beachten ist hier
der Grundsatz, dass das Gericht Gutachten externer Spezialärzte, welche von
Versicherungsträgern im Verfahren nach Art. 44 ATSG eingeholt wurden und den
Anforderungen der Rechtsprechung entsprechen, vollen Beweiswert zuerkennen
darf, solange nicht konkrete Indizien gegen die Zuverlässigkeit der Expertise
sprechen (BGE 137 V 210 E. 1.3.4 S. 227; 135 V 465 E. 4.4 S. 470; 125 V 351 E.
3b/bb S. 353).

4.2. Rechtsprechungsgemäss ist bei psychischen Beeinträchtigungen zu prüfen, ob
eine seelische Abwegigkeit mit Krankheitswert besteht, welche die versicherte
Person auch bei Aufbietung allen guten Willens daran hindert, ein
rentenausschliessendes Erwerbseinkommen zu erzielen (BGE 139 V 547 E. 5 S. 554
ff.; 131 V 49 E. 1.2 S. 50; 130 V 352 E. 2.2.1 S. 353). Es ist nach einem
weitgehend objektivierten Massstab zu beurteilen, ob und inwiefern ihr trotz
ihres Leidens die Verwertung ihrer Restarbeitsfähigkeit auf dem ihr nach ihren
Fähigkeiten offen stehenden ausgeglichenen Arbeitsmarkt noch sozial-praktisch
zumutbar und für die Gesellschaft tragbar sei (BGE 136 V 279 E. 3.2.1 S. 281;
BGE 127 V 294 E. 4c S. 298; Urteil 9C_492/2014 vom 3. Juni 2015 E. 2.1, E. 3.1
und E. 3.7, zur Publikation vorgesehen).

4.3. Das kantonale Gericht hat sich zum Gutachten des Prof. Dr. med. B.________
und zum Bericht des Dr. med. C.________ eingehend geäussert, dies insbesondere
auch bezüglich deren Einschätzungen zur Arbeitsfähigkeit (vgl. zur
Persönlichkeitsdiagnostik Urteil 9C_492/2014 vom 3. Juni 2015 E. 4.3.2 i.f.
sowie E. 8, zur Publikation vorgesehen). Beide Ärzte haben dazu die Systematik
gemäss LINDEN/BARON/MUSCHALLA, Mini-ICF-Rating für Aktivitäts- und
Partizipationsstörungen bei psychischen Erkrankungen (Ein Kurzinstrument zur
Fremdbeurteilung von Aktivitätsstörungen bei psychischen Erkrankungen in
Anlehnung an die Internationale Klassifikation der Funktionsfähigkeit,
Behinderung und Gesundheit [ICF] der Weltgesundheitsorganisation, Mini-ICF-APP,
2009), herangezogen (vgl. dazu SVR 2015 IV Nr. 10 S. 27, 8C_398/2014 E. 4.3.2,
sowie BGE 140 V 260 E. 3.2.2 S. 262; 134 V 231 E. 5.1 S. 232; Gabriela
Riemer-Kafka [Hrsg.], Versicherungsmedizinische Gutachten, 2. Aufl., 2012, S.
124 ff.). Nach übereinstimmender Einschätzung des behandelnden Arztes und des
Gutachters ist der Beschwerdeführer durch seine schwere narzisstische
Persönlichkeitsstörung (ICD 10 F60.8) in seiner Entscheidungs- und
Urteilsfähigkeit, insbesondere aber auch im sozialen Umgang (Bereiche Anpassung
an Regeln und Routinen, Kontaktfähigkeit zu Dritten, Gruppenfähigkeit sowie
familiäre bzw. intime Beziehungen) entsprechend erheblich beeinträchtigt. Die
inkomplette Tag-Nacht-Umkehr lässt sich mit einem kurzen stationären Aufenthalt
behandeln. Entscheidwesentlich ist, dass ihm nach den vorinstanzlichen
Feststellungen gestützt auf das Gutachten eine seinen psychischen
Einschränkungen angepasste Tätigkeit im angestammten Beruf als kaufmännischer
Angestellter zuzumuten ist, zumal sie sich bei der beruflichen
Leistungsfähigkeit vor allem im zwischenmenschlichen Bereich auswirken. Nach
dem vom psychiatrischen Gutachter geschilderten Anforderungsprofil werden die
erwähnten Schwächen hinreichend berücksichtigt, wenn der Beschwerdeführer eine
Arbeit in vornehmlicher Eigenverantwortung ausserhalb eines hierarchischen
Umfelds mit wenig beruflich-sozialen Kontakten und geringer Verantwortlichkeit
bezüglich Personen und betrieblichem Vermögen ausübt. Dies hat Dr. med.
C.________ - ebenso wie den nachfolgend dargestellten Aspekt der Verwertbarkeit
der Restarbeitsfähigkeit - in seiner nicht näher begründeten
Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung unberücksichtigt gelassen.

4.4. Nicht massgebend ist in diesem Zusammenhang, ob eine invalide Person unter
den konkreten Arbeitsmarktverhältnissen vermittelt werden kann, sondern einzig,
ob sie die ihr verbliebene Arbeitskraft noch wirtschaftlich nutzen könnte, wenn
die verfügbaren Arbeitsplätze dem Angebot an Arbeitskräften entsprechen würden.
Zu berücksichtigen ist dabei der ausgeglichene Arbeitsmarkt (Art. 16 ATSG; BGE
134 V 64 E. 4.2.1 S. 70 f.; 110 V 273 E. 4b S. 276; ZAK 1991 S. 318 E. 3b). Er
umfasst auch sogenannte Nischenarbeitsplätze, also Stellen- und
Arbeitsangebote, bei welchen Behinderte mit einem sozialen Entgegenkommen von
Seiten des Arbeitgebers rechnen können (Urteile 8C_514/2013 vom 29. August 2013
E. 4.2; 8C_673/2012 vom 16. Mai 2013 E. 4.3). An die Konkretisierung von
Arbeitsgelegenheiten sind nach der Rechtsprechung nicht übermässige
Anforderungen zu stellen (BGE 138 V 457 E. 3.1 S. 459 f.).

4.5. Insgesamt vermögen die Vorbringen des Beschwerdeführers keine
offensichtliche Unrichtigkeit oder Rechtsfehlerhaftigkeit des angefochtenen
Entscheides zu begründen. Mit dem kantonalen Gericht ist ihm die vollzeitliche
Ausübung einer Erwerbstätigkeit im angestammten Beruf an einer seinen
psychischen Beeinträchtigungen angepassten Arbeitsstelle zuzumuten und ein
entsprechendes Einkommen anzurechnen.

5. 
Bezüglich der erwerblichen Auswirkungen der Gesundheitsschädigung wird
beschwerdeweise geltend gemacht, dass bei mutmasslicher psychischer Erkrankung
seit der Kindheit das Valideneinkommen gestützt auf Art. 26 Abs. 1 IVV zu
erheben sei. Auch in Anwendungsfällen dieser Bestimmung über Versicherte, die
wegen der Invalidität keine zureichenden beruflichen Kenntnisse erwerben
konnten, entfällt jedoch eine lediglich prozentuale Berücksichtigung der
Tabellenlöhne nach Vollendung des dreissigsten Altersjahres. Im Übrigen werden
die Erwägungen des kantonalen Gerichts dazu nicht beanstandet und sie geben
keinen Anlass zu Weiterungen.

6. 
Zusammengefasst ist die Ablehnung des Anspruchs auf eine Invalidenrente von
Bundesrechts wegen nicht zu beanstanden.

7. 
Das Verfahren ist kostenpflichtig (Art. 65 BGG). Die Gerichtskosten werden dem
unterliegenden Beschwerdeführer auferlegt (Art. 66 Abs. 1 BGG).

Demnach erkennt das Bundesgericht:

1. 
Die Beschwerde wird abgewiesen.

2. 
Die Gerichtskosten von Fr. 800.- werden dem Beschwerdeführer auferlegt.

3. 
Dieses Urteil wird den Parteien, dem Sozialversicherungsgericht des Kantons
Zürich und dem Bundesamt für Sozialversicherungen schriftlich mitgeteilt.

Luzern, 1. September 2015

Im Namen der I. sozialrechtlichen Abteilung
des Schweizerischen Bundesgerichts

Die Präsidentin: Leuzinger

Die Gerichtsschreiberin: Durizzo

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