Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

I. Sozialrechtliche Abteilung, Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten 8C.327/2015
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Bundesgericht
Tribunal fédéral
Tribunale federale
Tribunal federal

[8frIR2ALAGK1]     
{T 0/2}
                   
8C_327/2015

Urteil vom 8. September 2015

I. sozialrechtliche Abteilung

Besetzung
Bundesrichterin Leuzinger, Präsidentin,
Bundesrichter Maillard, Bundesrichterin Heine,
Gerichtsschreiber Grunder.

Verfahrensbeteiligte
A.________,
Rechtsanwältin,
Beschwerdeführerin,

gegen

Kantonsgericht Basel-Landschaft,
Abteilung Sozialversicherungsrecht,
Bahnhofplatz 16, 4410 Liestal,
Beschwerdegegner.

Gegenstand
Invalidenversicherung (vorinstanzliches Verfahren; unentgeltlicher
Rechtsbeistand),

Beschwerde gegen den Entscheid
des Kantonsgerichts Basel-Landschaft
vom 4. Mai 2015.

Sachverhalt:

A. 
Die 1958 geborene B.________ leidet an einer hochgradigen Schwerhörigkeit,
weswegen ihr die IV-Stelle Basel-Landschaft mit Verfügung vom 20. März 2014
eine Pauschale für eine beidseitige Hörgeräteversorgung in Höhe von Fr. 1'650.-
zusprach. Einen darüber hinausgehenden Anspruch lehnte sie mit der Begründung
ab, mangels erwerblicher Tätigkeit komme die Härtefallregelung nicht zum Tragen
(Verfügung vom 11. September 2014).

B. 
Die hiegegen eingereichte Beschwerde wies das Kantonsgericht Basel-Landschaft
mit Entscheid vom 4. Mai 2015 ab. Gemäss Dispositiv-Ziffer 3 dieses Entscheids
war Rechtsanwältin A.________ als Rechtsvertreterin der B.________ zufolge
Bewilligung der unentgeltlichen Verbeiständung aus der Gerichtskasse ein
Honorar von Fr. 3'456.- (inklusive Mehrwertsteuer von 8 %) auszurichten.

C. 
A.________ führt Beschwerde und beantragt, unter Aufhebung der
Dispositiv-Ziffer 3 des vorinstanzlichen Entscheids sei die Sache zur erneuten
Festsetzung des Honorars an das kantonale Gericht zurückzuweisen.
Die Vorinstanz und die Aufsichtsbehörde haben auf eine Vernehmlassung
verzichtet.

Erwägungen:

1. 
Da die Beschwerde führende Rechtsanwältin die von der Vorinstanz zugesprochene
Entschädigung für ihre Tätigkeit als unentgeltliche Rechtsbeiständin
beanstandet, ist sie zur Beschwerde in eigenem Namen legitimiert (Art. 89 Abs.
1 BGG; Urteil 8C_465/2012 vom 20. Dezember 2012 E. 1 mit Hinweis; vgl. auch BGE
140 IV 213 E. 1.7 S. 216). Auf die Beschwerde ist daher einzutreten.

2.

2.1. Die Bemessung der Entschädigung des unentgeltlichen Rechtsbeistandes im
kantonalen Verfahren ist mangels bundesrechtlicher Bestimmungen dem kantonalen
Recht überlassen ( BGE 131 V 153E. 6.1 S. 158), mit welchem sich das
Bundesgericht unter Vorbehalt der in Art. 95 lit. c-e BGG genannten Ausnahmen
grundsätzlich nicht zu befassen hat. Nach Art. 95 lit. a BGG liegt eine
Bundesrechtsverletzung vor, wenn die Anwendung kantonalen Rechts - sei es wegen
seiner Ausgestaltung, sei es aufgrund des Ergebnisses im konkreten Fall - zu
einer Verfassungsverletzung führt. Dabei fällt im Bereich der nach kantonalem
Recht zuzusprechenden und zu bemessenden Entschädigung des unentgeltlichen
Rechtsbeistandes praktisch nur das in Art. 9 BV verankerte Willkürverbot in
Betracht. Eine willkürliche Anwendung kantonalen Rechts liegt vor, wenn der
angefochtene Entscheid offensichtlich unhaltbar ist, mit der tatsächlichen
Situation in klarem Widerspruch steht, eine Norm oder einen unumstrittenen
Rechtsgrundsatz krass verletzt oder in stossender Weise dem
Gerechtigkeitsgedanken zuwiderläuft. Das Bundesgericht hebt einen Entscheid
jedoch nur auf, wenn nicht bloss die Begründung, sondern auch dessen Ergebnis
unhaltbar ist. Dass eine andere Lösung ebenfalls als vertretbar oder gar als
zutreffender erscheinen mag, genügt nicht (BGE 132 I 13 E. 5.1 S. 17; Urteil
9C_284/2012 vom 18. Mai 2012 E. 2; je mit Hinweisen).

2.2. Dem kantonalen Gericht ist bei der Bemessung der Entschädigung des
unentgeltlichen Rechtsbeistandes praxisgemäss ein weiter Ermessensspielraum
einzuräumen (vgl. die Zusammenfassung der Rechtsprechung in SVR 2000 IV Nr. 11
S. 31 [I 308/98] E. 2b; vgl. auch das in BGE 141 noch nicht publizierte Urteil
6B_730/2014 E. 3.2 und E. 4.2 f.). Das Bundesgericht greift nur ein, wenn der
Ermessensspielraum klar überschritten worden ist oder wenn Bemühungen nicht
honoriert worden sind, die zweifelsfrei zu den Obliegenheiten eines amtlichen
Vertreters gehören (BGE 118 Ia 133 E. 2d S. 136).

3.

3.1. Die Vorinstanz hat erwogen, die Rechtsvertreterin habe in ihrer
Honorarnote vom 16. Oktober 2014 für das kantonale Gerichtsverfahren einen
Zeitaufwand von 31.1 Stunden ausgewiesen, der angesichts der sich stellenden
Sachverhalts- und Rechtsfragen sowie des Aktenumfangs als zu hoch zu betrachten
sei. In ähnlich gelagerten Fällen, in welchen das kantonale Gericht über die
Zusprache eines Hilfsmittels nach einfachem Schriftenwechsel habe entscheiden
müssen, seien Bemühungen im Umfang von 3 bis 16 Stunden als angemessen erachtet
worden. Der geltend gemachte Aufwand sei daher aus Gründen der Rechtsgleichheit
auf 16 Stunden zu kürzen.

3.2. Die Beschwerdeführerin bringt vor, aus den Erwägungen des angefochtenen
Entscheids sei nicht ersichtlich, was unter gleichartigen Fällen zu verstehen
sei, immerhin seien 16 Stunden das fünffache von 3 Stunden. Die Vorinstanz sei
auf die detaillierte Kostennote nicht eingegangen, sondern habe das Honorar
pauschal festgesetzt, womit sie den Anspruch auf rechtliches Gehör verletzt
habe. Der Kostennote vom 16. Oktober 2014 sei zu entnehmen, dass für die
effektive Redaktion der Beschwerdeschrift rund 22 Stunden aufgewendet worden
seien, der restliche Aufwand (Aktenstudium und Korrespondenz mit der Mandantin)
habe sich auf rund 8 Stunden belaufen. Dazu sei darauf hinzuweisen, dass die
Mandantin hochgradig schwerhörig sei, weshalb praktisch ausschliesslich via
E-Mail oder anderweitig schriftlich kommuniziert werden musste. Dies habe zu
Verzögerungen bei der Sachverhaltsabklärung und der Redaktion der
Beschwerdeschrift geführt. Die Herabsetzung des detailliert angegebenen
Stundenaufwandes um fast 50 % stelle eine grobe Ermessensüberschreitung und
damit auch eine Verletzung des Willkürverbots dar. Zusammenfassend sei
festzuhalten, dass die Vorinstanz die Herabsetzung der Kostennote in Verletzung
des Anspruchs auf das rechtliche Gehör nicht begründet und sie unabhängig davon
das Honorar willkürlich bemessen habe.

4.

4.1. Die Festsetzung des Honorars des unentgeltlichen Rechtsbeistandes muss in
der Regel nicht oder lediglich summarisch begründet werden. Eine
Begründungspflicht besteht, wenn dieser eine Kostennote einreicht und das
Gericht die Entschädigung abweichend davon auf einen bestimmten, nicht der
Praxis entsprechenden Betrag festsetzt. Akzeptiert das Gericht einzelne Posten
aus der Kostennote, setzt es aber andere herab, hat es zu jeder Reduktion
zumindest kurz auszuführen, aus welchem konkreten Grund die Aufwendungen oder
Auslagen als unnötig betrachtet werden (Urteil 8C_54/2013 vom 8. Mai 2013 E.
4.1 mit Hinweisen [in: SVR 2013 IV Nr. 26 S. 75]).

4.2. Das Recht, angehört zu werden, ist formeller Natur. Die Verletzung der aus
dem Anspruch auf rechtliches Gehör nach Art. 29 Abs. 2 BV sowie Art. 61 lit. h
ATSG und Art. 112 Abs. 1 lit. b BGG abgeleiteten Prüfungs- und
Begründungspflicht durch das kantonale Gericht (vgl. u.a. Urteil 9C_416/2012
vom 19. November 2012 E. 4.1 mit Hinweisen) führt ungeachtet der
Erfolgsaussichten der Beschwerde in der Sache selbst grundsätzlich zur
Aufhebung der angefochtenen Verfügung. Es kommt mit anderen Worten nicht darauf
an, ob die Anhörung im konkreten Fall für den Ausgang der materiellen
Streitentscheidung von Bedeutung ist, d.h. die Behörde zu einer Änderung ihres
Entscheides veranlasst wird oder nicht (BGE 132 V 387 E. 5.1 S. 390; 127 V 431
E. 3d/aa S. 437 f.). Nach der Rechtsprechung kann eine - nicht besonders
schwerwiegende - Verletzung des rechtlichen Gehörs ausnahmsweise als geheilt
gelten, wenn die betroffene Person die Möglichkeit erhält, sich vor einer
Beschwerdeinstanz zu äussern, die sowohl den Sachverhalt wie die Rechtslage
frei überprüfen kann (BGE 135 I 279 E. 2.6.1 S. 285). Von einer Rückweisung der
Sache an die Verwaltung ist selbst bei einer schwerwiegenden Verletzung des
rechtlichen Gehörs dann abzusehen, wenn und soweit die Rückweisung zu einem
formalistischen Leerlauf und damit zu unnötigen Verzögerungen führen würde, die
mit dem (der Anhörung gleichgestellten) Interesse der betroffenen Partei an
einer beförderlichen Beurteilung der Sache nicht zu vereinbaren wären (BGE 136
V 117 E. 4.2.2.2 S. 126 f. mit Hinweisen).

5.

5.1. Das Bundesgericht hat in einem ähnlichen Fall erkannt, dass einem
gerichtsinternen Arbeitspapier, welches in vergleichbaren Fällen eine
"gleichgeartete" Ermessensausübung bei der Festsetzung der einem
unentgeltlichen Rechtsbeistand gewährten Entschädigung sicherstellen soll, für
deren Bemessung keine massgebende oder gar ausschlaggebende Bedeutung zukommt
und das kantonale Gericht insbesondere nicht von der ihm obliegenden
Begründungspflicht entbindet (Urteil 8C_832/2012 vom 28. Mai 2013 E. 3.1). Will
ein kantonales Gericht von der mittels Honorarnote beantragten Entschädigung
des unentgeltlichen Rechtsbeistandes abweichen, hat es sich mit den darin
einzeln angegebenen Positionen auseinanderzusetzen und darzulegen, weshalb
diese seiner Ansicht nach ungerechtfertigt hoch seien und deshalb herabgesetzt
werden sollen; dies ist kurz, aber bestimmt und bezogen auf die einzeln
aufgelisteten Aufwandpositionen zu begründen (erwähntes Urteil E. 3.1 in
Verbindung mit E. 4.1; vgl. auch Urteil 8C_54/2013 vom 8. Mai 2013 E. 4.1 in
Verbindung mit E. 5 [in: SVR 2013 IV Nr. 26 S. 75]).

5.2. Angesichts dieser Rechtsprechung hat die Vorinstanz den Anspruch der
Beschwerdeführerin auf rechtliches Gehör mangels zureichender Begründung ihres
Entscheids verletzt. Eine Heilung dieses Mangels im vorliegenden Verfahren ist
ausgeschlossen, da das Bundesgericht die Bemessung der Entschädigung des
unentgeltlichen Rechtsbeistandes nur in eingeschränktem Rahmen überprüfen kann
und die Beschwerdeführerin diesfalls einer Instanz verlustig ginge. Einen
formalistischen Leerlauf stellt die Rückweisung der Angelegenheit an das
kantonale Gericht sodann ebenfalls nicht dar, wird diesem dadurch doch die
Gelegenheit geboten, die Entschädigung in Nachachtung der dargelegten
Grundsätze neu zu beurteilen und festzusetzen.

6. 
Von der Erhebung von Gerichtskosten ist abzusehen (Art. 66 Abs. 1 Satz 2 und
Abs. 4 BGG). Die im Streit um die Erhöhung des Honorars als unentgeltliche
Rechtsbeiständin obsiegende Rechtsanwältin hat Anspruch auf eine ihrem Aufwand
angemessene Parteientschädigung zu Lasten des zuständigen Kantons (Art. 68 Abs.
1 und 2 BGG; vgl. BGE 125 II 518 E. 5 S. 519 f.; Urteil 8C_832/2012 vom 28. Mai
2012 E. 5 mit Hinweisen).

 Demnach erkennt das Bundesgericht:

1. 
Die Beschwerde wird gutgeheissen. Dispositiv-Ziffer 3 des Entscheids des
Kantonsgerichts Basel-Landschaft vom 4. Mai 2015 wird aufgehoben und die Sache
wird an das kantonale Gericht zurückgewiesen, damit es die Entschädigung der
Beschwerdeführerin neu festsetze.

2. 
Es werden keine Gerichtskosten erhoben.

3. 
Der Kanton Basel-Landschaft hat Rechtsanwältin A.________ für das
bundesgerichtliche Verfahren mit Fr. 1'500.- zu entschädigen.

4. 
Dieses Urteil wird den Parteien, B.________, der IV-Stelle Basel-Landschaft und
dem Bundesamt für Sozialversicherungen schriftlich mitgeteilt.

Luzern, 8. September 2015
Im Namen der I. sozialrechtlichen Abteilung
des Schweizerischen Bundesgerichts

Die Präsidentin: Leuzinger

Der Gerichtsschreiber: Grunder

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