Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

I. Sozialrechtliche Abteilung, Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten 8C.306/2015
Zurück zum Index I. Sozialrechtliche Abteilung, Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten 2015
Retour à l'indice I. Sozialrechtliche Abteilung, Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten 2015


Wichtiger Hinweis:
Diese Website wird in älteren Versionen von Netscape ohne graphische Elemente
dargestellt. Die Funktionalität der Website ist aber trotzdem gewährleistet.
Wenn Sie diese Website regelmässig benutzen, empfehlen wir Ihnen, auf Ihrem
Computer einen aktuellen Browser zu installieren.
Zurück zur Einstiegsseite Drucken
                                                               Grössere Schrift

Bundesgericht
Tribunal fédéral
Tribunale federale
Tribunal federal

[8frIR2ALAGK1]     
{T 0/2}
                   
8C_306/2015

Urteil vom 25. August 2015

I. sozialrechtliche Abteilung

Besetzung
Bundesrichterin Leuzinger, Präsidentin,
Bundesrichter Frésard, Bundesrichterin Heine,
Gerichtsschreiber Nabold.

Verfahrensbeteiligte
 A.________,
vertreten durch Advokat Dr. Philippe Nordmann,
Beschwerdeführer,

gegen

Öffentliche Arbeitslosenkasse Baselland, Bahnhofstrasse 32, 4133 Pratteln,
Beschwerdegegnerin.

Gegenstand
Arbeitslosenversicherung (Verwaltungsverfahren),

Beschwerde gegen den Entscheid des Kantonsgerichts Basel-Landschaft vom 20.
März 2015.

Sachverhalt:

A. 
A.________ verlor am 6. Juni 2013 seine Arbeitsstelle. Am selben Tag nahm er
telefonisch Kontakt zum Regionalen Arbeitsvermittlungszentrum (RAV) B.________
auf und wünschte, wie während einer vorhergehenden Zeit der Arbeitslosigkeit,
von C.________ beraten zu werden. Ein Mitarbeiter des RAV B.________ erklärte
ihm, der gewünschte Berater sei zur Zeit abwesend; der Stellensuchende habe
sich aber zunächst auf der Gemeinde und alsdann beim RAV anzumelden. Am 12.
Juni 2013 telefonierte A.________ mit demselben Mitarbeiter des RAV B.________;
erst während dieses Gesprächs realisierte letzterer, dass der Versicherte nicht
mehr im Einzugsgebiet des RAV B.________ wohnt. Der Mitarbeiter beschied dem
Versicherten allerdings, es sei vielleicht trotzdem möglich, sich von
C.________ beraten zu lassen, dieser weile indessen zur Zeit in den Ferien. Die
Anmeldung auf der Gemeinde habe indessen noch Zeit bis zur Rückkehr von
C.________. Der Versicherte meldete sich daraufhin am 20. Juni 2013 bei der
Gemeinde D.________ an. Nach seiner Rückkehr lehnte es C.________ ab, einen
Stellensuchenden zu beraten, welcher nicht im Einzugsgebiet seines RAV wohnt.
Daraufhin meldete sich A.________ am 25. Juni 2013 auf dem örtlich zuständigen
RAV E.________ an.

In ihrer Abrechnung vom 13. September 2013 legte die Öffentliche
Arbeitslosenklasse Basel-Landschaft die Rahmenfrist für den Leistungsbezug des
A.________ auf die Zeit vom 25. Juni 2013 bis 24. Juni 2015 fest. Nachdem sich
der Versicherte damit nicht einverstanden erklärt hatte, hielt die Kasse mit
Verfügung vom 30. Dezember 2013 und Einspracheentscheid vom 25. Juni 2014 an
ihrer Abrechnung und damit an der Rahmenfrist fest.

B. 
Die von A.________ hiegegen erhobene Beschwerde hiess das Kantonsgericht
Basel-Landschaft mit Entscheid vom 20. März 2015 teilweise gut und legte unter
Aufhebung des Einspracheentscheids die Rahmenfrist für den Leistungsbezug auf
den 20. Juni 2013 bis 19. Juni 2015 fest. Gleichzeitig sprach das kantonale
Gericht dem Versicherten eine reduzierte Parteientschädigung in der Höhe von
Fr. 372.50 zu.

C. 
Mit Beschwerde beantragt A.________, es sei unter Aufhebung des Einsprache- und
des kantonalen Gerichtsentscheides die Rahmenfrist für den Leistungsbezug auf
die Zeit vom 12. Juni 2013 bis 11. Juni 2015 festzulegen. Die für das kantonale
Verfahren ausgerichtete Parteientschädigung sei entsprechend zu erhöhen,
eventualiter aufgrund der korrekt ermittelten anwaltlichen Aufwendungen neu
festzusetzen.

Die Öffentliche Arbeitslosenkasse Basel-Landschaft beantragt die Abweisung der
Beschwerde, das Kantonsgericht Basel-Landschaft deren Gutheissung, soweit sie
die Parteientschädigung betrifft. In materieller Hinsicht verzichtet das
kantonale Gericht auf eine Vernehmlassung. Das Staatssekretariat für Wirtschaft
(seco) verzichtet auf eine Stellungnahme.

Erwägungen:

1.

1.1. Die Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten kann wegen
Rechtsverletzung gemäss Art. 95 und Art. 96 BGG erhoben werden. Das
Bundesgericht wendet das Recht von Amtes wegen an (Art. 106 Abs. 1 BGG). Es ist
somit weder an die in der Beschwerde geltend gemachten Argumente noch an die
Erwägungen der Vorinstanz gebunden; es kann eine Beschwerde aus einem anderen
als dem angerufenen Grund gutheissen oder es kann sie mit einer von der
Argumentation der Vorinstanz abweichenden Begründung abweisen (BGE 140 V 136 E.
1.1 S. 137 f.). Das Bundesgericht prüft indessen, unter Berücksichtigung der
allgemeinen Rüge- und Begründungspflicht (Art. 42 Abs. 1 und 2 BGG), nur die
geltend gemachten Vorbringen, falls allfällige weitere rechtliche Mängel nicht
geradezu offensichtlich sind (BGE 138 I 274 E. 1.6 S. 280; vgl. auch BGE 140 V
136 E. 1.1 S. 138).

1.2. Das Bundesgericht kann die Sachverhaltsfeststellung der Vorinstanz nur
berichtigen oder ergänzen, wenn sie offensichtlich unrichtig ist oder auf einer
Rechtsverletzung im Sinne von Art. 95 BGG beruht (Art. 105 Abs. 2 BGG).
Überdies muss die Behebung des Mangels für den Ausgang des Verfahrens
entscheidend sein (Art. 97 Abs. 1 BGG). Neue Tatsachen und Beweismittel dürfen
nur so weit vorgebracht werden, als erst der Entscheid der Vorinstanz dazu
Anlass gibt (Art. 99 Abs. 1 BGG).

2. 
Streitig ist der Beginn der Rahmenfrist für den Leistungsbezug des
Versicherten. Dabei steht fest, dass er sich erst am 20. Juni 2013 bei der
Gemeinde angemeldet hat. Zu prüfen ist jedoch, ob sich der Versicherte auf die
(falsche) Aussage eines Mitarbeiters des RAV vom 12. Juni 2013 verlassen
durfte, wonach er mit einer Anmeldung auf der Gemeinde noch zuwarten könne.

3. 

3.1. Für den Leistungsbezug und für die Beitragszeit gelten gemäss Art. 9 Abs.
1 AVIG, sofern dieses Gesetz nichts anderes vorsieht, zweijährige
Rahmenfristen. Die Rahmenfrist für den Leistungsbezug beginnt nach Art. 9 Abs.
2 AVIG mit dem ersten Tag, für den sämtliche Anspruchsvoraussetzungen erfüllt
sind.

Gemäss Art. 17 Abs. 2 AVIG muss sich der Versicherte möglichst frühzeitig,
spätestens jedoch am ersten Tag, für den er Arbeitslosenentschädigung
beansprucht, persönlich bei seiner Wohngemeinde oder der vom Kanton bestimmten
zuständigen Amtsstelle zur Arbeitsvermittlung melden und von da an die
Kontrollvorschriften des Bundesrates befolgen.

3.2. Nach dem in Art. 9 BV verankerten Grundsatz von Treu und Glauben kann eine
unrichtige Auskunft, welche eine Behörde dem Bürger erteilt, unter gewissen
Umständen Rechtswirkungen entfalten. Voraussetzung (vgl. dazu 137 II 182 E.
3.6.2 S. 193 mit Hinweisen) dafür ist, dass:
a)es sich um eine vorbehaltlose Auskunft der Behörden handelt;
b) die Auskunft sich auf eine konkrete, den Bürger berührende Angelegenheit
bezieht;
c) die Amtsstelle, welche die Auskunft gegeben hat, hiefür zuständig war oder
der Bürger sie aus zureichenden Gründen als zuständig betrachten durfte;
d) der Bürger die Unrichtigkeit der Auskunft nicht ohne weiteres hat erkennen
können;
e) der Bürger im Vertrauen hierauf nicht ohne Nachteil rückgängig zu machende
Dispositionen getroffen hat;
f) die Rechtslage zur Zeit der Verwirklichung noch die gleiche ist wie im
Zeitpunkt der Auskunftserteilung;
g) das Interesse an der richtigen Durchsetzung des objektiven Rechts dasjenige
des Vertrauensschutzes nicht überwiegt.

4.

4.1. Gemäss den verbindlichen Feststellungen der Vorinstanz wurde dem
Versicherten am 12. Juni 2013 durch einen Mitarbeiter des RAV B.________ eine
unrichtige Auskunft gegeben. Während sich der Versicherte auf diese falsche
Auskunft beruft, scheitert gemäss den Erwägungen des kantonalen Gerichts eine
Berufung auf den Vertrauensschutz daran, dass er die Unrichtigkeit der Auskunft
ohne weiteres hätte erkennen können. Unbestritten ist im vorliegenden
Verfahren, dass die weiteren Voraussetzungen des Vertrauensschutzes (vgl. E.
3.2 hievor) erfüllt wären.

4.2. Rechtsprechungsgemäss haben die mit der Durchführung der
Arbeitslosenversicherung betrauten Stellen die Versicherten auf den Umstand,
dass eine Arbeitslosenentschädigung frühestens ab dem Tag der Anmeldung auf der
Gemeinde ausbezahlt werden kann, speziell hinzuweisen (vgl. Urteil C 113/02 vom
13. August 2003 E. 4.3). Somit kann entgegen den vorinstanzlichen Erwägungen
diese Regelung nicht als allgemein bekannt vorausgesetzt werden.

4.3. Der Versicherte war bereits im Juni 2013 bezüglich der
Arbeitslosenversicherung nicht völlig unerfahren. Zudem wartete er für die
Anmeldung bei der Gemeinde nicht, wie vom Mitarbeiter des RAV empfohlen, auf
die Rückkehr des von ihm gewünschten Beraters, sondern meldete sich dort
bereits am 20. Juni 2013 an. Daraus schloss die Vorinstanz, dem
Beschwerdeführer sei die Notwendigkeit der Anmeldung bei der Gemeinde bewusst
gewesen. Dem ist grundsätzlich beizupflichten; wie jedoch der Beschwerdeführer
zutreffend geltend macht, kann daraus noch nicht der Schluss gezogen werden,
ihm sei auch bewusst gewesen, dass der genaue Tag der Anmeldung für die Höhe
der ihm zustehenden Leistungen von Bedeutung sein kann. Dasselbe gilt bezüglich
des Telefonats vom 6. Juni 2013, während welchem der Versicherte über seine
Verpflichtung, sich bei der Gemeinde anzumelden, informiert wurde: Da der
Beschwerdeführer dieses Telefonat mit demselben Mitarbeiter des RAV führte,
welcher ihn am 12. Juni 2013 falsch beraten hat, ist davon auszugehen, er sei
auch am 6. Juni 2013 nicht auf die Bedeutung des Anmeldetages bei der Gemeinde
aufmerksam gemacht worden. Kannte nämlich dieser Mitarbeiter die Bedeutung des
Anmeldetages am 12. Juni 2013 nicht, so war er sich dieser überwiegend
wahrscheinlich auch sechs Tage vorher nicht bewusst und konnte entsprechend
auch nicht darüber informieren. Anzufügen bleibt, dass auch kein Interesse
ersichtlich ist, aufgrund dessen der Beschwerdeführer - hätte er die
Unrichtigkeit der Auskunft vom 12. Juni 2013 erkannt - mit seiner Anmeldung auf
der Gemeinde noch hätte zuwarten sollen.

4.4. Konnte der Beschwerdeführer somit entgegen den Ausführungen der Vorinstanz
die Unrichtigkeit der Auskunft vom 12. Juni 2013 nicht ohne weiteres erkennen,
so sind alle Voraussetzungen für die Berufung auf das Vertrauensprinzip
erfüllt. Die Beschwerde ist demnach gutzuheissen und der Einsprache- und der
kantonale Gerichtsentscheid sind aufzuheben. Die Sache ist an die
Arbeitslosenkasse zurückzuweisen, damit sie in einem neuen Entscheid den
Versicherten so stelle, als hätte er sich bereits am 12. Juni 2013 bei der
Gemeinde angemeldet.

5. 
Da die Beschwerde materiell gutzuheissen ist und die Sache bereits aus dem
Grund an die Vorinstanz zur Neuverlegung der Parteientschädigung des
vorangegangen Verfahrens zurückzuweisen ist, erübrigt sich eine
Auseinandersetzung mit den Rügen des Beschwerdeführers bezüglich der Höhe der
von der Vorinstanz zugesprochenen Parteientschädigung.

6. 
Das Verfahren ist kostenpflichtig (Art. 65 BGG). Als unterliegende Partei hat
die Beschwerdegegnerin die Gerichtskosten zu tragen (Art. 66 Abs. 1 BGG) und
dem Beschwerdeführer überdies eine Parteientschädigung zu entrichten (Art. 68
Abs. 1 BGG). Diese wird gemäss Honorarnote des Rechtsvertreters auf Fr.
3'200.15 festgesetzt.

 Demnach erkennt das Bundesgericht:

1. 
Die Beschwerde wird gutgeheissen. Der Entscheid des Kantonsgerichts
Basel-Landschaft vom 20. März 2015 und der Einspracheentscheid der Öffentlichen
Arbeitslosenkasse Baselland vom 25. Juni 2014 werden aufgehoben. Die Sache wird
an die Beschwerdegegnerin zurückgewiesen, damit sie einen neuen Entscheid im
Sinne der Erwägungen fälle.

2. 
Die Gerichtskosten von Fr. 500.- werden der Beschwerdegegnerin auferlegt.

3. 
Die Beschwerdegegnerin hat den Beschwerdeführer für das bundesgerichtliche
Verfahren mit Fr. 3'200.15 zu entschädigen.

4. 
Die Sache wird zur Neuverlegung der Parteientschädigung des vorangegangenen
Verfahrens an das Kantonsgericht Basel-Landschaft zurückgewiesen.

5. 
Dieses Urteil wird den Parteien, dem Kantonsgericht Basel-Landschaft, Abteilung
Sozialversicherungsrecht, dem Staatssekretariat für Wirtschaft (SECO) und dem
Amt für Industrie, Gewerbe und Arbeit (KIGA) Baselland, schriftlich mitgeteilt.

Luzern, 25. August 2015

Im Namen der I. sozialrechtlichen Abteilung
des Schweizerischen Bundesgerichts

Die Präsidentin: Leuzinger

Der Gerichtsschreiber: Nabold

Navigation

Neue Suche

ähnliche Leitentscheide suchen
ähnliche Urteile ab 2000 suchen

Drucken nach oben