Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

I. Sozialrechtliche Abteilung, Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten 8C.304/2015
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Bundesgericht
Tribunal fédéral
Tribunale federale
Tribunal federal

[8frIR2ALAGK1]     
{T 0/2}
                   
8C_304/2015

Urteil vom 7. Juli 2015

I. sozialrechtliche Abteilung

Besetzung
Bundesrichterin Leuzinger, Präsidentin,
Bundesrichter Maillard, Bundesrichterin Heine,
Gerichtsschreiber Grunder.

Verfahrensbeteiligte
A.________,
vertreten durch Rechtsanwalt Mario Bertschi,
c/o CAP Rechtsschutz-Versicherungsgesellschaft AG,
Beschwerdeführer,

gegen

IV-Stelle des Kantons Zürich,
Röntgenstrasse 17, 8005 Zürich,
Beschwerdegegnerin.

Gegenstand
Invalidenversicherung (Hilfsmittel),

Beschwerde gegen den Entscheid des Sozialversicherungsgerichts des Kantons
Zürich
vom 9. März 2015.

Sachverhalt:

A. 
Der 1981 geborene A.________ leidet wegen einer Läsion des Nervus peronäus
rechts an einem Spitzfuss, weswegen ihm die IV-Stelle des Kantons Zürich eine
Unterschenkel-Orthese rechts und berufliche Massnahmen gewährte (vgl.
Mitteilungen vom 11. April, 6. Mai und 23. Mai 2008); einen Anspruch auf
Invalidenrente lehnte sie ab (Verfügung vom 22. Juli 2011). Auf Gesuch des
Hausarztes vom 27. November 2012 hin sprach die Verwaltung - nach
durchgeführtem Vorbescheidverfahren - dem Versicherten einen Kostenbeitrag von
Fr. 2'206.45 für die beantragte propriozeptive Knöchelorthese rechts zu
(Verfügung vom 3. September 2013), hingegen verneinte sie einen Anspruch auf
eine Unterschenkel-Ausgleichsorthese (Verfügung vom 2. September 2013).

B. 
Die gegen die Verfügung vom 2. September 2013 gerichtete Beschwerde wies das
Sozialversicherungsgericht des Kantons Zürich ab (Entscheid vom 9. März 2015).

C. 
Mit Beschwerde lässt A.________ beantragen, unter Aufhebung des
vorinstanzlichen Entscheids sei die IV-Stelle zu verpflichten, an die
Unterschenkel-Ausgleichsorthese rechts einen Kostenbeitrag von Fr. 4'803.10 zu
leisten.
Das Bundesgericht führt keinen Schriftenwechsel durch.

Erwägungen:

1.

1.1. Mit der Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten kann u.a. die
Verletzung von Bundesrecht gerügt werden (Art. 95 lit. a BGG). Die Feststellung
des Sachverhalts kann nur gerügt werden, wenn sie offensichtlich unrichtig ist
oder auf einer Rechtsverletzung im Sinne von Art. 95 BGG beruht und wenn die
Behebung des Mangels für den Ausgang des Verfahrens entscheidend sein kann
(Art. 97 Abs. 1 BGG). Das Bundesgericht legt seinem Urteil den Sachverhalt
zugrunde, den die Vorinstanz festgestellt hat (Art. 105 Abs. 1 BGG). Es kann
die Sachverhaltsfeststellung der Vorinstanz von Amtes wegen berichtigen oder
ergänzen, wenn sie offensichtlich unrichtig ist oder auf einer Rechtsverletzung
im Sinne von Art. 95 BGG beruht (Art. 105 Abs. 2 BGG).

1.2. Das Bundesgericht wendet das Recht von Amtes wegen an (Art. 106 Abs. 1
BGG). Es ist folglich weder an die in der Beschwerde geltend gemachten
Argumente noch an die Erwägungen der Vorinstanz gebunden; es kann eine
Beschwerde aus einem anderen als dem angerufenen Grund gutheissen und es kann
sie mit einer von der Argumentation der Vorinstanz abweichenden Begründung
abweisen (BGE 130 III 136 E. 1.4 S. 140). Immerhin prüft das Bundesgericht,
unter Berücksichtigung der allgemeinen Begründungspflicht der Beschwerde (Art.
42 Abs. 1 und 2 BGG), grundsätzlich nur die geltend gemachten Rügen, sofern die
rechtlichen Mängel nicht geradezu offensichtlich sind (BGE 133 II 249 E. 1.4.1
S. 254).

1.3. Eine Sachverhaltsfeststellung ist nicht schon dann offensichtlich
unrichtig, wenn sich Zweifel anmelden, sondern erst, wenn sie eindeutig und
augenfällig unzutreffend ist (BGE 132 I 42 E. 3.1 S. 44). Es liegt noch keine
offensichtliche Unrichtigkeit vor, nur weil eine andere Lösung ebenfalls in
Betracht fällt, selbst wenn diese als die plausiblere erschiene (BGE 129 I 8 E.
2.1 S. 9). Diese Grundsätze gelten auch bei der konkreten Beweiswürdigung, bei
welcher dem kantonalen Versicherungsgericht ein erheblicher Ermessensspielraum
zusteht. Das Bundesgericht greift nur ein, wenn es diesen missbraucht,
insbesondere offensichtlich unhaltbare Schlüsse gezogen, erhebliche Beweise
übersehen oder solche willkürlich ausser Acht gelassen hat (BGE 132 III 209 E.
2.1 S. 211; zum Begriff der Willkür BGE 137 I 1 E. 2.4 S. 5; Urteil 9C_1019/
2012 vom 23. August 2013 E. 1.2.3). Inwiefern das kantonale Gericht sein
Ermessen missbraucht haben soll, ist in der Beschwerde klar und detailliert
aufzuzeigen (BGE 130 I 258 E. 1.3 S. 261; SVR 2013 BVG Nr. 40 S. 174 E. 1.2
[9C_592/2012]; Urteil 8C_76/2014 vom 30. April 2014 E. 1.2).

2.

2.1. Gemäss Art. 21 Abs. 1 IVG hat der Versicherte im Rahmen einer vom
Bundesrat aufzustellenden Liste Anspruch auf jene Hilfsmittel, deren er für die
Ausübung der Erwerbstätigkeit oder der Tätigkeit im Aufgabenbereich, zur
Erhaltung oder Verbesserung der Erwerbsfähigkeit, für die Schulung, die Aus-
und Weiterbildung oder zum Zwecke der funktionellen Angewöhnung bedarf. Kosten
für Zahnprothesen, Brillen und Schuheinlagen werden nur übernommen, wenn diese
Hilfsmittel eine wesentliche Ergänzung medizinischer Eingliederungsmassnahmen
bilden. Der Versicherte, der infolge seiner Invalidität für die Fortbewegung,
für die Herstellung des Kontaktes mit der Umwelt oder für die Selbstsorge
kostspieliger Geräte bedarf, hat im Rahmen einer vom Bundesrat aufzustellenden
Liste zudem nach Art. 21 Abs. 2 IVG ohne Rücksicht auf die Erwerbsfähigkeit
Anspruch auf solche Hilfsmittel.

2.2. Im Rahmen der im Anhang zur HVI aufgeführten Liste besteht gemäss Art. 2
Abs. 1 HVI (SR 831.232.51) Anspruch auf Hilfsmittel, soweit diese für die
Fortbewegung, die Herstellung des Kontaktes mit der Umwelt oder für die
Selbstsorge notwendig sind. Anspruch auf die in dieser Liste mit (*)
bezeichneten Hilfsmittel besteht nach Art. 2 Abs. 2 HVI nur, soweit diese für
die Ausübung einer Erwerbstätigkeit oder die Tätigkeit im Aufgabenbereich, für
die Schulung, die Ausbildung, die funktionelle Angewöhnung oder für die in der
zutreffenden Ziffer des Anhangs ausdrücklich genannte Tätigkeit notwendig sind.

2.3. In Anwendung von Ziff. 2.01 Anhang HVI werden Beinorthesen gemäss
Tarifvertrag mit dem Schweizerischen Verband der Orthopädie-Techniker vergütet.
Ziff. 2.01 Anhang ist nicht mit (*) bezeichnet.

3.

3.1. Der Beschwerdeführer macht erstmals im bundesgerichtlichen Prozess
geltend, im Verwaltungsverfahren sei - von der Vorinstanz in Verletzung des
Anspruchs auf rechtliches Gehör übersehen - nicht geprüft worden, ob es ohne
die beantragte Unterschenkel-Ausgleichsorthese zu Fehlstellungen und damit zu
weiteren, invalidenversicherungsrechtlich relevanten körperlichen
Einschränkungen kommen werde. Dieser allenfalls zutreffende Mangel der
vorangegangenen Verfahren ist, wie sich aus den folgenden Erwägungen ergibt,
weder in prozess- noch materiellrechtlicher Hinsicht haltbar.

3.2. Nach ständiger Rechtsprechung ist der Anspruch auf rechtliches Gehör im
Sozialversicherungsrecht nicht mehr zu überprüfen, wenn die versicherte Person
diesen bereits im vorinstanzlichen Verfahren hätte geltend machen können (vgl.
BGE 132 V 387 E. 5.1 S. 390 mit Hinweisen). Dieser Grundsatz stimmt überein mit
Art. 99 Abs. 2 BGG, wonach im bundesgerichtlichen Verfahren keine neuen
Begehren mehr zulässig sind.

3.3. Die Frage kann aber offen bleiben. Gemäss Art. 1 Abs. 2 HVI gelten die
Art. 3-9 sinngemäss für die Abgabe von Behandlungsgeräten, die einen
notwendigen Bestandteil einer medizinischen Eingliederungsmassnahme im Sinne
der Art. 12 und 13 IVG bilden und die nicht in der im Anhang enthaltenen Liste
aufgeführt sind. Ausweislich der Akten standen - neben den im Jahre 2008
gewährten - keine weiteren medizinischen Eingliederungsmassnahmen zur
Diskussion. Sodann übersieht der Beschwerdeführer, dass er gemäss Stellungnahme
des Regionalen Ärztlichen Dienstes (RAD) vom 18. Januar 2011 hinsichtlich der
schweren Fussheberparese rechts mit Spitzfuss orthopädisch-technisch bereits
genügend versorgt gewesen war. Die mit Verfügung vom 3. September 2013 von der
IV-Stelle gewährte propriozeptive Knöchelorthese konnte die herkömmliche nicht
ersetzen, bot jedoch eine wertvolle Ergänzung für die Versorgung des
Hängefusses (vgl. Bilder und Beschreibung im Kostenvoranschlag der
Orthopädietechnik B.________ vom 22. November 2012). Hingegen diente die
strittige Ausgleichsorthese allein der weitgehenden Wiederherstellung des
körperlichen Erscheinungsbildes bei deutlich atrophierter Wadenmuskulatur
rechts (vgl. Bilder und Beschreibung im Kostenvoranschlag der Orthopädietechnik
B.________ vom 23. November 2012). Wie bereits im Bericht des SAHB
Hilfsmittel-Zentrums vom 26. August 2013 korrekt festgehalten wurde, beziehen
sich die Ziffern 2009 bis 2011 der KHMI sowohl auf Bein- als auch auf
Armorthesen.

3.4.

3.4.1. Unter diesen Umständen hat das kantonale Gericht zu Recht einzig
geprüft, ob dem nunmehr über 30 Jahre alten Versicherten zugemutet werden
konnte, weiterhin ohne die neu beanspruchte Ausgleichsorthese mit der Umwelt in
Kontakt zu bleiben. Es hat dazu erkannt, dass körperliche Asymmetrien
ästhetische Beeinträchtigungen darstellen könnten, die im Kontakt mit
Mitmenschen unangenehm seien und allenfalls psychische Belastungen zu
verursachen vermöchten, welche ihrerseits die Herstellung des Kontaktes mit der
Umwelt erschwerten. Laut Auskünften des Hausarztes vom 25. Oktober 2010 falle
die ausgesprochene Hypotrophie des rechten Unterschenkels und Fusses mit
hinkendem Gangbild auf. Hinweise auf einen Zusammenhang zwischen dieser
ästhetischen Beeinträchtigung und der im genannten Bericht erwähnten
rezidivierenden depressiven Episoden liessen sich auch dem Verordnungsschreiben
des Hausarztes vom 27. November 2012 nicht entnehmen. Mangels
behinderungsbedingter Notwendigkeit der strittigen
Unterschenkel-Ausgleichsorthese erübrigten sich Ausführungen zur Zulässigkeit
der Abgabe von Orthesen ohne Funktionalität, welche rein kosmetischen Zwecken
dienten.

3.4.2. Der Beschwerdeführer bringt nichts vor, was die vorinstanzlichen
Erwägungen in tatsächlicher oder rechtlicher Hinsicht in Frage zu stellen
vermöchte, weshalb auf den nicht zu beanstandenden Entscheid des kantonalen
Gerichts verwiesen wird, welchem nichts beizufügen ist.

4. 
Der Beschwerdeführer hat die Kosten des bundesgerichtlichen Verfahrens als
unterliegende Partei zu tragen (Art. 66 Abs. 1 BGG).

Demnach erkennt das Bundesgericht:

1. 
Die Beschwerde wird abgewiesen.

2. 
Die Gerichtskosten von Fr. 500.- werden dem Beschwerdeführer auferlegt.

3. 
Dieses Urteil wird den Parteien, dem Sozialversicherungsgericht des Kantons
Zürich und dem Bundesamt für Sozialversicherungen schriftlich mitgeteilt.

Luzern, 7. Juli 2015
Im Namen der I. sozialrechtlichen Abteilung
des Schweizerischen Bundesgerichts

Die Präsidentin: Leuzinger

Der Gerichtsschreiber: Grunder

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