Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

I. Sozialrechtliche Abteilung, Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten 8C.259/2015
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Bundesgericht
Tribunal fédéral
Tribunale federale
Tribunal federal

[8frIR2ALAGK1]     
{T 0/2}
                   
8C_259/2015

Urteil vom 24. Februar 2016

I. sozialrechtliche Abteilung

Besetzung
Bundesrichter Maillard, Präsident,
Bundesrichter Ursprung, Frésard, Bundesrichterin Heine, Bundesrichter Wirthlin,
Gerichtsschreiberin Hofer.

Verfahrensbeteiligte
 A.________,
vertreten durch Rechtsanwalt David Husmann,
Beschwerdeführer,

gegen

 Schweizerische Mobiliar Versicherungsgesellschaft AG,
Beschwerdegegnerin.

Gegenstand
Unfallversicherung (Einspracheverfahren),

Beschwerde gegen den Entscheid des Sozialversicherungsgerichts des Kantons
Zürich vom 27. Februar 2015.

Sachverhalt:

A. 
Der 1981 geborene A.________ meldete der Schweizerischen Mobiliar
Versicherungsgesellschaft AG (nachfolgend: Mobiliar) einen Treppensturz vom 31.
Mai 2014 als Unfall. Mit Schreiben vom 10. September 2014 stellte die Mobiliar
dem Versicherten die Abweisung des Leistungsbegehrens in Aussicht. A.________
äusserte sich dazu mit E-Mail und per Post versandter Eingabe vom 18. September
2014. Am 23. September 2014 verfügte die Mobiliar die Ablehnung des
Leistungsanspruchs, da mit überwiegender Wahrscheinlichkeit kein kausaler
Zusammenhang zwischen dem gemeldeten Unfallereignis und dem am 10. Juni 2014
diagnostizierten Rezidiv der Diskushernie L4/5 bestehe. Unter Bezugnahme auf
diese Verfügung verlangte die Rechtsschutzversicherung von A.________ am 2.
Oktober 2014 Akteneinsicht. Die Mobiliar stellte dieser die Akten am 7. Oktober
2014 zu und wies auf die laufende gesetzliche Frist hin. Am 24. Oktober 2014
reichte A.________ der Mobiliar ein E-Mail ein; angehängt war ein Text, womit
Einsprache gegen die Verfügung vom 23. September 2014 erhoben werde. Im Mail
wurde darauf hingewiesen, dass das Original der Einspracheschrift auf dem
Postweg unterwegs sei. Die angekündigte Sendung ging am 31. Oktober 2014 bei
der Mobiliar ein. Die auf dem Briefumschlag angebrachte R-Etikette der
Poststelle bekundet eine Aufgabe der Einschreibesendung am 30. Oktober 2014.
Mit Eingabe vom 31. Oktober 2014 ersuchte der neu mandatierte Rechtsvertreter
des Versicherten um Akteneinsicht und Erteilung einer Nachfrist zur
ausführlichen Begründung der Eingabe vom 18. September 2014. Die Mobiliar trat
mit Einspracheentscheid vom 10. November 2014 auf die von A.________ erhobene
Einsprache nicht ein, da die Eingabe per E-Mail den formellen Anforderungen
nicht entspreche und die Voraussetzungen für die Gewährung einer Nachfrist
nicht erfüllt seien.

B. 
Die dagegen eingereichte Beschwerde wies das Sozialversicherungsgericht des
Kantons Zürich mit Entscheid vom 27. Februar 2015 ab.

C. 
Mit Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten lässt A.________
beantragen, es sei der vorinstanzliche Entscheid aufzuheben und die Mobiliar zu
verpflichten, auf die Einsprache vom 24. bzw. 30. Oktober 2014 einzutreten und
diese materiell zu behandeln sowie eine angemessene Nachfrist zur zusätzlichen
Begründung zu gewähren. Überdies wird um unentgeltliche Rechtspflege ersucht.

Ein Schriftenwechsel wurde nicht durchgeführt. Die vorinstanzlichen Akten
wurden eingeholt.

D. 
Das Bundesgericht hat am 24. Februar 2016 eine öffentliche Beratung
durchgeführt.

Erwägungen:

1.

1.1. Die Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten kann wegen
Rechtsverletzung gemäss Art. 95 und Art. 96 BGG erhoben werden. Das
Bundesgericht wendet das Recht von Amtes wegen an (Art. 106 Abs. 1 BGG). Es ist
somit weder an die in der Beschwerde geltend gemachten Argumente noch an die
Erwägungen der Vorinstanz gebunden; es kann eine Beschwerde aus einem anderen
als dem angerufenen Grund gutheissen und es kann sie mit einer von der
Argumentation der Vorinstanz abweichenden Begründung abweisen (vgl. BGE 130 III
136 E. 1.4 S. 140).

1.2. Im vorliegenden Streit, ob die Unfallversicherung zu Recht unter Hinweis
auf mangelnde formelle Voraussetzungen nicht auf die Einsprache des
Versicherten eingetreten ist, kommt ungeachtet dessen, dass von der Beurteilung
der Streitfrage letztlich auch Ansprüche auf Geldleistungen der obligatorischen
Unfallversicherung abhängen können, die Ausnahmeregelung des Art. 105 Abs. 3
(in Verbindung mit Art. 97 Abs. 2) BGG nicht zur Anwendung. Das Bundesgericht
kann somit die vorinstanzlichen Sachverhaltsfeststellungen nur im Rahmen von
Art. 105 Abs. 1 und 2 (in Verbindung mit Art. 97 Abs. 1) BGG überprüfen (vgl.
BGE 135 V 412 E. 1.2 S. 413). Demnach legt es seinem Urteil den Sachverhalt
zugrunde, den die Vorinstanz festgestellt hat (Art. 105 Abs. 1 BGG). Es kann
die Sachverhaltsfeststellung von Amtes wegen berichtigen oder ergänzen, wenn
sie offensichtlich unrichtig ist oder auf einer Rechtsverletzung im Sinne von
Art. 95 BGG beruht (Art. 105 Abs. 2 BGG) und wenn die Behebung des Mangels für
den Ausgang des Verfahrens entscheidend sein kann (Art. 97 Abs. 1 BGG). Dies
ist aufgrund der Vorbringen in der Beschwerde zu prüfen (Urteil 8C_763/2008 vom
19. Juni 2009 E. 1, nicht publ. in: BGE 135 V 306, aber in: SVR 2009 IV Nr. 52
S. 161; SVR 2010 UV Nr. 9 S. 35, 8C_286/2009 E. 1.2).

2.

2.1. Gemäss Art. 52 Abs. 1 Satz 1 ATSG (SR 830.1) kann gegen Verfügungen
innerhalb von 30 Tagen bei der verfügenden Stelle Einsprache erhoben werden.
Nach dem im selben Abschnitt des Gesetzes stehenden Art. 39 Abs. 1 ATSG müssen
schriftliche Eingaben spätestens am letzten Tag der Frist dem
Versicherungsträger eingereicht oder zu dessen Handen der Schweizerischen Post
oder einer schweizerischen diplomatischen oder konsularischen Vertretung
übergeben werden. Eine gesetzliche Frist kann gemäss Art. 40 Abs. 1 ATSG nicht
erstreckt werden. Ist die gesuchstellende Person oder ihre Vertretung
unverschuldeterweise abgehalten worden, binnen Frist zu handeln, so wird diese
wieder hergestellt, sofern sie unter Angabe des Grundes innert 30 Tagen nach
Wegfall des Hindernisses darum ersucht und die versäumte Rechtshandlung
nachholt (Art. 41 ATSG).

2.2. Art. 52 Abs. 1 ATSG stellt in formeller Hinsicht keinerlei Anforderungen
an die Einsprache. Der Bundesrat hat jedoch in Art. 10 bis 12 ATSV (SR 830.11)
Bestimmungen zu Form und Inhalt der Einsprache sowie zum Einspracheverfahren
erlassen. Gemäss Art. 10 Abs. 1 ATSV müssen Einsprachen ein Rechtsbegehren und
eine Begründung enthalten. Abgesehen von den hier nicht massgebenden Fällen
gemäss Art. 10 Abs. 2 ATSV kann die Einsprache laut Art. 10 Abs. 3 ATSV
wahlweise schriftlich oder bei persönlicher Vorsprache mündlich erhoben werden.
Die schriftlich erhobene Einsprache muss die Unterschrift der Einsprache
führenden Person oder ihres Rechtsbeistands enthalten (Art. 10 Abs. 4 Satz 1
ATSV). Bei einer mündlich erhobenen Einsprache hält der Versicherer die
Einsprache in einem Protokoll fest; die Person, welche die Einsprache führt,
oder ihr Rechtsbeistand muss das Protokoll unterzeichnen (Art. 10 Abs. 4 Satz 2
ATSV). Genügt die Einsprache den Anforderungen nach Abs. 1 nicht oder fehlt die
Unterschrift, so setzt der Versicherer eine angemessene Frist zur Behebung des
Mangels an und verbindet damit die Androhung, dass sonst auf die Einsprache
nicht eingetreten werde (Art. 10 Abs. 5 ATSV; SVR 2013 UV Nr. 10 S. 35, 8C_596/
2012 E. 4.1; 2009 IV Nr. 19 S. 49, I 898/06 E. 3.1). Das Einspracheverfahren
wird mit einem Nichteintretensentscheid abgeschlossen, wenn die
Eintretensvoraussetzungen nicht erfüllt sind (SVR 2009 UV Nr. 43 S. 150, 8C_770
/2008 E. 5.1; Urteil 8C_28/2011 vom 26. Mai 2011 E. 2.1).

2.3. Nach dem für das erstinstanzliche Beschwerdeverfahren massgebenden Art. 61
lit. b ATSG muss die Beschwerde eine gedrängte Darstellung des Sachverhaltes,
ein Rechtsbegehren und eine kurze Begründung enthalten. Genügt sie diesen
Anforderungen nicht, so setzt das Versicherungsgericht der Beschwerde führenden
Person eine angemessene Frist zur Verbesserung und verbindet damit die
Androhung, dass sonst auf die Beschwerde nicht eingetreten wird. Nach der zu
dieser Bestimmung ergangenen Rechtsprechung hat im erstinstanzlichen
Beschwerdeverfahren die Ansetzung einer Nachfrist zur Verbesserung einer
mangelhaften Beschwerdeschrift nicht nur bei Unklarheit des Rechtsbegehrens
oder der Begründung, sondern ganz allgemein immer dann zu erfolgen, wenn eine
Beschwerde den gesetzlichen Anforderungen nicht genügt; also auch dann, wenn
ein Rechtsbegehren und/oder eine Begründung überhaupt fehlen. Es handelt sich
bei der erwähnten Bestimmung um eine formelle Vorschrift, die das
erstinstanzliche Gericht stets verpflichtet, eine Frist zur Verbesserung der
Mängel anzusetzen, sofern dadurch nicht in rechtsmissbräuchlicher Weise eine
Verlängerung der Beschwerdefrist erreicht werden soll (BGE 134 V 162 E. 5.1 S.
168; bestätigt in: SVR 2010 UV Nr. 29 S. 117, 8C_556/2009 E. 3; vgl. dazu auch
Urteil 2C_331/2011 vom 25. Januar 2012 E. 3.1). Der Anwendungsbereich der
Nachfrist erstreckt sich über die in Art. 61 lit. b ATSG ausdrücklich erfassten
Bereiche hinaus. Sie ist auch anzusetzen, wenn weitere formelle
Eintretensvoraussetzungen, die nachträglich erfüllt werden können, nicht
erfüllt sind (SVR 2009 UV Nr. 25 S. 90, 8C_767/2008 E. 4.3.1). Aufgrund der
grammatikalischen Identität von Art. 61 lit. b Satz 2 ATSG und Art. 10 Abs. 5
ATSV gilt diese Auslegung auch für das Einspracheverfahren (SVR 2013 UV Nr. 10
S. 35, 8C_596/2012 E. 4.2; 2009 IV Nr. 19 S. 49, I 898/06 E. 3.2; Urteil 8C_28/
2011 vom 26. Mai 2011 E. 2.2). Der Bezug liegt darin begründet, dass für das
Einspracheverfahren nicht strengere formelle Anforderungen gelten können als
für das nachfolgende Gerichtsverfahren (SVR 2009 IV Nr. 19 S. 49, I 898/06 E.
3.3; UELI KIESER, ATSG-Kommentar, 3. Aufl. 2015, N. 27 zu Art. 52 ATSG).

2.4. Dem Wortlaut von Art. 10 Abs. 4 Satz 1 ATSV entsprechend müssen
schriftlich erhobene Einsprachen unterschrieben sein. Unter Schriftlichkeit ist
gemäss dem alltäglichen Sprachgebrauch die Überlieferung des Textes auf Papier
zu verstehen (SVR 2015 KV Nr. 12 S. 49, 9C_597/2014 E. 4.2). Da beim
elektronischen Verkehr via E-Mail keine Originalurkunde vorhanden ist, stellt
sich das Problem der Unterschrift. Nach Art. 14 Abs. 1 OR hat die Unterschrift
eigenhändig zu erfolgen. Art. 14 Abs. 2bis OR stellt die qualifizierte
elektronische Signatur der eigenhändigen Unterschrift gleich. Fehlt eine
elektronische Signatur, können E-Mails und andere elektronische messaging
services (z.B. SMS, MMS) die Schriftform nicht erfüllen (CLAIRE HUGUENIN,
Obligationenrecht, allgemeiner und besonderer Teil, 2. Aufl. 2014, § 4 N. 357;
INGEBORG SCHWENZER, in: Basler Kommentar, Obligationenrecht I, 6. Aufl. 2015,
N. 14d zu Art. 13 OR). Sendungen per E-Mail, Fax oder SMS sind mit diversen
Unsicherheiten (insbesondere betreffend die Identifizierung des Absenders, die
Verifizierung der Unterschrift und die Feststellung des Zeitpunktes des
Empfanges) behaftet, die bei eingeschriebener Post, elektronischer Eingabe oder
mündlicher Erklärung zu Protokoll wegfallen (Urteil 1B_304/2013 vom 27.
September 2013 E. 2.4). HANSJÖRG SEILER (Rechtsfragen des Einspracheverfahrens
in der Sozialversicherung [Art. 52 ATSG], in; Sozialversicherungsrechtstagung
2007, S. 84) geht davon aus, dass das Mail als formelle Einsprache wegen des
Erfordernisses der Unterschrift mangels gesetzlicher Regelung nicht zulässig
sei.

Für den elektronischen Verkehr im Rahmen von Gerichts- und Verwaltungsverfahren
ist eine spezifische gesetzliche Regelung notwendig (Urteil 1P.254/2005 vom 30.
August 2005 E. 2.3 in: Pra 2006 Nr. 51 S. 362; vgl. auch Urteil 5A_650/2011 vom
27. Januar 2012 E. 4). Das ATSG enthält keine Bestimmungen über den
elektronischen Verkehr. Es liegt insoweit auch kein nicht abschliessend
geregelter Verfahrensbereich im Sinne von Art. 55 Abs. 1 ATSG vor, weshalb
nicht ergänzend auf die Bestimmungen des VwVG (vgl. Art. 11b Abs. 2, Art. 21a
Abs. 1 und Art. 34 Abs. 1bis VwVG) zurückgegriffen werden kann. Von der dem
Bundesrat in Art. 55 Abs. 1bis ATSG übertragenen Kompetenz, die Bestimmungen
des VwVG über den elektronischen Verkehr mit Behörden auch für den Bereich des
Sozialversicherungsrechts anwendbar zu erklären, hat dieser bisher keinen
Gebrauch gemacht (KIESER, a.a.O., N. 25 ff. zu Art. 55 ATSG).

3. 
Nach den unbestrittenen Feststellungen der Vorinstanz nahm der Beschwerdeführer
die Verfügung der Mobiliar vom 23. September 2014 am 26. September 2014
entgegen, so dass die 30-tägige Einsprachefrist unter Berücksichtigung des
Fristenlaufs gemäss Art. 38 Abs. 1 und 3 ATSG am 27. Oktober 2014 ablief.
Innert dieser Frist wurde per E-Mail am 24. Oktober 2014 Einsprache erhoben.
Eine identische schriftliche Einsprache wurde am 30. Oktober 2014 der
Schweizerischen Post übergeben. Das kantonale Gericht hat erwogen, eine
Einsprache per E-Mail sei aus Beweisgründen nicht vorgesehen.
Beschwerdeschriften, deren Unterschrift fehle, könnten nach der zu Art. 42 Abs.
5 BGG ergangenen Rechtsprechung (BGE 121 II 252) nur innert Nachfrist
verbessert werden, wenn die Unterlassung unfreiwillig erfolgt sei, nicht aber,
wenn diese bewusst geschehe. Um ein solch bewusstes Fehlen der Unterschrift
handle es sich insbesondere bei Übermittlung einer Beschwerde per Telefax. Der
Beschwerdeführer habe seine Einsprache mittels E-Mail eingereicht, obwohl in
der Verfügung vom 23. September 2014 explizit darauf hingewiesen worden sei,
dass die Einsprache auf dem Postweg zu erfolgen habe. Er sei sich des
Formerfordernisses der schriftlichen Eingabe auf dem Postweg offensichtlich
bewusst gewesen. Im E-Mail vom 24. Oktober 2014 habe er erklärt, das Original
der Einsprache sei auf dem Postweg unterwegs. Das am 30. Oktober 2014 der
Schweizerischen Post übergebene, eigenhändig unterzeichnete Original der
Einsprache sei erst nach Ablauf der Einsprachefrist am 31. Oktober 2014 und
damit verspätet bei der Beschwerdegegnerin eingetroffen. Da der
Beschwerdeführer darauf hingewiesen habe, das Original der Einsprache sei auf
dem Postweg unterwegs, habe für die Beschwerdegegnerin kein Anlass bestanden,
eine Nachfrist im Sinne von Art. 10 Abs. 5 ATSV zur Behebung eines Formmangels
anzusetzen, zumal dieser zum damaligen Zeitpunkt nicht bekannt gewesen sei,
dass der Versicherte nicht mehr durch seine Rechtsschutzversicherung beraten
und vertreten gewesen sei.

4.

4.1. Der Beschwerdeführer rügt eine offensichtlich unrichtige
Sachverhaltsfeststellung (Art. 97 Abs. 1 BGG), indem die Vorinstanz davon
ausgehe, er sei sich des Formerfordernisses einer persönlich unterzeichneten
Einsprache bewusst gewesen und habe in der rechtsmissbräuchlichen Absicht
gehandelt, auf diesem Weg eine unzulässige Nachfrist zu erhalten. Weiter macht
er eine Verletzung von Art. 52 ATSG in Verbindung mit Art. 10 Abs. 5 ATSV und
des Verbots des überspitzten Formalismus (Art. 29 Abs. 1 BV) geltend, weil die
Beschwerdegegnerin ihm nicht entweder eine Nachfrist zur Behebung des
Formmangels gewährt, oder im Sinne eines fairen Verfahrens (Art. 29 Abs. 1 BV)
auf die formgültige, aber verspätet postalisch zugestellte Einsprache
eingetreten sei.

4.2. Art. 29 Abs. 1 BV verbietet überspitzten Formalismus als besondere Form
der Rechtsverweigerung. Eine solche liegt vor, wenn für ein Verfahren rigorose
Formvorschriften aufgestellt werden, ohne dass die Strenge sachlich
gerechtfertigt wäre, wenn die Behörde formelle Vorschriften mit übertriebener
Schärfe handhabt oder an Rechtsschriften überspannte Anforderungen stellt und
den Rechtsuchenden den Rechtsweg in unzulässiger Weise versperrt. Wohl sind im
Rechtsgang prozessuale Formen unerlässlich, um die ordnungsgemässe und
rechtsgleiche Abwicklung des Verfahrens sowie die Durchsetzung des materiellen
Rechts zu gewährleisten. Nicht jede prozessuale Formstrenge steht demnach mit
Art. 29 Abs. 1 BV in Widerspruch. Überspitzter Formalismus ist nur gegeben,
wenn die strikte Anwendung der Formvorschriften durch keine schutzwürdigen
Interessen gerechtfertigt ist, zum blossen Selbstzweck wird und die
Verwirklichung des materiellen Rechts in unhaltbarer Weise erschwert oder
verhindert (BGE 135 I 6 E. 2.1 S. 9; 130 V 177 E. 5.4.1 S. 183 f.; Urteil
6B_218/2015 vom 16. Dezember 2015 E. 2.4.2, zur Publikation vorgesehen). Die
strikte Anwendung der Bestimmungen über die Rechtsmittelfristen stellt im
Prinzip keinen überspitzten Formalismus dar (Urteil 6B_51/2015 vom 28. Oktober
2015 E. 2.1 mit Hinweis auf BGE 104 Ia 4 E. 3 S. 5).

4.3. Gemäss der bundesgerichtlichen Rechtsprechung bedeutet es keinen
überspitzten Formalismus, vom Bürger zu verlangen, dass er seine
Rechtsschriften eigenhändig unterzeichnet oder von einem bevollmächtigten und
nach einschlägigem Verfahrensrecht zugelassenen Vertreter unterzeichnen lässt.
Jedoch ist zu beachten, dass die Vorschriften des Zivil-, Straf- und
Verwaltungsverfahrensrechts der Verwirklichung des materiellen Rechts zu dienen
haben, weshalb die zur Rechtspflege berufenen Behörden verpflichtet sind, sich
innerhalb des ihnen vom Gesetz gezogenen Rahmens gegenüber den Rechtsuchenden
so zu verhalten, dass deren Rechtsschutzinteresse materiell gewahrt werden
kann. Behördliches Verhalten, das einer Partei den Rechtsweg verunmöglicht oder
verkürzt, obschon auch eine andere gesetzeskonforme Möglichkeit bestanden
hätte, ist mit Art. 29 Abs. 1 BV nicht vereinbar. So besteht nach der
Rechtsprechung ein verfassungsmässiger Anspruch darauf, dass die Behörde eine
Eingabe, die an einem klar erkennbaren Formmangel leidet, zur Verbesserung
zurückweist, sofern die noch verfügbare Zeit ausreicht, um bis zum Ablauf der
Rechtsmittelfrist den Mangel zu beheben; dieser Anspruch wird mit dem Verbot
des überspitzten Formalismus oder auch mit Treu und Glauben begründet. Er gilt
insbesondere bei formellen Mängeln wie dem versehentlichen Fehlen der
Unterschrift oder der Vollmacht (BGE 120 V 413 E. 5a S. 418; 114 Ia 20 E. 2a S.
22; Urteile 6B_218/2015 vom 16. Dezember 2015 E. 2.4.3, zur Publikation
vorgesehen; 2C_331/2011 vom 25. Januar 2012 E. 4).

4.4. In BGE 120 V 413 E. 6a S. 419 entschied das damalige Eidg.
Versicherungsgericht, kantonale Gerichte handelten gegen Treu und Glauben, wenn
sie ein nicht oder von einer nicht zur Vertretung berechtigten Person
unterzeichnetes Rechtsmittel als unzulässig beurteilten, ohne eine kurze,
gegebenenfalls über die gesetzliche Rechtsmittelfrist hinausgehende Nachfrist
für die gültige Unterzeichnung anzusetzen. Es sei nicht verfassungswidrig, wenn
das kantonale Gericht bei Einlegung eines Rechtsmittels auf der Unterschrift
des Beschwerdeführers oder seines Vertreters besteht. Hingegen habe es bei
fehlender gültiger Unterschrift eine angemessene Frist zur Behebung des Mangels
anzusetzen (vgl. auch Urteile 6B_218/2015 vom 16. Dezember 2015 E. 2.4.6, zur
Publikation vorgesehen; 2D_64/2014 vom 2. April 2015 E. 5.3; 1C_39/2013 vom 11.
März 2013 E. 2.3). Nach der Rechtsprechung schafft eine von Amtes wegen
angesetzte Nachfrist mit entsprechender Androhung die Voraussetzung für ein
Nichteintreten, sofern der Fristansetzung nicht nachgelebt wird (SVR 2010 UV
Nr. 29 S. 117, 8C_556/2009 E. 4.2 mit Hinweis auf ZAK 1956 S. 479).

4.5. In BGE 121 II 252 E. 4b S. 255 präzisierte das Bundesgericht, der Anspruch
auf eine Nachfrist bestehe nur bei unfreiwilligen Unterlassungen, weil sonst
eine andere Regelwidrigkeit in Form der Nichtbeachtung der Frist zugelassen
würde. Ausgenommen von der Nachfristansetzung sind somit Fälle des
offensichtlichen Rechtsmissbrauchs. Auf einen solchen Missbrauch läuft es etwa
hinaus, wenn der Anwalt eine bewusst mangelhafte Rechtsschrift einreicht, um
sich damit eine Nachfrist für die Begründung zu erwirken (Urteile 6B_218/2015
vom 16. Dezember 2015 E. 2.4.7, zur Publikation vorgesehen; 6B_51/2015 vom 28.
Oktober 2015 E. 2.2; 2C_331/2011 vom 25. Januar 2012 E. 4; 1P.254/2005 vom 30.
August 2005 E. 2.5 in: Pra 2006 Nr. 51 S. 362).

Reicht eine Partei eine Rechtsschrift per Telefax ein, lehnt das Bundesgericht
eine Heilung durch Nachreichen einer Rechtsschrift mit Originalunterschrift
nach Ablauf der Beschwerdefrist ab, weil die Partei, die eine Rechtsschrift mit
Telefax einreicht, schon von vornherein wisse (bzw. wissen müsse), dass damit
gegen das Unterschriftserfordernis verstossen werde. Die Ansetzung einer
Nachfrist komme somit nicht in Betracht (BGE 121 II 252 E. 4b f. S. 255;
Urteile 2C_610/2010 vom 21. Januar 2011 E. 2.4; 9C_739/2007 vom 28. November
2007 E. 1.2; FLORENCE AUBRY GIRARDIN, in: Commentaire de la LTF, 2. Aufl. 2014,
N. 53 zu Art. 42 BGG; vgl. dazu auch LAURENT MERZ, in: Basler Kommentar,
Bundesgerichtsgesetz, 2. Aufl. 2011, N. 35 zu Art. 42 BGG). Dasselbe gilt nach
der Rechtsprechung auch bei einer per elektronischer Post (E-Mail)
eingereichten Eingabe (Urteil 4A_596/2015 vom 9. Dezember 2015).

4.6. Fest steht, dass die per E-Mail vom 24. Oktober 2014 eingereichte
Einsprache den Gültigkeitserfordernissen der vom Versicherten gewählten
Schriftlichkeit der Eingabe (Art. 52 ATSG in Verbindung mit Art. 10 Abs. 4 Satz
1 ATSV) nicht genügt (vgl. E. 2.4 hievor). Dies wird vom Beschwerdeführer auch
nicht bestritten. Auch wenn im geschäftlichen Verkehr und im begrenzten Umfang
auch zwischen Privaten und Behörden die Kommunikation auf elektronischem Wege
durchaus verbreitet ist, vermag das einfache E-Mail bei prozessual relevanten
Eingaben wie der Einsprache gemäss Art. 52 Abs. 1 ATSG die in Art. 10 Abs. 4
Satz 1 ATSV für schriftlich erhobene Einsprachen ausdrücklich vorgeschriebene
Voraussetzung der Unterschrift nicht zu erfüllen. Nach ständiger
bundesgerichtlicher Rechtsprechung sind per Fax (BGE 121 II 252 E. 4 S. 255;
Urteil 9C_739/2007 vom 28. November 2007) oder gewöhnlichem E-Mail eingereichte
Eingaben nicht fristwahrend (Urteile 2C_531/2015 vom 18. Juni 2015 E. 2.1;
2C_154/2011 vom 28. Februar 2011 E. 2). Dies gebietet sich nicht zuletzt auch
aus Gründen der Rechtssicherheit. Weiter entspricht es gängiger Praxis, dass
Beschwerdeschriften, deren Unterschrift fehlt, nur innert Nachfrist verbessert
werden können, wenn die Unterlassung unfreiwillig erfolgt ist, nicht aber, wenn
diese bewusst - durch Übermittlung per Telefax oder gewöhnlichem E-Mail -
geschieht (E. 4.5 hievor). Denn bei der Übermittlung einer Eingabe mittels
E-Mail geht eine Unterschrift regelmässig nicht vergessen, sondern sie fehlt
der Natur der Sache nach von vornherein. Der Hinweis des Beschwerdeführers auf
ZAK 1956 S. 479 (vgl. auch SVR 2010 UV Nr. 29 S. 117, 8C_556/2009 E. 4.2 und E.
4.4 in fine hievor) ist daher im vorliegenden Zusammenhang nicht einschlägig.
Möglich bleibt eine Verbesserung des Formfehlers vor Ablauf der
Einsprachefrist, worauf die zuständige Behörde den Einsprecher gegebenenfalls
aufmerksam machen muss. In diesem Sinne hat das Bundesgericht im vom
Beschwerdeführer erwähnten Urteil 1P.254/2005 vom 30. August 2005 im
Zusammenhang mit einer per E-Mail erhobenen Einsprache gegen einen Strafbefehl
entschieden. Da die ordentliche Rechtsmittelfrist im Zeitpunkt des Eingangs des
E-Mail noch nicht abgelaufen war und das Verhöramt den Einsprecher nicht auf
den Formmangel hingewiesen hatte, hielt das Bundesgericht dafür, das Interesse
des Beschwerdeführers an einem fairen Verfahren (Art. 29 Abs. 1 BV) überwiege
unter den vorliegenden Umständen das öffentliche Interesse an der strikten
Einhaltung der gesetzlichen Formvorschriften, weshalb die damals noch laufende
Einsprachefrist sinngemäss wiederherzustellen sei.

4.7. Auch im vorliegenden Fall war die Einsprachefrist noch nicht abgelaufen,
als der Beschwerdeführer am 24. Oktober 2014 seine Eingabe mittels E-Mail
einreichte. Es stellt sich daher die Frage, ob der Unfallversicherer den
Beschwerdeführer rechtzeitig auf den Formfehler der Eingabe hätte aufmerksam
machen müssen, damit er den Fehler vor Ablauf der Einsprachefrist hätte
verbessern können. Da der Versicherte im besagten E-Mail ausdrücklich darauf
hingewiesen hat, dass "das Original auf dem Postweg unterwegs" sei, konnte sie
jedoch ohne weiteres davon absehen. Aufgrund der Wortwahl konnte diese
Mitteilung nur so verstanden werden, dass die fehlende Unterschrift bereits auf
Papierform nachgeholt und das Dokument auf dem Postweg verschickt worden ist.
Hinzu kommt, dass die Rechtsmittelbelehrung der Verfügung vom 23. September
2014 den eindeutigen Hinweis enthielt, dass die Einsprache "schriftlich (auf
dem Postweg) " zu erfolgen hat. Unerheblich ist dabei, dass die mündliche
Einsprache in der Rechtsmittelbelehrung nicht ebenfalls ausdrücklich erwähnt
wurde. In einem solchen Fall wäre nämlich ein unterzeichnetes Protokoll zu
erstellen und die Eingabe somit ebenfalls in Papierform aufzunehmen gewesen.
Der Beschwerdeführer hat den Hinweis in der Rechtsmittelbelehrung nicht
beachtet und die Eingabe per elektronischer Post eingereicht. Selbst wenn er
diesen übersehen haben sollte, kann nicht davon ausgegangen werden, dass ihm
versehentlich ein Formfehler unterlaufen ist. Im Mail vom 24. Oktober 2014
teilte er nämlich nicht nur seine Absicht mit, den Formfehler zu beheben,
sondern gab gleichzeitig auch bekannt, dass der Formmangel bereits behoben und
das Originaldokument auf dem postalischen Weg unterwegs zur Beschwerdegegnerin
sei. Es wäre dem Beschwerdeführer somit auch ohne ausdrücklichen Hinweis des
Unfallversicherers möglich gewesen, sich innerhalb der Einsprachefrist in
Papierform mit Originalunterschrift an diesen zu wenden. Einen plausiblen Grund
für die verspätete Übergabe der Sendung an die Schweizerische Post nennt der
Versicherte nicht. Auch wenn kein Indiz für einen möglichen Rechtsmissbrauch
des Beschwerdeführers vorliegt, verletzt es kein Bundesrecht und ist
insbesondere nicht überspitzt formalistisch, wenn die Vorinstanz bei der hier
vorliegenden Konstellation den Nichteintretensentscheid der Beschwerdegegnerin
bestätigt hat. Für die Gewährung einer Nachfrist zur Begründung der Einsprache
bestand somit kein Anlass. Die Beschwerde ist daher abzuweisen.

5. 
Dem Ausgang des Verfahrens entsprechend hat der Beschwerdeführer grundsätzlich
die Gerichtskosten zu tragen (Art. 66 Abs. 1 BGG). Seinem Gesuch um
unentgeltliche Rechtspflege kann jedoch entsprochen werden (Art. 64 BGG). Er
hat der Bundesgerichtskasse Ersatz zu leisten, wenn er später dazu in der Lage
ist (Art. 64 Abs. 4 BGG).

Demnach erkennt das Bundesgericht:

1. 
Die Beschwerde wird abgewiesen.

2. 
Dem Beschwerdeführer wird die unentgeltliche Rechtspflege gewährt und
Rechtsanwalt David Husmann wird als unentgeltlicher Anwalt bestellt.

3. 
Die Gerichtskosten von Fr. 800.- werden dem Beschwerdeführer auferlegt, indes
vorläufig auf die Bundesgerichtskasse genommen.

4. 
Dem Rechtsvertreter des Beschwerdeführers wird aus der Bundesgerichtskasse eine
Entschädigung von Fr. 2800.- ausgerichtet.

5. 
Dieses Urteil wird den Parteien, dem Sozialversicherungsgericht des Kantons
Zürich und dem Bundesamt für Gesundheit schriftlich mitgeteilt.

Luzern, 24. Februar 2016

Im Namen der I. sozialrechtlichen Abteilung
des Schweizerischen Bundesgerichts

Der Präsident: Maillard

Die Gerichtsschreiberin: Hofer

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